AW: [29.04.2008] Fotos versenden
So, jetzt mussten sie aber los. Während sie nach unten gingen erzählte Evelina:
„Wir haben morgen Abend eine Hausbesichtigung, der Besitzer kann erst ab 20 Uhr, und da dachte ich mir, nehmen wir doch 21 Uhr, dann kannst du auch mitkommen. Ich hoffe, das war in deinem Sinne?“
„Aber ja, Evelina. Es freut mich, wenn auch ich das Haus vor dem Kauf sehen kann. Schaut ihr euch mehrere Häuser an?“
„Vorerst nur diese eine Villa, denn sie gefiel mir am allerbesten. Sicher wird sie dir auch gefallen. Wenn du zurück bist, kannst du dir das Übersichtsblatt anschauen. Möbel sind nicht darin. Was meinst du, sollten wir uns neue Möbel kaufen oder unsere aus England kommen lassen?“
Ferdinand wollte gern seine vertrauten Möbel um sich haben.
„Nun, ich denke ein Transport der Möbel lässt sich organisieren. Aber den Flügel sollten wir dort lassen - wie Julian schon feststellen musste, ist da der Transport recht umständlich. Schaffen wir uns lieber hier einen neuen an. Telefoniere mal mit den Oxforder Rothschilds, vielleicht möchte einer von ihnen unsere Villa übernehmen? Es würde mich sehr freuen, wenn das Haus in der Familie bleibt.“
Evelina versprach sich darum zu kümmern.
„Oh, ich könnte mir vorstellen, dass Edvard an der Villa Interesse haben könnte, schließlich heiratet er im Sommer. Im Moment wohnt er noch bei seinen Eltern, und sie wollen ihm beim Erwerb eines angemessenen Domizils finanziell unterstützen. Edvard hatte sich schon umgeschaut aber sich bisher noch nicht entschieden, soweit ich weiß. Den Flügel wird er sicher gern übernehmen, selbst wenn er die Villa nicht möchte, er spielt doch auch gern Klavier.“
Evelina war da bestens informiert was solche Dinge betraf, und sie wollte auch von hier aus weiterhin ihre Kontakte zu den Oxforder Rothschilds pflegen.
Sie erreichten das Auto und stiegen ein, und sie fuhren natürlich nicht los ohne Ferdinands obligatorisches „Fahr vorsichtig.“
Henry war ein guter Fahrer, das war er geworden, weil Ferdinand darauf soviel Wert legte.
„Und du musst später unbedingt noch lesen was in der Zeitung über die Ausschreitungen steht“, fuhr Evelina fort.
„Was für Ausschreitungen?“
„Diese Demonstration, sie ist in vielfältige Gewalttätigkeiten gemündet. In der ganzen Stadt wurde randaliert."
„Aber nicht bei der Ruine der Anstalt, will ich doch hoffen?“
„Nein, zumindest nicht laut Zeitungsbericht. Autos wurden angezündet, viele Häuser wurden beschädigt, auch Gebäude der Polizei und Justiz, unter anderem mit
Molotowcocktails, und es wurde sogar ein Pub in die Luft gesprengt.“
„Dann stand das Ganze also in der Tat ganz im Zeichen von Ravachol, dem anarchistischen Bombenleger und Brandstifter. Die Obrigkeit der Domäne wird sicher nicht gerade sehr erfreut sein. Umso weniger, wenn Kainskinder das Ganze organisiert haben.“
Ferdinand fragte sich, wie es Hannah wohl ergangen war, ob sie auf der Demonstration geblieben war und ob die Geissel auch dort gewesen und Kainskinder im Sperrgebiet erwischt hatte.
Ach, diese Stadt. Ein Unruheherd, ein einziges Chaos. Sich hier niederzulassen war eigentlich Wahnsinn.
Aber Julian wohnte hier jetzt. Das war für Ferdinand der Hauptgrund warum er hier bleiben wollte. Ansonsten würde er diese Stadt liebendgern wieder verlassen nachdem der Auftrag erledigt war, den der Primogen ihm erteilt hatte.
Und Julian lag offenbar einiges daran hier zu wohnen, in seiner Heimatstadt, in seinem Elternhaus. Ihm vorzuschlagen mit ihnen nach Oxford zu kommen kam also nicht in Frage, nicht solange Julian hier bleiben wollte. Höchstens dann wenn er irgendwann von selbst hier weg wollte. Es war Ferdindand wichtig, dass sie zusammen blieben, sei es in Finstertal, auf dem Nordpol oder auf dem Mars.
Nur eins hätte das verhindern können: Wenn Evelina weg wollte. Ferdinand würde nirgendwo bleiben wo Evelina sich unwohl fühlte, sie sollte doch nicht leiden.
Doch aus Finstertal wollte sie bisher trotz der Gefahren nicht fort. So kam Ferdinand zum Glück nicht in die Verlegenheit, Julian hier zurücklassen zu müssen.