AW: Plot Point Campaigns
Die PP-Kampagnen haben durchaus unterschiedliche Qualität und sind auch für unterschiedlichen Spieler-Geschmack mal besser, mal schlechter geeignet.
Ich kann den Punkt mit dem schwachen HINEINZIEHEN in die Kampagne nachvollziehen. Diese Kampagnen sind so geschrieben, daß sie eben (typisch für Kaufkampagnen übrigens) natürlich mit dem Autoren UNBEKANNTEN SCs laufen können. - Es gibt nur EINE Voraussetzung:
Die SPIELER müssen spielen wollen.
Darauf läuft es letztlich hinaus.
Wenn man als Spieler gewohnt ist, daß einen der Spielleiter zum Fressen trägt, dann mag man über "mangelnde Motivation" usw. herumjammern. - Die typische Kundschaft für diese Plot-Point-Kampagnen sind aber die zeitgestreßten Leute, die sich treffen und einfach spielen wollen. Ohne für jeden Charakter individuelle Präludien, höchtssubtile Motivationen oder den Griff in den Giftschrank der Player-Empowerment-Küche (Flags, Fan-Mail, Kickers, usw.) tun zu wollen.
Ja. Die Sundered Skies PP-Kampagne fängt holterdipolter an und man hat seinen Auftrag für die nächsten Monate Spielzeit erhalten: Save The World.
Ja. Necessary Evil startet mit "Obey or Die!" in nicht einmal so charmanter Art vorgebracht, und dann läuft es auf Auftrags-Szenarien-Abarbeitung hinaus.
Ja. Ja. Ja. Ja.
NIEMAND hält einen Spielleiter einer individuellen Runde ab, den Einstieg und ggf. Vorgeschichten zu spielen. - Es gibt nur viele Gruppen, die einfach "mal eine Kampagne durchgespielt" haben wollen (weil ihre frühere Erfahrung mit vielen Kampagnen die war, daß sie angefangen wurden, dann das Tempo verloren haben, und dann versandeten - solche kenne ich auch noch sehr gut).
Eine PP-Kampagne stellt das SKELETT eines in sich geschlossenen, über deutlich längeren Zeitraum, als die "Abarbeitung" der Meilensteine, der Plot-Points dauern würde, erstreckenden Handlungsbogens dar. - Das FLEISCH wird in Form von Savage Tales, die man nach den Interessen und Neigungen der Spieler einflechten SOLL (und keinesfalls einfach alle abarbeiten soll), und Abenteuer-Generatoren, die zur individuellen Interpretation deren Ergebnisse durch die Kampagnen-Brille der aktuellen Gruppe gedacht sind, mitgeliefert.
PP-Kampagnen wie auch Savage Tales wenden sich an "Old School"-Spielleiter, die aus diesen sehr knappen "vorgebauten" Fertigteilen und den mitgelieferten Bausteinen auf einfache Weise eine an ihre Gruppe zu einem gewissen Grade (Granularität der Savage Tales und Generatoren) angepaßte Kampagne BAUEN wollen und auch KÖNNEN!
Statt einer durchgescripteten Fertigkampagne mit dem einen oder anderen Alternativ-"Gleis", wird in einem PP-Kampagnen-Band ein NETZ aus einzelnen Abenteuern aufgespannt, das man BIS AUF DIE FESTEN PLOT POINTS immer wieder ANDERS spielen kann und wird und - vor allem - SOLL.
Daher haben diese Kampagnen eben andere Voraussetzungen bei den Spielern und Spielleitern als z.B. die großen Metaplot-Nacherzählungen im DSA-Umfeld.
Eine PP-Kampagne braucht Spieler mit HOHER MOTIVATIONSWILLIGKEIT mit ihrem Charakter einfach mal einen Einstieg in die Kampagne und damit - ganz Old School - in die Spielwelt zu machen. Spieler die sich NICHT querstellen und lange bitte lassen, sind es, die mittendrin statt nur dabei sind.
Und eine PP-Kampagne braucht Spielleiter mit "Bastel-Laune", die gerne Bausteine verwenden, die mit "old school"-ig knappen Informationen umgehen können, und die somit - unter Berücksichtigung der Spieler und den von diesen geschaffenen FAKTEN in der Spielwelt - IHRE EIGENE Welt au dem Kampagnen-Setting machen.
Meine Sundered Skies sind ANDERS, als die von jemand anderem, auch wenn ich DIESELBEN Materialien verwende. Ich spiele die Plot-Points und benutze die Generatoren und die Savage Tales. Jedoch spiele ich MEINE Kampagne, NICHT eine "Tütensuppe mit Serviervorschlag".
Und genau deshalb finde ich auch die 50 Fathoms PP-Kampagne als die zweitbeste. Sie ermögliche ENORM viel freies Spiel im gesamten Netz an potentiellen Abenteuern (Generator und Savage Tales) und die bislang weiteste Loslösung von den Plot-Points.
Die aktuell allerbeste PP-Kampagne ist für mich "The Flood". - Da werden im Rahmen einer eher einfach gestrickten PP-Kampagne eine enorme Fülle an Savage Tales geboten, die ins sich wiederum eigene "kleine PP-Kampagnen" für weitere Entwicklungen neben dem Hauptthema rund um Lost Angels angeboten. Dadurch kann man mit "Bordmitteln" mindestens drei parallele Handlungsbögen verknüpfen und diese noch mit punktuellen Savage Tales und Generator-Abenteuern füllen. Damit stört dann auch das lineare "Abklappern" von bestimmten wichtigen Stätten in der Haupt-PP-Kampagne nicht, weil man zum einen auch hier Optionen für den Spielleiter vorgesehen hat, und weil man anfangs eh nicht wissen wird, welcher der parallelen Stränge nun gerade eigentlich in den Vordergrund gerückt wird. - Das ist das bislang überzeugendste PP-Kampagnen-Konzept, das Pinnacle und Lizenznehmer aktuell veröffentlicht haben.
Woran erkennt man eine PP-Kampagne?
Daran, daß sie ein BAUSATZ für eine EIGENE Kampagne ist. (Genauer: für viele eigenen Kampagnen!)
Daher ist zu beachten, daß man nicht mit der Erwartung herangehen sollte, daß die PP-Kampagne ein "Durchspielen nach Zahlen", eine Art "Nummern-Show" sein wird. - Das KANN man daraus machen (insbesondere, wenn man das Spielen in einem Setting mit der PP-Kampagne beginnt! - Viele PP-Kampagnen sollte man nicht als "Erstkontakt" mit einem Setting verwenden, sondern ein oder mehrere Savage Tales vorschalten. - Ja, das meine ich auch für Necessary Evil mit dem notorisch unsubtilen Anfang. ). - Aber wenn man nur die "Nummern" abhakt, dann hat man nicht wirklich diese Kampagne sich ZU EIGEN gemacht.
Dafür liefern ja die PP-Kampagnen-Büchern jede Menge Bausteine mit, daß man ohne viel Zeitaufwand (z.T. reichen die ersten 10 Minuten der aktuellen Spielsitzung, sich zu entscheiden, was es heute geben wird - bzw. reicht es einfach den Generator anzuwerfen) seine EIGENE Kampagne aus den mitgelieferten Bausteinen machen kann.
Meiner Erfahrung nach ist die Vorbereitungszeit in einer PP-Kampagne für eine Übernacht-Sitzung (z.B. Samstagnachmittag bis Sonntagfrüh) bei ca. 30 Minuten gelegen. Und das, wenn man während einer MEGA-stressigen Arbeitswochen NICHT EINEN BLICK in das Kampagnenbuch werfen konnte.
Das ist wirklich das Besondere bei PP-Kampagnen, wobei diese KEINE "Erfindungen" von Pinnacle sind. Die alte Traveller-Kampagne "The Traveller Adventure" war z.B. ein echter Vorläufer mit festen Abenteuern des Haupthandlungsbogens, mit Nebenszenarien, und mit Generatoren. Da war schon ALLES, was eine PP-Kampagne ausmacht geboten. Und das für Classic Traveller! - Neu ist also der PP-Kampagnen-Ansatz m.E. nicht. (Ach ja, und die Motivation für den Einstieg in "The Traveller Adventure" war auch etwas schwächlich, wie bei den meisten aktuellen PP-Kampagnen.)