[16.05.2008] Der Verborgene und die Hexe

"Ja, da hast du Recht, wir müssen auf jeden Fall handeln und das schnell, egal was geschieht und wenn mich Jenny fährt, kein Problem, ein Motorrad ist nicht das Schlechteste wenn man durch den Verkehr kommen muss", sagte Kiera. "Meinst du, sie macht mit? Ich meine, ich weiss nicht was sie von sowas hält.

Kommt man denn durch die Tunnel mit dem Motorrad?"

Das mit dem Feuer hatte sie noch nicht mitbekommen, aber ein Tunnelbrand war immer etwas extrem schreckliches.

Dann veränderte sich Lurkers Ausdruck, fast unwillkürlich auch seine ganze Ausstrahlung, es war als würde sich ein klein wenig der Realität auf ihn legen, ein Blick auf die Gewebe der Welt sich öffnen. Das hatte sie einige Male bei sich selber bemerkt - bevor sie verwandelt und es ihr genommen wurde - eine andere Macht griff durch die Dimensionen, wenn man es so beschreiben konnte.

Sie sah seine Augen und sie hörte sein Worte.

"Dann sollten wir schon jetzt keine Zeit verlieren, Lurker."

Sie trat einen Schritt auf den Verborgenen zu, wenn es notwendig wurde, ihn aus der Umgarnung zu holen, würde sie es ohne Zögern tun.
 
Es geschah oft das man eine Antwort fand, wenn man über die Frage selber gerade gar nicht nachdachte. Die andauernd mahlenden Zahnräder im Verstand des Nosferatu hatten rein zufällig richtig ineinander gegriffen, als sich sein Geist kurz mit der Problematik auseinander gesetzt hatte, wie sie es bewerkstelligen mochten schnell nach Burgh zu gelangen, wenn das nötig werden sollte.
Schon als er von dem Brand in den Nachrichten gehört hatte, war sein erster Gedanke gewesen wer wohl dahinter stecken mochte und was damit bezweckt werden sollte, aber er hatte mit dem ehemaligem Finsterburgh, heute Stadtteil seines Finstertales, bislang so gut wie nie etwas zu tun gehabt. Sein erster Gedanke war es, dass man wohl versuchte ein wenig an der Maskerade zu drehen, damit die Menschen etwas erklärbares hatten das schlimm genug war um ausgiebig darüber zu tratschen, ohne das sich noch jemand Gedanken machte was an diesem Skilift passiert war.

Erst jetzt war ihm der Gedanke gekommen aus welchen Gründen man noch dafür sorgen können wollte das keiner der Blutsauger mehr auf die andere Seite der Stadt kam. War es möglich das Johardo seine Finger im Spiel hatte und nun dabei war seine Schäfchen ins Trockene zu verlegen? Dummerweise blieb es eine Idee, Spekulation und auch Burgh war zu groß um einfach los zu laufen und nach einem Bild zu suchen. Vor allem war es nun auch noch verdammt weit weg.
Zuerst war das Problem aber mal seine Gedanken auf zu formulieren, so das Kiera eine Chance hatte zu wissen wovon er da eigentlich stammelte. Kurz ordnete sich der Nosferatu.

Ich hatte gerade einen Gedanken der mir bislang noch nicht gekommen war. Es war heute in den Nachrichten. Der Tunnel unter zwischen den beiden Stadtteilen, Finstertal und Burgh, dort gab es heute Nacht einen Unfall mit einem Tankwagen. Dadurch ist Burgh von uns abgeschnitten. Was ist, wenn das absichtlich passiert ist, weil das Bild in Burgh versteckt ist?

Lurker begann nun auf und ab zu gehen, seine Hände hatte er vor sich ausgestreckt und seine Finger fuchtelten wild in der Luft herum, ein wenig so als würde er auf einer unsichtbaren Schreibmaschine schreiben, oder eine schwierige Rechenaufgabe durch abzählen lösen.

Aber wenn es so wäre, wüssten wir immer noch nicht wo in Burgh und wir kommen heute dort nicht mehr hin.

Der Verborgene zitterte vor fibriger Energie, wie sie nur das Knacken eines Rätsels bei ihm auszulösen vermochte.
 
Kiera dachte einen Moment nach.
"Also wenn ich raten dürfte, wäre es der am besten geschützte Ort den es dort gibt", meinte sie. "Du weisst ich meine die Burg oder meinst du Johardo hat es einfach irgendwo vergraben lassen?

Immerhin war es sein Gargyl, der es ihr Meyye weggeschnappt hat."

Das würde nicht einfach werden, das war klar.

"Wie würden denn die anderen Wege nach Burgh aussehen?"
 
Fragte man den Nosferatu, würde er für ein Versteck natürlich nicht das größte und sicherste Gebäude wählen, sondern das Unscheinbarste und Unwahrscheinlichste, den das beste Schloss war nicht eines das schwer zu knacken war, sondern eines das der Dieb noch nicht mal zu Gesicht bekam. Aber die Burg war ganz klar das herausragenste Gebäude in diesem Stadtteil. Wenn er sich richtig erinnerte war das einmal das Domizil eines alten Brujah Prinzen gewesen, allerdings hatte er zu dieser Zeit bereits genauso wenig mit Burgh, oder Finsterburgh zu tun gehabt wie heute. Quasi nichts.

Wie gesagt, ich werde überprüfen müssen ob meine Verbindungen noch passierbar sind. Ansonsten kann man nur durch die Wildnis, was im Augenblick nicht unbedingt die Beste Idee sein dürfte, und über die Umgehungen der Menschen, was heute Stunden in Anspruch nehmen dürfte.

Es sah so aus, als wären sie für diese Nacht gründlich abgeschnitten. Wenn die Tunnel und Passagen für die er gesorgt hatte in Mitleidenschaft gezogen worden waren, wohlmöglich auch für länger.
 
"Mit dem Motorrad geht es vielleicht schneller", meinte Kiera. "Aber wir werden sehen, was sich ergibt, mal sehen, was sich da morgen erreichen läßt, wieviele Leute zum Suchen denkst du, dass wir zusammen bekommen, vorallem wird es bestimmt nicht so einfach da reinzukommen, wenn es der Gargyl in die Burg gebracht hat, ich denke, die haben da keinen Hintereingang für nicht Hexer aufgelassen."

Aber vielleicht wußte Lurker ja doch was und vielleicht würde ihnen jemand die Tür öffnen, wenn sie nur an Gabriel rankäme.
 
Im Augenblick war er noch zu überrumpelt von dem plötzlichem Geistesblitz, daher hatte der Automatismus zuerst mal niemandem von seiner Idee zu erzählen noch nicht gegriffen. Möglich das er sich später darüber ärgern mochte, dass ihm der Einfall ausgerechnet bei der Schwester der Regentin herausgerutscht war, aber andererseits, so mochte ihn seine Logik später beruhigen, wäre es dumm von Kiera wenn sie ihre Schwester einweihen würde, denn diese würde ganz sicher nicht daran mitarbeiten das Bild zu zerstören und es brächte sie nur in Gefahr, wenn später heraus käme, dass sie eine Spur gehabt hatte und dennoch nicht in der Lage gewesen war das Bild sicher zu stellen. Es würde also auf den kleineren Kreis der Verbündeten ankommen.

Alle Nosferatu, das wären vier, Pareto, dieser Brujah Duke und du selber. Der neue Sheriff wäre vielleicht auf unserer Seite, aber ich glaube kaum das er gegen eine direkte Anweisung von Oben handeln kann. Wen hättest du noch im Köcher?

Die Idee heute Nacht, wo es von Polizisten überall nur so wimmeln würde in der Nähe des Tunnels und auch auf den Umgehungsstrecken, die ganz sicher völlig überlastet und chaotisch verstopft sein würden, mit einem Motorrad nach Burgh zu rasen war für den Verborgenen undenkbar. Nicht nur das man damit die Menschen aufscheuchen würde, ganz sicher mochten dann die Hexer auch noch mitbekommen das etwas im Busch war.
 
Kiera überlegte.

"Vielleicht Helena, die ist gerade zu fanatisch, das Bild zu vernichten, bei den anderen von meinem Clan, würde ich nicht wissen, in wie weit ich mich drauf verlassen kann", sagte sie dann. "Ich weiss nicht, wie gut gesichtert die Burg ist, aber da ist dann wirklich Gefahr im Verzug. Als ich das letzte Mal mit meiner Schwester dort war, konnte ich die Türen noch alle öffnen, aber ob das noch geht?"
Sie zuckte die Schultern.

"Wie ist es mit Meyye, wenn man ihr was anbieten kann, dass die Archonten sie nicht kriegen, würde sie vielleicht mitmachen, denn die hat Angst, dass die Blutjagd ausgerufen wird."
 
Auf den Vorschlag die Hüterin mit ins Boot zu holen hätte er wohl eigentlich damit reagieren sollen die Hände über dem Kopf zusammen zu schlagen, denn soweit er wusste würde kaum jemand in der Stadt den Belgier härter verteidigen als die Pseudo Toreador. Er kannte die Frau, die sich ihm seinerzeit als 'Hel' vorgestellt hatte, kaum persönlich und was er wusste hatte er mehr von Anderen über sie erfahren. Was er Kiera aber gerne glauben wollte, war die Tatsache, dass die Caitiff Primogena Zieglowsky mitsam Bild und allem was dazu gehörte vernichtet sehen wollte, denn wahrscheinlich hegte sie die Hoffnung, dass mit Buchett danach wieder etwas anzufangen sein würde. Daher verwehrte er sich nicht dagegen Helena an der Sache zu beteiligen. Sie war schon lange Finstertalerin und wenn es ihr nicht um das Wohl der Stadt ginge, dann hätte der Moloch sie ganz sicher schon vor langer Zeit geschluckt, wie so viele andere der alten Finstertaler, die vergessen hatten sich um die alte Dame an der Finster zu kümmern.

Apropos alte, eingesessene Finstertaler. Meyye war hingegen ein Problem für ihn und zwar eines das er nicht einfach ignorieren konnte. Dummerweise konnte er sie nicht einfach beiseite schieben, denn dasselbe Argument das für Helena galt, musste natürlich auch für die Gangrel gelten. Es war manchmal widerlich mit der Logik, aber man konnte sich nun mal nicht aussuchen wann sie galt und wann plötzlich nicht mehr.

Meyye...

Lurker lies den Namen ein paar Mal in seinem Mund hin und her rollen als er ihn aussprach, so als wäre er ein muffiger Wein, bei dem er herausfinden wollte woher die Misstöne gekommen waren.

Meyye und ich...wir haben eine gemeinsame Vergangenheit und sagen wir einfach mal wir sind nicht sehr freundlich auseinander gegangen.

Und vielleicht werde ich dir eines Tages sogar erzählen was passiert ist, aber nicht jetzt.

Er wollte nicht darüber reden. Im Moment wollte er auch nicht, dass Kiera es wusste. Außerdem wäre es nicht klug jetzt davon zu sprechen, weil es sonst passieren mochte, dass die Mambo beschloss, das sie mit der Gangrel lieber nicht mehr arbeiten wollte und das wäre wohl nicht so gut im Moment, denn Tatsache war, dass sie sie wirklich gut brauchen würden können.
Hinzu kam, dass die kleine Tierliebhaberin wirklich an jeder Aktion zur Rettung dieses geliebten Höllenloches beteiligt gewesen war, an die sich der Nosferatu erinnern konnte. Tatsächlich war sie die einzige in der Stadt, die den Kopf genauso oft riskiert hatte wie er.

Und du wüsstest nicht wie du damit umgehen solltest wenn eine Jagd auf sie ausgerufen würde, aber mach dir nur weiter was vor.

Aber nur weil er dann um das Vergnügen gebracht werden würde sich der Gangrel selber zu entledigen und zwar ganz langsam und genüsslich. Verärgert schob er den Gedanken beiseite, bevor ihn die Stimme in seinem Kopf mit weiterer Häme bedenken konnte, indem sie darauf hinwies, dass er das mit dem 'langsam' wirklich exzellent geschafft hatte bislang.
Am besten gegen die eigenen, giftigen Gedanken, half ihm stets sein Pragmatismus und etwas konkretes zu tun.

Also müsstest du sie versuchen ins Boot zu holen, auf mich würde sie nicht sehr gut reagieren.

Das die Mambo selber eine mehr als aufschlussreiche Begegnung mit der ehemaligen Tierprimogena hatte, wusste er schließlich nicht.
 
Gut, was sich zwischen Helena und Lurker tat oder nicht tat, wusste Kiera nicht und vermutlich hätte es sie auch nicht wirklich interessiert. Und ob Helena auf Seiten von Buchet stand, nun was hätte einer der anderen getan, wenn er in seiner Lage gewesen wäre und was würde Lurker tun, wenn der Methusalem auf die Idee kam, Ziege behalten zu wollen.
Die Mambo konnte manches nicht so sehen, wie die Anderen, es gab genug, die auch den Baron für einen Dämon hielten, ein gesamter Clan bezog seine Spezialkraft aus der Zusammenarbeit mit Dämonen, wer wußte mit was die anderen, die morgen zu Gericht sassen, alles im Bunde waren und verdammt, warum sollten die Tremere da mal wieder einfach so dabei rauskommen.

Der Lord sass in Warschau und lachte sich ins Fäustchen, dass er seinen Hintern hinterhergetragen bekam und ihre Schwester pamperte auch so seine Informantin, die Judith mit den Diableriestreifen in der Aura.

"Ja, ich werde versuchen sie zu erreichen, wenn du keinen hast, der sich gut mit ihr versteht." Durch die Worte konnte Lurker bestimmt erkennen, dass da vielleicht auch was vorgefallen war.

"Achso und sicherheitshalber sollte jeder, der das Bild sucht, versuchen es nicht anzufassen, also Handschuhe anziehen, möglichst schnell ein Tuch drüber werfen und sowas. Wer weiss was es außer Ziege am Leben erhalten noch kann."
 
Tatsächlich musterte der Verborgene die Caitiff einen Moment nachdenklich, als diese nun ihrerseits von der Gangrel sprach, aber vielleicht überinterpretierte er ihre vorsichtige Wortwahl auch. Dennoch, soviel er bislang von der Anderen kennengelernt hatte hielt diese mit nichts hinter dem Berg, also möglich das auch sie bereits mit Meyye aneinander gerasselt war.
Je nachdem wie sich alles entwickeln würde mochte es durchaus sein, dass die Mambo in eine Position kam, in der Lurker ihr diesen Teil seiner Vergangenheit anvertrauen wollte und vielleicht würde er dann fragen ob ihr auch etwas passiert war in dieser Hinsicht, aber heute Nacht war es noch nicht soweit.

Natürlich, ich werde alle entsprechend warnen das Ding nicht anzufassen, oder sich anzuschauen. Gut, wenn du noch etwas brauchst melde dich, ansonsten treffen wir uns morgen. Falls dich noch keiner der anderen Amtsgockel geladen hat, kannst du natürlich angeben das du als mein Zeuge dort anwesend bist, falls tatsächlich einer der Großmuftis versuchen sollte dich fern zu halten.

Tatsächlich würden ja absichtlich nur Ahnen und Amtsträger zum erlauchten Tanze geladen sein und alle Anderen mussten brav anstehen und auf die Gunst eines geladenen warten.
Interessanterweise war man wesentlich großzügiger mit der Verteilung von Einladungen gewesen, als es darum gegangen war den Bockmist Buchetts auszulöffeln. Da war jedes Küken und jeder schmutzige Caitiff willkommen gewesen sich ins Feuer zu werfen.
Lurker spürte wie das träge Blut, das in seinem Körper hin und her schwappte anschwoll und sachte begann sich seinen Weg durch das Geäst der ausgetrockneten Adern zu pressen. Manchmal konnte er die Verwandtschaft zu seiner rebellischen Tochter nicht abstreiten. Wer würde aber schon solche Züge bei ihm erwarten?
 
Helena sah Lurker zweifelnd an.

"Also es hat mich keiner eingeladen und ich hatte auch nicht vor zu der Verhandlung zu gehen."

In der Tat hatte sie in der Post nur einen Werbebrief von Grimm gefunden, der umgehend in den Abfall ging. Was immer HuC von ihr wollte, es konnte nicht wichtig sein. Und den Computer hatte sie heute noch nicht angehabt.

"Ich hatte da eigentlich was anderes vor, ich hoffe, Dr. Thürmer ist auch nicht geladen."
 
Sie erntete ein Schulterzucken des missgebildeten Rückens. Lurker hatte nur vorgehabt ihr die Möglichkeit zu geben an der Akademie aufzulaufen, so sie es denn wünschte. Anscheinend hatte bislang noch niemand auf ihre Anwesenheit bestanden als Zeuge und wenn sie nicht dorthin wollte, würde der Nosferatu sie ganz sicher nicht hin zitieren. Auch wenn sie als Expertin vermutlich wertvoll dort sein konnte, wenn man morgen Abend anfing sich in Details zu verheddern und plötzlich die Frage auf käme mit welcher Art von Gezücht sich der Ex-prinz denn so umtriebig gezeigt hatte. Dämonen, Klabauter, der schwarze Mann, wer wusste schon mit was der alte Toreador paktiert haben mochte um sein Ding durch zuziehen und die Hexer würden sicher alles abwiegeln und als gar nicht so schlimm hin stellen.

Die Anderen meines Blutes bekommen dasselbe Angebot wie du gerade. Wenn sie sich einfinden wollen, dürfen sie angeben das ich sie als Zeuge geladen habe. Wenn jemand von ihnen, oder auch du, nicht hin will, dann ist das so. Allerdings dachte ich, dass es auch in deinem Interesse wäre dort zu sein, damit man dich Notfalls hinzuziehen kann, falls deine Schwester morgen erklärt, dass ja alles halb so wild gewesen ist mit den Geschäften die man mit diversen Höllenfürsten abgewickelt hat.

Sie hatten ihre Runde beendet und waren an einem der Ausgänge des Geländes angekommen. Von hier aus würde es Kiera leicht haben wieder zurück in die Stadt zu kommen. Sie hatte keine Begleitung gewünscht um in das Gebiet der Verborgenen hinein zu kommen, daher würde sie vermutlich auch auf dem Rückweg niemanden brauchen, aber dennoch würde Lurker bereit stehen sie auch durch das Industriegebiet zu geleiten, so sie dies wünschte.
 
Kiera sah Lurker lange an, sehr lange bevor sie antwortete.

"Und woher willst du wissen, dass ich, wenn ich die Wahrheit sage, dir und denen, die Buchet absägen wollen in die Hände spiele, weil nur sein darf, was du und diese wollen?" fragte sie zurück. "Das was ihr bei der Verhandlung auf keinen Fall brauchen könnt, ist jemand, der sich wirklich damit auskennt und einfach nur Fakten nennt.

Ich würde auf jeden Fall zerrissen werden. Sage ich etwas, was Buchet zu Gute kommt, heisst es, ich wurde von ihm gekauft, sage ich was, was meiner Schwester in die Hände spielt, heisst es, ich wurde von den Tremere gekauft, sagte ich was, was denen in die Hände spielt, die Buchet unbedingt tot sehen wollen, heisst es, ich bin parteiisch und wurde von euch gekauft.

Also, egal was ich sage, es ist immer falsch, egal wie sehr es nach bestem Wissen und Gewissen richtig ist. Alleine von daher werde ich versuchen mich vor der Verhandlung drücken, wenn es irgend geht."

Nein, man würde sie schon zwingen müssen, eine Aussage zu machen. Auch wenn sie nur über das referierte, was sie da unten erlebt hatte, würde es kaum allen gefallen.
 
Sein erster Impuls war es Kiera kurzer Hand direkt auf den Kopf zu zusagen, dass es ihm herzlich egal wäre was die Mambo vor dem scheinheiligem Gremium morgen sagen würde, wenn es denn einfach nur Fakten wären, weil er niemals von ihr gefordert hatte, dass sie irgendetwas verdrehen sollte oder nur solche Dinge erwähnen sollte, die ihm dienlich wären.
Es war einfach nur so, dass er wusste was der Belgier getan hatte. Alleine durch Zacharii war Finstertal zweimal beinahe in den Abgrund gerutscht und für die Rettung der Stadt hatten immer andere geblutet.
Natürlich mochte man nun argumentieren, dass die Prinzen anderer Städte nicht auch furchtbare Dinge getan hatten und auch weiterhin tun würden und das Buchett im Vergleich zu Attila dem Hunenkönig ein netter Kerl war, aber das machte ihn nun mal nicht besser. Weniger schlimm als irgendetwas zu sein, hieß nicht gut. Der Versuch etwas schlechtes zu relativeren machte etwas schlechtes eben nur relativ, aber nicht besser.
Dennoch unterdrückte Lurker den ersten Anflug von Wut und behielt den Mund zunächst zu.

Vielleicht war es gar nicht das, was die Hexenschwester ihm hatte sagen wollen? Vielleicht hatte sie ihm sagen wollen, dass es aus ihrer Sicht nicht so einfach war, dass man von einem 'Dämonenpaktierer' sprach und denjenigen dann möglichst schnell und fachgerecht auf einem hübschen Scheiterhaufen entsorgte.
Für ihn und die meisten anderen waren das nur Schlagworte. Sie hatten aus den Tagebüchern des Prinzen Dinge wie 'Dämon' und 'Zacharii' zu hören bekommen und konnten aber gar nicht wirklich definieren was das nun eigentlich genau sein sollte. Für sie war das nur ein abstraktes, böses Konstrukt.

Was aber wenn die Sache nicht so einfach war? Wenn man plötzlich anfing zu fragen was genau hinter solchen Konzepten stand? Wenn die Hintergründe die ganze Sache plötzlich unangenehm kompliziert und differenziert machen und die schöne, schnelle, saubere 'macht-es-tot-mit-Feuer' Lösung plötzlich der Weg der Einfältigen und Dummen war, die lieber schnell wegsehen wollten, so wie die meisten lieber schnell weg sahen wenn jemand seines Blutes des Weges kam?

Anstelle von Entrüstung erntete Kiera also zunächst einmal ein nachdenkliches Nicken, das man kaum sehen konnte durch die Kapuze, weil der Verborgene es mehr für sich und die Neusortierung seiner Gedanken brauchte, als für die Andere.

Ich werde jetzt nichts davon erzählen das es mir alleine um die ultimative Gerechtigkeit und die gute Sache geht. Unabhängig davon ob Buchett schuldig ist oder nicht, will ich das der Mistkerl endlich mal was abbekommt, dafür was er getan hat und ich will ihn nicht als Prinz auf dem Thron hocken sehen und dabei zuschauen wie er als einziger sauber und glatt gebügelt aus diesem ganzen Mist hervorgeht. Ja, es geht auch um mich und das was ich will....aber...

Er hob eine Hand um eine eventuelle Erwiderung zu stoppen, bevor Kiera seine Ausführung unterbrechen konnte.

Es geht mir auch um unser aller Heimat und darum das unsere Chancen besser stehen, wenn das nächste Mal die Hölle ihre Fühler nach uns ausstreckt und ich weiß, dass einige andere von uns sich nicht mehr mit Buchett als Chef abfinden werden. Ich weiß außerdem, dass wir morgen keinen richtigen Prozess zu sehen bekommen werden, sondern nur eine schöne bunte Show, bei der uns die Madenpastete so lecker überbacken präsentiert werden soll, dass wir sie doch wieder bestellen. Es wird kein Gericht irgendetwas aufnehmen und Beweise verfolgen wollen und wir haben auch keine tolle 'Unschuldsvermutung', die den Angeklagten im Zweifel beschützen soll und diesen ganzen Dreck der bei Gericht den Menschen vermitteln soll, dass alles gerecht abgeht. Niemand wird dort morgen an Gerechtigkeit interessiert sein und niemand wird fair spielen. Darum will und werde ich das auch nicht tun. Das heißt aber nicht, dass ich von dir etwas anderes verlangen würde als einfach nur das zu sagen, was du für die Wahrheit hälst.

Seine Wortwahl war in diesem Falle absichtlich so gewählt, damit er der Mc Kinney nicht indirekt unterstellte, dass sie glaubte die absolute Wahrheit gepachtet zu haben und um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass er akzeptierte, dass es eine objektive und eindeutige Wahrheit vermutlich nicht gab. Das gab es nie.

Aber es ist auf jeden Fall klug morgen so weit wie möglich von diesem Hexenkessel entfernt zu sein, da hast du völlig Recht. Wie gesagt, es sollte nur ein Angebot sein falls du hin willst, kein Versuch dich in diese Sache rein zu ziehen. Ich hole mir den Kopf von dem Bastard selber und weil ich es will. Wenn ich mich irre und das Falsche tue, dann wäre das nicht das erste Mal, damit müsste ich dann klar kommen. Aber das was ich tue ist meine Überzeugung davon, dass es das Richtige ist.

Er würde jede andere Meinung gelten lassen. Aber manchmal man musste sich nun mal entscheiden, sowohl im Leben, als auch auf dem Weg durch die ewige Nacht. So war das eben.
 
Kiera hörte es sich an und sie hörte in dem Moment Dinge, die sie lieber nicht gehört hätte, aber so war es nunmal, manches Mal ging es nur um Rache, Gewalt und da würde es kein Mittel dagegen geben, da würden manche Preise bezahlen, die zu hoch waren, falsch, da war der gesunde Menschenverstand verbannt.

"Ich habe in der Tat morgen etwas anderes vor, wobei es mir ganz recht ist, wenn möglichst viele der Anderen beschäftigt sind, ich denke es ist wichtig, ich werde aber nicht darüber sprechen wollen, wenn es sich vermeiden läßt", erwiderte sie.

"Ich kann dir gerne viel über Geister, Götter, Dämonen und ähnliches erzählen, wenn du das willst, vielleicht kannst du dann morgen darauf zurückgreifen ... und ... ich habe Zacharii oder besser den Dämonen gesehen und gespürt. Er hat mich versucht und nur einen Augenblick mehr, oder eine winzige Unsicherheit und er hätte mich gehabt, ich kann verstehen, was mit der Gräfin und Max geschehen ist.

Hast du Zeit für eine Lektion andere Übernatürliche?"
 
Dann war Kiera offensichtlich nicht die Einzige die Dinge zu sagen hatte die anderen nicht gefallen mochten, aber Lurker war nun mal kein Rosenzögling und kein Königskind. Denen wäre mit Sicherheit eine glattere, gefälligere Formulierung eingefallen.
Der Nosferatu würde Lügen, Stehlen und Betrügen um die Dinge durchzusetzen die er durchgesetzt sehen wollte, denn die Gegenseite tat genau dasselbe. Sie verstand sich nur darauf alles hübscher zu verpacken.
Wenn jemand sich ihm in den Weg stellen würde, dann konnte es durchaus passieren, dass dieser jemand auf der Strecke blieb. Gestern Nacht hatte er einen einzelnen Guhl gegen alle Widerstände gerettet und das bevor sich dieser als nützlicher Pfand erwiesen hatte und bevor irgendjemand den Wert dieses Kerls benannt hatte, aber Lurker hatte auch schon unschuldige Menschen getötet und schreckte nicht davor zurück auch Untote zu opfern für seine Zwecke.
Aber genau das war es, was die Mambo eben ja auch angedeutet hatte. Die Dinge waren niemals völlig gut, oder böse. Es war kein Widerspruch, dass er Mitleid mit einem Einzelnem haben konnte und dabei andere verheizte. Das war....eher menschlich.

Auf ihre Äußerung, dass sie nicht über das Sprechen wollte was sie morgen zu tun gedachte machte nickte er nur und deutete eine leichte Verbeugung an, die soviel ausdrückte das er es als selbstverständlich erachtete, dass sie darüber nichts sagen wollte. Sie hatte seinen Clansbruder erwähnt und wenn dieser ein Geschäft mit der Caitiff hatte, dann würde Lurker dies nicht nur respektieren, sondern mittragen und dafür sorgen das es hundertprozentig korrekt abgewickelt werden würde. Solche Dinge waren wichtig.

Ihr Angebot reizte seine Neugierde. Zu gerne würde er mehr über diese Dinge erfahren. Eigentlich hatte er sich schon darauf eingerichtet das diese neuen Dinge später ein Thema sein würden. Heute hatte er keine Zeit für diese Dinge.

Du hast Zeit. Du musst sie nur aufbringen wollen. Wie wichtig ist dies alles? Wann ist das alles, die Politik und diese Ränkeschmiede so wichtig geworden, dass es alles andere verdrängen soll?

Sein Verstand sagte ihm, dass er jede Minute dieser Nacht dazu aufbringen musste sich für den morgigen Tag vorzubereiten. Buchett war, Zacharii hin und Werwölfe her, sicherlich einer der fürchterlichsten Gegner die man sich aussuchen konnte und Lurker hätte vermutlich keinen Pfennig auf sich gewettet, selbst wenn er seine gesamte Zeit und Konzentration nur auf dieses Thema lenken würde.
Sein Bauchgefühl aber sagte ihm das es auch eine Zeit nach der morgigen Nacht geben würde und das es genauso eine Entscheidung sein würde wie er sein wollte, wie es eine Entscheidung gewesen war diesen Kampf aufzunehmen. Was nutzte ein Sieg gegen 'die da Oben', wenn man selber dadurch zu dem wurde, was man verabscheute?
Also gab er erneut seinen Instinkten nach, oder war es nur wieder die reine Neugierde die ihn hier in sein Verderben stürzen wollte?

Ich habe Zeit.

Drei einfache, kleine Worte, aber sie bedeuteten in diesem Falle auch, dass er Zeit haben wollte, dass er sich Zeit nahm und das Buchett und der Kampf gegen ihn nicht alles war, nicht alles sein konnte.
Dennoch musste er der Realität Rechnung tragen und daher ging er einige Schritte zu einem Stapel alter, poröser Autoreifen, die er kurzerhand anhob. Schwer zu sagen ob die Zeit und das Gewicht die Reifen zu einem großem Klumpen hatten fusionieren lassen, oder ob die Verborgenen nachgeholfen hatten, damit man den ganzen Berg auf einmal anheben konnte, auf jeden Fall kam darunter ein Kanaldeckel zum Vorschein. Der Nosferatu wand sich um, presste seinen Rücken gegen den Stapel um ihn hochgestemmt zu behalten und krallte seine Finger in den schweren Deckel, der den Zugang zur Unterwelt verschloss. Sein Untoter Körper brauchte keine Kraft zu sammeln, oder Anlauf zu nehmen wie es lebendes Muskeln tun mussten. Mit einer fließenden Bewegung nahm er den Deckel ab und deutete in die Schwärze.

Aber ich muss mich gleichzeitig auf den Weg zu noch jemand anderem machen. Darf ich dich einladen mich ein Stück zu begleiten?

Seine Worte wirkten deplatziert, wenn man bedachte, dass er gleichzeitig einen Stapel Müll hoch wuchtete und in einen Abwasserschaft deutete. Man konnte sich vermutlich wirklich angenehmere Verbündete wünschen als Clan Nosferatu.
 
Kiera nickte.

"Kein Problem, gehst du vor oder soll ich?" fragte sie, bevor sie den Anwesungen folgte.

"Die Frage ist doch erstmal, was weisst du denn über Geister, Götter, Dämonen, kann ja sein, dass du dich schon mal mit sowas befasst hast. Ansonsten mit was soll ich anfangen?"

Sie hatte im Laufe der Zeit viel gehört und gelernt. Ob es ihm im Zusammenhang mit Buchet nutzen oder schaden würde, ob ihm und gerade Jenny helfen würde, wenn hier ein anderer Prinz wurde, war auch noch die Frage und das würde wohl die Zeit zeigen müssen.

Wenn sie den Alten so garnicht leiden könnte, hätte sie gestern vermutlich anders gehandelt, aber sie kannte ihn nicht und wußte noch nichts darüber, von daher war sie ziemlich neutral eingestellt, nur Ziege und sein Bild, das musste weg.
 
Erneut wurde Kiera mit einer einladenden Bewegung der Weg gedeutet, der in diesem Falle hinab ging. Da er ihr den recht großen und schweren Stapel angehoben halten würde, ergab sich automatisch ihr Vortritt. Es gab eine bequeme Leiter nach Unten und wenn die Augen sich einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte man gut genug sehen um voran zu kommen. Die Mambo würde nach einem kurzem Abstieg auf einem etwas über Schulterbreite großem Absatz zum Stehen kommen, auf dem sie bequem zu Fuß gehen konnten.
Der Boden war zwar verdreckt, weil diese Passage natürlich unter Wasser stehen würde, wenn die Kanalisation mehr Wasser führte, jedoch schien es lange genug her zu sein, so dass der Weg nicht schlammig war. Der Nosferatu würde die Strecke so aussuchen, dass sie nirgends klettern, tauchen oder sich durch enge Passagen würden quetschen müssen, damit ihre Kleidung nur minimalen Schaden nehmen sollte.

Über ihr sah sich Lurker ein letztes Mal um. Das Grollen und Zischen der Verbrennungsanlage erfüllte die Müllkippe wie der ferne Atem eines Riesen. Niemand sonst bewegte sich im Reich der Verborgenen, die Jauchegrube der Gesellschaft würde wieder still und ungestört da liegen. Einzig eine struppige, dürre Katze war zu sehen. Sie zerrte an etwas herum das aus einem Abfallberg hinaus ragte. Als hätte sie den Blick des Nosferatu gespürt, wandte sie sich um, legte den Kopf schief und warf ihm mit ihren gelben Augen einen skeptischen Blick zu. Dann setzte sie zu einem schnellem Trab an und blieb in einem Abstand zu der verkrümmten Gestalt stehen.
Lurker dachte gerne, dass Marie Wegener ihn vielleicht durch eines dieser Tiere sah, oder zumindest bei ihm war. Als er begann in einer seiner Manteltaschen zu kramen, setzte sich das Tier auf den klapprigen Hintern und wartete mit missmutigem Gesicht, dass sie endlich ihren Anteil bekam. Schließlich nestelte der Untote einen Klumpen Thunfisch aus seiner Tasche, rollte diesen flink zu einer ordentlichen Kugel und warf den Batzen in einer sanften Kurve ungefähr vor die Füße des Tieres. Mit einem kleinem Winken begann er dann seinerseits den Abstieg und ließ dabei den Reifenhaufen langsam wieder auf seinen Platz sinken, bis nichts mehr darauf hindeutete, was hier statt gefunden hatte.
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