[Unknown Armies] Amerikaner

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Und weiter auf meiner Forschungsreise durch die menschliche Erfahr... ach, halt! ...durch die Überlegungen, warum mir Unknown Armies so amerikanisch erscheint, und ob es nicht doch Möglichkeiten gibt, das zu ändern.

Ich überlege momentan, ob die Tatsache, dass so viele wichtige Charaktere Amerikaner sind - beziehungsweise in Amerika angesiedelt sind -, nicht auch massiv dazu beiträgt Unknown Armies als Ganzem dieses "amerikanische Etwas" zu geben.

Aber ist das wirklich so?

Wenn Abel Engländer wäre, würde das Unknown Armies weniger amerikanisch machen?

mfG
bel
 
AW: Amerikaner

Ich überlege momentan, ob die Tatsache, dass so viele wichtige Charaktere Amerikaner sind - beziehungsweise in Amerika angesiedelt sind -, nicht auch massiv dazu beiträgt Unknown Armies als Ganzem dieses "amerikanische Etwas" zu geben.

Aber ist das wirklich so?
Das trägt zu einem gewissen Teil dazu bei. Der andere Teil ist der, daß die "Urban Legends", auf denen die Welt von UA fußt eben ausschließlich amerikanisch sind und so NUR in Amerika gesehen werden.

UA hat die Kaugummi-kauender-Amerikaner-im-Hawai-Hemd-Brille auf die Welt gerichtet und sucht mit dieser Brille das Übernatürliche im Trivialen des US-Alltags.

Und nur deshalb funktioniert UA auch.

Wenn Abel Engländer wäre, würde das Unknown Armies weniger amerikanisch machen?
Nicht solange dieser "Engländer" von einem Ami als Autoren beschrieben wurde.

Exkurs: die Europäer, die in den Dan Brown Romanen auftauchen sind auf den allerersten Blick schon als Amis im Europäerkostüm zu entlarven. Das bricht die Glaubwürdigkeit der Figuren sehr schnell. Keiner dort verhält sich, wie es UNSERER, mindestens meiner Erfahrung mit Europäern entspricht.

Genau das wäre dann auch das Problem, bei einem "internationalisierten" UA. Die Charaktere sind dann nur noch Pappkameraden mit der Europaflagge drauf und Made in USA hintendraufgeprägt.

UA ist von Amerikanern mit dem Blick auf ihren eigenen Hinterhof geschrieben worden.
UA ist FÜR Amerikaner, die ihre eigenen Hinterhöfe kennen, und nun etwas Übernatürliches darin zu entdecken angeregt werden sollen, geschrieben worden.

Nur in den USA sind die Verschwörungstheoretiker, das Mißtrauen gegen jegliche staatliche und sonstige Kontrolle so stark verbreitet, daß die UA Autoren auf diesen Instrumenten spielen können und eine Resonanz in den Lesern/Spielern erzeugen können.

Z.B. ginge "Garden full of weeds" mit der Schwarz-Weiß-Thematik in fast jedem anderen Land der Erde schief. Das käme - trotz der steigenden Spannungen hierzulande - immer noch auf den ersten Blick wie "Plastik" rüber. Genauso die Fastfood-Chakren-Verquickung. Fastfood-Ketten gibt es auch hier, aber das fühlt sich hier total anders an, als in USofA.

Ein deutsches UA müßte von einem Deutschen mit deutschem Blick auf die deutschen Hinterhöfe und die deutschen Vorstellungen vom Übernatürlichen NEU geschrieben werden. Eine Übersetzung reicht da nicht. Das geht viel, viel tiefer. Die Grundideen könnte man übernehmen, aber es wäre ein wesentlich eigenständigeres Werk vonnöten, als nur dem US-Roadmovie ein deutsches Nummernschild zu verpassen.
 
AW: Amerikaner

Und weiter auf meiner Forschungsreise durch die menschliche Erfahr...
Respekt für Deinen Filmgeschmack!

Was die Europäisierung von UA angeht, so sehe ich das wie Zornhau: Mann müsste eine ganze Menge ändern, damit es sich europäisch bzw. deutsch anfühlt. Die Frage ist allerdings, wie man das genau anstellt, ohne dass UA sein gewisses Etwas verliert?
 
AW: Amerikaner

Zum einen wäre ein deutsches UA sicherlich kleiner und wesentlich weniger übernatürlich, denn (echte und nicht aus Spaß konstruierte) deutsche Verschwörungstheorien sind in der Regel kleiner und "bodenständiger" - bliebe vielleicht eine Mischung aus Nazi-Esoterikern und Erich-Von-Däniken-Anhängern...
 
AW: Amerikaner

Ich glaube nicht, dass das Amerikanische an UA sich an den beschriebenen Charakteren aufhängt - ausgenommen

1. den erwähnten Alex Abel, da dieser - in einer Interpretation - das Inbild des Heldentyps von Horatio Alger ist (basierend auf dem Grundmythos "from rags to riches").

2. sowie: "The Freak" speist sich auf amerikanisch geprägten Gender/Body-Konstruktionen.

3. Und "Dirk Allen" basiert natürlich auf Hunter S. Thompson und William S. Burroughs

4. Daphnee Lee, Imperatrix der Sekte der Nackten Göttin, steht natürlich für das Verhältnis zu Sexualität, das in den USA vorherrscht.

5. Derek Jackson, "Anführer" von Mak Attax steht als Grad Student und Burger-Flipper natürlcih für die Verquickung von Akademia und MacJobs
Zugegeben, die "Signature Characters" der meisten Gruppierungen im Grundregelwerk UA verkörpern sehr stark amerikanische Werte und Themen:

- Geld, sozialer Aufstieg und Hautfarbe (Alex Abel)
- Körper und Geschlechterrollen (The Freak)
- Alkohol und investigativer Journalismus (Dirk Allen)
- Prüderie, Pornographie und Sexualität (Daphnee Lee)
- Unileben, Mailing Lists, schlecht bezalhte Jobs (Derek Jackson)

Aber gehen wir doch mal die im Grundregelwerk aufgelisteten Gruppierungen durch und schauen wir uns mal an, ob die Gruppierungen selbst so uramerikanisch sind:

1. Die Schläfer: Hauptquartier in England, sehr europäishc und internation ausgerichtet. Wenn bei denne über die Signature Characters ein Thema vorherrscht, dann "Kolonialismus) - und das bezieht sich dann eher auf Europa, Asien und Südamerika

2. Die Neue Inquisition: Keine Frage, die sind amerikanisch, vielleicht noch mit einem Hauch James Bond angereichert. Eine okkulte Schlägertruppe/Mafia - das ist echt Hardboiled und Pulp.

3. True Order of Saint Germain/ Global Liberation Society: weniger amerikanisch als man meinen mag, wenn man sich mal die Mühe macht, die "reale" okkulte Historie nachzulesen, auf der diese Gruppe basiert. Letztendlich führt sie ja zu den "Ascended Masters" und damit bis zur Theosophie zurück - straight back to Helena Blavatsky, die eine Deutsch-Russin war (und wer genauer in die deutsche UA Übersetzung reinschaut, wird noch die eine oder andere historisch belegte Verbindung finden, die zu Rudolf Steiner und bis in die Schweiz führt). Und die GLS hat viel mehr mit Globalisierungsgruppen als mit den amerikanischen Milizionären und religiös motivierten Endzeitfreaks der True Order zu tun.

4. Die Nackte Göttin: auch sehr amerikanisch. Zum einen von der Porongraphie-Seite her, zum anderne aufgrund der Verbindung zu der extremen feministischen, matriarchalischen Gruppierung des "Kultes der Mutter". Da spiegelt sich dann auch die ganza PorNO-Kampagne von Alice Schwarzer wieder, die ja unter anderem dazu geführt hat, dass ein Buch von Kathy Acker, einer führenden amerikansichen Feministen auf den Index gesetzt wurde: Amerikanische Quellen (wie auch die Frauenrechtbewegung, die sich aus der Civil Rights Movement entwickelt hat), aber mit vielen Kompatibilitäten zu Europa hin.

5. Order of St. Cecil: Null amerikanisch. Eine Grupperierung der römishc-katholischen Kirche, die aus dem Vatikan kommt. Und der Signature-Charakrer "Father José" ist Lateinamerikaner...

6. Mak Attax: Auch sehr amerikanisch. Institutionalisierte McJobs haben wir (noch) nicht, aber das Thema Maling-List- Geheimgesellschaft ist in Zeiten von xing/openbc natürlich sehr "in"... Wenn man die portieren müsste, dann hätte man sich wohl an der "Generation Praktikum" zu orientieren und müsste auf das ganzen Chakra/McDonalds-Netzwerk Zeug verzichten...

7. Satan's Chosen Temple: Auch wenn hier das amerikanische Peer-Group und Alternative Lifestyle Dasein angesprochen wird, sind die ohne Probleme auch nach Europa zu portieren...

Ich bin immer noch der Meinung, dass UA eher amerikanisch geprägte Themen hochhält - und dies auch noch sehr bewusst und offen tut. Wenn es Werte propagiert, dann eher die des mittleren Westens (wo auch die Autoren herkommen): am Scheideweg zwischen rural community und urban society.

Irgendwie stellt sich mir die Frage, ob die ganze World of Darkness nach dieser Sichtweise nicht ein Südstaatenrollenspiel ist (ritterlicher Code, Mark Twain Anarchie, ausgeprägtes Schichten und Ständemodell). Das wäre auch ne ganz interessante Frage...

Ansonsten: Diskutiert nicht so lange rum: Probiert's doch einfach aus.

z.B.: Holt euch "Lords of Chaos", haut ein bisserl Death Metal rein und geht der Frage aus dem Grund, was nun die skandinavischen Satanisten, die Vikingjugend, Mittelaltergruppen und die Selbstmorde in der Szene in den letzten Monaten wirklich zu bedeuten haben?

oder: Was ist den nun wirklich aus dem letzten Henker der DDR geworden?

oder: Was wäre, wenn es ein paar Leute aus Frankfurt am Main gibt, deren Zwillinge aus Main/oder stammen - und nur die wissen, warum die Mauer wirklich gefallen ist (oder: die wissen, dass sie immer noch da ist, als Mauer in den Köpfen, da das Horn von Jericho verloren gegangen ist...

UA ist Popkultur gemischt mit dem Willen zur Macht. Das ist natürlich auch amerkanisch. Aber nicht nur. Zum Glück.
 
AW: Amerikaner

Ich kann Tim da nur vollstens zustimmen. Abgesehen davon gibt es ja auch noch die Möglichkeit, selber etwaige Gruppierungen und Gesellschaften zu "erfinden".
 
AW: Amerikaner

Es werden ja auch eine weitere weitere Gruppierung im Grundregelwerk angesprochen: der kannibalische Ordo Corpulentis aus Texas, Les Infernaux mit ihrem Dante-Erlebnispark, The Seven Chairs der Mitglieder europäischer Adelsfamilien etc...

Ich leite selbst gern in einem deutschen Setting, siedle ein paar kleinere Gruppierungen und nutze andere wie die Neue Inquistion einfach so weiter. Und ich hatte dabei nie den Eindruck von deutscher Kleingärtnermentalität oder das Gefühl, dass die Stimmung aufgesetzt wäre.

Zugegeben, meine Spiewelt basiert eher auf Thriller/Action-Film Naturgesetzen und emuliert so die eher amerikanisch orientierte Genre-Konventionen angepasst auf europäische Verhältnisse.

In anderen Worten: eher Nouvelle Vague als Film Noir. Gefällt aber auch.
 
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