Die individuellen Breaking Points sind ja mehr eine allgemeine Orientierung. Du musst also keine Szene mit Meerschweinchen provozieren.
Ich würde immer mit den Spieler diskutieren, ob Dinge Breaking Points sind, die beantworteten Fragen helfen dabei bloß.
Was spricht eigentlich dagegen, Integrity und Willenskraft zu koppeln? Wie plausibel ist beispielsweise ein Charakter, der mit sich selbst absolut nicht im reinen ist und ständig an seinem Weltbild zweifelt (Integrity 1), aber gleichzeitig durch nichts zu erschüttern ist (Willenskraft 10)?
Würde ich nicht tun. Woher nimmst du denn die Idee, dass jemand mit Integrity 1 an seinem Weltbild zweifelt? Integrity "measures functionality in society. It measures how well a character copes with what she has seen or done" (S.184) - das kann durchaus heißen, dass man zu einem wahnsinnigen Oberkultisten wird, der sich durch nichts von seinem unmenschlichen Ziel abbringen lässt (und dafür braucht man Willenskraft).
Ich finde auch nicht, dass Integrity einen Push braucht. Die wird halt in 95% der Fälle erst wichtig, wenn sie sinkt (und auch erst dann überlegt man sich, Punkte reinzupacken), und das ist imho durchaus so gewollt. Ich meine, wie viele Leute werden zu besseren Menschen, ohne dass sie davor zu schlechteren Menschen geworden sind? ^^
Ich hänge euch mal meine eigene Meinung zum Buch an (hab ich schon mal in einem anderen Forum gepostet):
Inzwischen bin ich durch mit dem Buchteil, der sich um die
God-Machine dreht. Das Konzept ist letztendlich ein typischer "Gott", der nicht zu verstehen ist und sich auch nicht für die Menschen interessiert, also gar nicht mal so weit entfernt von Cthulhu und Co. Allerdings hat das Ganze einen mechanisch-automatischen Twist. Der gefällt, weil es a) cool ist, und b) die God-Machine eben nicht immer nur ein Antagonist ist, sondern sehr oft auch ein unbewusster Schemen, eine Automatik im Hintergrund, oder sogar eine Deus Ex Machina (aha-ha). Es gibt Glitches, mit denen sich die Charaktere herumschlagen müssen, es gibt Abenteuer, in denen die Charaktere (unbewusst) Agenten der God-Machine sind, es gibt Engel, mit denen man vernünftig reden kann, und es gibt sogar Stories, in denen die God-Machine vom Wohlergehen Einzelner oder auch aller profitiert. Besonders beeindruckend finde ich bspw. die Kurzgeschichte "The Observer Effect" aus der Anthologie. Dort löst ein Engel einfach bloß die Probleme im Leben eines Menschens, und obwohl weder der Charakter, noch der Leser den vollständigen Hintergrund verstehen, ist klar, dass es einen
gibt. Das ist sozusagen der Reiz an der God-Machine; sie ist kein böser Gott oder sowas, sondern eine gottgleiche Maschine, die nicht zu verstehen ist.
Der allgemeine Part des Buchs ist normal, Durchschnitt eben. Streckenweise fand ich ihn auch etwas anstrengend. Wirklich Interessant sind erst die 20 Stories, auf jeweils 2 Seiten. Es sind zwar einige dabei, die ich eher lahm oder zu komplex für One-Shots finde, viele durchschnittliche, aber eben auch einige, die einfach nur reinhauen. Nicht zuletzt, weil man keine große God-Machine Chronik spielen muss. Die meisten Abenteuer funktionieren auch ohne sehr gut (oder lassen sich problemlos uminterpretieren). Besonders hängen geblieben sind dabei
The Squares Of The City,
Wellington School For Gifted Children (!),
A Glimpse Of Mesmerizing Complexity,
The Hatching und
What Is It Good For (!!). Ein paar anderen, namentlich
The Key,
Do-Over und
The Moon Window, merkt man sowohl die guten Ideen, aber auch die zweifelhafte Umsetzung an. Selbiges gilt für das Format. Ich rechne es den Leuten aber trotzdem an, dass sie es mal geschafft haben, ernst zu nehmende Geschichten unter 25 Seiten zu Präsentieren. Zumal die Geschichten tatsächlich einen rabiat unterschiedlichen "Power-Level" haben. Vom Wohnblock nebenan bis zu Himmel, Hölle und Zeitreisen ist alles dabei.
Fazit: Für den Inhalt kann man sich das Buch durchaus zulegen, es reiht sich halt mit seinen "Mal-Wahnsinn-mal-lahm"-Geschichten und seinem (streckenweise) schwafelndem Tonfall einwandfrei bei den anderen Settingbänden wie etwa
Mysterious Places oder
Midnight Roads ein und hat dazu einen etwas stärkeren Fokus auf dem tatsächlichen Kampagnenspiel. An Bücher wie
Innocents oder
Hunter, mit denen es wohl am ehsten zu vergleichen ist, kommt es aber eher nicht ran. Die Kaufempfehlung hängt also recht deutlich an der Frage, was man vom Konzept der God-Machine hält.
Und zum God-Machine Regelupdate, das man übrigens auch kostenlos runterladen kann:
Zuerst ein "
Meta-Problem", das sich nicht auf den tatsächlichen Inhalt bezieht. Ich spreche es als erstes an, weil es meinen Gesamteindruck gewaltig (!) herunterzieht, für andere aber gar nicht relevant oder sogar ein Pro-Argument sein könnte. Der Regelteil der GMC will ein
Update der Grundmechanismen sein und damit die alten ersetzen. Alle neuen Regelwerke, also Demon und die darauf folgenden, werden sich regelseitig auf die GMC beziehen. Ich halte das prinzipiell für eine gute Idee (die nWoD hat es inzwischen auch wirklich mal nötig), aber die Umsetzung ist nett ausgedrückt zweifelhaft. Einmal ist GMC eben KEIN neues Grundbuch! Man muss sich die Regeln nun aus zwei Büchern zusammenklauben, von denen eins durch seine Thematik nicht mal unbedingt alle Käufer ansprechen dürfte. Saving grace ist hier tatsächlich der Fakt, dass man das Regelupdate auch gratis bekommt; alles andere wäre in meinen Augen der totale GAU. Dazu kommt allerdings, dass die neuen Regeln nicht immer subtil sind. Obwohl das Ganze bekannt wirkt, führt es einige Sachen ein (namentlich die Conditions und Beats), die gewaltige Pulse durch das gesamte Regelsystem senden und damit auch nicht ohne Weiteres herausgeschnitten werden können. Als Konsequenz funktionieren die ganzen Alternativ- und Erweiterungsregeln aus
Second Sight,
Mirrors,
Armory Reloaded und Co. nur noch bestenfalls holprig. Und um dem Ganzen das Sahnehäubchen aufzusetzen, wird auch die Balance und Verwendbarkeit der alten Spiellinien (Vampire, Changeling etc.) stark in Mitleidenschaft gezogen. Das Ganze wäre total in Ordnung, wenn wir offiziell eine neue Version der nWoD-Regeln vor uns liegen hätten. Offenbar hat der Verlag aber vor einem guten Jahrzehnt gelernt, was passiert, wenn man die Fanbase splittet, und will dieses Mal mit einer anderen Herangehensweise punkten. Das Ergebnis ist ein seltsames Konzept, das einerseits nur ein Update sein will, andererseits das Regelsystem (und sogar das Feeling des Spiels) stark verändert, inkls. einer großen Menge an ärgerlichen Kollateralschäden.
So, nun aber
zum Inhalt. Der ist eigentlich ziemlich gut, allen Vorbehalten zum Trotz. Wenn es im Folgenden anders klingt, liegt das daran, dass ich mich lieber über Schwächen auslasse.
Und deshalb fange ich auch mit dem größten Problem an: Den Conditions. Die ähneln ein wenig den temporären Fate-Aspekten, dann aber auch wieder nicht. Die Idee, Zustände und Umstände, die sonst der SL managed, in die Hand der ganzen Gruppe zu legen und deren Organisation durch Risk & Reward zu steuern (EP für das Hinnehmen von Mali etc.), ist weder neu, noch prinzipiell schlecht. Mein Problem liegt abermals in der Umsetzung. Einerseits sind die vorhandenen Conditions mechanisch so unterschiedlich, dass es beim näheren Hinschauen ziemlich schwierig wird, deutliche Design-Konzepte (und deren genaue Motivation) auszumachen, zum anderen erfordert es das System aber auch, sich eigene Conditions auszudenken. Diese Kritik sollte vorsichtig aufgenommen werden, weil ich die neuen Regeln noch nicht (!) ausprobiert habe; man merkt aber schon beim Lesen, dass die Conditions in ihrer Schwammigkeit stark pendeln und eventuell von deutlicheren Kategorien und Richtlinien oder alternativ MEHR Schwammigkeit profitiert hätten. So geht der eigentlich geplante Vorteil, die Handfestigkeit und Agency der Spieler, ein wenig im Wust des "Warum funktioniert das denn jetzt so?" unter und macht das Spiel vorrangig komplexer und metagame-lastiger, ohne aber die Willkür wirklich einzuschränken. Der Reward-Aspekt soll allerdings nicht unter den Tisch fallen, der hat schon was.
Die zweite große Änderung sind die Beats, die man ansammelt, um schließlich zusätzliche Experiences (also EP) zu erhalten. Das Ganze scheint durchdacht, und gerade im Detail eröffnet da System ein paar coole Möglichkeiten - so kann ein Spieler eine misslungene Probe freiwillig zum Patzer machen, um einen Beat zu erhalten. Ist also eine nette Sache, auch wenn mein Meta-Problem hier besonders deutlich zum Tragen kommt: Beats sind allgegenwärtig, und wehe dem, der nichts damit anfangen kann; was gerade deshalb kritisch ist, weil sie extensiv mit den Conditions interagieren.
Generell gesehen allerdings rockt das neue Erfahrungssystem. Es ist einfacher, intuitiv und löst das Min-Maxing-Problem ohne Nebenwirkungen. Die anderen Neuerungen im Charaktersystem finde ich ebenfalls klasse. Es ist viel dabei, das die Geschichte der Figur betont und nebenbei langstehende Probleme wie die christlichen Virtues/Vices, die seltsamen Moralreglungen und die anstrengenden Derangements aushebelt. An dieser Stelle hat sich die nWoD also deutlich weiterentwickelt, und hier gibt es außer ein paar Beats auch kaum "Nebenwirkungen", die man bedenken müsste.
Ebenfalls sehr heiß ist die Merit-Liste. Sie umfasst ein
unglaublich gutes Gesamtbild der allgemein brauchbaren Merits, komplett mit unzähligen sinnvollen Überarbeitungen, an die wohl kaum noch einer geglaubt hätte. Die Sanctity of Merits, die schon seit den ersten Büchern zwischen den Zeilen umhergeistert, macht ein handfestes Comeback. Besonders schön ist auch der Umstand, dass die Fighting-Style-Merits zusammengeschrumpft und charakterorientierter gestaltet wurden, und letztendlich enthält dieser Teil mit einem guten Dutzend an breit einsetzbaren Supernatural Merits auch eine völlig unerwartete (aber gern gesehene) Überarbeitung der Psychic-Regeln aus
Second Sight. Diesen Teil des Regelwerks würde ich trotz diverser Synergien ALLEN nWoD-Spielern empfehlen. Wenn es Synergie-Probleme gibt, kann man sie leicht hausregeln, und die Merit-Wust der bisherigen nWoD ist damit endgültig Geschichte.
Ein Überraschungserfolg ist in meinen Augen das System für Social Maneuvering. Nachdem ich mit Social Combat und ähnlichen Dingen ja gar nichts anfangen konnte, bieten diese anderthalb Seiten ein handfestes, aber trotzdem vollständig intuitives System, mit dem Spieler in schwierigen sozialen Situationen kriegen können, was sie wollen (oder auch nicht; was dann noch mal interessanter wird). Daumen hoch, habe ich bisher in keinem klassischen Rollenspiel gesehen.
Etwas seltsam dagegen sind die Regeln für Extended Actions. Die Motivation ist deutlich, das Ergebnis sollte auch funktionieren, aber der Grad an zusätzlicher Komplexität ist in meinen Augen untragbar. Schade drum.
Die Überarbeitung des Kampfteils ist auf jeden Fall gelungen, wenn auch nicht problemlos. Sie umfasst sehr viele Details, besonders heraus stechen dabei die Regeln für das Aufgeben und generell einen "natürlicheren" Kampfablauf (notwendig und durchdacht!), die Option des Down and Dirty Combats, mit der "kleine" Kämpfe schneller abgehandelt werden können, aber auch der überarbeitete Umgang mit Waffenschaden, Armor und Defense, der ja schon aus anderen Büchern bekannt ist. Ich bin mir persönlich nicht ganz sicher, was ich von Athletics als Defense-Bonus halten soll, und allgemein haben gewisse Aspekte des Kampfs einen leichten Komplexitätsboost bekommen, so zumindest mein Eindruck. Die Tilts, praktisch Conditions im Kampf, funktionieren etwas problemloser als ihre friedlichen Cousins, wären in meinen Augen aber nicht unbedingt nötig gewesen. Schön ist, dass man sie problemlos durch Intuition und SL- bzw. Gruppenentscheidung ersetzen kann. Besonder gut gefallen haben mir letztendlich auch noch die Grapple-Regeln.
Ein sehr interessanter Teil des Buchs stattet Ghosts und Spirits einen Besuch ab, fügt aber auch noch die Engel der God-Machine hinzu. Die Regeln wurden gestreamlined, was durchaus gefällt, gerade die Numina-Liste ist angenehm generell gehalten. Ob die dicke Auswahl an Conditions wirklich notwendig war, um Manifestation und Influence zu beschreiben, sei allerdings mal dahingestellt; ich nehme mal an, in Spielen wie Werwolf spielen derartige Dinge eine größere Rolle. Hier stören sie eher.
Das Kapitel mit Ausrüstung ist ein netter Bonus.
Fazit: Die neuen Regeln sind definitiv besser als die alten, und dieser Satz sollte unbedingt am Anfang des Fazits stehen.
Allerdings ändern sie
viel, auf einem grundlegenden Level. Die nWoD bewegt sich damit sehr deutlich in Richtung Metagame, sie wird dem Terminus "Storytelling System" zunehmend gerechter. Ob einem diese Entwicklung gefällt, und wie sie umgesetzt wurde, das sind natürlich andere Fragen. Obwohl die positiven Aspekte überwiegen, gibt es immer wieder Stellen, an denen man ins Zweifeln gerät. Und warum ein so grundlegendes Konzept wie die Condition so schwerfällig und unausgegoren wirken muss, ist mir persönlich immer noch ein kleines Rätsel.
Dazu kommt halt mein angesprochenes Meta-Problem. Man muss sich ernsthaft überlegen, ob die GMC für die eigene Gruppe DAS neue WoD-System ist (das trotz aller Qualitäten ernsthafte Probleme mit dem alten Material kriegen wird), oder ob man sie doch wieder als Optionsband à la
Mirrors oder
Armory Reloaded versteht, mit viel Kram, der nicht jedem gefallen wird, aber definitiv für jeden ein paar wahnsinnig (!!!) gute Ideen bereit hält. So oder so sollte man einen Blick in die Regelerweiterung werfen.
Und das ist auch schon mein Hauptproblem mit der eigentlich sehr guten GMC: Wir haben WIEDER eine Masse an guten Alternativen, und inzwischen darf ich mir "meine" nWoD aus sechs verschiedenen Büchern zusammenschnippeln. Die inzwischen "offiziellen" Regeln unterdessen (die es ja leider nicht als
einzelnes Buch gibt), werden im Gegensatz dazu spezieller, verwinkelter und ironischerweise schwerer modifizierbar.