AW: DSA wechselt von FanPro zu Ulisses
Meine Statements als Uralt-DSA-Hase, der inzwischen eigene DSA-Wege gegangen ist:
DSA - Marktchancen
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Lassen wir für den Moment mal außen vor, ob DSA 4 überkomplizierter Dreck ist oder das beste, detailreichste System ever. Fakt ist meiner Ansicht nach, dass zu DSA und Aventurien so gut wie jedes Thema bereits sehr erschöpfend produziert wurde. Ähnlichkeiten mit der oWoD sind rein zufällig, schaffen aber die gleiche Grundsituation:
Mann kann alle paar Jahre eine neue Edition raushauen, die einen Stapel Neuauflagen bestimmter Kernbücher nach sich zieht. Auch kann man alle paar Jahre die Ereignisse des Kanon/Metaplot in Form auf das "neue Jetzt" aktualisierter Bücher publizieren.
Man wird auf diese Art und Weise immer Käufer finden, schafft aber auch das Risiko, immer weniger neue Spieler zu gewinnen - nicht zuletzt deshalb, weil die Garde der Uralt-DSA-Experten jede banale N00b-Frage mit so viel Fachwissen zuballern, dass sich jeder Neueinsteiger wie ein unwertes Stück Mist fühlen muss ("Boah, wie kannst du nur einen Hinterpinduresischen Magwinden-Ork in einem in Vorderpinduresischen Setting auftauchen lassen - noch dazu, wo das dreizehnte Konzil von Unterursel laut Boten gerade beschlossen hat ...").
Es gelingt mir natürlich nicht, aber ich versuche mir vorzustellen, ob ich, wenn ich heute 13 Jahre wäre, mir auch wie damals 1984 DSA wünschen und über dieses System zum Rollenspiel finden würde. Und, ganz ehrlich: Ich glaube, nein.
Wenn ich mir aktuelle Rollenspiel-Regelwerke (und gerade die Klassiker, und GERADE DSA) in aktueller Auflage (die, welche im Laden steht oder bestellbar ist - alle Diskussionen um frühere Editionen sind Elfenbeindiskussionen, jedenfalls was die Frage nach der DSA-Zukunft angeht!) ansehe, dann fühl ich mich selbst heute überfordert. Als Kiddo würde ich davorstehen wie vor dem BGB in Extended Version.
Nimmt man die generelle Berkomplizierung von Regel und Setting und höhere Einstiegshindernisse (wie kollektive Verarsche durch alte Hasen und ständiges Prüpgel kriegen mit zum Stock gerollten Ausgaben des Boten) dann noch zusammen mit heute (im Gegensatz zu 1984) verfügbaren Alternativen (30+ TV-Programme, Playstation, Online-Games (WOW)) dann muss einen nicht wundern, dass die Rollenspielszene generell in Schwierigkeiten steckt.
nDSA?
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DSA hat gegenüber allen anderen Systemen den einzigartigen Vorteil, Platzhirsch in Deutschland zu sein. NOCH! Denn in der Tat holt D&D schnell auf. Und in der Tat beruht das zum Teil auf Gestaltung, zum Teil auf Setting-Auswahl, zum Teil auf d20 als System (geringerer Komplexitätgrad als DSA 4), zum Teil auch darauf, internationaler zu sein (weltweit mehr Websites mit runterladbarem Fan-Material, Maps, Adventures ...) und ja, auch TOLKIENischer zu sein (die elementaren ELf/Zwerg/Ork-Klischees aus Buch und Film funzen bei DSA dank "Beleuchtung der rassischen Hintergründe auf kulturell akzeptabler Weise" nicht so richtig.
Eine lange, vielleicht zu lange Zeit konnte DSA sich darauf ausruhen, alternativlos zu sein. Das ist jetzt nicht länger der Fall.
Ein neues, deutsches RPG aus der Taufe zu heben, mit neuem, einfacherem, unverbrauchteren Setting, ist keine Lösung - dieses Spiel würde DSA Konkurrenz machen, unterm Strich würden beide Systeme unterliegen und D&D noch mehr gepusht werden.
Also: Ja, ein Ende von "oDSA" und der Start eines "nDSA" macht AUS VERLAGSSICHT durchaus einen gewissen Sinn.
BESSER aber noch - und ich glaube, wenn bei Ulisses irgendwo jmd. sitzt, der was von Marketing versteht, dann wird es auch so gemacht - wäre, eine 5. Edition mit radikalem Wechsel der Regel- und BuchSTRUKTUREN auf den Weg zu bringen:
- Regelwerk 1, dünn, preiswert in Buchform und alternativ noch preiswerter als pdf: DSA BASISREGELN (Einfache Regeln, auf das Nötigste abgespeckt, 5 Völker, 5 Klassen)
- Regelwerk 2, dick, Hardcover, prächtig, mit vollen Detailregeln zu everything: DSA AUSBAUREGELN
- Buch 3, zur Verwendung für RW1 und RW2: AVENTURIA (das Setting-Buch).
Rest wie gehabt.
Vorteile:
--- BASISREGELN sprechen N00bs an und führen sie dem Spiel zu
--- AUSBAUREGELN sprechen Alte Hasen an und geben Detail-Liebhabern, was sie wollen
--- TRENNUNG VON REGELN UND SETTING erlaubt die Aktualisierung des Settings oder das Bedienen mehrerer zeitlich unterschiedlicher Spielebenen (AVENTURIA INKOGNITA (spielt zur Zeit der Landung der ersten Siedler an Aventuriens Küste), AVENTURIA BOSPARANA (spielt zur Zeit der alten Liebfeldischen Blüte, kurz vor Bosparans Fall), AVENTURIA BORBARAD (spielt zur Zeit des Dämonenzuges) und AVENTURIA INCARTA (durch Redax fortgeschriebenes und weiter aktualisiertes "Jetztzeit"-Setting))
Die Trennung der Spiellinien nach Epochen schafft dann die zusätzliche Chance, detaillierter auf Präferenzen verschiedener Spielergruppen einzugehen. Gerade die "abgeschlossenen" Settings bieten neueinsteigenden Meistern ein besser greifbares und BEgreifbares Gesamtbild "seiner" Welt als ein Setting, dass sich alle paar Monate weiter aktualisiert, während er noch dabei ist, sich einzulesen.
Aus dem ZWANG zum Mitlesen und Weitergehen ist eine OPTION geworden.