Ketten zerreißen!

Navokha

Gott
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9. Oktober 2008
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Dieser Thread ist für alle Beschaffungen und Umbauten für und in der Fabrik gedacht. Die Geschehnisse finden in verschiedenen, nicht genau festgelegten Nächten in der Domäne statt.


Richard und Esteban hatten einen Entschluss gefasst: Sie wollten die Ketten der Unterdrückung ein für allemal zerreißen und konstruktiv an einem gemeinsamen Lebensraum arbeiten. Es gab viele Ideen, die es nun umzusetzen galt. Während Richard sich im Inneren der Fabrik tummelte, fuhr Esteban durch das nächtliche Finstertal um Ausschau nach Dingen zu halten, die ihnen bei dem Ausbau ihres neuen Zuhauses helfen konnten. Es ging schon nächtelang so, dass Esteban alles Brauchbare vom Straßenrand einsammelte, was in der Wegwerfgesellschaft dort als Sperrmüll entsorgt wurde. Auf diese Weise kamen sie an Sofas, Stühle, Schränke, Regale, Tische und sonstiges Mobiliar. Auch Rohmaterial wie Spanholzplatten, Bleche und Eisenstangen wurden eingesammelt und in einem extra dafür ausgesuchten Lagerraum innerhalb der Fabrik untergebracht.

Doch es fehlte an elementaren Dingen wie Werkzeug und Baumaterial. Aus genau diesem Grund schlich ein dunkles Fahrzeug durch die Gassen des Industriegebietes. Esteban hielt nach einer Großbaustelle Ausschau und nachdem er rund eine halbe Stunde erfolglos umher fuhr, erblickten seine Augen endlich das passende Objekt seiner Begierde: Es handelte sich dabei um eine Großbaustelle, die sich noch im Rohbaustadium befand. Das Gelände war weitläufig, jedoch von einem großen Bauzaun mit Stacheldraht umgeben. Der Spanier hatte sich für diesen Fall gerüstet. Nachdem er den Wagen abseits des Grundstücks geparkt hatte, entnahm er dem Kofferraum eine alte, zusammen gefaltete Decke. Er schüttelte sie auf, packte das obere Ende fest mit beiden Händen und nahm Anlauf. Estebans trainierter Körper sprintete mit hoher Geschwindigkeit auf den Zaun zu und sprang in die Luft. Mit einem Rasseln und Scheppern landete die Decke auf dem Stacheldraht, doch seine Hände waren geschützt. Es war schwierig, hier einen rechten Halt zu finden, aber nach einigen Klimmversuchen schaffte es Esteban doch noch, sich sicher auf den Zaun zu stemmen und auf die andere Seite zu springen. Als er mit beiden Füßen und einer Hand auf dem Boden landete, war ein wässriges Geräusch zu vernehmen und dreckige Brühe aus einer Schlammpfütze spritzte umher.

Esteban schaute sich um. Irgendwo würde es sicher ein Lager für Werkzeuge geben, denn Baufirmen hatten grundsätzlich weder Zeit noch Lust, jeden Tag auf's neue ihre Gerätschaften zu einem ihrer Bauvorhaben zu fahren. Esteban konnte ausgehobene Erdräben erkennen. Scheinbar wurde bereits die Erdung für den späteren Blitzschutz der Gebäude installiert. In einem der längeren Gräben konnte er Bandeisen erkennen, was seine Vermutung bestätigte.

Esteban schlich zwischen Baucontainern und Betonrohren umher, bis er einen Komplex erkennen konnte, der als Lager genutzt werden konnte. Doch in diesem Augenblick sah er auch etwas, das ihm überhaupt nicht gefiel: Es war ein Wachmann, der mit einer Taschenlampe das Gelände kontrollierte. Dieser bewegte sich glücklicherweise zielstrebig auf eine der mobilen Bautoiletten zu. Esteban hatte eine Idee. Er konnte den Nachtwächter dort einsperren. Doch was war, wenn dieser mit einem Funkgerät Hilfe rufen konnte? Esteban durfte kein Risiko eingehen und sah sich gezwungen, rabiate Maßnahmen zu ergreifen.

In geduckter Haltung verfolgte er den Wachmann, der gerade dabei war, die Tür des Bauklos zu öffnen. Estebans Schritte wurden schneller und lauter. Der Mann drehte sich um - doch da war es schon zu spät. Esteban rammte dem ahnungslosen Geringverdiener mit voller Wucht seine Schulter gegen dessen Oberkörper. Ein verzerrtes Stöhnen entwich dem Mann, als er auf die Knie sackte und sich mit den Händen im Dreck abstützte. Esteban nutzte die Position seines Opfers, um ihm einen heftigen Fußtritt in den Magen zu verpassen. Der Wachmann wurde dadurch reichlich angeschlagen auf den Rücken geworfen. Esteban knüpfte dem Mann sein Funkgerät ab und warf es einige Meter weiter auf den schlammigen Untergrund. Mühelos packte er den Wachmann am Kragen, zog ihn empor, schleuderte ihn in durch die Tür und verschloss diese prompt. Nun blieb das Problem, dass man die Türen von außen nicht verschließen konnte. Esteban, der nun eh schon zu weit gegangen war, riss das gesamte Chemieklo mit aller Kraft in seine Richtung, woraufhin dieses mit der Tür auf den Boden knallte.
Der Spanier staubte zufrieden seine Hände ab - Problem gelöst! Zugegebenermaßen nicht elegant, aber effektiv.

Nun musste es schnell gehen. Esteban trat die Tür des vermeintlichen Lagers ein, nachdem er seine eigene Körperkraft durch den Einsatz seines Blutes bis auf das Maximum anhob. Die Suche nach einem Lichtschalter konnte er sich dank der Macht seines Blutes ebenfalls ersparen, da er schon die ganze Nacht über seine übernatürliche Nachtsicht aktiviert hatte. Doch auch wenn er dies nicht getan hätte, so wären seine fahl glühenden Augen auch eine mögliche und wahrscheinlich ausreichende Lichtquelle gewesen, wenn er seine dunkle Sonnenbrille abgenommen hätte.

Endlich war er am Ziel angekommen. Nach Firmen sortiert waren Lagerstellen angelegt worden. Esteban zog einen Notizzettel und einen Stift aus der Hosentasch und betrachtete die Liste, die er zuvor aufgeschrieben hatte:
-Schubkarre
-große Drahtschere
-Vorschlaghammer
-Mauererkelle
-Eimer (pl.)
-Zementsack
-Spitzhacke


Nach einigem Suchen fand er alles, was er sich notiert hatte, stapelte die Sachen auf eine große Schubkarre und machte hinter jede Notiz ein Häkchen. Zettel und Stift verschwanden wieder in der Hosentasche. Estebans Hände umschlossen fest die Griffe der Schubkarre und als wenn der Teufel selbst ihn verfolgen würde, sprintete er vollbeladen los. Während er rannte, hörte er ein dumpfes Hämmern seitlich hinter ihm. Er überlegte, was dies sein konnte, bis er sich daran erinnerte, dass er ja den bemitleidenswerten Wachmann auf dem umgekippten Chemieklo eingeschlossen hatte. Dieser begann mittlerweile auch damit, ausgiebig zu fluchen. Das gute daran war, dass Esteban somit wusste, dass der gute Herr nicht all zu viel abbekommen hatte. Er wusste sich in dem Moment einfach nicht anders zu helfen, als seine Ziele mit gewissem Nachdruck durchzusetzen.

Endlich am Bauzaun angekommen, griff sich Esteban die ganz oben auf der Schubkarre liegende Drahtschere und fing an, ein Loch in den Bauzaun zu schneiden. Als dieses groß genug war, bog er den Rest mit bloßen Händen auf, so dass er mitsamt den geklauten Utensilien den Wagen erreichte. Vorher zog er jedoch noch die Decke vom Stacheldraht hinunter und warf sie über die Schubkarre. Esteban öffnete den Kofferraum und verstaute jeglichen Kleinkram darin, welcher aufgrund der knapp bemessenen Trunk-Größe des Wagens nicht auf die zurückgeklappten Sitze verstaut werden musste. Diese schützte er vor Verschmutzung und Beschädigung, indem er bereits zuvor die Plastikplane, welche er zum Streichen seines Zimmers verwendete, darauf drapiert hatte. Darauf warf er zusätzlich die Decke und nun konnten auch die sperrigen Dinge im Wageninneren verstaut werden.

Esteban stieg ein und startete den Wagen. Trotz seiner Neigung zu hohen Geschwindigkeiten hielt er sich für diese Tour zur Fabrik äußerst penibel an jegliche Verkehrsvorschriften, um bloß nicht in eine Verkehrskontrolle zu geraten. Lediglich einige Bässe waberten als Schallwellen um den Wagen in die Nacht hinaus, doch dies sollte niemanden stören.

Endlich erreichte Esteban das Gelände der alten Fabrik, die nun den Stützpunkt ihrer Operationen darstellen sollte. Er parkte den Wagen vor dem Eingang und suchte im Inneren der Fabrik nach seinem Freund Richard. War dieser immer noch dabei, Zimmer in den oberen Stockwerken des Turmes zu streichen?
 
AW: Ketten zerreißen!

Er fand ihn tatsächlich. Mit einer ausgetrockneten Malerrolle vor einer unbestrichenen Wand stehen. Sein Blick war starr. Er war regungslos...

Manchmal sind es die simplen Muster einer Raufasertapete, die einen Toreador in ihren Bann ziehen.
 
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Esteban schüttelte amüsiert den Kopf. "Du weißt schon, dass sich Wände nicht durch anstarren streichen, oder?"
Er griff sich eine weitere Malerrolle, tauchte diese in einen Topf Farbe und strich damit eine kleine Stelle der Wand. "So geht das, Kollege!"

"Hast du eigentlich Jenny irgendwo gesehen? Der beladene Wagen steht unten vor der Fabrik und der lädt sich nicht von alleine aus..."
 
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Richard blieb stumm... Vor ihm tanzte das Muster der Tapete. Bildete immer wirrere Kreise und Formen. Er achtete auf nichts anderes, als die verborgene Botschaft in dem Muster. Er reagierte nicht mal, als Esteban zu sprechen begann.
 
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Esteban bemerkte, dass seine Worte auf taube Ohren trafen und so erlaubte er sich den Spaß, Richards Haare großzügig mit der Malerrolle zu bestreichen. Vielleicht würde dies helfen, Richard aus der geistigen Abwesenheit ins Hier und Jetzt zu befördern.
 
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Erschrocken zuckte er zusammen und fiel zu Boden.

"Scheiße Mann! Erschreck mich nicht so!" Er stand auf und klopfte sich den Staub ab. "Ich sag auch nichts zu deiner Taschenlampe, die dir anstatt eines Hirns in den Kopf gepflanzt wurde!"
 
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Esteban konnte einfach nicht anders, als sich vor Lachen den Bauch zu halten. Richards Gesichtsausdruck war einfach unbezahlbar gewesen. Besonders jetzt, wo ihm frische Wandfarbe von den Haaren tropfte. Immer noch reichlich schmunzelnd klopfte er Richard auf die Schulter.

"Also wenn du immer so arbeitest, werden wir trotz aller Zeit der Welt, die wir haben, niemals fertig. Ach ja, hast du Jenny gesehen? Ich habe einige Besorgungen gemacht. Der beladene Wagen steht unten und ich wollte die Sachen mit Jenny ins Lager tragen. Oder möchtest du mir dabei helfen?"
 
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Er schüttelte leicht lächelnd den Kopf.

"Ach Fick dich! Ich hab keine Ahnung wo Jenny ist." Richard sah auf die Uhr. "Als ich anfangen wollte zu streichen war es gerade Zehn! Jetzt ist es Elf... Bleibt mir wohl nichta anderes üpbrig als anzupacken." Richar ging bereits die ersten Schritte nach unten.
 
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Esteban folgte ihm und so erreichten sie über die Feuerleiter den auf dem Vorplatz geparkten Wagen. Esteban öffnete die Türen sowie den Kofferraum und blickte zu Richard.

"Such dir aus, was du tragen möchtest. Mann, der Wachmann wird mich eigenhändig umbringen, wenn er jemals herausfinden sollte, dass ich der nächtliche Besucher war."

Esteban zog zu erst den Zementsack aus dem Wagen. "Komm, fass mal mit an. Der ist selbst mir zu schwer, um ihn alleine durch die Fabrik zu schleifen."
 
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Richard packte an.

"Alter! Tu das nie wieder, okay?"

Eine sonderlich große Hilfe war er nicht... Aber besser das, als nichts...
 
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Auch wenn Richard kein professioneller Bauarbeiter war, so war es doch angenehmer, den Zementsack zu zweit bis ins Lager zu bringen. Auf dem Weg dahin sprach Esteban noch ein paar Ideen seinerseits an:
"Sag mal, wäre es nicht ungemein praktisch, einen Fluchttunnel in die Kanalisation zu haben? Ich habe mir die Freiheit erlaubt, aus diesem Grund eine Spitzhacke mitgehen zu lassen."
 
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"Ein Fluchttunnel, heißt auch, dass jemand hier rein kann. Keine Ahnung." Das Reden viel ihm etwas schwer... Vor allem bei den Treppen...
 
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"Deswegen dachte ich dabei auch an eine Falltür, die nur von hier aus verschlossen und geöffnet werden kann. Und im Untergrund müssten wir eben für genügend Tarnung sorgen, damit niemand unseren Notausgang entdeckt. So, Vorsicht, hier Laden wir das Paket ab. Auf drei. Eins, zwei... drei!"

Mit einem dumpfen Knall landete der Zementsack auf dem Boden und ließ eine dicke Staubschicht aufwirbeln.
"So, weiter geht's!"
 
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Richard bewegte sich zum Wagen.

"Weiß nicht. Jenny und Thürmer kennen sich da unten besser aus, als ich. Am besten fragst du die."
 
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"Mache ich. Aber erstmal müssen wir hier weiter an den vorangigen Dingen arbeiten. Brauchst du eigentlich noch bei irgendetwas Hilfe? Wenn alles im Lager verstaut ist, kann ich dir gern behilflich sein."
Esteban schnappte sich indes die Schubkarre und fing an, diese zu beladen.
"Eine Schaufel hatten wir noch selbst im Lager, oder? Naja, wenn nicht ist das auch nicht schlimm. Ich muss bald eh nochmal los und Ziegelsteine zum Mauern besorgen."
 
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Richard schüttelte den Kopf.

"Glaub nicht. Mal sehen. Wenn, dann rufe ich dich, okay?"

Er nahm sich eins der Teile und schleppte es hinfort.
 
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"Auch wenn du scheinbar nicht mithelfen möchtest eine nachhaltige und sichere Bleibe für uns alle zu schaffen, so rate ich dir doch, deinen Allerwertesten entweder in Richtung Jenny oder auf die Straße zu bewegen. Und wenn selbst dies nichts bringt, werden wir ein sehr intensives Gespräch mit allen Mitgliedern führen müssen..."

Auch wenn Richard und Esteban gegenseitig aneinander gebunden waren, so war es doch kaum ignorierbar, dass Esteban zum ersten Mal Gebrauch von seiner 'Machtposition' ergriff. Ihm war es zuwider, dass nur wenige und nicht alle Rädchen innerhalb harmonisch fungierten. Dies ließ er Richard auch sehr stark spüren. Doch Esteban hatte es nicht nötig, seinen besten Freund einzuschüchtern. Esteban vertraute auf Richards Gewissen. Und Richard wusste hoffentlich, dass es für Esteban nichts schlimmeres gab, als einen direkten oder indirekten Verrat an der Gemeinschaft zu begehen.

Mit einem sehr nachdenklichen Blick musterte Esteban seinen Gegenüber, ohne den er niemals die erste Nacht in Finstertal überstanden hätte. Esteban nahm seine Sonnenbrille ab.

"Wenn du möchtest, kannst du jederzeit gehen. Ich werde dich nicht aufhalten - höchstens als Freund würde ich es wollen. Aber mir steht es nicht zu, über deinen weiteren Werdegang zu entscheiden. Vielleicht war es das, was Julian mir bei unserem letzten Telefonat versuchte zu erklären. Richard, du weißt, dass ich für dich durch die Hölle gehen würde, aber wenn du nicht an das glaubst, was wir hier aufbauen können, dann sind wir längst alle verloren..."

Esteban widmete sich sogleich weiterer Tätigkeiten und ignorierte seinen besten Freund, auch wenn es ihm selbst sehr schwer fiel. Richard musste diese Lektion lernen. Plötzlich kam sich Esteban wie sein verhasster Erzeuger Julian vor. Er erklärte jemandem, der ihm nahe stand, wie dieser zu leben hatte. Nein, das war nicht das, was er wollte...

"Es tut mir Leid. Tu bitte nicht so, als wären meine Worte Vollmantelgeschosse. Aber du weißt, das es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis man uns angreift. Und ich trage momentan die Verantwortung... Ich möchte nicht, dass euch etwas schlimmes widerfährt!"
 
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