Rezension City of the Damned: New Orleans (V:tR)

Ismael

Kappadozianer
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City of the Damned: New Orleans


WoD2: Vampire Quellenband


Mit „City of the Damned: New Orleans” bringt White Wolf das erste Stadtsetting für Requiem auf den Markt.

Optik und Layout:

Der Einband des Buches folgt wieder den gewohnten Standards der neuen WoD Reihe mit Hartkarton und Spiegeleffekten. Klappentext und Illustration auf dem Cover sind sehr schön gemacht und wie gewohnt ein echter Hingucker. Leider ist der Text auf dem Buchrücken nach Bloodlines diesmal wieder ohne schwarze Umrandung der Buchstaben, so dass sich im Regal bei den Requiem Produkten leider immer noch kein homogenes Bild bietet. Beim Schriftbild hat White Wolf wohl auf die Kritik des Grundregelwerkes von Requiem reagiert und präsentiert das Städtebuch in sehr gut leserlichem schwarz auf weiß, ohne das es dadurch steril wirken würde. Die Illustrationen sind reichhaltig, können aber nicht den hohen Standard früherer Werke halten, da sie in der Qualität stark schwanken. Ärgerlich finde ich vor allem, dass die Qualität nicht nur zwischen zwei Bildern schwankt, die inhaltlich nix miteinander zu tun haben, denn das fällt so beim lesen des Buches ja kaum auf, sondern das die Qualität der Illustration der vorgestellten NPCs so schwankt. Da hat man auf der einen Seite ein sehr stimmungsvolles und detailliertes Bild des Prinzen Augusto Vidal, das man so ohne Probleme seinen Spielern zeigen kann und auf der anderen Seite hat man das Bild seines Gegenspielers Antoine Savoy, der extrem hingekrickelt aussieht und vom Bild her wie ein obdachloser Landstreicher wirkt. Der überwiegende Teil der Illustration ist allerdings absolut in Ordnung, wenn auch nur sehr selten wirklich genial.

Inhalt:

Der Band beschreibt die Stadt New Orleans in ihrer vampirischen Geschichte, ihrem Aufbau und ihren Stadtvierteln, sowie natürlich ihre untoten Einwohner und deren Geschichten, Ambitionen und Hintergründe. Dazu ist das Buch in sechs Kapitel und ein Kurzszenario im Appendix eingeteilt. Während das erste Kapitel die Geschichte und das zweite Kapitel die Örtlichkeiten der Stadt beschreiben, widmen sich Kapitel drei, vier und fünf den Vampiren. Hier geht White Wolf im Gegensatz zu den alten Städtebüchern neue Wege, da die NPCs in Ahnen, Ancilla und Neugeborene aufgeteilt werden. Jedes Kapitel beginnt mit den Geschichten der wichtigen Personen und am Ende des Kapitels folgen dann die Werte, Bildchen und kurze Zusammenfassungen derselben. Diese Aufteilung macht storytechnisch zwar durchaus Sinn, da es dumm wäre sich die Pläne eines Neugeborenen anzulesen, bevor man weiß was auf der Top-Ebene los ist, aber zum nachschlagen ist es sehr hinderlich. Wenn ich wissen will was Lidia Kendall so vorhatte, dann muss ich erstmal wissen ob sie Ancilla, Neugeborene oder Ahnin war. Weiß ich das nicht, muss ich in den drei verteilten Blöcken mit Kurzbeschreibungen suchen. Habe ich sie dann gefunden, kann ich dort Bild, Werte und kurze Beschreibung lesen, muss dann allerdings zum Anfang des Kapitels blättern, wo dann ihre umfangreichere Geschichte beschrieben wird. Hier hätte ich es klüger gefunden immer den kompletten Part hinter das Bildchen und die Werte zu packen, da man später ja die Bilder kennt und so einen NPC sehr viel schneller beim Blättern finden kann, als nach der kleinen Überschrift mit seinem Namen, irgendwo mitten im Kapitel.

Das letzte Kapitel befasst sich mit einigen Tips für Erzähler, wie sie ihre Chronik in New Orleans am besten aufziehen und die Charaktere darin einbinden. Wirklich Neues findet sich hier nicht, gerade nachdem sich auch Bände wie Coteries oder Nomads intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt haben.

Das Abenteuer im Appendix soll die Charaktere als Zeugen eines Mordes direkt in das komplexe Setting einbinden, ist für meinen Geschmack aber viel zu linear und geführt, um sich wirklich als stimmungsvoller Einstieg zu eignen. Die harte Charakterführung passt in meinen Augen eher zu einem One-Shot, bei dem man einer Runde das neue System präsentieren möchte.

Fazit:

Das Städtebuch hält, was es auf dem Covertext verspricht. Man findet eine sehr gute Beschreibung der Stadt und seiner Einwohner und es werden viele Verwicklungen und Storyideen eingebaut, die man als Erzähler leicht aufgreifen kann. Trotzdem lässt mich das Buch mit dem Gefühl zurück sehr viel Arbeit in das Setting stecken zu müssen, um dort eine dauerhafte Kampagne spielen zu können. Die Grundidee des Städtebuches ist der Streit zwischen drei Fraktionen in der Stadt, dem Prinzen vom Orden des Lancea Sanctum, dem Lord des French Quarters und dem Anführer einer Voodoo Gruppierung. In diesem Geflecht aus der Konkurrenz dieser drei Ahnen bewegen sich unzählige weitere Akteuere, die allesamt ihre eigene Agenda verfolgen und genau hier wird es langsam schwer. Praktisch kein einziger NPC verfolgt wirklich das Ziel, dass er nach außen hin vorgibt und jeder hat seine extrem geheimen, privaten Agendas, die bei einem Herauskommen ihn sofort zum Kandidaten einer Blutjagd werden lassen. An sich zeigt dies ja, dass sich die Autoren viel haben einfallen lassen, aber in meinen Augen ist das nur sehr schwer spielbar, weil sich kein NPC den Chars öffnen wird und so echte Allianzen praktisch unmöglich werden. Das ist jetzt etwas übertrieben formuliert, aber ich fand den ganzen Intrigenanteil bei den NPCs deutlich zu hoch und bezweifle, dass es die richtige Richtung ist, in die sich Requiem da entwickelt, denn zumindest Neuspieler werden sich in den gängigen Klischees bestätigt fühlen, dass es allen Vampiren nur um Macht, Status und Einfluss geht und sie dazu nie was offen, sondern alles nur intrigant unternehmen. Hier zeigt sich in meinen Augen deutlich die Fehlentscheidung dem Setting durch die Streichung von Pfaden den spirituellen Konflikt sehr unterschiedlicher Unlebensweisen zu nehmen. Es geht hier nur noch um Politik und selbst die katholisch angehauchten Rituale des Lancea Sanctum, wie die Beichte, dienen ihnen im Endeffekt nur als Möglichkeit wiederum Politik zu betreiben. Mal abgesehen davon, dass die Diskussionen ob es Gott gibt oder nicht und wie er zu Vampiren steht doch schon ziemlich abgedroschen sind. Zur Fraktion der Voodoo Anhänger wiederum ist recht wenig Hintergrund zu finden, so dass man hier selbst recherchieren muss, um interessante Aspekte dieser Religion einzubringen.

Wer Lust auf politische und vor Intrigen nur so platzende Kampagnen hat, der wird mit New Orleans auf jeden Fall einen guten Griff machen. Soviel Lüge und Trug auf einem Raum fand man bisher in keinem Städtebuch des alten Systems und es gibt unzählige Möglichkeiten für die Chars hier einzusteigen. Wenn alle Spieler wirkliches Interesse an einer politisch brisanten Kampagne haben, zahlt sich das Buch mehr als aus und es hat hierfür wirklich Inhalt in Hülle und Fülle und ist eine eindeutige Kaufempfehlung.

Wer allerdings eher ein Setting sucht, in dem das soziale und das spirituelle im Vordergrund steht (wie zum Beispiel im alten Städtebuch über Mexico City), der sollte sich darauf vorbereiten, dass er noch sehr viel selbst machen muss, da sich die umfangreichen Beschreibungen bei den NPCs praktisch nur auf deren politische Ambitionen beziehen. Mit etwas Arbeit ist es hier aber sicher auch möglich das Setting entsprechend anzupassen, falls man das eben möchte.

Ich selbst bin mir momentan nicht sicher, ob ich das Setting wirklich dauerhaft verwenden möchte, da es mir momentan zu politisch ist und ich die politischen Themen schon in Maskerade alle abgeklappert habe und mir eher eine Chronik vorschwebt, wo auch die neuen Inhalte von Requiem (die „theologischen“ Konflikte der Orden) eine stärkere Rolle spielen. Man könnte das Buch nämlich ohne weiteres als Städtebuch für Maskerade verwenden und würde dadurch praktisch keine Storyline verlieren. Als benachbarte Stadt zum Hauptsetting, in der man das hochgefährliche Pflaster vampirischer Politik aufzeigen kann, gefällt es mir momentan besser, aber das ist eben eine Frage des persönlichen Geschmacks.

Grüße,
IsmaelDen Artikel im Blog lesen
 
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