AW: [7.5.2008] wer einmal vor verschlossener Tür steht...
Julia nickte Laura noch einmal freundlich zu, bevor sie nach draussen trat.
Was jetzt kam, lag wesentlich schwerer vor ihr. Sie musste nur all zu bald ihren Primogen aufsuchen. Sie ging zu ihrem Wagen und fuhr erst einmal los. Irgend wann war sie an der richtigen Stelle. Sie spürte es. Sie war in einer kleinen Seitenstraße gelandet, in der Einfamilienhäuser standen. In den meisten brannte noch Licht, aber auf der Straße selbst war es, als wären die Bordsteine hoch geklappt worden. Völlig ausgestorben. die Straßenlaternen waren von dem Wagen so weit wie möglich entfernt. Sie wechselte vom Fahrersitz auf die Rückbank. Sie ahnte, was jetzt kam. Dabei wollte sie so wenig wie möglich gesehen werden und der hintere Teil ihres Wagens war dunkel verglast. An drei kleinen Haken spannte sie quer durch das Auto hinter den Fahrersitzen ein dunkles Tuch. Sie selbst konnte durch die Scheiben noch nach aussen sehen, doch versuchte jemand hinein zu schauen, konnte er wohl höchstens mit Mühe noch einen Schemen wahr nehmen. Das Tuch selbst fiel durch die verdunkelten Scheiben nicht sonderlich auf. Der Rückraum schien sich einfach nur in der Dunkelheit zu verlieren.
Sie breitete den Inhalt ihrer Tasche neben sich aus. Sie hasste, was jetzt kommen würde. Sie wusste, sie würde danach Schmerzen leiden und sie mocht Schmerzen so überhaupt nicht. Aber wenn sie es nicht tat...
Ruckartig fasste sie sich an den Hinterkopf. Der Schmerz hatte angeklopft und fuhr fies wie eine Nadel in ihren Kopf hinein. Julia gab ein wütendes Zischen von sich. Musste es immer so sein? Ging es nicht auch einmal anders? Wenigstens einmal? Natürlich nicht.
Sie setzte sich so bequem wie möglich hin. Ihre Hände würden wandern während der Bilder. Das wusste sie schon. Aber zunächst lagen sie offen auf ihren Oberschenkeln. Die Malkavianerin saß gerade in dem Auto, ihr Rücken berührte die Lehne nicht.
Bilder stiegen vor ihrem inneren Auge empor. Sie sah die Bibliothek von Nox, den Eingang, die Bretterverschäge. Oh ja, sie sah sie. Und sie sah auch Teile des Inneren der Bibliothek, vor allem diesen einen Raum, der wieder Weite suggerieren sollte ebenso wie die Flure.. Sie versuchte, die Details in den Bildern zu erhaschen. Es könnte später helfen, je genauer sie sich erinnerte.. Langsam aber sicher sah sie auch die anderen klarer. Sie waren wie in einem Kreis um sie herum geordnet. Da war Anelotte, so, wie sie sie im Hotel gesehen hatte, und König war dort, hinter ihm verschwommen sein Ghul. König und Anelotte waren am deutlichsten, detailreich. Aber auch der Primogen war da, Ferdinand. Dann war da noch ein Schatten. Er hatte nur grob die Kontur eines Menschen, aber sie wusste wer es war. Er gehörte zu ihnen. Trapper war sein Name.
Fünzehn bis dreisig Minuten durchdrangen Julia diese Bilder und auch dieses lauernde Etwas, was bei der Bibliothek zu spüren war, hatte Einzug in die Bilder genommen als begleitendes Gefühl. Sie musste mit den anderen dort hin. Es gab keinen anderen Weg. Sie mussten es tun.
Ihre Hände hatten wie immer getan, was sie tun mussten, während die Bilder ihr Hirn fluteten. Jetzt lagen sie wieder still. Und Julia stöhnte auf, denn das erste Mal fuhr jetzt der Schmerz so richtig durch ihren Körper. Das war der Preis für die Bilder, der Preis für das Wissen. Und doch hatte sie keine Wahl gehabt. Sie wusste es.
Sie musste ihren Primogen aufsuchen. Dringend. Bevor die Schmerzen sie noch ausser gefecht setzten. Still packte sie ihre Tasche wieder zusammen, während der Schmerz vorrübergehend zu etwas dumpfen wurde. Dieses Stechen im Kopf blieb, es verschwand nicht. Aber die Wellen ließen sie jetzt in ruhe. Vorerst. Noch. Doch wie lange?
Sie fuhr jetzt direkt zum Hotel und machte sich sofort auf zu der Suite ihres Primogens. Was sollte sie ihm nur sagen, wie konnte sie ihn überzeugen?