Die "Stimme" eines guten Spiels

AW: Die "Stimme" eines guten Spiels

Für mich ist es extrem wichtig, dass man Schlüsse aus dem Setting ziehen kann, denn sonst könnte man das Setting überhaupt nicht in ein Buch rein packen. Wie Zornhau sagt: die Details unterscheiden sich von SL zu SL, aber die wesentlichen Bestandteile gehen in etwa in diesselbe Richtung.

Ich glaube du verstehst meinen Einwand falsch. Ich kann solchen "kalten Fakten" ebenfalls nichts abgewinnen. Es ist einer der Hauptgründe weshalb ich mir keine Regionalbände für WFRP kaufe. Aber davon habe ich gar nicht gesprochen.

Mir ging es darum, dass ein "Setting" oder irgendeine "klare Linie" nicht existiert. Als Spieler hast du lediglich Versatzstücke, die du zusammensetzt. Erst wenn du dir die Mühe machst diese Versatzstücke in ein großes Ganzes zusammenzufügen, kann man von einem Setting sprechen. In der Regel macht man das um es im Spiel dann zu benutzen, aber viele Lese-Rollenspieler machen das einfach nur so zum Spaß. Einer der Gründe weshalb Fantasy-Romane mit ihren Weltenbeschreibungen bei Rollenspielern so beliebt sind, ist dass sie dort ähnliche Gehirnmuskeln benutzen können wie beim Setting-Lesen. Sie bauen aus Versatzstücken im Text eine Art "Gesamtkunstwerk". (Das ist übrigens eng verwandt mit dem Lesen von "normalen" Büchern, in denen man eine Geschichte aus den Versatzstücken im Text zusammenbaut.)

Der Kniff besteht darin, dass man als Leser sich oft nicht bewusst ist, dass man da eigentlich etwas kreatives tut. In der Regel glaubt man, dass man das Setting nur "entziffert" bzw. "sich einen Reim darauf macht". Oder wie du es gesagt hast, dass man daraus schlau wird. So als gäbe es so etwas wie das wahre oder richtige Setting, dass es zu erkennen gibt. Dem ist nicht so. Es gibt, wie so oft, nur das am weitesten verbreitete Verständnis (oder wie ich es oben nannte: Erklärungsmodell) zu einem Spiel.

Aber da das Rollenspiel gerade davon lebt, dass weder der Autor eines Spiels noch die Spieler anderer Gruppen (egal wie viele es auch sein mögen) einem zu sagen haben, wie ein Setting "richtig abläuft", ist dieses "größte gemeinsame Verständnis" nicht viel wert.

Er könnte sich das Setting nicht "zueigen zu machen" und in seinem Sinne erweitern.

Das sehe ich nicht so. Wenn es den SL zum Spiel "inspiriert" (man entschuldige die etwas schmalzige Wortwahl), dann reicht das vollkommen. Aber Chameleon-männer und fliegende Frauen finde ich zu abstrus, um damit etwas anfangen zu können. Anderen geht das vielleicht anders. Darum geht es mir doch. Die "Stimme" eines Spiels liegt nicht im Text vergraben oder in der Art der Informationen, die darin enthalten sind. Sie liegt in der Hand bzw. dem Kopf des Spielers.

Bei WFRP etwa, hatte ich nach dem Lesen des Regelwerks keine richtige Vorstellung was ich mit dem Setting denn machen sollte. Erst als jemand das Spiel mal als Black Adder: The RPG beschrieb und ich kurz darauf das Old World Bestiary las (insbesondere einen Eintrag zu den Beastmen), machte es auf einmal *klick*. Als ich mir dann das Regelwerk noch mal ansah, sprangen mich sofort irgendwelche Textstellen an als Ideen für eine Rollenspielrunde oder kleine Momente zum einstreuen während des Leitens, um dem Setting eine gewisse Würze zu geben.

Der Text hatte sich nicht verändert. Aber meine Sicht darauf und der Kontext in dem ich das Buch las schon.
 
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Als Spieler hast du lediglich Versatzstücke, die du zusammensetzt. Erst wenn du dir die Mühe machst diese Versatzstücke in ein großes Ganzes zusammenzufügen, kann man von einem Setting sprechen.
Hmm, ja, da kann ich dir zustimmen, habe ähnliches auch schon erlebt und so wahrgenommen.
Kreative Leistung...keine Frage. Ist so. Aber trotzdem müssen die Settingelemente eine gewisse Referenzialität aufweisen und dazu einladen sie in allen möglichen Kombinationen erweitern kann. Der Trick für den appeal ist IMO das weder zu einfach (komplett generische "Denkt-euch-alles-aus"-Settings, wie Sorcerer), noch zu schwer (das ist die Welt X, im Sourcebook Y beschreiben wir ihre Regierung, in Sourcebook Q ihre Religionen, in Sourcebook Z die Lebenseinstellung der Bewohner...) zu machen.

Bei WFRP etwa, hatte ich nach dem Lesen des Regelwerks keine richtige Vorstellung was ich mit dem Setting denn machen sollte. Erst als jemand das Spiel mal als Black Adder: The RPG beschrieb und ich kurz darauf das Old World Bestiary las (insbesondere einen Eintrag zu den Beastmen), machte es auf einmal *klick*. Als ich mir dann das Regelwerk noch mal ansah, sprangen mich sofort irgendwelche Textstellen an als Ideen für eine Rollenspielrunde oder kleine Momente zum einstreuen während des Leitens, um dem Setting eine gewisse Würze zu geben.
Sorry, aber genau damit gibst du mir letztlich doch Recht, oder?
Ohne einen Referenzrahmen (egal ob dieser durch das GRW- was wünschenswert wäre- oder durch Diskussionen- was auch akzeptabel ist- aufgebaut wird) kann man keinen Bezug zum Setting herstellen.

Das hat überhaupt nichts mit "zu exotisch" zu tun, sondern vielmehr mit fehlender Übersicht über die Bestandteile des Settings. Nehmen wir Feng Shui: da hast du vercyberte Affen, Höllendämonen und lotusfressende Zauberer und Shaolin-Mönche, dazu Geheimdienstspooks und die Geschichte wird regelmäßig umgeschrieben- wenn man das auf diese Weise präsentiert, dann ist das mindestens so freakig und abstrus wie fliegende Frauen und Kommunikation durch Düfte. Erst durch einen Referenzrahmen (Was wollen die Fraktionen? Worum geht es im Secret War?) und Bezugspunkte ("Schaut euch Actionfilme an, da bekommt ihr Ideen wie dieses Spiel zu spielen ist- nicht unbedingt unsere Ideen, aber brauchbare Ideen").
 
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Aber trotzdem müssen die Settingelemente eine gewisse Referenzialität aufweisen und dazu einladen sie in allen möglichen Kombinationen erweitern kann.

Ja. Aber....

Ohne einen Referenzrahmen (egal ob dieser durch das GRW- was wünschenswert wäre- oder durch Diskussionen- was auch akzeptabel ist- aufgebaut wird) kann man keinen Bezug zum Setting herstellen.

...was ich sage ist, dass dieser Rahmen nur vom Spieler gesetzt werden kann bzw. erfunden wird. Das hat mit dem Buch wenig zu tun. Ein Setting kann nicht aus sich selbst heraus sagen, wie es gelesen werden soll. Es kann auf andere Rahmen bzw. Film- oder Buchgenres verweisen, aber es liegt letztendlich am Leser selbst aus den losen Inhalten im Buch ein spielbares Setting zu bauen.

Man kann lernen ein Setting zum Laufen zu bringen, aber man kann nicht festmachen was einem Setting eine "Stimme" verleiht. Oder um mal einen Unknown Armies-Slogan zu entleihen: Du bist schuld!
 
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Tja, ich störe mich weiterhin an "nur vom Spieler".

Sehe ich anders, habe ich auch lang und breit erklärt, warum ich da eher ein "auch" sehe (trifft jetzt auf UA nicht zu, aber auf einige andere Spiele). Mehr Argumente kann ich jetzt auch nicht bringen.

Ich könnte jetzt noch ein paar Threadseiten lang Spiele nennen, wo ich das in der von mir beschriebenen Weise umgesetzt sehe und du könntest weiterhin Beispiele nennen, wo das eben so ist, wie du es beschreibst, aber es würde die Diskussion nicht wesentlich voran bringen. Daher werde ich mich wohl ab hier ausklinken, sofern nicht noch etwas in diesem Thread auftaucht, was noch zu kommentieren wäre oder was wesetlich neue Ideen in die Diskussion wirft.
 
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Wurde denn deine anfängliche Frage beantwortet oder stört dich bloss dass ich deinen Grundannahmen nicht zustimme?
 
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Stört mich überhaupt nicht. Ich verstehe was du sagst, ich bin nicht überzeugt. Ende. Ich hatte einfach den Eindruck, dass (auf beiden Seiten) die Argumente aufgebraucht sind und sich die Diskussion im Kreis dreht. Deswegen will ich sie nicht weiterführen.

Habe durch die Diskussion zumindest das was im Eingangspost noch ein "vager Eindruck" war, konkretisieren und in brauchbarere Worte fassen können, womit ich ein brauchbareres Fundament hätte, um zu erklären was mir an einigen Settings gut gefällt. Natürlich sind Geschmäcker da verschieden, aber das sage ich ja seit dem Eingangspost.
 
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