[06.04.04] Auf der Pirsch...

Amanora

Wächterwölfin
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2. Juni 2004
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Mira schreckte hoch, und befand sich für ein paar Augenblicke in einem Zustand, der sich irgendwo zwischen schlafen und wachen befinden mußte. Die letzten Reste des Traumes zerflossen vor ihrem inneren Auge, was ihre Verwirrung nur noch steigerte. Sie blinzelte und schüttelte den Kopf - die Bilder waren verschwunden.

Traum? Sie hatte geträumt? Oder hatte sie sich das nur eingebildet? Nein, an ein paar Bilder und Szenen konnte sie sich noch erinnern, ganz vage nur, aber sie waren da. Sie hatte tatsächlich geträumt. Etwas beunruhigt schlug sie die Decke zur Seite und blieb für einen Moment auf der Bettkante sitzen. Seit ihr Erzeuger ihr den Kuß geschenkt hatte, hatte sie nicht mehr geträumt, was ihr durchaus logisch erschien, denn immerhin befand sie sich tagsüber in einem Zustand, den man als ziemlich tot bezeichnen konnte. Und Tote träumten nicht. Oder etwa doch?

Offensichtlich mußte sie ihre bisherigen Annahmen noch einmal gründlichst überdenken. Tote konnten wohl doch träumen. Und so saß sie für ein paar Minuten auf der Bettkante und versuchte sich krampfhaft an mehr zu erinnern, als nur an die paar verschwommenen Bilder. Das einzige, was sie mit Sicherheit sagen konnte war, daß der Traum nicht sehr angenehm gewesen war. Das Gefühl des gejagt seins saß ihr noch ein wenig in den Knochen, sowie ein Anflug von Angst, etwas das sehr sehr ungewöhnlich für sie war. Es gab nicht viel wovor sie sich fürchtete.

Noch immer vor sich hingrübelnd ging sie ins Badezimmer und wusch sich. Ihr Blick schien durch ihre Umgebung hindurch zu gehen und weit fort zu sein. Sie war so sehr in Gedanken, daß ihre Handgriffe wie automatisiert abliefen; erst als sie fertig angezogen in dem kleinen Kellerzimmer stand, kehrten ihre Gedanken zurück.

Der Traum hatte sie deutlich beunruhigt, denn er hatte zweifellos etwas mit dem zu tun, was sie heute Nacht erledigen mußte. Ihr Blick wanderte zu der Digitalkamera, die sorgsam verpackt auf einer Kommode lag. Ja...in der Tat gab es nicht viel, vor dem sie sich fürchtete. Langsam ging sie durch das Zimmer und nahm zögernd die Kamera von der Kommode. Sie hatte keine Wahl, und das wußte sie. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, daß sie ein leistungsstarkes Teleobjektiv hatte, daß sie davor bewahren würde allzu nahe heranzugehen.

Sie verlies das Haus und zwang die Angst in die Knie, derartige Empfindungen würden ihr die Aufgabe nur noch schwerer machen.

Out of Character
Edit: Hab die letzten paar Sätze in den nächsten Post verfrachtet, damit die Reihenfolge stimmt.
 
Kurz bevor Mira das Haus verlassen will findet Sie einen Umschlag von Johardo an der Eingangstür. Den hat wohl ein Ghul Tagsüber dort depponiert. Also Mira den Umschlag öffnet findet sie einen Brief in der Ihr schon fast bekannt vorkommenden schönen Handschrift.

Verehrteste Mira,
ich gratuliere Dir zu dem neuen Haus. Da Du im Moment nicht viel Zeit haben wirst kannst du in dem Umschlag Anweisungen hinterlassen was das Vorgehen mit dem Haus betrifft. Installation von Sicherheitsmassnahmen oder sonstige Umbauarbeiten. Anbei liegt auch direkt ein Grundriss vom Haus. Schreibe alles auf, Judith wird den Umschlag abholen und es wird alles in die Wege geleitet was getan werden muss. Konzentrier Dich ganz auf Deinen Auftrag.

Johardo

Nun, was Johardo damit schon wieder bezweckt wird für Dich vorerst ein Geheimnis bleiben.
 
Mira hob den Brief auf und las ihn zwei mal durch. Sie mußte für einen Moment den Impuls unterdrücken den Brief reflexartig mit einer Hand zusammenzuknüllen. Natürlich beobachtete er sie, oder lies beobachten, das war ihr schon auf eine Art klar gewesen, aber es jetzt nochmal so deutlich vor Augen geführt zu bekommen, lies sie innerlich schäumen. Keinen Schritt konnte sie tun, ohne daß Johardo davon erfuhr. Bei dem Gedanken daran fühlte sie wieder den kalten Zorn, aber auch Hilflosigkeit, weil sie sich nicht davor schützen konnte. Er konnte sie überall beobachten, wie es ihm grade in den Kram passte; und wenn er es jetzt tat, konnte sie davon ausgehen, daß er das auch in Zukunft tun würde.

Nicht einmal ein kleines Stückchen Privatsphäre bleibt mir hier noch. Ich hätte in Hannover bleiben sollen...

Sie zweifelte keine einzige Sekunde daran, daß Johardo mit seinem "Hilfsangebot" eine gänzlich andere Absicht verfolgte. Auf Anhieb vielen ihr gleich mehrere Dinge ein, die er damit bezwecken könnte, und keine dieser Möglichkeiten hatte etwas mit reiner Herzensgüte zu tun - wie konnten sie auch? Sie schätzte den Professor inzwischen als jemanden ein, der alle Mittel und Wege einsetze, um das zu bekommen, was er wollte; wobei er sich besonders gut darauf verstand diejenigen, die ihm unterstellt waren für seine Zwecke zu nutzen. Entweder indem er sie einwickelte oder manipulierte, oder indem er einfach seine Machtposition entsprechend einsetzte. In ihrem Fall, war wohl eher zweites zutreffend, denn sie war scheinbar gut gemeinten Angeboten gegenüber grundsätzlich immer skeptisch eingestellt, so daß es gar nicht so leicht war ihr Honig ums Maul zu schmieren - zumindest glaubte sie das.

Was also sollte das? Sie konnte sich durchaus vorstellen, daß Johardo die Gelegenheit nutzen könnte, um ein paar Überwachungseinrichtungen in ihrem Haus zu installieren. Aber war er wirklich darauf angewiesen? Immerhin schien er sie ja schon seit Tagen zu beobachten. Aber das war ohnehin egal, sie würde die Renovierung ihres Hauses garantiert nicht in die Hände einer Person legen, der sie durch und durch mißtraute. Außerdem konnten jetzt sowieso noch keine Arbeiten vorgenommen werden, und sie hoffe, daß sie bis zur Schlüsselübergabe bereits Ergebnisse vorweisen konne. Natürlich konnte es auch sein, daß sie sich dann über gar nichts mehr Sorgen machen müsste, aber darüber dachte sie besser nicht genauer nach.

Sie hinterlies eine kurze Nachricht mit dem Hinweis, daß Renovierungsarbeiten erst nach der Schlüsselübergabe erfolgen können, und daß diese voraussichtlich erst am 1.5. stattfinden wird. Des weiteren würde sie sich zu gegebender Zeit lieber persönlich daraum kümmern.

Der "Tonfall" des Briefes war höflich, aber sachlich. Für einen Augenblick kam ihr in den Sinn, daß Johardo diese "Abfuhr" als persönlichen Angriff werten könnte. Aber andererseits: Was machte es für einen Unterschied? Er hatte es eh auf sie abgesehen, und angesichts der letzten Gespräche mit ihm, sollte er sich eigentlich nicht sonderlich darüber wundern, daß Mira ihm nicht grade mit Vertrauen begegnete. Sie deponierte den Brief also auf einer nahe gelegenen Kommode, und schloß die Tür hinter sich ab.

Als sie in dem Wagen saß, holte sie ihr Handy hervor und wählte die Nummer des Immobilienmarklers, der sie vor zwei Tagen auf heute verladen hatte - sie mußte noch einen Termin absagen.
 
Nun, auch gut, dann mußte sie sich wenigstens nicht weiter mit dem Mann befassen. Nach dem Signalton sprach sie mit kalter Stimme auf die Mailbox:

"Guten Abend, Rabenwald hier. Wir hatten vor zwei Tagen wegen des Hauses in der Gotenkopfstraße telefoniert. Nun, ich habe bereits etwas besseres gefunden, und habe daher kein Interesse mehr daran das Gebäude zu besichtigen. Einen schönen Abend noch."

Sie legte auf. Besonders beim letzten Satz konnte sich sich einen beißenden, zynischen Unterton nicht ganz verkneifen. Es war nur eine subtile Veränderung in ihrer Stimme, die wahrscheinlich nur einem halbwegs aufmerksamen Zuhörer aufgefallen wäre, aber es tat ihr gut ihrem Mißmut auf diese Weise Luft zu machen.

Sie stellte das Handy in die Freisprechanlage und zog kurz den Stadtplan zu Rate. Am sinnvollsten wäre es wohl entweder im Stadtpark, oder im Grünwald mit der Suche anzufangen. Nach einiger Überlegung, wählte sie den Park als erstes Ziel aus, weil sie es für ungefährlicher hielt. Nachdem sie den Stadtplan zur Seite gelegt hatte, startete sie den Motor und machte sich auf dem Weg; die Kamera befand sich im Handschuhfach.

Als sie sich dem Park näherte, drosselte sie die Geschwindigkeit und umkreiste die Grünfläche, zwar nicht übermäßig langsam, aber auch nicht zu schnell. Sie wollte sich einen Überblick über das Gelände verschaffen, vor allem was die nahestehenden Häuser anging. Vielleicht konnte sie ja eine geeignete Stelle finden, von wo aus sie den Park gefahrlos mit dem Teleobjektiv observieren konnte.
 
Du findest auf der gegenüberliegenden Seite vom Park gesehen von der Hauptfeuerwache ein geeignetes Haus auf dessen Dach Du dich ersteinmal niederlässt. Den Wagen stellst du in eine Seitenstrasse so das du sofort losfahren kannst.
Von Dieser Position kannst du den gesamten süd-östlichen Teil des Parks begutachten.

stadt_zentrum_Slice-08.gif

Das Gebäude neben der Bank ist das angesprochene.
 
Nachdem Mira den Park einmal umrundet hatte, schien ihr das Haus neben der Bank am geeignetsten. Sie stellte das Auto in der Seitengasse ab, nahm das Handy (das auf Vibrationsalarm gestellt war) und die Kamera mit, und machte sich daran über die Feuerleiter auf das Dach des Hauses zu klettern. Dabei sah sie sich immer wieder um, um sicher zu gehen, daß sie keiner beobachtete.

Out of Character
Auspex 1


Eine Schande, daß ich mich jetzt schon des Nachts auf irgendwelchen Häuserdächern herumdrücken muß!

Während sie kletterte beglückwünschte sie sich noch einmal dafür, daß sie sich heute Abend für etwas robustere und bequemere Kleidung entschieden hatte. Das was sie sonst zu tragen pflegte war für derartige Unternehmungen ganz und gar nicht geeignet.

Auf dem Dach angekommen suchte sie sich eine Position aus, die relativ gut vor neugierigen Blicken geschützt war, von der aus sie selbst den Park aber gut überblicken konnte. Sie lies sich auf dem Dach nieder und holte vorsichtig die Kamera aus der Tasche; schnell war das Objektiv montiert. In Kombination mit ihrem vampirischen Sinnen, dürfte sie einen guten Blick auf die Grünfläche haben. Die Funktionsweise des Zooms und der Belichtungseinstellungen hatte sie recht schnell begriffen, und entsprechende Justirungen an der Kamera vorgenommen; der Blitz war auf diese Entfernung eh sinnlos, und deshalb ausgestellt. Jetzt konnte sie nur noch warten, und hoffen, daß ihr das gewünschte Ziel vor die Linse lief.

Mit der Kamera suchte sie den Stadtpark systematisch ab, immer und immer wieder. Ihre Sinne hatte sie auf höchste geschärft, damit ihr auch nichts entging.

Out of Character
Wieder Auspex 1
 
Mira hatte sich eine sehr gute Stelle ausgesucht ... Den Eingang des Parkes konnte sie gut beobachten und hatte auch eine klare Sicht. Wenn sie nur wüsste, dass sie genau einen Abend zu spät hier war ... sie würde sich mit Sicherheit sehr ärgern. Gestern hätte sie tolle Fotos machen können ... ein schwarzer Wolf, der einer Fahrradfahrerin hinterher lief und ihr in den Reifen beißen wollte ... oder wenn sie sich sogar in den Park getraut hätte ... noch viel mehr Fotos, die bestimmt sehr interessant gewesen wären ...

Aber heute Nacht wurde der Park zumindest von diesen beiden Gestalten gemieden. Zuviel war in der gestrigen Nacht hier geschehen. In dieser Nacht hatte Mira kein Glück ... Schlafende Hunde sollte man nicht wecken ...
 
Out of Character
Ok, dann beende ich den Thread jetzt schonmal, weil ich ja am Wochenende nicht da bin. Dann gibts es keine lästigen Überschneidungen ;)


Mira sah auf die Uhr und stellte fest, daß es Zeit war sich zurückzuziehen. Nichts Interessantes hatte sich im Park geregt, aber das wäre auch zu schön gewesen, um wahr zu sein. Sie verstaute die Kamera sorgfältig in der dafür vorgesehenen Tasche und machte sich daran die Feuerleiter herunterzuklettern. Morgen Nacht würde sie es auf der anderen Seite des Parks versuchen; vielleicht hatte sie dann mehr Glück.

Aber vielleicht jagst Du auch nur Phantomen hinterher, die es gar nicht gibt.

In diesem Fall konnte sie warten, bis sie schwarz wurde - kein sehr erquicklicher Gedanke.

Sie erreichte das Ende der Feuerleiter und stellte mit einem Blick in die Runde sicher, daß sie niemand beobachtet hatte. Dann stieg sie in den dunkelgrauen Rover und fuhr zurück in den Ginsterweg.

Dort angekommen stellte sie den Wagen in der Einfahrt ab und zog sich in den Keller zurück. Sie legte Ihre Kleider ab und betrachtete ihr Gesicht einen Moment lang reglos im Badezimmerspiegel. Langsam hob sie die Hände und entfernte die getönte Kontaktlinse aus ihrem rechten Auge, die dafür sorgte, daß ihre Augen gleich aussahen. Jetzt blickte ihr eine Frau aus dem Spiegel entgegen, deren linkes Auge die dunkelgraue Farbe von Gewitterwolken hatte, das rechte jedoch eine recht helle blaugraue Färbung aufwies.

Als sie den Kuß empfangen hatte, hatte sich ihr linkes Auge dunkel verfärbt, so daß sie seit dem zwei unterschiedliche Augenfarben hatte. Warum das passiert war hatte sie bis heute nicht herausfinden können, aber sie hatte festgestellt, daß diese Anomalie eine mitunter sehr irritierende Wirkung auf ihre Mitwesen hatte, besonders auf Menschen. Deshalb hatte sie die Kontaktlinse anfertigen lassen, um diesen Makel zu kaschieren.

Sie legte die Linse in den dafür vorgesehenden Behälter und begab sich zum Bett - die Sonne ging bereits auf, wie sie deutlich spürte. Wenige Augenblicke später ergab sie sich der Schwärze des Schlafes.
 
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