"Dah! Dah!!" trieb Freako seine Männer an, doch es wäre nicht nötig gewesen. Sie ritten von sich aus wie die Teufel, doch blieben eng beieinander. Sie spürten die Schatten, die rasend schnell näher kamen. Als Freako einen Blick zurück warf konnte er sie sehen. Eine gewaltige, formlose Masse. Sie war nicht wirklich da, nicht wirklich zu sehen, und doch...
Die Reiter holten das letzte aus ihren Pferden heraus. Sie wussten, dass sie einen Wettlauf wagten, den sie nicht gewinnen konnten. Doch es war das einzige, was sie tun konnten.
Es wurde rasch dunkler, und bald waren sie fast komplett eingehüllt von Schwärze. Regen setzte wieder ein und durchtränkte sie von Neuem bis auf die Haut. Es wurde eiskalt um sie herum, doch Freako wusste, dass dies nicht vom Wetter herrührte.
Er konnte sie spüren. Sie waren nah... kamen näher... fast schon hatten sie sie erreicht. Da- der Schatten begann sich hinter den letzten Reitern zu verdichten, Bewegnug entstand, das Schwarze schien sich förmlich zusammenzuballen... Klauen und Reißzähne schienen gierig und geifernd zu schnappen und griffen schon nach ihren ersten, wehrlosen Opfern...
"Tellur! Chandshif Kheljahr!" brüllte Freako aus Leibeskräften, und sein General schien auf den Befehl nur gewartet zu haben. Er wandte sich im Sattel um, formte lautlos Zeichen mit den Fingerspitzen in der Luft, die von feinen, goldenen Linien nachgezeichnet wurden- und mit einem Male schoß eine grelle Leuchtkugel empor und strahlte hell über ihnen auf.
Ein unmenschlicher, grausamer Schrei war zu hören, und die Schatten hinter ihnen stoben auseinander. Pferde versuchten auszubrechen, und einer der hinteren Reiter war bereits zu schwach, um sein Reittier unter Kontrolle zu halten. Er wurde aus dem Sattel geworfen und stürzte schwer zu Boden. Das Pferd stieg auf die Hinterläufe und wieherte in Panik.
"Dwellith! Reitet weiter!!" schrie Freako. Sie konnten dem Mann nicht mehr helfen. Die Leuchtkugel schwebte über ihnen her, und kaum dass der Lichtkegel nicht mehr über dem Reiter lag ertönten seine Schreie über dem Feld. Schreckliche reißende und brechende Geräusche wurden laut, und dann verstummten die Schreie, kurz darauf auch das panische Wiehern des Pferdes.
Freako warf einen besorgten Blick auf Tellur. Sein alter Freund war kein mächtiger Magier, doch beherrschte er diesen Zauber, im Gegensatz zu Freako selbst, der gar nicht im Stande war auf herkömmliche Art Magie zu wirken. Trotzdem kostete es den Elfen unglaubliche Mühe, den Bann aufrecht zu erhalten und gleichzeitig sein Pferd zu kontrollieren.
Dann suchte der Blick des Kriegerpoeten Valderag und fand ihn. Der graue Elf hatte sich erstaunlich gut erholt und hielt auf seinem abgemagerten Pferd gut Schritt mit dem Trupp. Freako begann sich zu fragen, wie lange sie es wohl noch aushalten mussten. Es war nicht weit bis zu ihrem vorläufigen Ziel, doch es würde ein Lauf durch die Hölle werden.
Mit der Zeit, die sie ritten, mussten sie immer langsamer werden; zum einen, weil ihre Tiere am Rande der Erschöpfung waren und zum anderen, weil es Tellur immer schwerer fiel seinen Zauber zu wirken. Die Lichtkugel flackerte immer öfter, und auch er selbst wankte mehr als einmal im Sattel und drohte zu stürzen.
Als Freako schon dachte, sie würden es nicht schaffen, tauchte vor ihnen ein leicht goldener, kaum wahrnehmbarer Schimmer auf. Der Anblick gab den Männern und ihren Tieren neue Kraft, und ohne dass es eines Befehls ihres Führers bedurft hätte beschleunigten sie noch einmal ihren Ritt.
Um ein Haar hätten sie es geschafft.
Das Schimmern wurde stärker, und als sie über eine Hügelkuppe ritten sahen sie es vor sich- wie eine goldene Kuppel erhob es sich bis weit über den Boden. Mächtige, alte Bäume standen hier, umgeben von einer mächtigen Barriere aus heiliger Energie, die die Dunkelheit vertrieb wie die Sonne, die sie so lange nicht mehr gesehen hatten.
Die alte Lichtung.
Sie hätten gejubelt, hätten sie die Kraft dazu noch gehabt. Doch sie brauchten alle Energie die sie aufbringen konnten, um dieses letzte Stück zu bewältigen.
Doch dann geschah es- ob es ein stein, eine Unebenheit im Boden oder schlicht und ergreifend Schwäche war, sie fanden es nie heraus. Tellurs Pferd strauchelte, kämpfte um sein Gleichgewicht, wurde jedoch von seiner eigenen Geschwindigkeit nach vorne geworfen- und schleuderte seinen Reiter in hohem Bogen davon. Mit unglaublicher Wucht prallte der Elf auf den Boden auf und wurde Sekundenbruchteile Später von seinem stürzenden Pferd begraben.
In diesem kurzen, unheilvollen Augenblick geschahen zwei Dinge- die leuchtende Kugel über ihnen zerbarst in einem Regen aus goldenen, schwach glühenden Funken- und die Schatten waren da.
Sie kamen nicht herangerast oder geschlichen, sondern waren einfach da. Mitten unter ihnen. Riesenhafte Schemen, in der Dunkelheit nicht klar zu erkennen, mit unglaublicher Kraft und grausamen Klauen, Mäulern und Dornen. Schon im ersten Augenblick wurden mehrere Reiter aus den Sätteln gerissen und in der Luft zerfleischt. Schmatzende, schlingende Laute ertönten und brachten Freakos Magen fast dazu seinen Inhalt freizugeben. Doch sie mussten weiter.
Ein Regen von elfischem oder menschlichen Blut ging über Freako hernieder, und er riss das gereinigte Angrist aus der Scheide.
"An Edhil!!" schrie er aus voller Kehle und gab seinem Pferd ein letztes Mal die Sporen. Die Barriere war nicht mehr fern, doch immer mehr Krieger wurden gepackt und zerfetzt.
Er wusste nicht, ob es Glück oder die heilige Aura seines Schwertes war, das ihn rettete. Krallen aus purer Bosheit und Schwärze sausten über ihm hinweg, trafen ihn jedoch nicht, und mit einem angstvollen Wiehern durchquerte sein Pferd schließlich die Barriere. Hinter ihm brachen noch einige Reiter hindurch, einer erreichte das rettende Ziel ohne seinen Kopf und brach blutüberströmt mitsamt seinem Pferd zusammen.
Fünf waren sie noch. Einer der beiden Orks, zwei Menschen, der Elf, der zuvor an der Pforte Wache gehalten hatte, und Valderag.
Valderag... er hatte es geschafft. Freako atmete innerlich auf. Er wusste nicht wieso, doch er hatte das Gefühl, dass alles verloren war, wenn sein alter Gefährte zu Tode kam.
Sie hielten ihre Tiere an und blickten zurück. Dort wo die Barriere zu Ende war dräuten sich die Schatten, und sie konnten die Blicke brennender, hasserfüllter Augen förmlich spüren. Schließlich gab Freako nur einen müden Wink, und der Trupp setzte sich in Bewegung, duch die ersten, uralten Bäume hindurch, auf die alte Lichtung zu.