AW: DeGenesis vs. andere Genrevertreter
Tellurian schrieb:
Wie jetzt? Endzeit OHNE den Emo "Wo-ist-meine-singende-Rasierklinge" Faktor?
Ob's am Alter liegt, oder an unvollständigen Informationen - auf alle Fälle habe ich das jetzt wirklich nicht verstanden. - "Singende Rasierklinge"? Was hat das mit Endzeit zu tun (außer in gewissen Bilderbüchern vielleicht)?
Tellurian schrieb:
Du als Engelspieler müsstest sowas doch abgrundtief hassen...
Wie jetzt? Wenn man Engel spielt, dann spielt man zwar auch irgendwie eine Art Endzeit, aber dann doch wieder nicht so recht. Engel ist für mich eher Fantasy, Science-Fantasy, aber weniger die Depri-Zeit, die manche vielleicht gerne damit verbinden, weil sie gerne weinen wollen, oder so.
Meine Engel-Charaktere sind oft angeknackst, aber können dann eben trotz der durch "das System" ihnen verpaßten Narben immer noch ordentlich was reißen. Bei mir wird jedenfalls nicht stundenlang vor sich hin geflennt (wie ich das bisweilen in den großen Engel-Forenrollenspiel-Seiten lesen konnte - ein Grund mehr für mich der Meinung zu sein, daß Engel-P&P fast nichts mit Engel-Forenrollenspielen zu tun hat, bis auf die gröbsten Versatzstücke des Hintergrundes).
Ich spiele Endzeit-Rollenspiele seit der 1. Auflage von Gammaworld Ende der 70er. DAS war damals wenigstens noch eine knackige Endzeit-Welt. Es gab viel Unbekanntes (oder durch die sprachliche-zeitliche Verzerrung allzu Bekanntes in neuem Lichte) zu entdecken. Es galt eine Welt wiederaufzubauen, Mutantenmonster zu plätten (außer denen aus dem eigenen Stamm natürlich - zumindest meistens), alte Technik-Artefakte zu bergen, zu verstehen, zu bedienen, den durchgeknallten "Cryptic Alliances" zu entgehen (außer derjenigen, in welcher man selbst engagiert ist, natürlich), usw. - Das alles mit einem nur zu einem gewissen Teil düster-harten Aspekt, aber immer zum anderen Teil mit einem Augenzwinkern, mit Running (oder Hopping
) Gags, mit dem Futurama-Feeling, das nur um die Ecke, nach der nächsten harten Ballerei auf einen wartet.
Durchgeknallte, "whacky" Post-Apokalypse macht schlichtweg Spaß ohne Reue.
Depri-Prä-Apokalypse ist das, was ich mir als Film oder Roman immer seltener geben mag. Zur Uni-Zeit ging es mir zu gut. So gut, daß ich mir beständig die gute Laune mit solchen Anti-Euphorika selbst verderben mußte. Inzwischen arbeite ich in der IT-Branche und da wird die gute Laune schnell zum seltenen Gut. Das heißt: ich mag einfach nichts mehr spielen, wo ich mich in Qualen, Selbstzweifeln und Gejammer ergehen soll. - Ich will ordentlich allen (anderen) Mutanten in den Arsch treten, die Frauen schwängern und der König der Abraumhalde sein. - Das ist mir einfach derzeit lieber als Jugenddepressionsneigungen.
Vielleicht liegt es daran, daß ich als Engel-Spielleiter die Welt der Engel schon hart, aber nicht hoffnungslos (und schon garnicht ohne Glauben!) darstelle. Da gibt es packende Luftkämpfe, bei denen die SCs mit ihren Kampfmanövern alle Matrix-Special-Effects verblassen lassen. Da gilt es zwischen den Übeln der Welt, der Kirche, der Menschen, der Traumsaat, und dem eigenen Gewissen abzuwägen und Entscheidungen von Belang(!) zu fällen. Und dann damit zu leben. Ich thematisiere bei Engel eigentlich immer die Konflikte, die in der Welt angelegt sind, in einer aktiven, zupackenden Form, so daß die SCs direkt den Kräften oder zumindest den Wirkungen ausgesetzt sind und mit ihren eigenen (Gewissens-)Entscheidungen und ihrer eigenen Kampfkraft etwas tun können. Alles andere, vor allem ständige Niederlagen, Zusammenbrüche, Depressionen, wären mir und meinen Engel-Mitspielern einfach zu öde. Die Engel-Charaktere sind ja schließlich in erster Linie SOLDATEN. Die plärren nicht, die stehen auf und kämpfen, denn dazu wurden sie ja schließlich gedrillt. Nur haben sie - immer - auch ein eigenes Gewissen, etwas, das ihnen sagt, was gut und richtig wäre, auch wenn das nicht der Lehre der Kirche entspricht. Und sie entscheiden dann. Und sie tragen die Konsequenzen dieser Entscheidungen. Und Gewalt ist immer eine Lösung. Und manchmal ist die schlechteste Lösung einfach die einzige, mit der man weiterleben kann. - Und das macht für mich den Reiz bei Engel aus.
Wie das jetzt aber in Konflikt mit dem völlig (naja, eigentlich nicht völlig, aber schon ziemlich) anders gelagerten Low Life stehen soll, verstehe ich nicht.
Low Life ist wie wenn man Gammaworld-Mutanten durch die Güllepumpe gejagt hat, nachdem die gesamte Erde auch schon dadurch gegangen ist. Und trotzdem ist Low Life mit der Welt Muthaoith einfach nur noch cool. Und es ist sogar eine ernsthafte(!) Kampagne in der ganzen Scheiße auf Beinen, den ganzen Schaumgummi-Charakteren und den Magiern, gegen die Unknown Armies Mages geradezu langweilig bieder wirken.
Was ist schon Endzeit?
Gammaworld, Deadlands:Hell on Earth, Engel, Low Life, Dying Earth, 50 Fathoms, Traveller, Stormbringer, uvam.
Das sind alles Endzeit-Rollenspiele. Die kann man alle spielen ohne in irgendwelche inneren oder äußeren Konflikte seiner eigenen Vorlieben zu geraten.
Was ist also das "gefühlte" Problem?