Der Untergang

Freako

Der Kriegerpoet
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4. April 2004
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Heftige Regenschauer peitschten über das Land und hatten den zerstörten, zertrampelten Erdboden in einen braunen Morast verwandelt. Die einst prachtvolle Ebene war verwüstet, und keine Spur von Leben zeigte sich weit und breit.

Graue Wolken hingen schwer am Himmel und verdüsterten die Szenerie noch weiter. Gelegentlich zuckte ein Blitz auf, und das laute Donnern des nun schon tagelang währenden Gewitters war das einzige, das außer dem Pfeifen des Windes und dem Prasseln des Regens zu hören war.

Was konnte es sein, das einen blühenden Landstrich in eine solch trostlose Einöde verwandeln konnte? Nicht Naturgewalten noch Brandrodung war zu so etwas schrecklichem imstande.

Es war Krieg. Ein grausamer, gnadenlos geführter Krieg, der ohne Rücksicht auf Verluste geführt wurde, weder auf Seiten der Parteien noch auf der der Natur. Zerborstene Schilde, abgebrochene Speere, zerfetzte Wimpel und die Leichen der gefallenen Krieger waren stumme Zeugen der Schrecknisse, die sich hier abgespielt hatten.

So weit das Auge reichte erstreckte sich nur dieses schreckliche Feld der Verwüstung. Es war ein unglaublicher Anblick, niemals zuvor hatte man auf New Hope eine solche Zerstörung gesehen.

Was war hier geschehen?
 
Tod. Er hüllte das Feld ein, besetzte es, und ließ des Betrachters Auge nichts anderes mehr sehen als seine stumme, kalte Gegenwart. Aber nicht der Tod war das Grausame, es war der Wahnsinn. Der Wahnsinn, der den Tod einlud und ihn mit scharfen Klingen über das Feld schickte, damit die Lebenden fielen wie die Ähren unter den Hieben einer Sense. Der Wahnsinn hieß Krieg.

Bruder gegen Bruder, Volk gegen Volk, Jeder gegen Jeden. Der Krieg hatte vor nichts und niemandem halt gemacht. Und dieses Schlachtfeld war nur eines der unzähligen. Die Blitze erhellten das Szenario in einem gespenstischem, zufälligem Rythmus und offenbarte die Frucht, die die hehren Ziele der Anführer schlussendlich trugen. Die Dunkelheit, die sich nach den Blitzen wieder über das Land legte, war ein gnädiges Leichentuch für dieses Schlachtfeld, das seinem Namen alle Ehre machte. Es war keine Schlacht mehr gewesen, es war Schlachterei. Ohne Sinn und Verstand.

Und doch würde es nie enden. Denn ein jeder griff lieber zur Waffe, als sich widerstandslos überrennen zu lassen. Ein jeder. Und so brachen die Völkerschlachten über die Lande New Hopes herein, und der Himmel verdunkelte sein Antlitz. Die Dunkelheit wurde nur noch übertroffen von den Schatten der Pfeile und Assfresser.

Die Person stolperte über einen abgebrochenen Speerschaft, der aus der Leiche des jungen Kriegers ragte. Offensichtlich handelte es sich um einen Elfen, wie seine Ohren verrieten, wenn das auch das einzige an ihm war, was noch elfisch anmutete. Sein wohl einst blondes Haar war grau und zeigte nur noch blonde Strähnen, jedoch bildete das schmutzige Rot-brau von verkrustetem Blut im Moment den hauptsächlichen Farbton an seinem Kopf.

Das Blut auf seinem Hinterkopf schien von dem Elfen selber zu stammen. Vielleicht stammte es von einem Sturz von dem Pferd, das der Elf mühsam zu erreichen versuchte. 'Schon ein seltsames Bild', ging dem Wesen durch den Kopf, als es sich schwankend aufrichtete und nach der Mähne des Tieres griff.
'Eigentlich...müssten wir beide doch auch tot sein...nur so wenige Schatten bewegen sich auf diesem Feld...was ist hier geschehen...ich wünschte mein Kopf würde nciht so schmerzen...'

Ein schmerzerfülltes zucken durchlief seinen Körper, als er das erste Mal aufsetzten wollte. Seine Beine drohten nachzugeben, sodass er sich fest in die Mähe des grauen Reittieres vor sich krallen musste, um nicht zusammen zu sacken. Das Pferd wieherte leise und sah ihn aus großen Augen an. Als ob...es ihn verstehen würde...

Mit einem Ruck und einem schmerzvollem Stöhnen zog sich der Reiter auf den Rücken des Tieres. Er hing mehr als dass er saß, aber er war oben. Schmerz durchzuckte seinen Kopf. Wieso war das Pferd hier gewesen, wieso er...wo war er...was war geschehen...

Ihm schwirrte der Kopf vor Fragen. Doch so sehr er sich auch bemühte: Alles bis zu jenem Moment, wo er die Augen aufschlug und sich ob des verwesenden Orks auf sich übergab, lag im Dunkeln. Aber diese Schlacht...er...hatte wohl daran teil genommen. Er war mit verkrustetem Blut bedeckt, hatte zwei Klingen in der Hand gehabt - wovon eine in der Mitte geborsten war - und seine graue Kleidung war zerfetzt. Das Pferd sah ähnlich mitgenommen aus, es hatte aus mehreren Wunden geblutet, wie die braunen Flecken im Fell bewiesen, ausserdem hinkte es leicht, als es einige Schritte nach vorne ging. Aber...sie beide lebten und...und dann war da wieder Schwärze in seinem Kopf.

Die Schwerter, die er in die Schwertscheiden auf seinem Rücken geschoben hatte - sie schienen zu passen - drückten schwer auf seinen Rücken, und es tanzten erneut Sterne vor seinen Augen. Sein Blickfeld drehte sich kurz, Himmel und Erde tanzten umeinander, doch dann sah er wieder klar.

Er klammert sich in die Mähne als ihm klar wurde, das er fast vom Pferd gefallen wäre. Er musste hier weg...
Aber weg...wohin? Soweit das Auge reichte...nur Tote. Die Toten und ihre Schlachtehre...irgendwie klangen diese Worte vertraut.

"Bor...ego..." diese Worte kamen als leises Krächzen aus seinem trockenen Mund, und er schluckte verwirrt. Was...hatte er da gesagt. Es klang vertraut und doch viel es ihm unendlich schwer, mehr dieser Worte zu fassen, als müsse er durch Sirup greifen...
Das Pferd schnaubte leise und ging langsam weiter. Als hätte es ihn verstanden. Er schloss die Augen. Er konnte sowieso nichts tun. Müde sank er vorneüber auf den Pferdehals und ließ sich von dem Tier tragen.
 
Freako Lainvendil ritt an der Spitze des kleinen Reitertrupps. Die Krieger, die ihm folgten, größtenteils Elfen, seine persönliche Garde, Kämpfer, die er schon seit unzähligen Jahren kannte und die stets treu an seiner Seite gefochten hatten, doch auch einige Menschen mit grimmigen Gesichtsausdrücken, und sogar zwei gewaltige Orks, bewaffnet mit langstieligen Doppeläxten, waren gezeichnet von den anhaltenden Kämpfen, die sie hatten durchstehen müssen, doch er selbst sah nicht besser aus. Seine alte Rüstung war durch ihre Magie und das verstärkte Mithril zwar unversehrt, doch bedeckt von Blut, Schlamm und Staub. Ebenso sein Helm; selbst sein Reittier, der namenlose schwarze Hengst aus dem Geschlecht der Pferdefürsten zeigte deutliche Anzeichen von Erschöpfung.

Es war nicht nur die körperliche Müdigkeit; langsam aber sicher wurde auch sein Geist des ewigen Kämpfens müde. Sie alle wussten, dass sie diesen Krieg niemals gewinnen konnten.

Die ungefähr zwanzig schwer gepanzerten Krieger dachten das selbe, das wusste er. Selbst Tellur Réthan, sein treuer General, der sonst stets zum Scherzen aufgelegt war und Freakos Stimmung stets zu heben vermochte ritt schweigsam neben ihm her. Seine Frau war bei einem der letzten Gefechte grausam ums Leben gekommen. SIE hatten sie geholt und vor seinen Augen...

Nein, er wollte nicht daran denken. Womöglich beschwor er noch schlimmeres damit.

Zu seiner linken ritt Jehlan Brethehn, und auch er war mitgenommen, wenn auch scheinbar weniger als die anderen. Seit damals, als er die Essenz des dunklen Lords in sich aufgenommen hatte, war er stets fast Gefühllos gewesen, nach außen hin; Freako hätte dem damals jungen Elfen ein gnädigeres Schicksal gewünscht.

Doch so viel Zeit war seitdem vergangen. Freako hatte aufgehört die Alter zu zählen; ihm war nicht einmal die schleichende Veränderung aufgefallen, die die unglaublich zahlreichen Jahre mit sich gebracht hatten.

Die Zeitenwenden waren gekommen und gegangen, doch die Abstände waren immer kürzer geworden. Die Reiche hatten länger gebraucht, um sich zu erholen, die Erzminen waren weniger ergiebig und die Felder weniger fruchtbar gewesen; immer häufiger waren erbitterte Kriege um die wenigen Vorkommen von Bodenschätzen ausgebrochen.

Die ewige Feste der Elfen, Valarion, hatte sich verhüllt, und keiner von ihnen hatte sie seitdem wieder gesehen.

Und dann war keine Zeitenwende mehr eingetreten.

Das letzte Alter, oder das Alter des Untergangs, wärte nun schon seit über achthundert Jahren, und unglaublich mächtig waren die Reiche dadurch anfangs geworden; nur wenige Fürsten hatetn es geschafft sich gegen die anderen durchzusetzen und hatten die Macht über ihre Völker an sich gerissen. Nur die Elfen behielten halbwegs einen kühlen Kopf und versuchten, ihren Anhängern wenigstens etwas Sicherheit zu bieten.

Doch die Götter hatten andere Pläne gehabt. Wieso hatten sie sich abgewandt? War ihr Streit beendet, so dass sie wieder in die Kreise der alten Götter zurückkehren durften? warum nur hatte Cyrra sie verlassen?

Nach dreihundert Jahren waren die ersten gekommen. Zuerst nur vereinzelt, eine Vorhut dessen, was kommen sollte. Schatten, die nachts umherschlichen und Höfe überfielen, einzelne Patrouillen angriffen; kaum jemand bekam sie zu Gesicht und überlebte die Begegnung.

Doch es waren immer mehr geworden, und irgendwann war es soweit- Krieg brach über die freien Völker herein.

Zu spät begriffen die großen Führer was geschah und schlossen sich zu einem letzten, verzweifelten Bündnis zusammen. Eine gewaltige Armee, bestehend aus Kriegern aller vier Völker, stellte sich dem grausamen Feind. Es war die gewaltigste Schlacht, die jemals geschlagen worden war, und die größte Niederlage aller Zeiten.

SIE erschienen in so unglaublich großen Mengen, dass das Millionen Krieger zählende Heer einfach überrannt wurde. Es gab nur wenige Überlebende aus diesem Kampf, und jene die es geschafft hatten ihr Leben zu retten wurden in alle Winde verstreut. Die Zwerge zogen sich in ihre gewaltigen Berghallen zurück und versiegelten sie, und niemand wusste, was mit ihnen geschehen war; die Menschen, Elfen und Orks jedoch blieben und bekämpften die schrecklichen Wesen, die ihre Welt heimsuchten.

Ohne Erfolg.

Sie wurden geschlagen, wo immer es zum Kampf kam, und bald gab es keine größeren Verbände der vereinigten Völker mehr auf der Welt. Man überlebte nur, indem man sich an den wenigen noch sicheren Orten versteckte, und auch diese würden nicht mehr lange Schutz bieten. Was für die letzten zweihundert Jahre als relativ sicher gegolten hatte begann seinen Schutz langsam aber sicher zu verlieren. Bald würde es nichts mehr geben, wohin sie gehen konnten... bis auf einen Ort.

Freako schrak aus seinen Gedanken hoch, als er vor sich einen kleinen Punkt in einiger Entfernung gewahrte.

Ein Reiter, auf einem Pferd. Er gab seinem Trupp ein Zeichen, und die Formation schwenkte herum und hielt direkt auf den Fremden zu.
 
Die leeren Blicke des Elfen bohrten sich in den Boden und in die Ferne zugleich - man konnte es nicht erkennen, höchstwahrscheinlich konnte der Elf es auch nicht unterscheiden. Das graue Reittier setzte einen Fuß vor den anderen, langsam aber stetig. Sie kamen voran, voran über dieses Feld aus Tod, und unter den Hufen des Pferdes knirschten Rüstungen, Knochen und Holz.

So leer. Sein Kopf war so leer, nur der pulsierende Schmerz fuhr hindurch wie Wellen, die an Felsen stoßen, sich aufbäumen und zurückfallen, um wieder neu zu entstehen. Wo war er, was war geschehen...und wer war er?

Er schwankte leicht auf den Pferd und klammerte sich instinktiv wieder fest. Das Tier wieherte. Überall die Toten, die ihn ansahen. Der schwarze Himmel über ihm grollte bedrohlich. Es musste...etwas großes gewesen sein...die Erinnerung...nur Schmerz...

Erst jetzt wurde ihm bewusst, warum das Tier Laut gegeben hatte und warum es plötzlich anhielt. Aus verschwommenem Blick erkannte er Gestalten. Gestalten verschiedener Arten und Größe, mit den unterschiedlichsten Waffen.

Langsam hob er den Kopf und blinzelte, um seinen verschwommenen Blick zu klären. Wieder krallten sich seine Finger in panischer Hast in die Mähne, denn er hatte das Gefühl rückwärts zu fallen, als er aufblickte.

Mehrere Wesen hatten einen Halbkreis um ihn gebildet, einige waren Elfen - Elfen...ja...das war doch...seine Rasse...irgendwie...und irgendwie nicht...Schmerz...

Ihm wurde schwarz vor Augen, seine Gedanken brachen, wurden lückenhaft, sein Verstand ging langsam in die Knie.

"Elfen..." murmelte er leise, wie eine Erkenntnis, dann umfing in Dunkelheit und ließ ihn auf das Pferd sackten, das besorgt mit den schnaubte und mit dem Huf aufstampfte.
 
Der Elf sah schrecklich aus. Er war kaum noch als solcher zu erkennen, und doch... das schmutzige, blutverschmierte Gesicht rief Erinnerungen in Freako wach. Alte Erinnerungen, und dunkle Erinnerungen. Er hieß seinen Männern acht zu geben und stieg aus dem Sattel. Langsam schritt er auf den grauen Reiter zu und setzte seinen Helm ab.

Vorsichtig umrundete er das graue Pferd, das aussah als würde es jeden Moment zusammenbrechen, doch auch das Tier kam ihm sonderbar bekannt vor. Aufmerksam beobachtete er das Gesicht des Fremden.

Und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.

"Bei den Göttern... bei der heiligen Cyrra! Valderag, seid Ihr das?" flüsterte er.

Als er keine Antwort erhielt begriff er, dass der alte Freund das Bewusstsein verloren hatte.

"Freako... wir sollten uns nicht lange aufhalten. Lasst ihn uns mitnehmen und zur nächsten Bresche reiten. Spätestens bei Einbruch der Dunkelheit werden sie wiederkommen."

Tellur sah richtiggehend besorgt drein, und auch Jehlan nickte zustimmend. Die beiden Orks schnüffelten misstrauisch in der Luft, doch kein Anzeichen von IHNEN war auszumachen. Trotzdem hatte der General recht.

Freako nahm Valderags Pferd bei den Zügeln und schritt zu seinem eigenen Tier zurück, aus dessen Satteltasche er ein Seil herausholte, mit dem er Valderag an seinen Sattel band, damit er nicht herunterfallen konnte. Dann saß er auf und bedeutete dem Trupp mit einem knappen Befehl weiterzureiten.

Aus Rücksicht auf den Bewusstlosen und seinen Zustand kamen sie längst nicht so schnell voran wie es Freako recht gewesen wäre, und nach einer Stunde Ritt begann sich der Himmel rasch zu verdunkeln. Die Sonne hatten sie schon lange nicht mehr gesehen.

Als endlich ihr Ziel vor ihnen aus der düsteren Landschaft auftauchte war er mehr als erleichtert. Eine kleine Felsengruppe mitten in der unendlichen, weiten Öde, von der eine seltsame Energie auszugehen schien, die selbst hier noch zu spüren war. Der Anblick gab den Reitern noch einmal neue Kraft, und so legten sie das letzte Stück etwas schneller zurück. Als sie näherkamen war eine kleine Öffnung zwischen den Felsen zu erkennen. Sie stiegen ab und führten ihre Pferde hinein. Hinter dem Spalt erweiterte sich der Raum zu einer Höhle, in der die Reiter mitsamt ihren Tieren Platz finden konnten.

Der Trupp begann sich aufzulösen, und jeder suchte für sich und sein Tier ein ruhiges Eckchen in der Höhle. Rüstungen und Waffen wurden jedoch nicht abgelegt. Einer der Orks und ein Elf postierten sich am Eingang, um Wache zu halten. Ork und Elf seite an Seite... ein Anblick, der in den letzten Jahren keine Seltenheit mehr war, sollte man überhaupt noch Angehörige der freien Völker antreffen. Hätte es solche Bündnisse zu den goldenen Zeiten noch gegeben...

Freako versorgte zuerst sein eigenes Tier und ließ dann ihre Vorräte überprüfen. Es waren nicht mehr viele, doch mit etwas Glück müsste es reichen. Es würden, realistisch gesehen, ohnehin nicht alle von ihnen ankommen.

Als er sich vergewissert hatte dass alles in Ordnung war ging er zu Valderag und band ihn von seinem Pferd los. Vorsichtig hievte er ihn vom Sattel- sein Körper war erschreckend leicht, so dass dies für Freako kein Problem darstellte- und legte ihn auf ein vorbereitetes Lager aus einigen Decken und seinem eigenen Mantel. dann setzte er sich neben ihn und wartete darauf, dass sein Freund erwachte.
 
"Schließt die Reihen!" Der donnernde Befehl hallte über das Schlachtfeld, hallte über den Kampflärm und die Schreie der Sterbenden hinweg, hallt in den Ohren der Soldaten wieder, die zusammenrückte, aufrückten, um der Anweisung Folge zu leisten. Ein mächtiger Schlag fuhr auf den Elfen neben ihm herab, der schreiend zurück taumelte und mit eingedrückter Rüstung zu Boden sank. Er fuhr herum und sah einen Moment lang ein Paar Augen voller Gier und...Freude. Dann sauste die gewaltige Waffe auch auf ihn zu und...

Das Pferd wieherte und bäumte sich unter ihm auf, einen ahnungslosen Gegner mit den Hufen zu Boden werfend. Mit einem Schnauben sank das Pferd wieder auf alle viere, ein Reiter wand es mit den Knien einem weiteren Gegner zu.
Seine Klingen blitzen auf, als sie herab stießen in den Gegner, um Tod zu schenken. Schreie an seiner Seite ließen ihn aufhorchen. Er wand den Kopf, als sich eine Lanze zwischen seine Rippen bohrte. Er riss die Augen auf...

...und rollte die Karte auf dem Tisch wieder ein. Sie hatten sich so viele Gedanken gemacht, er glaubte wirklich, dass sie das Optimale aus ihren Ressourcen und ihrer Strategie herausgeholt hatten. "Eine große Schlacht fordert einen großen Preis...hoffentlich zahlen wir nicht umsonst." sagte eine Stimme rechts von ihm.
Er nickte ohne aufzublicken. Diese Stimme hatte recht. Er wusste es. Er...kannte diese Stimme. "Wir sind nur ein Teil des Ganzes" sagte er ruhig. "Ich würde uns alle opfern, wenn das Ganze dafür erfolgreich ist. Aber leider müssen wir kämpfen und nicht opfern." Langsam hob er den Blick und sah auf...

...die Truppen, die sich in der Schlachtreihe befanden, die Reiter, die Fußsoldaten, die Bogenschützen. Alle waren sie hier versammelt. Alles, was Thingol aufbieten konnte. Thingol...was war das für eine Name...was...
Er schüttelte den Gedanken ab und hob die Stimme, um seine Ansprache zu vollenden, die er an die Soldaten richtete.
"Denkt daran, das der Tod euer Gefährte ist. Er wird euch holen, wenn es ihm recht erscheint, aber er wird gleichzeitig auch unter eure Feinde fahren. Laßt den Tod auf eurer Klinge tanzen, richtet ihn gegen eure Feinde. Viele von uns werden diese Schlacht nicht überleben, aber ihr wisst alle, warum wir dieses Opfer bringen und das wir es bringen müssen.
Der Tod ist niemals vergebens, denkt daran. Weint um die Gefallen, ja, aber schütz und helft zuerst den Lebenden, denn für sie sind die Toten gefallen.
Laßt uns den Sturm über unsere Feinde bringen, zeigen wir ihnen, das die Freien New Hopes..." - Was war das für ein Name...Namen...Bilder...er konnte sie nicht zuordnen... - "...sich nicht hinwegfegen lassen wie Blätter.
Zeigen wir ihnen das wir der Wind sind und sie die Blätter!
Heute, meine Brüder und Schwestern im Geiste, heute kämpfen wir!
Und wir werden nicht vergebens kämpfen, bei meinem Blute!
Carai an bar! Carai an New Hope! Carai an min bar!"
Der Ruf wurde von den Soldaten aufgenommen und schwoll langsam an. Sollten sie kommen. Ihr Blut würde fließen. Er reihte sich mit seinem Pferd wieder in die Reihe der Flankenkavallerie ein.

Sein Pferd jagte mit ihm den Hügel herunter, auf der anderen Seite strömten die gegnerischen Truppen ins Tal. Die Armeen würden aufeinander prallen und die Erde zum Beben bringen. Pfeilregen verdunkelten die Sonne, und auf beiden Seiten rissen sie Wunden in die Kriegermasse, wie die Kralle eines Raubtieres Wunden in das Fleisch seines Opfers schnitt.
Die Schlachtreihen näherten sich einander, von der Flanke gesehen ob ihrer Größe fast träge, aber doch in vollem Lauf. Die Reiter schwenkten mit ihm herum, um von der Seite in das Schlachtgetümmel zu preschen.
Dann prallten die Schlachtreihen aufeinander, und für einen Moment schien die zeit still zu stehen. Eine Bogensehne sirrte, und ihr Sirren schien über das ganze Feld zu schwingen, ebenso wie das leise Pfeifen eines vereinzelten Vogels, der über das Schlachtfeld flog.
Wie in Zeitlupe wurden die Waffen nach vorne geschoben, auf den Gegner zu, der ebenso reagierte.

Und er spürte sie.
Keine Sanftheit, keine Angst oder Mut wie bei anderen Lebewesen, kein...kein Herz.
Er fühlte nur Dunkelheit und Kälte, und eine Gier, die das bisschen Hass, das sie für ihre Feinde hegten, ebenso wie die Freude am Töten, weit in den Schatten stellte. Er fröstelte, er fühlte sich, als hätte er soeben den Tod selber gespürt.
Mit kreischendem Brechen und einem Getöse krachten die Schlachtreihen aufeinander, und Stahl schnitt durch Rüstungen, Haut, Fleisch und Knochen. Das Feld füllte sich mit der grausig-schrillen Symphonie der Vernichtungen, als die Reiter in die Flanke des gegnerischen Heeres brachen. Auf beiden Seiten tosten Feuersäulen hoch, regneten scharfkantige Eissplitter vom Himmel. Die Schlachtenmagier hatten ihr Duell begonnen. Seine Klingen trafen funkensprühend auf die eines Gegners und...

...schreiend fuhr er hoch, sodass Freako zurückschreckte. Mit weit aufgerissenen Augen sah er ins Leere, sein ganzer Körper zittert und war schweißgebadet. Das Pferd - er wunderte sich über diese treue Tier, das scheinbar ein gerütteltes maß an Intelligenz hatte - trat vor und schnupperte ihm besorgt über die Wange.
Er krallte seine Finger in den Hals des Tieres und schluckte schwer. Langsam wand er den Kopf und sah den gerüsteten Elfen vor sich an. Sofort zuckte er zurück, wie in einem Reflex griff er mit der einen Hand nach einer Waffe, während er mit der anderen sich vom Elfen weg drückte.
Erst als er sich halb hinter den Hals des Pferdes gedrückt hatte, merkte er, das die Schwerter neben einer Decke auf den Boden lagen, dort, wo er grade noch gelegen hatten.
Er atmete rasch und zwang sich zur Ruhe. Das hier war wohl kein Feind...ein Feind hätte ihn wohl längst getötet und außerdem wäre das Pferd nicht so ruhig gewesen. So lehnte er sich erschöpft zurück und entspannte sich langsam. Bilder zuckten immer noch durch seinen Kopfe, aber sie prallten an der Leere darin ab. Was war das bloß gewesen...was...wer war er nur...
 
Besorgt betrachtete Freako den, den er nun schon so lange nicht mehr gesehen hatte. Ja, ohne Zweifel- es war Valderag, der da vor ihm saß, der graue Elf- und er hatte sich nicht einmal so sehr verändert. Er hatte schon immer zerlumpt und ausgemergelt ausgesehen, doch unter dieser gebrechlichen Fassade hatten stets ein scharfer Verstand und unheilige Stärke gelauert.

Jetzt aber waren seine Pupillen geweitet vor Schrecken und der Schweiß ließ in Strömen über sein Gesicht, obwohl es in der kleinen Höhle eher kühl war.

Freako schüttelte den Kopf. Valderag schien ebenfalls seinen Tribut an den Krieg gezollt zu haben, so wie sie alle.

"Wie geht es dir, Valderag?" fragte er schließlich.
 
"Ghwaen ther phoin, Valderag?"

Er brauchte ein paar Sekunden, um zu realisieren, das er angesprochen wurde. Er sah sich kurz um. Nein es war wirklich niemand anders in der Nähe, der gemeint sein könnte. Unsicher wand er sich wieder dem gerüsteten Elfen zu, der vor ihm saß.

"Meinst du mich?" Er musterte seinen Gegenüber genauer. Das Gesicht zeigte seltsam vertraute Züge, und doch war es wie in Nebel getaucht. "Verzeihung aber...ich verstehe dich nicht. Was meinst du?"

Sein Blick zuckte wieder unstet in der Höhle hin und her. Mehrere Bewaffnete waren zu sehen, Pferde wurden versorgt, zwei Wachen standen am Eingang. hatten sie ihn gefangen? Nein, dann wäre er nicht frei und die Schwerter - waren es seine? - lägen nicht so offen herum.

Er leckte sich über die Lippen und erschrack, wie rauh und aufgesprungen sie waren. Überhaupt brannte sein ganzer Körper wie Feuer, aber seine Verletzungen...

Er zuckte zusammen. Seine Verletzungen waren weg, das fühlte er genau. Verschwunden, als wären sie nie vorhanden gewesen...

Seine Hand fuhr tastend durch das Haar, dorthin, wo er sich an den rasenden Schmerz erinnern konnte, der noch dumpf in seinem Kopf widerhallte. Da Haar war blutverkrustet, aber nur noch Schorf lag auf der Stelle, wo eine Platzwunde gewesen sein musste. Er zog die Hand wieder zurück und starrte sie fragend an.

Dann ging sein Blick wieder verständnislos zu dem Elfen vor ihm.

"Was...ist los..." Seine Stimme brach ihm. Er schluckte kurz und zwang sich, seine Zweifel auszusprechen. "Wo bin ich, was ist passiert und...wer bin ich...wer bist du...was ist bloß los..." Seine Stimme versagte ihm wieder rund er schluckte erneut. Wenn er nur nicht diesen Durst hätte.
 
"Ich glaube, du hast wohl einen harten Schlag auf den Kopf bekommen, alter Freund." sagte Freako, nun in der Allgemeinsprache New Hopes, in der Valderag ihn angesprochen hatte.

"Aber gut, ich will deine Erinnerung auffrischen, bis du sie von selbst wieder findest. Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen... ich weiß nicht, wie lange. Du bist Valderag, ein Elf. Ich bin Freako... Freako Lainvendil, und einst gingen wir gemeinsam durch die Dunkelheit. Und wir befinden uns im Krieg, oder besser dem, was nach dem Krieg kam... und die Dunkelheit, die uns nun verfolgt ist schlimmer als das, was wir jemals ausgestanden haben."

Er hörte Schritte hinter sich und wandte sich um. Tellur stand hinter ihm und gab ihm mit besorgter Mine zu verstehen, dass er ihm folgen möge. Freako entschuldigte sich kurz bei Valderag und folgte seinem General.

Sie schritten gemeinsam zum Eingang, wo der Ork seine gewaltige Axt fester gepackt hatte und angestrengt nach draußen starrte, während der elfische Wächter besorgt auf eine Stelle an der Pforte blickte. Als sie hinzutraten sah er hoch und blickte Tellur fragen an. Dieser bedeutete ihm zu sprechen.

"Die Schutzzeichen werden schwächer. Es geht ziemlich schnell. Wir können hier nicht lange bleiben."

Freako sah auf die kleinen, schwach leuchtenden Runen, die in den Stein geschlagen waren. In der Tat waren sie kaum noch zu erkennen, und er hatte das Gefühl dass sie sichtbar schwächer wurden. Wenn der Schutz erlosch und sie in der Nacht noch hier waren...

Freako seufzte. Er hatet gehofft, dass sie wenigstens die Nacht hier verbringen konnten.

"Lasst die Männer ausruhen. Wir bleiben hier noch zwei Stunden, dann reiten wir weiter. Unser Ziel ist nicht mehr fern."

Er wusste, dass das nicht stimmte, und seine Männer ebenso. Zu normalen Zeiten, in der alten Welt, wäre es nicht weit gewesen, vier Tagesritte. Doch nun...

Er kehrte zu Valderag zurück und setzte sich wieder vor ihn.

"Du siehst schrecklich aus. Unter wem hast du gefochten? Der letzte größere Kampf liegt eine Woche zurück. Es heißt, Thingol und alle die mit ihm zogen wären gefallen. Nun gibt es keine große Streitmacht mehr, und selbst wenn... Sein Blick verdüsterte sich, doch er riss sich zusammen. Valderag ging es auch so schon schlecht genug.

"Erinnerst du dich an irgendetwas?"
 
Die Worte seines Gegenüber prasselten schneller auf ihn ein, als er sie verarbeiten konnte. Er presste seine Hände gegen den Kopf, als er wieder zu schmerzen begann. Er - ein Elf? Ein Elf namens Valderag? Freako? Dunkelheit? Was war hier los? Wovon sprach er?
Der Strom der Worte riss ab, der Elf wandte sich um und sprach mit jemanden in einer vertraut klingenden Sprache. Und doch war sie...fremd.

Keuchend schloss er die Augen. Was wollte dieser Kerl. War Valderag wirklich sein Name? Musste es ja wohl sein...er war also Valderag...Valderag...
Einzelne Bilder zuckten in ihm hoch. Ein Elfenmädchen. Zwei Schwerter. Eine geheime Ratssitzung. Graue Banner. Thingol.
Er riss die Augen wieder auf als ihm klar wurde, das dieser...Freako diesen Begriff grade erwähnt hatte. Er sah ihn fragend an, aber nicht mehr Antworten offenbarten sich. Thingol...

"Erinnerst du dich an irgendetwas?"
Die Frage kam unerwartet. Langsam schüttelte er den Kopf. Er...erinnerte sich nicht er...doch...
"Graumäntel" murmelte er leise. "Wo sind...die Graumäntel..." Wie kam er darauf...Thind coll... "Thind coll" wiederholte er die Worte leise. Der Ursprung von Thingol. Thingol war ein Zusammenziehen und Ableiten der Wörter zu diesem Begriff, und so wurden aus den "grauen Mantel" die "Graumäntel".
Als der Elf ihn seltsam ansah, wurde ihm bewusst, das er diese Erklärung für sich laut gesagt hatte. Fassungslos schüttelte er langsam den Kopf. War er wahnsinnig...er hatte Durst...

Und dann hob er zusammenzuckend den Kopf.
Er konnte es fühlen. Dunkelheit, die gegen etwas brandete...diese Leere...
Seine Traumbilder schossen ihm in den Kopf. Thingol, die Armee, der Angriff, die Leere. Die Leere...kalt, todesähnlich...
"Sie kommen" murmelte er leise, und für einen einzigen Lidschlag blickte Freako in zwei gelbe Augen mit senkrechten, schlitzartigen Pupillen. "Sie sind nicht mehr fern...sie brechen den Wall..." Er schluckte kurz. Irgendwie weckte es in ihm den Kampfwillen, aber auch...Angst...

 
Freako nickte. Er wusset, wovon Valderag sprach.

"Du hast ihnen also auch schon gegenübergestanden... wie wir alle. Es ist eine gute Frage, ob es für uns Glück ist die Kriege überlebt zu haben..."

Traurig schüttelte er den Kopf. Es war ihm anzusehen, dass etwas in ihm nicht mehr das war, das es vor langer Zeit einmal gewesen war. Sein Gesicht und sein Körper waren immer noch jugendlich, das Haar blond und voll... doch seine Augen waren anders. Sie strahlten in dem für Edhilier typischen Blau, doch ihr Feuer war nur noch ein Abglanz dessen, was es einmal gewesen war. Der ewige Krieg und die Sorgen, der tägliche Verlust von Freunden und Gefährten zehrten an seiner einst so fröhlichen Seele. Jetzt war es fast nur noch der Krieger und Feldherr in ihm, der ihn leitete.

Er dachte über das kurze Aufblitzen von Valderags Augen nach. Hatte er es schon einmal gesehen? Er glaubte ja. Damals... Doch er wusste immer noch nicht, was es damit auf sich hatte.

Jetzt war nicht der Moment für diese Art von Fragen.

"Du bist also mit den Graumänteln gezogen; das letzte Heer der freien Völker. Niemand hatte damit gerechnet, dass es sie noch gibt, und als sie sich zum Krieg aufmachten schöpften wir alle neue Hoffnung... auch meine Männer und ich brachen sofort aus unserem Versteck auf, um uns ihnen anzuschließen. Doch wir kamen zu spät- als wir ihr Feldlager erreichten war es verlassen, und später erfuhren wir dass das ganze Heer von IHNEN vernichtet wurde. Keiner hat überlebt, so heißt es. Außer dir."

Er schüttelte den Kopf und griff dann hinter sich, um Valderag einen Bocksbeutel mit Wasser zu reichen.

"Wir können hier nicht bleiben. Dieser Ort ist nicht mehr lange geschützt, und bei Nacht kommen SIE."
 
Valderag...Er hob langsam die Hand und strich sich durch das graue, blutverkrustete Haar. Die blonden Flecken schimmerten hindurch, als die Kruste brach und abbröckelte.Früher...hatte er blonde Haare gehabt, dann blonde mit grauen Strähnen und nun...grau-silbrige mit blonden Strähnen. Verrückt...

Er sah den Edhilier ihm gegenüber an. Er wirkte gezeichnet. Seine Augen waren stumpf - anders als früher...früher? - und er schien ermattet zu sein. Krieg...Schlachten...Heere...Was war hier nur los. Warum konnte er sich nicht erinnern."Kennst du nicht jemanden, der mir helfen kann? Du scheinst mich ja zu kennen." Hier gab es bestimmt niemanden, aber irgendwo wollten diese Leute ja hin, und vielleicht konnte man ihm da helfen.

Dankbar nahm er den Lederbeutel aus Freakos Hand entgegen, setzte an und trank. Das kühle, belebend frische Nass rann seine Kehle herab, und er merkte erst jetzt wirklich, wie ausgetrocknet er war. Einen Moment lang glaubte er zu fühlen, wie sein Durst anschwoll, doch dann wurde alles von dem Wasser weggespült. Trotzdem trank er nicht zuviel. Er wusste nicht, wieviel Wasser sie hier hatten.

Er setzte den Beutel wieder ab und atmete durch. "Die Schutzzeichen..." murmelte er wie zur Antwort auf die Aussage des Elfen vor ihm. "Ja, sie branden dagegen...es ist wie ein Loch im Netz des Lebens, kalt, einsam, herzlos, wie der Tod selbst. Wir sollten hier schnell weg." Komisch, ein wenig Durst schlummerte immer noch in ihm. Aber egal, er konnte nicht noch mehr trinken und wollte es auch nicht. Er war sich sicher, dass das reichen müsste.

Er reichte den Beutel Freako. Der Elf griff grade danach, als Valderag zusammen zuckte und der Beutel seine zitternden Hand entglitt. Er riss die Augen auf und blinzelte rasch, gelbe Raubtieraugen funkelten Freako an.
Er spürte wie eines der Zeichen, eine Stütze des Walls brach. Die Barriere, hinter der diese lebendige Leere lag, splitterte, weitere Pfeiler begannen zu bersten.
Seine Stimme war ein gebrochenes Flüstern, als er aufsprang. "Sie kommen..."
 
"Thelenge An Shil! Dah!" rief Freako und sprang ohne zu zögern auf. Die Männer, die bisher in der Hohle versucht hatten es sich einigermaßen bequem zu machen, reagierten sofort auf den Befehl. Decken wurden zusammengerollt, soeben hervorgeholtes Essen wieder verstaut und Waffen gezogen. Tellur eilte heran und fragte:

"Was ist los? Der Schutz?"

Freako sah Valderag kurz an und sagte:

"Er ist zu schwach. Sie nähern sich. Wir müssen hier verschwinden. In Bewegung bleiben ist nun unsere einzige Hoffnung."

Tellur nickte und ging zu seinem Pferd zurück, das bereits fertig gesattelt war, und führte es nach draußen. Die anderen Krieger folgten ihm, und Freako bedeutete Valderag sich zu erheben. Eilig rollte er die Decken ein, zog seinen Mantel an und verstaute das Gepäck auf seinem Pferd.

"Beeile dich, mein Freund, oder niemand wird uns allen mehr helfen können."

Ohne auf Valderag zu warten ergriff er sein Pferd an den zügeln und eilte aus der Höhle hinaus.
 
Valderag schluckte schwer. Das Gefühl perlte wir eiskaltes Wasser über seinen Rücken - und hatte in etwa denselben Effekt, nur hundertmal stärker. Er drehte sich herum und griff dem grauen Pferd in die Mähne. Langsam zog er sich hoch, dann setzte sich das Tier in Bewegung und trabte zu den Soldaten, die bereits die Höhle verliessen.

Der Himmel hatte sich weiter verdunkelt, es waren fast nur noch Schemen zu erkennen. Wind peitschte über das Land und tracktierte die klägliche Vegetation, die es noch gab, mit seiner Kraft. Die Reiter sammelten sich unruhig und wandten sich dann Richtung Süden. Sie wollten scheinbar etwas erreichen, und das schnell. Was, war ihm unklar, aber das es schnell gehen sollte, war ihm durchaus bewusst.

Ein Knirschen ließ die Gruppe aufhorchen, Einige drehten wie er die Köpfe und sahen die Steine, die den Eingang umgaben, an. Ein Runenstein wurde von einen breiten Riss durchzogen, der sich in viele Kleinere aufspaltete. Dann sprang der Stein auseinander und die Brocken regneten auf den Boden.

Die Pferde scheuten kurz. Was dort zerbrochen wurde war Magie, die so alt war wie die Steine selber. Und nun lag sie in Trümmern.
Valderag schluckte erneut, um seine plötzlich wieder trockene Kehle zu befeuchten. Die Männer wurden nervös.

Der plötzliche Befehl zum Aufbruch ließ alle ihre Gedanken dem Ziel zuwenden. Die Tiere wurden angetrieben, und der Trupp setzte sich rasch in Bewegung. Hinter ihnen borsten weitere Steine auseinander, als seinen sie voller Wasser, das gefror. Doch was ihnen im Nacken saß, war schlimmer als Frost. Der Winter war ein barmherziger Freund im Gegensatz zu den Wesen, die sie verfolgten.
Und sie kamen näher.

Mit einem Mal musste Valderag an junge Schildkröten denken, die in die Brandung liefen. Die Brandung kam immer, schnell, heftig, weitreichend. Die Schildkröte dagegen war langsam und konnte als Neugeborenes auch nicht auf ihren Panzer vertrauen. Sie waren wie diese Schildkröte, nur daß sie vor dieser schwarzen Flut flohen, statt in ihr Schutz zu suchen.

Die Pferde fielen in Galopp, und Valderags Gedanken wurden von der Mühe verdrängt, sich sicher auf dem Pferd zu halten. Es würde ein langer Weg werden.
 
"Dah! Dah!!" trieb Freako seine Männer an, doch es wäre nicht nötig gewesen. Sie ritten von sich aus wie die Teufel, doch blieben eng beieinander. Sie spürten die Schatten, die rasend schnell näher kamen. Als Freako einen Blick zurück warf konnte er sie sehen. Eine gewaltige, formlose Masse. Sie war nicht wirklich da, nicht wirklich zu sehen, und doch...

Die Reiter holten das letzte aus ihren Pferden heraus. Sie wussten, dass sie einen Wettlauf wagten, den sie nicht gewinnen konnten. Doch es war das einzige, was sie tun konnten.

Es wurde rasch dunkler, und bald waren sie fast komplett eingehüllt von Schwärze. Regen setzte wieder ein und durchtränkte sie von Neuem bis auf die Haut. Es wurde eiskalt um sie herum, doch Freako wusste, dass dies nicht vom Wetter herrührte.

Er konnte sie spüren. Sie waren nah... kamen näher... fast schon hatten sie sie erreicht. Da- der Schatten begann sich hinter den letzten Reitern zu verdichten, Bewegnug entstand, das Schwarze schien sich förmlich zusammenzuballen... Klauen und Reißzähne schienen gierig und geifernd zu schnappen und griffen schon nach ihren ersten, wehrlosen Opfern...

"Tellur! Chandshif Kheljahr!" brüllte Freako aus Leibeskräften, und sein General schien auf den Befehl nur gewartet zu haben. Er wandte sich im Sattel um, formte lautlos Zeichen mit den Fingerspitzen in der Luft, die von feinen, goldenen Linien nachgezeichnet wurden- und mit einem Male schoß eine grelle Leuchtkugel empor und strahlte hell über ihnen auf.

Ein unmenschlicher, grausamer Schrei war zu hören, und die Schatten hinter ihnen stoben auseinander. Pferde versuchten auszubrechen, und einer der hinteren Reiter war bereits zu schwach, um sein Reittier unter Kontrolle zu halten. Er wurde aus dem Sattel geworfen und stürzte schwer zu Boden. Das Pferd stieg auf die Hinterläufe und wieherte in Panik.

"Dwellith! Reitet weiter!!" schrie Freako. Sie konnten dem Mann nicht mehr helfen. Die Leuchtkugel schwebte über ihnen her, und kaum dass der Lichtkegel nicht mehr über dem Reiter lag ertönten seine Schreie über dem Feld. Schreckliche reißende und brechende Geräusche wurden laut, und dann verstummten die Schreie, kurz darauf auch das panische Wiehern des Pferdes.

Freako warf einen besorgten Blick auf Tellur. Sein alter Freund war kein mächtiger Magier, doch beherrschte er diesen Zauber, im Gegensatz zu Freako selbst, der gar nicht im Stande war auf herkömmliche Art Magie zu wirken. Trotzdem kostete es den Elfen unglaubliche Mühe, den Bann aufrecht zu erhalten und gleichzeitig sein Pferd zu kontrollieren.

Dann suchte der Blick des Kriegerpoeten Valderag und fand ihn. Der graue Elf hatte sich erstaunlich gut erholt und hielt auf seinem abgemagerten Pferd gut Schritt mit dem Trupp. Freako begann sich zu fragen, wie lange sie es wohl noch aushalten mussten. Es war nicht weit bis zu ihrem vorläufigen Ziel, doch es würde ein Lauf durch die Hölle werden.

Mit der Zeit, die sie ritten, mussten sie immer langsamer werden; zum einen, weil ihre Tiere am Rande der Erschöpfung waren und zum anderen, weil es Tellur immer schwerer fiel seinen Zauber zu wirken. Die Lichtkugel flackerte immer öfter, und auch er selbst wankte mehr als einmal im Sattel und drohte zu stürzen.

Als Freako schon dachte, sie würden es nicht schaffen, tauchte vor ihnen ein leicht goldener, kaum wahrnehmbarer Schimmer auf. Der Anblick gab den Männern und ihren Tieren neue Kraft, und ohne dass es eines Befehls ihres Führers bedurft hätte beschleunigten sie noch einmal ihren Ritt.

Um ein Haar hätten sie es geschafft.

Das Schimmern wurde stärker, und als sie über eine Hügelkuppe ritten sahen sie es vor sich- wie eine goldene Kuppel erhob es sich bis weit über den Boden. Mächtige, alte Bäume standen hier, umgeben von einer mächtigen Barriere aus heiliger Energie, die die Dunkelheit vertrieb wie die Sonne, die sie so lange nicht mehr gesehen hatten.

Die alte Lichtung.

Sie hätten gejubelt, hätten sie die Kraft dazu noch gehabt. Doch sie brauchten alle Energie die sie aufbringen konnten, um dieses letzte Stück zu bewältigen.

Doch dann geschah es- ob es ein stein, eine Unebenheit im Boden oder schlicht und ergreifend Schwäche war, sie fanden es nie heraus. Tellurs Pferd strauchelte, kämpfte um sein Gleichgewicht, wurde jedoch von seiner eigenen Geschwindigkeit nach vorne geworfen- und schleuderte seinen Reiter in hohem Bogen davon. Mit unglaublicher Wucht prallte der Elf auf den Boden auf und wurde Sekundenbruchteile Später von seinem stürzenden Pferd begraben.

In diesem kurzen, unheilvollen Augenblick geschahen zwei Dinge- die leuchtende Kugel über ihnen zerbarst in einem Regen aus goldenen, schwach glühenden Funken- und die Schatten waren da.

Sie kamen nicht herangerast oder geschlichen, sondern waren einfach da. Mitten unter ihnen. Riesenhafte Schemen, in der Dunkelheit nicht klar zu erkennen, mit unglaublicher Kraft und grausamen Klauen, Mäulern und Dornen. Schon im ersten Augenblick wurden mehrere Reiter aus den Sätteln gerissen und in der Luft zerfleischt. Schmatzende, schlingende Laute ertönten und brachten Freakos Magen fast dazu seinen Inhalt freizugeben. Doch sie mussten weiter.

Ein Regen von elfischem oder menschlichen Blut ging über Freako hernieder, und er riss das gereinigte Angrist aus der Scheide.

"An Edhil!!" schrie er aus voller Kehle und gab seinem Pferd ein letztes Mal die Sporen. Die Barriere war nicht mehr fern, doch immer mehr Krieger wurden gepackt und zerfetzt.

Er wusste nicht, ob es Glück oder die heilige Aura seines Schwertes war, das ihn rettete. Krallen aus purer Bosheit und Schwärze sausten über ihm hinweg, trafen ihn jedoch nicht, und mit einem angstvollen Wiehern durchquerte sein Pferd schließlich die Barriere. Hinter ihm brachen noch einige Reiter hindurch, einer erreichte das rettende Ziel ohne seinen Kopf und brach blutüberströmt mitsamt seinem Pferd zusammen.

Fünf waren sie noch. Einer der beiden Orks, zwei Menschen, der Elf, der zuvor an der Pforte Wache gehalten hatte, und Valderag.

Valderag... er hatte es geschafft. Freako atmete innerlich auf. Er wusste nicht wieso, doch er hatte das Gefühl, dass alles verloren war, wenn sein alter Gefährte zu Tode kam.

Sie hielten ihre Tiere an und blickten zurück. Dort wo die Barriere zu Ende war dräuten sich die Schatten, und sie konnten die Blicke brennender, hasserfüllter Augen förmlich spüren. Schließlich gab Freako nur einen müden Wink, und der Trupp setzte sich in Bewegung, duch die ersten, uralten Bäume hindurch, auf die alte Lichtung zu.
 
Als Tellurs Licht erlosch, umfing sie alle Dunkelheit. Dunkelheit und die Geräusche von den Wesen, die sie wie die schwarzen Nebel selbst umfingen.Und sie waren da.

Aus der Dunkelheit traten die Gestalten, traten diese Wesen. Sie traten klar hervor und waren doch in ihrer Art unbeschreiblich. Pferde scheuten, Reiter fielen. Reißende, schmatzende, schlingende Geräusche entstehen um ihn herum. Valderags Pferd scheut zur Seite. Die Gruppe hat er aus den Augen verloren, sie mussten durch die Schatten getrennt sein.

Ein weitere Elf neben ihm ging zu Boden, dass hässliche Knirschen machte deutlich, dass seine berstende Rüstung ihm die Knochen zermalmte. Sein Schrei dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, dann riss er in dem Maul eines der Wesen ab.
Valderag trieb de Grauen rasch noch einmal an, durch die dunklen Schleier, durch das Unwissen, zwischen diesen Gestalten hindurch. Das Pferd mühte sich ab, sprang wie ein Gemsbock, doch plötzlich trat eines der Wesen in ihren Weg.

Das Tier bäumte sich auf und Valderag beugte sich vor, verzweifelt und...und wütend? Die Konturen seines Gegenüber hoben sich umso deutlicher ab, als Valderag ihn fixierte. Er krallte die Finger in die Mähne, um nicht herunter zu fallen. Angst und Wut wallten in ihm hoch und kämpften um die Vorherrschaft.
Gefühle...Angst...Wut...kein Gleichgewicht.
Schmerz fuhr durch seinen Kopf, durch seinen ganzen Körper, Schmerz, der von innen kam. Dunkelheit zuckte durch sein Sichtfeld, aber sie kam von innen. Erinnerungsfetzen. Blut. Orks. Sterbende Elfen. Zähne.
Er schrie laut auf. Weitere Schmerz flutete in ihn, als ihn etwas am Bein striff, seine Hose und Stiefel aufriss und blutige Spuren hinterließ.
Sein Blick ruckte herunter auf das Wesen, das immer noch seinen Weg versperrte und gierig das Maul öffnete. Es waren nur Sekundenbruchteile vergangen, da bohrten sich gelbe Augen in Schwarze. Bevor Valderag wusste, wie ihm geschah, fauchte er das...Etwas vor sich an.

Er wusste hinterher nicht mehr, wer überraschter war: Er innerlich oder das Wesen äußerlich. Es machte jedenfalls einen Schritt zurück.
Valderags Grauer hämmerte die Vorderhufen auf den Boden und sprintete an dem Wesen vorbei. Mit Heulen und Schmatzen spürte der graue Elf die Wesen wieder aufschließen. Doch zu langsam.
Mit einem letzten Kräfteschub sprang das Pferd nach vorne und durchbrach die Barriere. Ein kalter Schauder durchfuhr Valderag. Er fühlte sich sicher und wand sich innerlich vor Schmerzen. Doch dann war er drüben.
Schwer atmend saß er im Sattel und registrierte erst jetzt, was geschehen war. Sein Bein pochte, ein rascher Blick bestätigte das Gefühlte. Ein Krallenhieb hatte es aufgerissen. Hinter ihm brach noch der junge Elf, der Freako begleitet hatte, durch die Barriere. Dann kam niemand mehr.

Er schloss die Augen und atmete durch. Langsam drängte er sein Pferd Richtung Gruppe. In seine Kopf drehte sich wieder alles. Was grade geschehen war...nur noch mehr Frage...mehr Fragen...

 
Resignierend schwang Freako sich aus dem Sattel seines Pferdes. Er selbst und auch sein Tier war von dem Blut seiner Kameraden über und über befleckt. Sie hatten einen schrecklichen Preis für ihr Überleben bezahlt.

Tellur war tot... sein engster Vertrauter, so viele Jahre hindurch; und früher oder später würde sie alle dieses Schicksal ereilen. Sie konnten nicht entkommen.

Seine Männer verteilten sich ein wenig auf der Lichtung, blieben jedoch in Sichtweite. Ihre Gesichter waren von den Schrecken gezeichnet, und selbst diese erfahrenen Krieger hatten eine Grenze, was das Ertragen von Schmerz und Schrecken anging. Einer der Menschen übergab sich leise, während der andere mit leerem Blick dasaß und sich mit seinem Dolch die Handfläche ritzte. Freako ging zu ihm hin und nahm ihm die Waffe aus der Hand, doch der Mann registrierte es kaum. Der Kriegerpoet seufzte und legte ihm die Hand auf die Stirn. Die Augen des Kriegers schlossen sich, und sein Kopf sank ihm langsam auf die Brust. Ob er bei Verstand sein würde, wenn er wieder erwachte, war ungewiss...

Der Ork und der Elf standen beieinander und unterhielten sich leise. Vor vielen Jahren hätten sie sich an diesem Ort gegenseitig zerfleischt, da die Anwesenheit eines Orks auf der dunklen Lichtung ein Sakrileg an den Göttern war und weil Orks die Elfen über alles hassten; aber nun, in diesen dunklen Zeiten, waren all diese Unterschiede verschwunden. Im Angesicht des Untergangs waren die alten Feindschaften vergessen.

Freako bemerkte Jehlan erst, als er auf die Lichtung getrabt kam. Er sah übel aus, doch das Blut, das auf seiner Kleidung und auf seinem Gesicht bereits zu trocknen begann war nicht sein eigenes. Wortlos brachte er sein Pferd neben Freako zum halten und stieg ab.

"Jehlan... gut, dass Ihr es geschafft habt." sagte Freako. Er wollte noch etwas hinzufügen, überlegte es sich dann jedoch anders. Jehlan war im Moment eben so wenig in der Laune zu sprechen wie er selbst. Der Kriegsharfner nickte Freako nur kurz zu und setzte sich dann zu Boden, um ein wenig Ruhe zu finden.

Langsam schritt Freako über die Lichtung, bis er an der mächtigen, uralten Eiche angekommen war, welche das Zentrum der Lichtung bildete und die der Hauptknotenpunkt ihrer Magie war. Er entdeckte die knorrige Wurzel, die an der Seite hervorsprang und so etwas wie einen Sitz bildete, und erinnerte sich an die alte Zeit, als dies einmal der schönste und ruhevollste Ort New Hopes gewesen war. Hier hatten sich all die Elfen zusammengefunden, wenn ein neues Alter begann, und hier hatte er Cosma zum ersten Mal getroffen... Cosma. Die Erinnerung an sie versetzte ihm wie immer einen tiefen Stich. Doch er verdrängte den Gedanken. Noch war es nicht an der Zeit für Trauer.

"Niemand außer uns ist hier..." flüsterte er leise.
 
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