[27.04.08] Finding someone Harder

Eldrige

Zombie-Survival Experte
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2. März 2004
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Die Stelle in der Bibliothek war das Beste das Christian seit langer Zeit gefunden hatte. Eigentlich war es nur jeden Abend ein paar Listen abhaken, ein paar Bücher verteilen und anschließend, wenn alle gegangen waren, herumsitzen. Die ganze Nacht im Internet herumwühlen, kleine Browserspielchen pflegen und ab und an sogar mal die Zeit sinnvoll für das Studium nutzen. Dazu kam oft die kleine Lederbraut hier vorbei und legte ihm ab und an ein Mitbringsel auf den Tresen. Sie hatten sich nie groß unterhalten, mehr als ein 'Hi Großer' oder ein Nicken hatten sie kaum übrig gehabt, aber er würde sie auch nicht fragen was sie eigentlich hier wollte. Sie lieh nie etwas aus, aber es stand nirgends geschrieben das sie das musste um hier her zu kommen. Wahrscheinlich nutzte sie nur den kostenlosen Internet Zugang. Tagsüber hätte man sie bestimmt freundlich hinaus gebeten, aber warum sollte er ihr flirtendes Zwinkern riskieren um einen blöden PC zu bewachen, den in der Nacht sowieso niemand nutzte ?
Sie war sein Geheimnis. Irgendwie war es ja auch ein wenig aufregend, wenn er mit seiner Freundin am Wochenende auf der Couch einschlief, während sie Filme anschauten, konnte er immer mal an die athletisch gebaute, geheimnisvolle Schwarzhaarige denken, die ihn besuchte. Mehr als das, und natürlich seine Ruhe hier, wollte er gar nicht.

Seine Ruhe bekam er wiedereinmal zur genüge. Düster und still standen die Regalreihen, treu wie in jeder Nacht in der Finstertaler Bibliothek. Riesige Monolithen aus Holz, metallischen Zierbeschlägen und Papier bildeten viele Gänge, die beinahe wie gewachsen wirkten. Dazwischen fand man immer wieder Stehlampen, die ihr glimmendes Licht durch die pergamentige Struktur lederner Lampenschirme sandten, Sitzgelegenheiten und schließlich, wenn man so wollte im Herzen des Labyrinthes, auch einen Computer Arbeitsplatz.
Dieser hier lag allerdings ein wenig einsam und abseits der anderen Anschlüsse. Das Gerät war schon ein wenig älter als die Standard Geräte die sonst in der Bibliothek verteilt waren, aber immer noch zu neumodisch für ihren heutigen Benutzer.

Lurker ging davon aus, dass nicht einmal eine Werbestie so dämlich sein konnte sich mit ihrem richtigem Namen und ihrer echten Wohnadresse irgendwo eintragen zu lassen. Gut möglich das er mehrere Wohnungen finden würde, aber er hatte ja als Parameter das Gebiet das so etwas wie ein Reservat für diese Dinger war. Wenn eine Adresse also in der Nähe oder sogar mitten in diesem Stadtteil lag, dann würde das schon mal eine bemerkenswerte Spur sein. So ging der Nosferatu also 'Thomas Harder' mit einer einfachen Adressen Suche an, während er gleichzeitig den Familiennamen durch die Stadtgeschichte laufen lies. Wo kam er her ? Wo ging er hin ? Wo lebten seine Familien Angehörigen ? Waren die Harders schon seit Jahren Mitglieder der Gemeinde ? Oder tauchte der Name nur in irgendeiner einsamen Kirchenchronik am Ende der Welt auf ? In dieser Nacht sollte kein Harder vor den virtuellen Fühlern des wühlenden Nosferatu sicher sein.
Aber es gab für ihn weit mehr als nur diese weltlichen Teil seiner Suche, in der er auch nutzlose Verweise wie den 'Harder Literatur Preis', sowie eine ganze Latte an Schriftstellern, Philologen und Kriegsverbrechern mit dem Nachnamen 'Harder' berücksichtigte. Vielleicht war es nur ein Zufall, dass im Zusammenhang mit den Viechern bereits zweimal der Name 'Thomas' vorgekommen war. Vielleicht war das aber auch die Stelle in die man das Stemmeisen rammen und die Büchse der Pandora mit Schwung aufzureißen vermochte.

Thomas war vor seiner biblischen Bedeutung um den Apostel Thomas bereits ein sprechender Name im mittleren Osten. Er bedeutete 'Zwilling'. Gab es ein Mysterium um die Wolflinge, dass etwas mit mit dieser Laune der Natur zu tun hatte ? Waren vielleicht Zwillingsgeburten bei ihnen häufig ? Vielleicht war es ein Geheimnis der Bestien das sie immer zu zweit geboren wurden ? Ein Zwilling als potentielles Monster und eines als Mensch ? War es dann vielleicht möglich das Monster zu vernichten oder zu bezwingen, wenn man des menschlichen Zwillings habhaft wurde ? Wenige Mausklicks und ein paar geliehene Passwörter weiter verglich Lurker die Geburtsdaten und Umstände von Zwillingsgeburten die sowohl mit dem Namen 'Thomas', als auch dem Familiennamen 'Harder' in Verbindung standen.
Weiter ging die Reise rund um das Thema 'heiliger Thomas', Schutzpatron der Zimmerleute und Theologen. Wenn man die Berufswahl des vergeistigten Menschenführers der katholischen Kirche bedachte war diese Kombination gar nicht so merkwürdig, wie sie auf den ersten Blick wirkte. Thomas war der Ungläubige der Apostel, derjenige der an Christus Wiedergeburt gezweifelt hatte. War das ein versteckter Hinweis darauf das die Werwölfe einen Untoten erkennen konnten ? Konnte es sein das sie schon so lange auf dem Angesicht dieser Erde wandelten und die Untoten jagten ? Vielleicht hatte es aber auch etwas mit dem verdrehtem, absonderlichem Pathos der Dinger in Sachen Ehre und Kampf, Aufopferung und Treue zu tun. Die meisten Vampire die verlauten ließen etwas über die 'Gesellschaft' der Bestien zu sagen hatte, sprach von einem Kodex der wie der feuchte Traum eines Samurai Befehlshabers klang. 'Seite an Seite, bis in den Tod' und 'Ehrenhaft sterben füreinander', das übliche Gesülze das man von Herrschern gewohnt war, wenn sich schlecht bewaffnete Kinder in den Tod schickten um ihre gelibeten Familien Juwelen zu verteidigen, sollte ja hoch im Kurs stehen bei diesen Monstren. Dann wäre Thomas durchaus bewusst gewählt, denn er war der Jünger der die Anderen aufforderte mit Jesus zu gehen und mit ihm zu sterben, als dieser auf dem Weg war Lazarus von den Toten zu erwecken.

Jeder dieser Schnipsel hatte das Potential der Schlüssel für alle Geheimnisse zu sein. Lurker war so sehr in seinem Element, so vertieft in den Spinnweben der Symbolik und Geschichte, das er kaum noch daran dachte sich mit Marie zu treffen. Erst viel später in dieser Nacht, lange nachdem er alle wichtigen kirchlichen Feiertage rund um den 'heiligen Thomas', sei es der katholische 3. Juli oder der evangelische 21.Dezember, vielleicht auch der orthodoxe 6.Oktober oder der 25. August der armenischen Kirche, mit allen Fakten und Quersummen abgeglichen hatte, würde er mit seinen gesammelten Informationen zur Müllkippe eilen, um sich mit seiner Erstgeborenen zu treffen. Sie würde vielleicht noch einige Dinge wissen, falsche Fährten eliminieren und am Ende wohlmöglich aus dem großem Topf den Lurker ihr präsentierte die gewünschte Person heraussuchen können.

Der Nosferatu wühlte und suchte und fühlte sich dadurch fiebrig und lebendig wie selten. Längst war sein Missmut über den Auftrag durch den Sheriff verraucht und es ging nicht mehr um Politik und Intrigen, um den Preis des Wissens, sondern nur noch um die Jagd. Wer war Thomas Harder ?
 
AW: [27.04.08] Finding someone Harder

Genau genommen war die Suche selbst, erschreckend einfach.
Dr. vet. Thomas Harder ist Vorsitzender der Stiftung "Posteritas Lupus", eines im Sommer des Jahres 2006 gegründeten großräumigen Naturparks der sich allein der Verhaltensforschung wild lebender Wölfe verschrieben hat.
Finanziert wurde das Projekt durch eine Vielzahl der verschiedensten Stifter unter denen namentlich sowohl die Fintertaler Kunstakademie, wie auch ein Konzern Namens World Science zählen.
Das gesamte Areal dieser Fläche umfasst mehrere tausend Hektar rein bewaldeten Gebietes das zugleich durch die EU selbst zum Europa-Naturschutzpark ernannt wurde. Einige namhafte Fachleute stützen einiges an Hoffnung in dieses riesige Unternehmen.

Mehrere ersichtliche Dokumente tragen neben der Unterschrift Harders erstaunlicherweise auch die eines bekannten Italieners, die von Toni Romero. Dieser hat seinerzeits als bestellter Anwalt der spendenden Akademie den gesamten geschäftlichen Teil des finanziellen Transvers übernommen.

Weiter finden sich unter dem Namen Thomas Harder mehrere Publicationen die sich mit der Verhaltensforschung bei Wölfen, einigen philosophischen Gedanken zu deren Zukunft und auch einige Sachbücher zählen.

Selbst eine Meldeadresse ließ sich problemlos heraufiltern, Thomas Harder bewohnt, inmitten des Naturschutzgebietes einen Kotten etwa zwei Kilometer südlich von Finstertal.
 
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