Skar schrieb:
Wie ist eigentlich das Ausweichen bzw der Block/die Parade in einem Kampf definiert?
Unterschiedlich, je nach System bzw. Simulationsgrad/Detailiertheit der Kampfregeln.
Skar schrieb:
In Rollenspielen findet man oft 2 getrennte Werte dafür, aber wären denn nicht in der Realität beides Kampfmechanismen, die zur Kampfdevensive gehören?
Was hat denn "Realität" bzw. echte Kampftechnik mit Rollenspielregeln zu tun? - Ich trainiere seit über 20 Jahren in unterschiedlichen Kampfkünsten und kann nur eines sagen: JEDER Versuch die Realität eines echten Kampfgeschehens in einem auch nur halbwegs handhabbaren Regelwerk abzubilden ist von vorneherein aufgrund der enormen Komplexität der Geschehnisse zum Scheitern verurteilt. - Vom Thema "Realistisches Kampfsystem im Rollenspiel" kann man sich aus diesen ganz grundsätzlichen Erwägungen gleich verabschieden.
Was man sich überlegen sollte, ist: Wie stimmig ist das Kampfsystem für mein Setting?
In diesem Zusammenhang hätte man in einem Musketier-Setting gerne Paraden, Riposten, Abwehr mit Parierdolch, Hut, Mantel, Angriffe gegen die Klinge mit Degenbrechern, das vielgerühmte, aber im Rollenspiel viel zu selten auftretende "Schwingen am Kronleuchter".
In einem eher historischen Mittelalter-Setting hätte man vielleicht einen deutlicheren Unterschied bei den Fechtfertigkeiten zwischen Harnisch-Fechten (in Rüstung) und Bloßfechten (ohne Rüstung), sowie unterschiedliche Fecht-Stilrichtungen mit ihren Huten, Lagern, Hauen ausgearbeitet - aber nur, wenn oftmals gerichtliche Duelle oder andere die FechtKUNST betreffende Auseinandersetzungen gewollt sind. Will man ein "schmutziges" Mittelalter, dann wird man die historische Finesse der mittelalterlichen Fechtkunst zu Gunsten einer deprimierenden Tödlichkeit ausblenden wollen.
In einem viktorianisch-magischen Fantasy-Setting wird man hingegen die "Hohe charakterbildende Schule der Fechtkunst" aufleben lassen wollen, wo je nach Charakter der persönliche Fechtstil zum Ausdruck der Persönlichkeit des Charakters gehört: der schändliche Schurke tritt, kratzt, schmeißt mit Fackeln oder zieht im Degenduell gar einen Revolver!, der edele, überlegene Gentleman und Sportsmann läßt nach einer Entwaffnung des Gegners diesen sogar seine Waffe wieder aufnehmen, da es ja enorm unsportlich wäre, jemanden ohne eine faire Chance zur Gegenwehr zu bekämpfen. Damit braucht man im Regelwerk alle Paraden etc. aus dem Musketier-Umfeld, jedoch nicht mehr so übertrieben und flamboyant, sondern hochwissenschaftlich und von "aristokratischer Blässe".
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Und natürlich Entwaffnungen, Duell-Regeln nach Comment, d.h. je nach sozialer Gruppe nach unterschiedlichen Vorgaben (z.B. Manschetten-Fechten, Studentische Mensur, Berittene Säbelduelle der Kavallerieoffiziere etc.).
Skar schrieb:
Also muss ich immer mit der Klinge parieren, oder kann ich nicht auch austänzeln?
Müssen mußt Du garnichts. Die Frage ist doch, was sieht das System an Simulationsgrad vor? Bei Engel nach Arkana-System kann ein Gabrielit entscheiden, daß er das Bajonett eines Ketzer-Söldners mit seinem Flammenschwert pariert, daß er den Lauf der Muskete samt Bajonett zerteilt, daß er knapp ausweicht und sein Flammenschwert dem Gegner die Eingeweide auf die Füße klatschen läßt, während dem Engel noch die Klinge des Bajonetts einen verwegenen Kratzer an der Schulterplatte hinterläßt. - Du siehst, bei einem freien System wie Engel mußt Du nichts und kannst alles, was Dir einfällt und Dir Spaß macht zu erzählen.
In Savage Worlds hat jeder Charakter eine Parry-Charakteristik, die aus dem Fighting-Skill errechnet wird. Diese kann man mit bestimmten Vorteilen noch erhöhen und bestimmte Waffentypen geben Boni/Mali darauf. Gegen die Parry würfelt der Angreifer mit seinem Fighting und das hat dann getroffen, getroffen mit einer oder mehr Erhöhungen (ähnlich wie bei Deadlands) oder ging daneben. Hier gibt es KEINE AKTIVE Verteidigungs-Charakteristik oder eine Parade/Abwehr/Ausweichen-Fertigkeit. Und das vermißt man auch nicht, da das System NICHT detailierte Simulationen ermöglichen soll, sondern schnelle, flüssige Action. Und das tut es. Und da braucht es keine Dreiviertelstunde pro Kampfrunde, wie in manchen anderen Systemen.
Skar schrieb:
Und wären daraus folgerichtig die beiden Begriffe nicht besser über eine Fähigkeit anwendbar (z.B. Defensive)?
Was daran folgerichtig sein soll, entzieht sich mir. Besser anwendbar ist auch sehr schwammig: besser könnte bedeuten: schneller (siehe Savage Worlds - enorm unrealistisch, nicht-simulationsorientiert, aber schnell!), besser könnte auch bedeuten: auf die Situation und das Setting besser angepaßt, stimmiger, plausibeler (siehe Engel, siehe HeroWars, siehe Unknown Armies, siehe Chtulhu, siehe D&D, siehe Midgard, siehe....). Insbesondere Rollenspiele mit einem Regelsystem, das explizit an das Setting oder zumindest das Genre angepaßt ist, können hier in puncto setting-bezogener Plausibilität punkten.
Erlaubt ist, was gefällt und solange es gefällt. Wenn es nicht paßt, dann ändert man was, oder spielt was anderes. So paßt nach meinem Geschmack und dem meiner Mitspieler das D20-Kampfsystem nicht zu Babylon 5 D20. Wir spielen das nach Savage Worlds Regeln, aber mit den Hintergrundbänden von Babylon 5 D20. Für D&D Forgotten Realms hingegen finde ich das D20-Kampfsystem absolut passend. Das ist ein D&D-Setting, man merkt den Regelbezug bei vielen Schilderungen des Hintergrundes und fühlt sich mit dem D20-System in diesem Setting daheim.
Die einzig wahre und immer stimmige Umsetzung von Kampfmanövern und Kampfoptionen im Rollenspiel KANN es nicht geben.