Die ältesten
sumerischen Darstellungen von Drachen finden sich auf
Rollsiegeln aus der
Uruk-Zeit. Sie gehören zu den
Mischwesen, die in einer Vielzahl im Bilderrepertoire des
alten Orients vertreten sind. Es lassen sich zwei drachenartige Grundtypen identifizieren:
Schlangendrachen (Ende des 4. Jahrtausends v. Chr.), die mindestens zum Teil einer Schlange ähneln, und
Löwendrachen, die zumeist aus Elementen von Löwen und Vögeln zusammengesetzt sind (Anfang des 3. Jahrtausends v. Chr.). Der Löwendrache (Löwe mit Adlerflügeln) und der
Löwenadler (Adler mit Löwenkopf) sind zwei unterschiedliche Wesen. Wie alle Mischwesen sind die altorientalischen Drachen weder Götter noch Dämonen, sondern gehören zu einer eigenen Klasse übernatürlicher Wesen, deren Namen und Gestalt auf einen Zusammenhang mit dem Tierreich oder mit den Naturgewalten hinweisen. Sie sind nicht eindeutig negativ besetzt. Es gibt Ausnahmen wie die feindlichen vielköpfigen Schlangen, die der
frühdynastischen Zeit entstammen. In der Regel treten die frühen Drachen in Text und Bild als mächtige, manchmal gefährliche, manchmal aber auch beschützende Wesen auf.
Die Drachen stehen zunächst in loser Verbindung mit Gottheiten. In der
Akkad-Zeit werden sie den Göttern als Diener beigesellt, manchmal sind es Rebellen und besiegte Gegner. Auf Siegeln aus der Zeit um 2500 v. Chr. erscheint bereits das Motiv des Drachenkampfes, das aber erst Jahrhunderte später in mythologischen Erzählungen überliefert ist. Als
Drachentöter treten in
mesopotamischen Texten des späten 3. Jahrtausends zunächst lokale Götter auf. Vereinigt werden die Traditionen um 2100 v. Chr. im Anzu-Mythos: Der Kriegergott
Ninurta aus
Nippur siegt über den Löwenadler
Anzu, der die Schicksalstafeln gestohlen hat, und löst in der Folge
Enlil als obersten Gott des sumerisch-akkadischen Pantheons ab. Die Ninurta-Mythologie verbreitete sich im 1. Jahrtausend mit dem Aufstieg des
assyrischen Reiches im ganzen Vorderen Orient; als
Nimrod fand er Eingang in die biblische Überlieferung. Während der Anzu-Mythos den Generationswechsel in der Götterhierarchie zum Thema hat, beschreibt ein zweiter orientalischer Typus den Kampf des
Wettergottes mit der Urgewalt des Meeres, symbolisiert durch die gehörnte Meeresschlange. Dieses Motiv findet sich im
hethitischen Illuyanka-Mythos, der um 1700 v. Chr. entstand, in dem um 1600 v. Chr. niedergeschriebenen
ugaritischen Baal-Zyklus und in dem Kampf
Marduks, des
babylonischen Hauptgottes, gegen die Meeresgottheit
Tiamat.