15.04.06 - Der Griff nach der Krone

Dimitri nickte langsam und legte kurz den Zeigenfinger auf seine eigenen Lippen. "Behalten sie diese Information für sich, und erzählen sie niemandem davon. Aber, ich habe da keine Bedenken. In ihrer Branche gehört schweigen schließlich zum guten Ton."
 
Die Bemerkung über seinen Gerruch ließ Lurker nur abfällig einen Mundwinkel verziehen. Eine typische Fleischpuppe halt, deren Gedanken sich immer im Kreis von Banalitäten drehten.
Allerdings erinnerte er sich daran das die Bemerkung abwertend gemeint war, als ihm einen Moment lang durch den Kopf ging dem Menschlein die Augen aus dem Kopf zu lutschen, oder ihn an den Füßen aufzuhängen und sich darunter zu legen während man ihn langsam austropfen ließ.
Seine Augen flackerten mordlustig auf, aber er blieb zuvorkommend und freundlich.
Er setzte zu einer Antwort an, aber Dimitri willigte ein. Lurker verzog das Gesicht als hätte er auf eine Zitrone gebissen. Gut das man sein Gesicht nicht sehen konnte. Er war eigentlich nicht der Meinung das sie dem Menschen soviel Zeit und Freiraum lassen sollten. Aber wenn Dimitri meinte das ginge so in Ordnung. Fein. Wenn der Fleischsack quatschen würde, dann konnte man ihn immer noch zur Ader lassen.
 
Juergen nickte und stand auf. "Selbstverständlich wird dieses Gespräch nur unter uns bleiben. Das Videoband nehme ich in meinen Besitz. Dann wünsche ich ihnen noch einen angenehmen Abend."

Er gab zuerst Dimitri die Hand ... danach dann auch Lurker ... auch wenn er sich dabei nicht besonders wohl fühlte. Er zeigte seinen guten Willen ... das müsste genügen.
 
Er war beinahe beeindruckt von Volzmann. Sollte ihre zukünftige Marionette etwa eine zusätzliche Portion Mumm beweisen ?
Es sollte ihm nur recht sein. Vorerst sah er keinen Grund den Mann absichtlich zu verstimmen. Also streckte er seine dürre knotige Hand aus, gab ihm aber nur seine Fingerspitzen zu fassen und hielt die Berührung so flüchtig wie möglich, anstatt ihm richtig die Hand zu geben und die Hände des Menschen mit seinen Spinnenbeinartigen Fingern zu umschlingen.
Dann wandte er sich um und foglte Dimitri.
Bevor sie aus dem Raum herraus waren duckte sich Lurker allerdings ein wenig und drehte sich unaufällig zur Seite um aus der Sicht der Menschen im Vorraum zu verschwinden.
Sie hatten nur eine Person hineingehen sehen, also sollten sie auch nur eine Person wieder hinausgehen sehen. Lurker würde unter ihrem verschleiertem Blick rausschlüpfen. Er sorgte jedoch dafür das Volzman ihn sehen konnte, wie er das Haus verließ.

Auf der Straße angekommen packte er Dimitri und ging mit ihm in den Schatten einer Seitengasse. Er flüsterte noch leiser als sonst.

Das war mir irgendwie zu einfach. Ich traue der Sache noch nicht so ganz. Ich werde zurückgehen und beobachten. Vielleicht hat der Wurm schon Kontakte zur Camarilla und benachrichtigt dort jetzt irgendwen. Wenn das so ist, dann werde ich dir sein Herz in einer Luftpolstertasche anschleppen. Wenn nicht, gut, dann war ich ein wenig zu mißtrauisch.

Er sah seinen Bruder erwartungsvoll an und zappelte ein wenig herum. Er wollte los. Sollte der gute Juergen wirklich schon einmal Kontakt zu anderen Vampiren gehabt haben und sollte er nun jemanden dort anrufen, dann wollte Lurker es nicht verpassen.
 
Dimitri strich sich das Haar nach hinten und hörte Lurker aufmerksam zu. Dann nickte er. "In Ordnung, die Sache ist die, vielleicht ist es bei ihm einfach so, dass er erst noch nachdenken muss. Immerhin war es ja auch ein einmaliges Angebot. Aber gut, beschatte ihn vorsichtig. Ich denke zwar nicht, dass er uns verpfeifen wird, aber vorsicht ist besser." Dimitri schlug den Kragen des Mantels hoch und vergrub die Hände in den Taschen. "Ich werde vorerst zum Haus zurückkehren. Sag mir bescheid wenn du etwas herausfindest.", dann klopfte er Lurker sanft gegen die Schulter und verschwand in der dunklen Gasse um sich auf den Weg zum Haus zu machen.
 
Er nickte knapp und wartete noch an der Ecke bis Dimitri außer Sicht war. Dann rieb er sich die Hände und ging ein paar Schritte zurück. Aufmerksam sah er sich nach dem Fenster des Zimmers um in dem er eben bei Volzmann gewesen war. Aber es war nicht hier. Er erinnerte sich das er einen Baukran und Wäscheleinen gesehen hatte, als er aus dem Fenster sah. Diesen Kran sah er hinter dem Haus, also schlich er schnell um das Gebäude und kletterte an dem Abflußrohr einer Regenrinne das Nachbargebäude hinnauf.
Über das Dach des kleinenen Gebäudes sah er das Fenster hinter dem er gestanden hatte. Er hoffte das er Volzmann durch das Fenster beobachten und belauschen konnte, wenn dieser dort telefonierte.
Er hatte keine Kameras in dem Raum gesehen, auch wenn das Männlein behauptet hatte der Raum werde überwacht. Allerdings fiel im kein vernünftiger Grund ein, warum Volzmann ihnen von der Überwachung des Raumes hätte erzählen sollen. Er vermutete einen Bluff, aber vorsicht war besser als später das Nachsehen zu haben. Wenn er draußen am Fenster hing, konnten ihm Kameras im inneren freilich wenig anhaben.

Außer er filmt seine Fensterbank.

Also griff er beherzt in das verputzte Mauerwerk des Altbaus und begann seine Kletterpartie zu dem Fenster des Büros.
 
Juergen saß an seinem Schreibtisch und massierte sich die Schläfen. Gedankenverloren sah er in sein Glas und trank immer wieder daraus. Dann kam Henry herein ... mit einigen Akten und Papieren. Juergen schüttelte den Kopf und schickte ihn wieder hinaus. "Jetzt nicht!" Hatte er dazu gesagt. Er drehte seinen Ring an seinem Finger hin und her ... schien damit zu spielen. Er stand auf ... ging ein paar Schritte. Dann machte er eine Schranktüre auf, wo sich ein Spiegel befand. Er zog sein helles Sacko aus und krempelte die schwarzen Hemdärmel hinauf. Er begutachtete sich im Spiegel ... drehte sich auf die Seite und befühlte dann seine Oberarme. Er lachte herzhaft.

Danach zog er sich wieder ordentlich an und kümmerte sich um einigen Schreibkram ... immer wieder sah er aber so aus, als wenn er nachdachte.

(Das ging so den Abend weiter. Keine Gespräche.)
 
Ein leichter Nieselregen setzte ein als die Nacht älter wurde. Lurker hockte auf dem Fensterbrett bis sich am Horizont schon langsam die Vorboten eines Sonneaufganges räkelten. Die Sterne wurden blasser, die Wolken Konturen schärfer und aus schwarz wurde langsam grau.
Für einen Menschen war es immer noch tiefste Nacht, aber die Augen eines Vampirs erkannten Muster im Nachthimmel und anstelle eines Sonnenaufganges sah Lurker viele sanfte Abstufungen.
Es wurde Zeit wenn die Sache für ihn sicher bleiben sollte.
Er hatte Stunden unbeweglich auf der Stelle verharrt. Er litt nicht unter zieperlein, wie steife Knochen oder Krämpfe. Seine Muskeln konnten nicht überansprucht werden beim Festhalten, seine Augen tränten nicht vom hinstarren. Das einzige das er beschäftigt halten mußte war sein Geist. Also hatte er nach einiger Zeit damit begonnen Textpassagen aus Büchern im Geiste durchzugehen. Als die Gedanken schwerer wurden, waren es irgendwann nur noch Abzählreime und alberne Lieder gewesen.

Volzmann hatte kein verdächtig wirkendes Telefonat geführt und es war niemand in dieser Nacht bei ihm erschienen. Lurker hatte sich immer wieder gefragt ob das was ihn trieb noch gesundes Mißtrauen, oder schon erste paranoide Züge waren. Drehte er langsam durch ?
Lurker schüttelte den Kopf. Nein, man mußte einfach mit allem rechnen. Er hatte den Mann zwar zuvor eine Woche lang beobachtet und nichts feststellen können das auf Kontakte mit anderen Vampiren hinwies, aber er wußte das der `Feind´dieses Spiel schon sehr lange trieb und Fäden in der Hand hielt die man niemals erahnen würde.
Er mußte paranoid denken wenn er sich nicht in den unsichtbaren Netzen wiederfinden wollte die von der Camarilla gestrickt wurden.

Aber hier schien alles in Ordnung zu sein. Der Mensch sah übernächtigt und müde aus. Seine Augen waren über die Stunden stumpf geworden, seine Bewegungen verebbten langsam. Er würde gleich schlafen müssen.
Lurker krabbelte Kopfüber die Wand hinunter und sprang dann auf das Dach des kleinen Nebengebäudes. Ein letzter zufriedener blick in die Straßen des Roltlichtviertels, dann huschte er los, duckte sich an einem Giebel und lief an Anntennen und Schornsteinen vorbei. Sein Ziel war die Zuflucht im Rotlichtviertel. Seine Brüder warteten.
 
Am nächsten Tag wird Dimitri (und der unsichtbare Lurker) wieder von Henry empfangen. "Guten Abend! Herr Volzmann erwartet sie bereits." Dann ging er die Treppen nach oben und führte Dimitri in den gleichen Raum, wie am Abend.

Juergen Volzmann sah etwas übernächtigt aus. Stand dann aber zur Begrüßung auf. "Danke Henry. Du kannst gehen." Der Mann schloss die Tür und man hörte seine polternde Schritte die Treppe hinabsteigen.

Diesman hatte Juergen einen hellgrauen Anzug und ein schwarzes Hemd an. Er zeigte auf zwei Stühle. "Nehmen sie bitte Platz."
 
Es lag in seiner Natur das er nicht gesehen werden wollte. Abgesehen davon das es besser war wenn niemand sie, die Vampire, mit Volzmann, dem Verbrecher, in Verbindung bringen konnte, wenn sie nichts von Lurker wußten, war es ihm ein inneres Bedürfniss sich durch ihre Reihen hindurchzuschleichen.
Immer hinter Dimitri her, alles beobachtend was seinem Anführer möglicherweise übersah. Es war viel einfacher auf alles mögliche zu achten, wenn man selber nicht gesehen wurde. Alles in allem machte es auf Lurker den Eindruck als wäre die `Vorraum Mannschaft´an diesem Abend aufgeweckter als am letzten. Lurker sah das an einem der Tische Karten gespielt worden war.
Sie gingen also den selben Weg wie am Vorabend, Lurker schlüpfte hinter Dimitri hinein und hockte sich wieder an die Wand. Allerdings diesmal auf die andere Seite der Tür als gestern.
Er wartete bis Dimitri Platz genommen hatte und war gespannt wie die Spiele eröffnet werden würden.
 
"Seien gegrüßt, Herr Volzmann.", sprach Dimitri als er sich setzte. Lurker hatte Dimitri schon erzählt, dass Volzmann die letzten gestrigen Stunden damit verbracht hatte zu arbeiten, und dass er auch keine Leute zu sich rief und auch nicht telefonierte. Alles in Allem machte das einen guten Eindruck auf Dimitri. "Ich hoffe, sie haben gut über unser Angebot von gestern Nacht nachgedacht?", fragte er interessiert. Dabei machte er ein kaltes Gesicht ohne eine besondere Regung.
 
Juergen hob eine Augenbraue. "Wenn ich ehrlich sein soll ... die ganze Nacht. Es klingt äußerst verlockend ... das muss ich sehr wohl zugeben. Ich möchte wissen, wie es bewerkstelligen wollen, dass ich sozusagen ... nicht mehr altern werde. Denn ich muss ganz ehrlich sagen, das dies der interessanteste Punkt ist."
 
Lurker machte einen wissenden Gesichtsausdruck und nickte zufrieden grinsend in sich hinein.
Das war sicherlich das wichtigste für einen Menschen. Wie entkomme ich dem Alter ? Wie kann ich es fertigbringen das der Tod keine Hand an mich legen kann ?

Nun mein lieber Juergen... es ist ganz einfach, du mußt dein Leben nur den Verdammten übergeben. Dich aufgeben und ein Sklave für die Vampire werden. Hübsch nicht ?

Er fragte sich wie viele Menschlein im Angesicht des Todes vor lauter Angst nicht doch lieber wissend die Knechtschaft gewählt hätten. Aber konnte man ihnen einen Vorwurf machen ? Wie würde er wohl selber wählen ? Er konnte wahrlich nicht sterben, aber er konnte aufhören zu Existieren. Obwohl er wußte das es nicht schlimm war tod zu sein, denn das war er zu Beginn eines jeden Tages, bis er erwachte wenn die Sonne versank. Aber trotzdem war da etwas in ihm das immer weiter existieren wollte.
Einerlei ob es bei Menschen und Untoten unterschiedliche Triebe sein mochten. Das Ergebniss war das selbe. Beide würden wohl alles tun um weiter zu existieren.
Nun, wenn Volzmann wollte, konnte er immer noch mit Blut unterschreiben. Auf jedenfall würde die Sache mit Blut abgeschlossen werden, eine festere Bindung als jede Unterschrift.

Mit Blut gebunden...
 
Dimitri nickte. "Nun, es ist verständlich, dass sie sich das nicht ganz realistisch vorstellen können. Wer könnte das schon, wenn er vorher nicht an das ewige Leben, oder die ewige Existenz geglaubt hätte.", er nickte wissend. "Alles was sie tun müssen, ist Blut trinken. Nicht irgendwelches, sondern unseres. Auch das mag befremdlich wirken, doch denken sie nur an die ganzen Abartigkeiten die man mittlerweile überall in diesem Internet und in Pornokinos finden kann. Im Gegensatz dazu, ist das wohlschmeckende Blut eines Vampirs sicher besser."

Dimitri dachte kurz nach. Es wäre besser wenn Lurker und Dimitri das Blut teilen würden, damit, falls irgendwas passieren sollte, jeder weiter von Volzmann profitieren konnte.
 
Juergen lehnte sich zurück. "Ich muss also ihr Blut trinken. Klingt leicht widerlich ... muss ich schon zugeben. Wie oft? Reicht es einmal? Ist es dann wirklich sicher, dass ich nicht mehr altern werde?"
 
"Nein. Drei Mal, und dann regelmäßig einmal monatlich.", sprach Dimitri geschäftsmäßig ohne mit der Wimper zu zucken.
 
Dann packen wir dich, saufen dein Blut und prügeln auf dich ein bis du dich nicht mehr rührst um dich dann in die verdammte Knechtschaft zu zwingen.

Was bildete sich das Menschenkind eigentlich ein ? Immerhin würde er von einem Glied in der Nahrungskette befördert werden zu einem nützlichen Individum. Lurker blieb jedoch gelassen, auch wenn er innerlich ein aufwallen von Wut spürte. Es war viel einfacher und effektiver die Menschen zu verführen, als sie zu zwingen. Er war nie ein Freund davon gewesen sich auf irgendein mysthisches Brimborium zu verlassen, von wegen sein Blut hätte die Macht geistiger Ketten. Er war eher bereit daran zu glauben das es den Vorgang der versklavung unterstützte. Aber um wirklich ein festes Band zu schmieden mußte sich das Menschlein aus freien Stücken anschließen.
Auf Dauer war der freie Wille nicht zu unterdrücken.
Lurker war sich aber sicher das Volzmann nicht widerstehen würde.
Hatte er sich nicht gestern erst ausgiebig im Spiegel betrachtet ? War er nicht im perfektem Alter für ihre Sache ? Gerade an der Grenze dazu das er mitansehen konnte wie sich die ersten Anzeichen von Schwäche und Schlaffheit in sein Fleisch schlichen. Alleine diese erste Ahnung des Alters, des Verfalles der alle einholte, reichte bei den meisten aus um sie in ernste Depressionen zu treiben.
Ein einfacher Weg herraus aus dieser Misere.

Mit Speck fängt man Mäuse...
 
"Wenn sie Nein sagen,", sprach DImitri mit leicht erhobenem Zeigefinger, "Werden sie irgendwann Alt und runzlig werden. Ihre Lungen werden mit Wasser gefüllt vor sich hin rasseln, die Gicht wird ihre Glieder verkrümmen und im schlimmsten Fall verlieren sie irgendwann ihr Gedächtnis. Im Altersheim wird man ihnen die letzte Würde nehmen und ihnen den Arsch abwischen oder ihr Bett neu beziehen, weil sie ihren Schließmuskel nicht mehr unter Kontrolle haben. Die Zähne werden ihnen Ausfallen, das Haar schütter werden. Unter irgendwann wird dich der Tod langsam bei der Hand nehmen, wenn dein Leben für immer verwirkt ist. Vielleicht werden sie sich dann wieder an unser Gespräch erinnern und werden den Tag verfluchen an dem sie 'Nein' sagten."
 
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