was mich hier interessiert wären allgemeine gedanken zu dem thema, bzw. ideen um den "body count" menschenmöglich niedrig zu halten oder ganz weg zu lassen, sowie systemische entwicklungen die ein nicht tötliches setting fördern oder ermöglichen.
"Nicht-tödliche" Settings gibt es doch zuhauf!
So geht es bei Castle Falkenstein oder Pirates of the Spanish Main NICHT darum die Bösen zu töten, sondern man ficht sie kampfunfähig bzw. zur Aufgabe. Wie sonst sollen sie denn (nach angemessener Off-Screen-Zeit) wieder ausbrechen und erneut Neuropa oder die Spanish Main unsicher machen können?
Es gibt einfach Genres, die im Rollenspiel umgesetzt das Töten ausgesprochen sozial inakzeptabel präsentieren, so daß die SCs dieses Mittel auch nicht ergreifen werden - das Risiko einer sozialen Ächtung für derartig "unsportliches" Verhalten bei Castle Falkenstein ist schon so hoch, daß der Missetäter letztlich "sozial TOT" ist.
Beim modernen Character Competence Porn RPG - Leverage RPG - geht es auch beim Hitter nicht darum die Gegner zu töten. Im Gegenteil: Er zeigt seine Überlegenheit dadurch doch viel besser, daß er mittels einer Vorspeise einen Messerkämpfer besiegt oder mit in Handschellen gefesselten Händen mehrere Schußwaffen führende Schurken KO schlägt. - Das gilt auch für Indiana-Jones-artige Pulp-Helden, bei denen es mit einem guten amerikanischen Uppercut eher getan ist, als mit einer Maschinenpistolengarbe in die Eingeweide.
Diese Settings werden von Regelsystemen unterstützt, bei denen das Kampfunfähigmachen in Kampfsituationen das Ziel ist und NICHT DAS TÖTEN.
Und auch viele andere Regelsysteme, bei denen der Tod von Charakteren möglich und manchmal in Kauf genommen oder gar direktes Ziel ist, bieten ja Regeln, nach denen selbst minderwichtige Charaktere nicht "einfach so" sterben. - Bei Savage Worlds wird ein besiegter Gegner erst einmal "Außer Gefecht" gesetzt. Ob er wirklich tot ist, im Sterben liegt, es eine ernste Wunde war oder nur eine leichte, aber dennoch kampfunfähig machende Verletzung, das bestimmt man NACH DEM KAMPF. Und da sind dann manche aus "klassischen" Fantasy-Rollenspielen kommende Spieler, die gewohnt sind, daß bei 0 Lebenspunkten der NSC tot ist und man ihn looten kann, überrascht, wenn sie nun mit einem Dutzend unterschiedlich schwer Verletzter konfrontiert werden, die alle nicht mehr kampffähig sind, aber eben alle auch nicht tot sind. - Hier liegen dann wieder die moralischen Fragestellungen im Clinch mit der Pragmatik des "Dungeon-Aufräumens" usw.
Regelsysteme sollten - wenn sie denn tauglich sind - die für das jeweils zu spielende Setting geltenden Setting- und Genre-Konventionen unterstützen oder ihnen zumindest nicht im Wege stehen.
In Settings wie in den Boondock-Saints-Filmen oder Sin City und dergleichen "Neo-Noir"-Ballerorgien, da ist der Bodycount in der Vorlage einfach immens hoch. Ein Regelwerk, das dieses passend umsetzt, wird dafür sorgen, daß die SCs schier unkaputtbar sind und die NSCs "Fallobst" darstellen - bis auf die wichtigen Ober-Gegner-NSCs natürlich.
Somit ist die Steuerung des Body-Counts durch das Regelwerk so oder so immer gegeben.
Es mag Settings geben, in denen die SPIELER sich entscheiden bestimmte moralische Fragen für sich auf eine bestimmte Weise auszulegen, auch wenn diese Fragestellungen nicht zum KERNTHEMA des Settings gehören.
Bei einem heroischen Fantasy-Setting, in welchem es klar definierte "Böse Rassen" gibt, die immer nur böse sind und nicht irgendwie "eine schwere Kindheit" hatten, da stellt sich die Frage nicht, OB man eine Horde Orks tötet. Die Frage ist höchstens, WIE schnell und "gnädig" man ihnen den Tod gewährt. Das unterscheidet den Lawful Good Paladin vom Chaotic Neutral Barbarian in solchen Settings.
In einem Setting, in welchem man Vampire spielt, welche sich vom Blut fremder Leute ernähren, ist ja schon die eigentliche moralische Kernfrage, ob allein das schon in Ordnung ist, oder ob es nicht unweigerlich den Blutsauger binnen kürzester Zeit zu einer reißenden, unmenschlichen Bestie werden läßt. - Die Vampire-Spieler, die mir so begegnet sind, stellten sich derartige Frage NIE! Für diese WoD-Spieler war dieser moralische Konflikt einfach völlig unbedeutend. Da gab es "Wichtigeres" für sie zu tun und sich darüber Gedanken zu machen.
Es ist immer eine Frage der SCHWERPUNKTSETZUNG eines Settings.
In Unsung wird die persönliche Jämmerlichkeit eines Soldaten zentral ins Thema gesetzt, in 3:16 würfelt der Space Marine Spieler nicht etwa Trefferwürfe und Schadenswürfe aus, sondern direkt die ZAHL DER KILLS, die er beim Entvölkern von ganzen Planeten angerichtet hat. - Wie gesagt: Alles eine Frage der Schwerpunktsetzung.