AW: *Wollen* wir gar keine perfekten Regeln?
Mhhh...
Nein, ich denke irgendwo hat er Recht: jedes Rollenspiel fängt zunächst als Solobeschäftigung an. Zuallererst muss jemand die Regeln und den Hintergrund durchlesen, wobei er ganz automatisch "seine" Version der Welt kreiert. Ebenso muß man zuerst einmal das Setting/System seiner Gruppe verkaufen. Ich kann mich nicht erinnern, das jemals die blosse Erwähnung eines Systems für begeisterte Mitspieler gesorgt hätte.
Naja, ausser vielleicht das selige Star Wars D6, aber da gibt es 3 "Verkaufsvideos" die einem die Arbeit abgenommen haben ;-).
Systeme haben Fehler. Es liegt in der Natur von SL und Gruppe, das sie versuchen als "fehlerhaft" empfundene Dinge zu bereinigen oder zu verbessern. Das reicht von simplen Hausregeln über recht üppige Umgestaltung des Hintergrunds bis hin zu Totalkonvertierungen in andere Systeme.
Interessanterweise empfinden aber nicht alle Gruppen die gleichen Dinge als "falsch". Natürlich gibt es da kapitale Prachtböcke, die ein Rollenspielentwickler weitestgehen unbemerkt schiessen kann, die allerdings dem breitesten Anteil der Fanbasis sofort auffallen und daher in den Errata korrigiert werden, Dinge die fundamental einfach Bockmist sind. Falsche Stats, unklare/unvollstänge Regeln etc. pp.
Gehen wir einfach mal aus, das das hypothetische "perfekte" Regelwerk keine Schnitzer in diesem Kaliber hat.
Nein, der Knackpunkt sind eher subtile Kleinigkeiten, die von verschiedenen Gruppen verschieden wahrgenommen werden. Seien es unnötig(?) komplexe Regeln (welche für andere Spieler aber eben einen optimalen Kompromiss aus Geschwindigkeit und "Realismus"* darstellen. Oder kleine Eigenheiten im Hintergrund, die einige Leute aus persönlichen Gründen stören (Ich z.B. mag die Idee der Frauen-und-Kastraten-only-Kavallerie in Reign überhaupt nicht, aber ich kenne genug Leute auf RPG.net die das für eine geniale, unglaublich zum Setting beitragende Idee halten. Naja, de gustibus non est disputandum...)
Von daher ist "mein perfektes System" ein ganz anderes Tier als z.B. "URPGs perfektes System". oder "Skyrocks perfektes System". Allerdings würden wir, um gemeinsam spielen zu können, uns auf ein gemeinsames System/Regelwerk einigen müssen. Wir würden einen Kompromiss finden, sicher, aber wirklich *perfekt* wäre der in keinem von unseren Augen.
Sicherlich gibt es eine gewisse Gruppenbeschäftigung/Verschwörermentaliät beim basteln von Hausregeln. Sicherlich auch ein bisschen Überlegenheitsgefühl. ("He, wir haben XYZ besser gelöst als die Autoren von Schwarze Töle! Yay us! Pwnage!". Hm, wenn ich's recht bedenke entstehen auf diesem Nährboden glaube ich Heartbreaker.) Andererseits ist es frustrierend, wenn Setting und Regeln eine einzige Baustelle sind.
Ich persönlich bin ja der Meinung, das jedes Rollenspiel ein wenig White Space braucht, in dem Spieler und GMs ihre Kreativität austoben können, ohne gleich von Grund auf eine neue Welt aufbauen zu müssen. Es ist ein Spiel, und das meiste Spielt sich in der Fantasie der beteiligten ab. Von daher muß man tatsächlich mit dem Setting/System herumspielen können.
Ich denke, wir haben hier das klassische Moorcock'sche Gleichgewichtsproblem: Pures Chaos funktioniert genausowenig wie pure Ordnung, nur in einem brauchbaren Mischungsverhältnis macht das ganze Spass. Und dieses Verhältnis ist von Person zu Person unterschiedlich.
(*)= Nein, diese Dose Würmer machen wir heute nicht auf. Was gemeint ist, ist ein für alle Beteiligten im Rahmen der gemeinsamen Erwartungen liegendes Ergebnis, dem Genre angepasst.
-Silver, zuckt noch.