AW: Arcana oder d20
Athriel schrieb:
aber unsere Gruppe spielt häufig abends und umso später es wird, umso unkreativer werden die Beschreibungen...
Das ist auch meine Erfahrung mit Engel nach Arkana-System, wenn es denn mal länger (oder alkoholischer
) zuging. Da lassen einfach die Konzentration und die Fabulierkunst nach.
Athriel schrieb:
mit Arcana-Karten hat man jedoch keine andere Möglichkeit, als kreativ zu bleiben und somit bleibt es ein Erzählspiel.
Quark. Man kann superbillig nach Arkana-System sich die blödeste, unpassendste Karte mit einer lapidaren "Erfolgserzählung" in einem Satz herbei"erzählen". Wenn man müde ist, dann werden die anfangs noch ach so stimmungsvollen Erzählungen schnell wiederholend und schnell genauso öde (eigentlich sogar öder) wie die in den berüchtigten Heftchen-Arzt-Herz-Schmerz-Romanen. - Arkana-System ist kein "System" im eigentlichen Sinne. Es hat keine Regeln. Da keine Regeln existieren, sondern sich jede Gruppe die Regeln für den Gebrauch des Zufallsfaktors "Arkana-Karte ziehen" selbst zurechtlegen wird, ist hier der Konsens, der gute Wille und das Vertrauen in gegenseitige Fairness aller am Spiel Beteiligten von entscheidender Bedeutung (da eben das Regulativ, die "eingebaute Fairness" bzw. "Unfairnessbremse", gemeinhin "Spielregeln" genannt, bei Arkana-"System" fehlen).
Ich habe katastrophale, ja katastrophal entgleisende Engel-Arkana-Runden mitgemacht. Ich glaube nicht an solchen Quark, wie daß man "keine andere Möglichkeit, als kreativ zu bleiben" hätte, wenn man die Arkana-Karten verwendet. Das ist blanker Selbstbetrug. Oder eben Quark, reduzierte Fettstufe.
Athriel schrieb:
- Nicht für jede Aktion, die man auswürfeln würde, zieht man eine Karte, sicherlich, dadurch gelingen Fähigkeiten, die "simpel" sind oft automatisch und macht vieles einfacher (Hier kann man sicher auch als Erzähler gegenwirken, führt jadoch schnell zu Unwillen der Spieler)
Auch im D20-System läßt man die Spieler nicht für jeden Scheiß zum Würfel greifen. Das macht man nur, wenn der Ausgang einer Handlung unsicher ist, oder wenn bei einem sicheren Ausgang die Qualität oder die Dauer der Handlung interessant sind. (Z.B. hat man in D20 mit "take 10" oder "take 20" Möglichkeiten die Zufälligkeit von unkritischen Handlungen völlig beiseite zu legen - zum Preis von nicht gerade berauschenden Ergebnissen bzw. nicht gerade berauschender Ausführungszeit der Handlung.)
Karten lasse ich für Handlungen, die nach der guten alten Everway-Dreifaltigkeit "Karma-Drama-Fortune" unter Karma fallen, d.h. aus der Vorgeschichte des Charakters einfach erfolgreich sein werden, nie ziehen. Handlungen, die unter Drama fallen, d.h. wo ich als Spielleiter meinen Weg des Handlungsverlaufs durchsetzen will, und wo ich verständlicherweise keinerlei Reinpfuschen eines Zufallsergebnisses brauchen kann, werden einfach ohne Kartenzug so geschildert, wie es sein soll. (Ja, Drama IST Spielleiterrailroading pur. Ja, das gilt für alles, was ein "Erzähler" im Unterschied zu einem "Spielleiter" macht. - Daher ist ein Erzählspiel ein Spiel um (Erzähl-)Macht und (Erzählungs-)Konsequenzen.) - Nur für Handlungen, bei denen der Zufall auf für die Gesamtgeschichte interessante Weise seine Hand im (Erzähl-)Spiel haben soll, lasse ich Karten ziehen.
Ich lasse aber auch Karten für Nichthandlungen ziehen.
So z.B. bei einer (von mir als Übermächtigem Erzähler und Bestimmer der Erzählung (tm) ungeplanten) Zwischenlandung in einem bislang unwichtigen Dorf lasse ich eine Karte ziehen, die mir und allen Spielern die aktuelle "Stimmung" im Dorf geben soll. Kommt da "Pflicht", so sind die Leute bei einem Angeliten-Dorf gute Angeliten, die ihrem Tagewerk emsig nachgehen und den Engeln allen Respekt und alle Pflichtschuldigkeit entgegenbringen werden. Kommt da "Verrat", so entdecken die Engel gleich bei der Landung irgendwelche Fakten, die nicht aus dem Handbuch für den guten Angeliten kommen, wie z.B. verräterische Technik-Artefakte (die eventuell schon seit der Sintflut dort im Einsatz sind und dem Dorf überhaupt das Überleben gesichert haben und noch immer Lebensgrundlage aller Dörfler sind - Angelitischer Technikbann hin oder her), so daß die Engel gleich als Ungute Gedankenpolizei zum Einschreiten genötig sind.
Ich lasse auch Karten ziehen oder ziehe selbst Karten, wenn ich den Zustand eines geborgenen Artefakts bestimmen will. Z.B. Roma Aeterna:Verfall - das Teil ist bis zur Unbrauchbarkeit verrottet. Z.B. Inspiration: Kreativität - das Teil ließe sich mittels kreativer Bastelarbeit (natürlich ketzerischer und/oder ramielitische Kenntnisse vorausgesetzt) wieder in Betrieb nehmen.
Athriel schrieb:
- Die Pausen, die entstehen, während man versucht, die derzeitige Bedeutung auf die Situation zu übertragen... Aber ich denke, das wird sich im Laufe der Zeit noch legen...
Nein. Die Pausen kommen bei den Spielern, die normalerweise bei einem würfelbasierten Rollenspiele genau wüßten, was nun zu tun ist, weil dies die Regel klar und für jeden unabhängig von seiner Fabulierbegabung einheitlich vorgeben, was an Handlungsmöglichkeiten des Charakters besteht, dann vor, wenn es sich um Spieler handelt, die nicht mit überbordender sprachlicher Kreativität, die nicht als regelmäßige Poetry-Slam-Vortragende, die eben normale, durchschnittliche oder gar unterdurchschnittliche Verbalbegabung ihr eigen nennen und trotzdem gerne mit anderen Rollenspiele spielen wollen, nun in der Zwangslange (als solche bewußt und rein subjektiv empfunden) stecken die Sprachjonglierereien der anderen, sprachgewaltigeren Spieler übertrumpfen oder zumindest erreichen zu müssen, und das auch noch bei einer als völlig unpassen empfundenen Karte. - Das ist normal. - Das geht nicht weg. Nie. - Außer natürlich: Du schmeißt alle Spieler raus, die nicht Deine Sprachgewalt haben. Dann erzählen sich die Engel-Geschichten ja auch gleich viel reibungsloser.
Athriel schrieb:
Aber noch etwas, Arcana, lasst ihr die Spieler wissen, oder lassen euch Spieler die Spielleiter wissen, was ihr gezogen habt?
Natürlich. Alles wird in der Runde sitzend offen gezogen. Bei Engel ist das Erfrischende ja gerade, daß man nicht verdeckt Würfeln respektive Ziehen muß. Man muß nämlich als Spielleiter GAR NICHT ZIEHEN, WENN MAN NICHT WILL! (Siehe oben "DRAMA" als Grund nicht zu ziehen.)
Die Spieler ziehen auch immer offen, denn so können die anderen, wenn mal einer sprachlich auf dem Schlauch steht, mitformulieren, Vorschläge machen, wie man die Karte auslegen kann, etc. - Das ist bei uns immer ein zwar die forgeige Immersionswetterlage brechendes, aber von allen geschätztes Element des Spiels mit den Arkana-Karten. Jeder erzählt an der Geschichte mit, jeder denkt mit, wie eine Karte ausgelegt werden könnte, aber derjenige, der die Karte gezogen hat, entscheidet, was er nun wirklich als Schilderung "zu Protokoll" gibt, was wirklich passiert, worauf der Spielleiter nun einzugehen hat, weil es Fakt in der Spielwelt wurde.