[ab 18.05.2008] Immer noch Post

Krause

Haus und Clan Tremere
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29. August 2011
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Katharina war einigermaßen gespannt auf das, was ihr Kreipe da wohl zusammengesammelt hatte. Sie hatte besonders nach nur 3 Tagen nicht allzuviel erwartet aber der Karton sprach eine deutliche Sprache. Er wirkte vielversprechend, aber würde er die Erwartungen erfüllen, die sie hatte ? Wahrscheinlich nicht. Die Indizien sprachen dagegen, aber sie würde sich selbst ein Bild machen müssen. Also öffnete sie die Kiste und fand darin einen weiteren Karton und einen Briefumschlag. In diesem befand sich eine Nachricht für sie, was sie an der Beschriftung des Umschlags erkannte. In Kreipes geschwungener Handschrift war dort ihr Name zu finden. Sie öffnete den Umschlag und entfaltete den Briefbogen.

Liebe Katharina,

Entsprechend Ihrer Bitte habe ich mich nach den Unterlagen, die Sie als förderlich für ihr neuestes Projekt ansahen, erkundigt. Wie erwartet hat es etwas gedauert, diese zu finden, aber in ihren Besitz zu gelangen war erstaunlich einfach. Ich denke, Sie werden selbst früh genug in der Lage sein herauszufinden, warum dies so war. Aber möglicherweise kann Ihnen das Material noch in einer elementareren Form von Nutzen sein, um daraus einen, wenn auch sehr grundlegenden, Erkenntnisgewinn zu ziehen.

Sie werden einige biographische und andere Informationen in diesem Paket finden, da es in den frühen 80er Jahren Bestandteil einer Querschnittserhebung war und daher andere Aspekte außer den fachlichen mit in den Forschungsgegenstand eingeflossen sind. Ich dachte diese mögen möglicherweise dazu beitragen, den Gegenstand ihres Interesses in einen historischen und clansgeschichtlichen Kontext einzuordnen und habe daher darauf verzichtet, sie zu entfernen.

Selbstverständlich erwarte ich, über alle Resultate und Versuchsreihen informiert zu bleiben und erwarte, recht bald wieder mit Ihnen in Kontakt zu treten, da sich eine Angelegenheit abzeichnet, in der unsere volle Unterstützung erwartet wird.
Gezeichnet: Kreipe



Katharina runzelte die Stirn als sie den Brief beiseite legte. Das verkomplizierte die Sache erheblich und schränkte den Nutzen des Materials ein auch wenn sie sicher war, daß Kreipe den Inhalt höchstens überflogen hatte. Das machte ihr aber alles weniger Sorgen als die letzte Anmerkung ihres Erzeugers. Wenn er solcherart von sich und ihr als 'uns' sprach, dann konnte sie damit rechnen, daß Thomasius bald von sich hören ließ. Katharina hatte eigentlich nichts gegen ihren Großrzeuger, jedenfalls nichts, das half, sah es aber immer als gut an, mit dem alten Tremere nicht zu viel zu tun zu haben und so wenig wie möglich von ihm zu hören. Begegnungen mit ihm hatten immer was von Topfschlagen im Minenfeld.

Aber gut ! Der Brief segelte auf die Schreibplatte und sie hob das eigentliche Objekt der Begierde heraus, ein Paket, mit braunem Packpapier verpackt und mit Paketschnur zugebunden. Zwischen Paketschnur und Paket war ein grüner Plastik-Schnellhefter fixiert. Die Titelseite war schlicht.

Analyse der Persönlichkeitsentwicklung und Forschungsmethodik ausgewählter Fälle unter besonderer Beachtung der Wahl der Forschungsgebiete und zeitlicher Kontextualisierung. Fall 537/9-F: Dr. med. habil. Julius A. Straubing

Fallbearbeitung abgeschlossen am 19.03.1981 zu Magdeburg
Fallbearbeitung erfolgt durch Franziska Sauer
Vertraulich

Katharina durchtrennte das Paketband und legte den Hefter zunächst beiseite. Mit dem Urteil von Frau Sauer konnte sie sich später auseinandersetzen, darum ging es ihr im Moment aber nicht. Sie schlug das Packpapier auseinander und sah sich einem Stapel Aktenmappen und mehreren Mikrofilmdosen gegenüber. Bei der obersten Akte handelte es sich um die Personalakte des fraglichen Individuums. Sie legte die Mikrofilmdosen beiseite und war im Begriff, die Personalakte beiseitezulegen, als es an der Tür klopfte. Calvin, natürlich jetzt...

"WAS ?" Rief sie, ohne ihren Widerwillen zu verstecken.

'Öhm, ich glaube sie werden unten benötigt !' kam es zurück.

Sie packte den Stapel unter ihren Schreibtisch und packte die Mikrofilmdosen in ihre Schublade. Daß man hier auch nicht mal länger als 15 Minuten... Sie würde wohl warten müssen, bis sie wieder etwas Zeit übrig hatte, Freizeit wuchs auc hier eben nicht auf Bäumen.

"Komme schon !"

Dann schlug die Tür hinter ihr zu und sie war auf dem Weg nach unten.
 
Die Akte des Casinos war soweit überflogen, wichtige Dinge hervorgehoben oder herausgeschrieben. Es hatte einiges an Zeit gekostet, aber Katharina nahm an, daß die Feinheiten bei ihrem ersten Besuch inkognito ohnehin nicht von großem Belang sein würden. Also hatte sie diese erst einmal ausgespart und war zu ihrem jüngsten Hobby zurückgekehrt: Clansgeschichte, mit einem speziellen Fokus.

Sie hob die Personalakte aus dem Karton. Es war eine ziemlich alte Akte aus den 1940ern, dem Deckel nach hatte sie zum Gut der Verwaltung der französischen
Besatzungszone gehört. Sie begann sich also von Anfang an durch die Akte zu arbeiten, auch und zu sehen, mit was einer Art Person sie es später in den Berichten zu tun haben würde. Anscheinend war es weniger eine ordentliche Personalakte als eine Sammlung von allem, was Straubing betraf und dessen man habhaft geworden war.

Straubing, Julius Albrecht. Geburt angezeigt in Zweibrücken (Kgr. Bayern) am 17.02.1894. Beruf des Vaters: Fabrikant. Zwei Brüder, drei Schwestern. Besuch des
altsprachlichen Gymnasiums 1913 mit Bestnoten abgeschlossen. Mehrmonatiger Aufenthalt in den Vereinigten Staaten. Immatrikulation an der medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München im September 1913. Abbruch des Studiums und Eintritt in die bayrische Armee Juli 1914. Mehrfache Anerkennungen durch Vorgesetzte, Offizierslehrgang ab Mai 1915. Die Abschlußbeurteilung des Kommandeurs bezeichnete Straubing als tapferen und gehorsamen Soldaten, der allerdings noch mehr Kreativität und Initiative aufbringen müsse. Zwischen den Zeilen ließ sich herauslesen, daß der Oberst der Meinung war, daß das nichts war, was ein Frontkommando nicht mit der Zeit beheben könnte. Daher wurde ihm (wenn auch mit Abstrichen) die Eignung für ein Frontkommando bescheinigt und Straubing kehrte im Februar 1916 als Leutnant an die Front zurück. Sie blätterte um und fand hinter den Dokumenten die den Erwerb mehrerer Auszeichnungen belegten einen Brief an die Eltern Straubings, datiert auf den 07.06.1917. In diesem wurde ihnen mitgeteilt, ihr Sohn Julius wäre schwer verwundet worden. Eine Rekonvaleszenz wurde als unwahrscheinlich angesehen. Das nächste Blatt war die Beurteilung eines Lazarettarztes vom 13. Mai 1918, der feststellte, daß Leutnant Straubing aufgrund der Nachwirkungen seines Herzbeutelsteckschusses körperlich nur noch schwach belastbar sei und daher den Anforderungen an einen Feldoffizier nicht mehr in ausreichendem Maß genügen könnte. Auf der folgenden Seite fanden sich die Papiere, die Straubings Dienstunfähigkeit feststellten und anordneten, ihn zum 01.06.1918 wegen Kriegsbeschädigung aus der Armee zu entlassen. Es folgte die erneute Immatrikulation in München zum Wintersemester 1918. Neben einigen Briefen und Papieren, die einen guten Fortgang des Studiums dokumentierten, belegte eine Urkunde von 1926 seine Promotion zum Doktor der Medizin. Weitere Doumente verwiesen auf einen Posten als Assistenzarzt in einem Krankenhaus in Bamberg, die er bis 1929 innehatte. Danach arbeitete er als Oberarzt in Berlin, wo er sich 1934 mit einer Schrift über Genetik habilitierte. Nach der Habilitation wurde es bemerkenswert still um ihn, keine Hinweise auf Tätigkeit oder andere Posten. Seine Oberarztstelle war bereits im November 1934 neu ausgeschrieben worden, aber niemand meldete ihn als vermißt und es ließen sich weder Hinweise auf seinen Tod noch auf eine Emigration oder ähnliches finden, was auch die französischen Ermittler bemerkenswert gefunden hatten.

Die nächsten 5 Jahre war Straubing wie vom Erdboden verschluckt und tauchte erst Ende 1939 wieder auf, als er von seiner Mitarbeiterstelle beim Institut für Zwillings- und Erbforschung an der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik an der Universität Hamburg (die er anscheinend die ganze Zeit innegehabt hatte) zum Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik wechselte. Auch waren hier Nachweise beigefügt, die bestätigten, daß Straubing bereits 1936 der SS beigetreten war und im Folgejahr der NSDAP. Die Franzosen hatten hier angemerkt, wie die Reihenfolge ein mustergültiges Beispiel des erfolgreichen Versuchs zeigte, die Aufnahmesperre der NSDAP zu umgehen. Trotzdem äußerten sie wegen einiger schwammiger Angaben Zweifel an der Legitimität der Dokumente, obwohl die Archive alles bestätigten. Der Verdacht bestand darin, daß die gefundenen Nachweise nachträglich den Partei- und Organisationsarchiven hinzugefügt worden waren, auch wenn die Ermittler nicht sicher waren, warum das geschehen sein könnte. Straubing setzte seine Untersuchungen am Institut fort, wo er anscheinend die Grundlagen für seine spätere Arbeit legte. Aufzeichnungen belegten zwar seine Aktivität, allerdings waren die spärlichen Berichte, die seine Arbeit zum Thema hatten entweder stark zensiert, gekürzt oder klassifiziert gewesen, was keinen Rückschluß auf die Arbeit erlaubte. Nach zwei Jahren Forschung und Grundlagenarbeit stellte Straubing einen Antrag auf Versetzung in ein Konzentrationslager um dort seine 'Beobachtungen' am lebenden Objekt fortzusetzen. Obwohl Straubing kurz darauf als 2. Lagerarzt nach Natzweiler-Struthof kam, wies seine Besoldung ihn immer noch als Angestellten des KWI aus, und die Ermittler hatten Unstimmigkeiten in der Budgetierung gefunden, da der Haushalt des Instituts eine Außenstelle in Natzweiler erwähnte, aber die Finanzen der Inspektion der Konzentrationslager keinen zweiten Lagerarzt beinhalteten und er auch in den offiziellen Berichten nicht auftauchte. Trotzdem schien Straubing der Inspektion geläufig zu sein. Hinweise auf ihn waren aber augenscheinlich im Zuge der Eingliederung der Inspektion der Konzentrationslager in das SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt 1942 systematisch entfernt worden. Nachfragen mehrerer SS-Führer über Straubing waren offenbar entweder im Sand verlaufen oder totgeschlagen worden. Die drei Funktionäre, die trotzdem weitergebohrt hatten, starben durch Unfall oder Selbstmord.

Nach 1942 wurde Straubing offenbar als gegeben hingenommen, da weitere Nachfragen ausblieben. Rekonstruktionen seiner Tätigkeiten stützten sich auf Indizien. So führte er offenbar Forschungen durch, die auf seine Arbeit am Institut für Zwillingsforschung beruhten, wie aus den Anforderungen für 'geeignete Probanden' immer wieder ersichtlich wurde. Ein weiteres Indiz war die steigende Zahl der Anforderung die in dem Maße stiegen, in denen Straubing seine Probanden 'verbrauchte'. Allerdings bezogen sich Angaben oft auf andere Papiere die nur stark gekürzt vorlagen oder unter Verschluß waren, andere Verweise liefen ganz ins Leere. Dies half, den Eindruck zu erwecken, daß Straubing für eine unbekannte Geheimorganisation oder Gruppe arbeitete, so daß seine Berichte und Papiere an der Parteihierarchie vorbeigeschleust wurden, während man die Organisationen ausnutzte, um an Förderung und Infrastruktur zu kommen. Die Franzosen verdächtigten eine okkulte oder medizinische Gruppe, die aus verschiedenen Gründen im Untergrund aktiv war. 1944 wechselt Straubing nach der Auflösung des Hauptlagers mit mehreren LKW mit Material und Probanden ins Außenlager Haslach, wo er seine Forschungen einige Monate fortsetzte. Bei der Befreiung des Lagers durch französische Streitkräfte fanden sich verschiedene Hinweise auf die Außenstelle. Die Probanden waren spurlos verschwunden. Straubing hatte sich mit einem LKW, seinen Dokumenten und Präparaten abgesetzt. Im folgenden fanden sich Fahndungsaufrufe und Papiere, die nahelegten, Straubing habe versucht, nach Südamerika zu entkommen. Eine Randnotiz verriet der Tremere, daß ein medizinischer Gutachter es aber für höchst unwahrscheinlich hielt, daß Straubing die Strapazen einer Flucht nach Südamerika in seinem Zustand überlebt haben könnte. Eine Verurteilung in Abwesenheit durch den französischen Staat wurde nur noch gefolgt von einem amtlichen Dokument der Bundesrepublik Deutschland, das Dr. Julius Albrecht Straubing im Jahre 1957 offiziell für tot erklärte. Der letzte Vermerk in der Akte war von den französischen Behörden, die die Akte im August 1970 mit der Begründung schlossen, daß Straubing aufgrund der Nachwirkungen seiner Kriegsverletzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr am Leben sein könne.

Katharina schloß die Akte und legte sie beiseite. Sie besah sich ihre Notizen erneut und runzelte die Stirn. Es war interessant für sie zu sehen, was damals alles möglich gewesen war, wenn man die richtigen Leute fand, die bereit waren, Skrupel hintenan zu stellen. Einer der Gründe warum Kreipe es nie über das mittlere Management hinausgeschafft hatte, auch wenn das auch seine Vorzüge hatte. Aber das mochten andere entscheiden, sie hatte sich diese Papiere bestimmt nicht heranschaffen lassen, um in Nostalgie zu schwelgen ! Ganz im Gegenteil, wenn Straubings Forschungen wichtige Erkenntnisse bereithielten, die ihr in der momentanen Situation weiterhelfen würden, dann war das die Mühe schon wert gewesen.
 
7 Jahre später hatte Katharina die Akten soweit ausgewertet und beurteilt. Dadurch war ihr auch aufgegangen, was Kreipe mit seinen kryptischen Anmerkungen gemeint haben konnte. Straubings Akten und Mikrofilme präsentierten Ergebnisse die nach Betrachtungszeitraum deutlich unterschiedliche Bilder zeichneten. Natürlich mußte man in Betracht ziehen, daß Straubing wahlweise trotz oder gerade wegen seines Postens nur auf eine sehr eingeschränkte Zahl von Versuchspersonen Zugriff gehabt hatte. Auch hatten andere Umstände anscheinend die Arbeit erschwert, wie etwa die zur Verfügung stehende Zeit oder die allgemeine militärische und politische Lage. Alles in allem hatte er weiter an seiner Arbeit festgehalten, obwohl er nicht nur Gegenwind von den politischen Leitern bekam sondern auch das anfänglich durchaus vorhandene Interesse an seiner Forschung allmählich abflaute nachdem man ihm den SD einige Male vom Hals hatte halten müssen. Sauer hatte in ihrem Gutachten darauf hingewiesen, daß Straubing zunehmend als Belastung gesehen wurde und der gute Willen zugunsten seiner Ergebnisse spätestens ab Ende 1943 spürbar abnahm. Sie vermutete, daß man Straubing nur noch schützte, um sicherzugehen, daß man das Problem 'intern' lösen würde. Allerdings ließ auch sie nicht erkennen, ob sie wußte, was nach Kriegsende mit Straubing passiert war. Sauer ließ nicht durchblicken ob ein letztes Mal eine Problembeseitigungsmaßnahme hatte getroffen werden müssen um ihn vor der Enttarnung mit anschließendem Maskeradebruch zu retten oder ob er vom Clan aus dem Verkehr gezogen worden war. Katharina erinnerte sich an die Zustände, die damals geherrscht hatten. Für sie war der Fall klar: Straubing hatte sich mit einem einzelnen Armee-LKW abgesetzt, und wenn er danach nie wieder in irgendwelchen Berichten oder clansinternen Quellen auftauchte, hieß das für sie, daß ihn wahrscheinlich auf irgendeiner Landstraße ein Jagdbomber erwischt hatte. Das erklärte auch, daß die meisten der Akten, die es noch gab von vor Juli 1944 stammten. In seinem letzten Bericht von Juli 1944 fand sie die Stelle, die sie gesucht hatte.

'Der Grad der Verwandtschaft zweier Individuen kann somit auch als Indikator für die Eigenschaften ihres Blutes und der Nähe ihrer Körperteile zum Zwecke der thaumaturgischen Sympathie verstanden werden. Vorbehaltlich der spezifischen Merkmale und Eigenheiten der jeweiligen Rasse und im Angesicht der Möglichkeiten, die der Pfad des Blutes bietet, läßt sich also postulieren, daß es für einen entsprechend vorgebildeten und präparierten Thaumaturgen möglich sein sollte, eine solche sympathetische Brücke zwischen Individuen mit den nötigen Instrumenten (die freilich noch zu entwickeln sind) festzustellen und für die Zwecke der Sieben zu nutzen. Darüber hinaus bliebe zu prüfen, ob es sinnvoll und möglich scheint, besagter Definition zufolge ein Instrumentarium zu erstellen, daß es ermöglicht, die Erkenntnisse über die niedrigere thaumaturgische Resistenz der niederen Rassen zu nutzen, um einen möglichen Nutzen als Waffe gegen unsere Gegner zu evaluieren und zu erforschen. Ein weiterer Punkt, der unter Umständen Aufmerksamkeit verdient, ist demzufolge die Frage, inwieweit es möglich ist, die Eigenschaften der sympathetischen Verbindungen soweit zu erforschen und zu verstehen, daß nicht nur engste Verbindungen genutzt werden können, wie es derzeit der Fall ist, sobald alle Forschungen abgeschlossen sind, sondern eine Erweiterung der Möglichkeiten und des Verständnisses die Nutzung der sympathetischen und genetischen Verbindungen erlaubt, die in jeder Volksgemeinschaft als verbindendes Element vorliegen.'

Das schien soweit zu bestätigen, was sie befürchtet hatte, allerdings gab es auch Dinge, die diesen ersten Eindruck entscheidend trübten. Jeder Blinde mit Krückstock konnte sehen, daß Straubing mit kleinen Versuchs- und Kontrollgruppen gearbeitet hatte. Sein spezieller Fokus auf Zwillinge hatte die Menge an verfügbaren Individuen weiter eingeengt. Das bedeutet nicht nur, daß Straubing gezwungen gewesen war, mit seinen Versuchspersonen relativ 'materialschonend' umzugehen, was zumindest bis 1943 hieß, daß die ersten Ergebnisse sehr interpretationsabhängig waren, sondern auch, daß die Bedingungen unter denen hier gearbeitet worden war, jedem Empiriker die Haare zu Berge stehen ließen, allein was Stichprobenumfang und Varianz anging. Ein weiteres großes Problem, daß sie mit den Ergebnissen hatte, war, daß die Wende ungefähr zu der Zeit einsetzte, als der Gegenwind im Gildenhaus spürbar geworden war, und Straubing Erfolge vorweisen mußte. Im besten Fall hieß das, daß er Glück gehabt hatte. Im nicht so guten, daß er unter dem Druck statistisch und methodisch unsauber gearbeitet hatte. Im schlechtesten Fall hingegen, daß er seine Ergebnisse schlicht gefälscht hatte, um die Protektion des Clans nicht zu verlieren. In jedem Fall blieb die Frage über die Eigenschaften des Blutes an sich. Straubing hatte postuliert, daß es teilweise bemerkenswerte Unterschiede zwischen verschiedenen Rassen gab und in der Tat waren die einzigen zwei Individuen, bei denen er den Effekt hatte reproduzieren können ( und auch das nicht vorhersagbar und wissenschaftlich zuverlässig) Zigeuner gewesen. Während sie grundsätzlich bereit war, dem Bericht über verschiedene Qualitäten von Blut zu glauben (es gab entsprechende Gerüchte, die gerade über Zigeuner erzählt wurden), warf das mehr Fragen auf, als es beantwortete. Wenn sie nicht ihre eigenen Untersuchungen anstellen wollte, konnte sie wahlweise Straubings Schlußfolgerungen für bare Münze nehmen oder es als Geschwätz abtun. Wenn sie es für bare Münze nahm, hieß das entweder, er hatte mit seiner Sichtweise recht, und 'höherwertiges' Blut war schwerer zu nutzen, was sie eigentlich hätte beruhigen müssen, oder es war ein qualmender Haufen Bockmist.

Schlußendlich entschied sie sich im Zweifel für den Angeklagten. Anzunehmen, daß etwas der Fall war bis das Gegenteil bewiesen war war sicherer als die Alternative. Das brachte seinen eigenen Rattenschwanz an Problemen, besonders weil sie immer noch nicht klüger war als vorher eher dümmer. Bericht und die Akte des 'Vorzeigefalls' klatschten an die Wand auf der anderen Seite des Raumes and fielen auf den Haufen, der dort bereits lag. Als Calvin die Tür öffnete um zu sehen, was für ein Lärm hier stattgefunden hatte, zog er sich nach einem veritablen Todesblick wieder zurück. Katharina stand auf und ging zum Fenster ihres Zimmers um von ihrem Teil des Turms finster auf Finstertal-Burgh herunterzublicken.

2015 würde ein arbeitsreiches Jahr werden.
 
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