Von Bredow nahm den Tadel der Ahnin demütig hin und senkte den Blick vor ihr. Als Vincente sich wieder an ihn wandte, starrte er aber geradezu kampfeslustig zurück.
Wie er sich aufplustert, wie ein Kampfhahn, aber nichts konkretes, nur heiße Luft.
Trotzdem, nachdem dieser geendet hatte, verbeugte er sich entschuldigend vor Frau Hagen.
„Primogena, ich bitte aufrichtig um Verzeihung, sollten meine Worte dergestalt interpretierbar gewesen sein, dass ausschließlich der Sheriff ein Recht auf Erkenntnisse aus einer Untersuchung hat. Selbstverständlich sollte der Erstgeborenenrat immer in allen Dingen die Stadt betreffend aufs vortrefflichste informiert sein.
Ohne Frage könnt Ihr jederzeit über mich verfügen, wenn es darum geht, die Sicherheit der Traditionen oder von Finstertals Vampiren zu garantieren.“
Der Ventrue versuchte mit ruhiger Stimme und festen Blick die Anwesenden von seiner Ernsthaftigkeit zu überzeugen. Ein schwieriges Unterfangen unter Vampiren, zumal die Beziehungen zum Ventrue Primogen kompliziert waren. Von Bredow legte auch zwei weitere seiner Visitenkarten auf den Tisch, die seine Kontaktdaten enthielten, um zu unterstreichen, dass man ihn beim Wort nehmen konnte, bevor er fortfuhr:
„Ich stimme Ihnen, Vincente, in fast allen Punkten zu. Selbstverständlich wäre es wünschenswert, wenn sich eine übernatürliche Beteiligung an den Vorkommnissen bestätigen oder ausschließen ließe. Ich möchte lediglich einen Punkt zu bedenken geben, dass es sich nach Ihrer Beschreibung nicht um einen Lagerhausbrand handelte, sondern um massive Terroranschläge, die ein globales Interesse von ungekannten Ausmaß in Finstertal entfesseln werden. Alle Nachrichtendienste der Welt werden ihre Augen und Ohren auf uns richten und selbst die kleinsten Schnipsel von obskuren Videoaufnahmen oder Telefongesprächen werden intensivste Aufmerksamkeit erfahren. In anderen Worten: Allein unsere Anwesenheit am Ort des Geschehens könnte die Maskerade gefährden, sollte sich rausstellen, dass Sie in den letzten 30 Jahre nicht gealtert sind.
Nichtstun wäre also durchaus nicht die denkbar schlechteste Option.
Daher möchte ich Ihren lobenswerten Absichten als Leitgedanken lediglich voranstellen, dass der Schutz der Maskerade bei allen Vorhaben oberste Priorität haben muss.
Konkret wäre zum Beispiel als erstes festzustellen, ob Blutsverwandte betroffen waren und womöglich in Starre den Behörden in die Hände gefallen sind. Sterbliche Kontakte, die bei der Untersuchung genutzt werden, müssen 100% loyal sein, damit sie seltsame Anfragen nicht in andere Richtung weitergeben und trotz allem würde ich - mit eurer Erlaubnis Primogena - gerne den Sheriff über alle unsere Vorhaben auf dem Laufenden halten, um nicht seine Ermittlungen zu kompromittieren.“
Ja, wenn von Bredow erst mal so richtig in Fahrt kam, redete er gerne und viel.
Immerhin am Ende gab es schon ein „uns“. Mal sehen, ob die anderen, damit leben können...
Von Bredow hatte auch am Rande bemerkt, wie eine weitere Person das Café betreten hatte, aber er benötigte seine ganze Aufmerksamkeit, um Vincente und Frau Hagen in Schach zu halten. Außerdem war er nicht in der Stellung jemand weiteres an den Tisch einzuladen, zumal er die Person nicht erkannte.