AW: [03|05|08] Die Alte Heimat
Die Toreador war einen Augenblick lang gedanklich schon dabei, eine gönnerhafte Routine abzuspielen. Nein nein, guter Mann, ich habe doch nicht aufgepasst, ist ja auch nichts passiert. Man konnte schließlich nur einmal einen guten Eindruck machen - und Nachts wusste man nie.
Als sie den Mund mit einem angedeuteten Lächeln öffnete, um gleich die Situation zu entschärfen, bevor sie womöglich den Gestank und Dreck irgendeines Landstreichers auf ihren Kleidern bekam, klappte ihr beinahe der Unterkiefer herunter.
Ihr Lächeln gefror, noch halb in der Entstehung begriffen, als asymmetrische Grimasse.
Giuseppe, der rauchend an der Fahrertür gelehnt hatte, schnippte sofort seine Kippe weg und machte einen Schritt auf die beiden, als er den Zusammenstoß aus dem Augenwinkel mitbekam. Aber die Gräfin streckte ihm nur den rechten Arm entgegen, die Handfläche nach vorne, alle Finger abgespreizt. Stop.
Ohne ein Wort rauszubringen, starrte Céleste den Mann noch einige Augenblicke an. Wann hatte es ihr das letzte mal die Sprache verschlagen? 45, vermutlich. Könnte er es überhaupt sein? Müsste er nicht seit rund 150 Jahren tot sein?
Mit der Rückkehr der ersten motorischen Funktionen klappte sie ihren Mund vollends zu, ungeachtet dessen, wie das Verhalten wohl aussehen mochte, machte sie einen Schritt rückwärts und lägte den Kopf schräg, als wollte sie ein getanes Werk zum ersten mal in seiner Ganzheit betrachten.
"Cazzo!" War vorerst alles, was sie herausbringen konnte. Wenigstens entsprach der italienische Fluch der vergangenen Zeit in Mailand.