[13.05.2008] Beichten beim Clansbruder

Kurz überkam Iain ein unsäglicher Schrecken. Er würde hier übertagen müssen? Sich völlig Kiera aushändigen und sein Schicksal in ihre Hände legen?

"Ich werde den Tag über hier verbringen?" Iain blickte Kiera fest in die Augen und sie konnte förmlich sehen, welche Gedanken in seinem Kopf durcheinander gingen. Dann festigte sich Iains Blick. Er nickte, blickte wieder fest in Kieras Augen. "Ganz, wie Sie meinen."

Würdevoll biss sich Iain selbst ins rechte Handgelenk, hielt den Becher in der Linken und ließ sein Blut hineintropfen. Dann schloss er die Wunde durch ein Darüberlecken, nahm den Kelch in beide Hände und prostete Kiera zu.

"Auf ihr Wohl."
 
Natürlich bemerkte die Mambo den Schrecken.

"Mir ist es nicht erlaubt, über Leben und Tod zu entscheiden", sagte sie dann und füllte ein weiteres Glas, das sie auf den Altar stellte.

Sie lächelte. Wenn dem nicht so wäre, wäre sie nicht nur ein wenig gefährlich, sondern schlimmer als der schlimmste Alptraum eines jeden.
 
"Natürlich." Iain nickte. Er hatte sich dazu entschlossen, Kiera zu vertrauen.
"Was muss ich tun? Was erwartet mich?"
 
"Nicht viel, einfach nur hinsetzen oder hinlegen, den Rest mache ich", sagte sie und wartete, bis er bereit war.

Wenn er Fertig war, würde sie mit einem Singsang in kreolisch beginnen und schon nach einigen Augenblicken würde Iain nur noch ein Dunkel wahrnehmen, aber eines, das nicht bedrohlich wirkte und sich langsam aber sicher über seinen Geist und seinen Körper ausbreitete, was danach geschah, nahm er nicht mehr wahr und als er zu sich kam war Kiera immer noch da oder schon wieder, das wußte er nicht und irgendwie fühlte er sich doch sehr viel besser.
 
Ruckhaft schlug Iain die Augen auf. Setzte sich auf. Blickte desorientiert um sich. War das bereits die nächste Nacht? Er lauschte auf seine innere Uhr... es musste bereits der 14te sein, er fühlte sich stark und energiegeladen und die lastende Schwere der Müdigkeit der bald aufgehenden Sonne war verschwunden. Iain tastete an sich herunter, befühlte seine Wunden: Die tiefen, schweren Schnitte hatten sich größtenteils geschlossen, es blieben nur noch sehr oberflächliche Verletzungen übrig. Er betrachtete einen Augenblick die Schnittwunden in seinen Armen, konzentrierte sich und ließ das Blut durch seinen untoten Körper rasen. Kurz schienen sich die Punkte seiner Verletzungen zu ehitzen, zu kribbeln, dann schlossen sich die Wunden weiter, bis nur noch blaue Flecke zu sehen waren. Ein leichter Taumel erfasste Iain - das war einiges an Blut gewesen, das er hierfür aufgewandt hatte - dann blickte er erneut Kiera an. "Vielen Dank, Kiera. Sie haben mir hier sehr geholfen." Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Hokus-Pukus tatsächlich etwas bewirkt, aber scheinbar ist diese McKinney mit mächtigen Geistern im Bunde. Ich frage mich nur, wie ich diesen Kontakt in mein Adressbuch eintragen soll... 'Samedi, Baron.' ? Ach, egal...
 
"Guten Abend, offenbar haben sie gut geschlafen", erwiderte Kiera. "Aber bewirkt habe das nicht ich, den Dank sollten sie an die Totenloa richten, ich habe Baron Samedi nur berichtet um was es geht und dass sie mir helfen wollen, seine Geister zu befreien."
Sie war nun wieder normal angezogen und erhob sich.
"Aber es klappt natürlich nicht immer, wenn sie die Verletzung mutwillig herbei geführt hätten, läßt er den Bittsteller auch gerne mal leiden. Könnten sie sich den vorstellen, mehr darüber zu lernen?"
 
Das bestätigte es. Er hatte hier also wirklich übertagt.

Iain nickte. "Das könnte ich mir tatsächlich vorstellen, Kiera." Wissen ist ja schließlich Macht. Und wenn ich mich mit ihr auf diesen Geisterkram einlasse... vielleicht knüpft das das zarte Band des Vertrauens zwischen uns etwas fester...
"Außer meinen Kontakten und meiner tatkräftigen Unterstützung kann ich Ihnen jedoch lediglich Unterricht in den Künsten der Beherrschung, der Präsenz sowie der übernatürlichen Widerstandskraft anbieten."
 
"Kein Problem, ich denke, wir werden schon etwas finden, was sie als Gegenleistung geben können", sagte Kiera. "Der Baron scheint sie zu mögen und das ist ein gutes Zeichen."
Wissen war Macht genau und das Wissen, wie man magische Kräfte anwandte war unbezahlbar. Und vermutlich war sie die einzige Quelle in diesem Teil von Deutschland, wo man dies erlangen konnte.
"Wir müssen schließlich erst sehen, ob die Ghede sie überhaupt akzeptieren." Immerhin waren diese ab und zu zickig wie eine Frau in den Wechseljahren.
 
"Natürlich, ich würde es nicht anders machen und neue Vertragspartner sorgfältig prüfen." Iain zwinkerte belustigt, erhob sich und blickte an sich herab.
"Ich werde mich wohl erst einmal frisch machen und angemessen kleiden und dann sehen, was es heute Nacht anzugehen gibt. In Finstertal scheint die Zeit ja immer ein wenig schneller zu vergehen als andernorts..."
Dann wurde Iain ziemlich schnell ziemlich ernst.
"Kiera... die Entwicklungen der letzten Nacht, dass Haus und Clan nun im Besitz dieses Buches ist... gibt es etwas, das wir dagegen tun können, außer zu verhindern, dass die Tremere auch noch Ziege in die Finger bekommen?"
Suchte Iain da nach einer Möglichkeit, seine Mitwirkung bei diesem Vorfall ungeschehen zu machen? Oder war er lediglich darauf aus, die gesellschaftlichen Implikationen seiner Mithilfe zu umgehen?
 
"Sicher doch zumal es eine Verbindung über den Tod hinaus werden könnte, wenn du gut bist", erwiderte Kiera mit einen Grinsen. "Ich liebe meine Schwester und das über alles, aber manches geht einfach nicht und dann muß ich sie vor sich selber schützen."
Sie seufzte.
"Nein, es gibt nichts oder willen sie zu diesem Griesgram gehen und es ihm wieder abnehmen? Mit Sicherheit ist das auch schon weg und er bekommt eine Belohnung ... Sie sollten das Bild nicht in die Hand bekommen oder jemand sollte den Boten nach Wien überfallen ..." Sie zuckte die Schultern.
"Oder jemand muß das Ritual verifizieren ..."

Sie hatte noch keine wirkliche Idee.
 
"Nun... den Boten zu überfallen dürfte sehr, sehr schwierig werden. Ich glaube, das Buch dürfte bereits in Wien sein...
Wie meinen Sie das mit dem Verifizieren des Rituals?"
 
"Na, sagen wir so, jemand der sich gut genug auskennt, sollte sehen, was jemand gesehen hat, der das Ritual in der Hand hatte." Kiera lachte leise. Vielleicht dann, wenn es jemand aus ihrer Ahnenreihe anschauen würde, nun, einen würde es bestimmt geben, der es sich anschauen würde, einer der es sogar verstehen würde und dessen Gedanken es ihr übermitteln könnten, dass sie es auch verstand ohne die Sprache zu können.
 
"Ähm... ganz wie Sie meinen."
Iain verstand nur Bahnhof. Dieses ganze Thaumaturgie-Geschwafel war ihm zu viel. Da gabs zum Glück Experten für.
"Nun, sollte ich etwas über den Verbleib oder so ein Ritual herausfinden, werde ich sie natürlich umgehend kontaktieren, Kiera."
Der schottische Ventrue taute jetzt sichtlich auf.
"Noch einmal vielen Dank, Kiera, dass sie den Kontakt zum Baron hergestellt haben. Das macht vieles einfacher."

Iain sammelte seine Sachen zusammen und würde sich - wenn Kiera nichts mehr anstehen hätte - auf den Weg zu seiner Zuflucht machen um sich für das Treffen mit Moishe und den gemeinsamen Bruch mit Braun bereit zu machen.
 
"Gut, dann schauen wir einfach mal." Sie nahm einen Anzug von einem Stuhl. "Der hier gehört meinem Mann und ich denke, er könnte passen, mit dem zerlöcherten Ding von gestern können sie kaum raus gehen."

Wenn sich Iain anstrengte, würde ihm vermutlich der Name McKinney etwas sagen, ein altes Adelsgeschlecht, bei dem es vor 150 Jahren ein Unglück gegeben hatte und das dann in das Erbe eines unehelichen Halbbruders von Kiera und Caitlins Vater gegangen war. Es gab da ein gewaltiges Schloss an einem der Lochs, das eigentlich den Schwestern gehörte und wogegen die Burg in Burgh wie Spielzeug wirkte.
 
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