Materialsammlung Wie war das eigentlich . . . um die Jahrhundertwende des 19./20. Jahrhunderts

Registriert
4. Juni 2007
Beiträge
42.927
Für Cthulhu ist die Zeit von 1880 bis 1925 von großem Interesse, weil sich in dem Zeitraum das klassische Setting - die Lovecraftgeschichten - und viele Abenteuer abspielen. Aber auch für Steam Punk, Midgard 1880, Hollow Earth Expedition und viele andere Systeme in der Art von Quatermain oder Indiana Jones lässt sich das Wissen gut verwenden. Ich hatte hier und da auch mal in Blogs schon etwas gesammelt, denke aber hier ist das besser aufgehoben. Stück für Stück.

Terra X hat mit der Reihe "Ein Tag in" auch eine Folge der Kaiserzeit gewidmet:
https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/ein-tag-in-der-kaiserzeit-102.html
 
Das deutsche Kaiserreich hat in der populären Geschichtsschreibung im Allgemeinen einen unverdient schlechten Ruf. Diese Seiten - ich kenne sie - sind da im Sinne von "audiatur et altera pars" eine sinn- und wirkungsvolle Gegenposition. Aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass selbige Seiten durchaus ein wenig in die andere, apologetische, Richtung überzeichnen.
 
Dampfwägen wurden von 1769 (erstes Auto von Cugnot, nicht Benz^^) bis 1925 gebaut und hatten zum Schluß ihren urtümlichen Charakter völlig abgelegt. Sie wurden also über 150 Jahre lang gebaut!

https://www.welt.de/motor/article5347845/Der-Erfinder-des-Autos-hiess-Cugnot-nicht-Benz.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Dampfwagen

Hier ein paar Beispiele schrieb:
LKW

Traktor


Die letzte Blüte mit elektrischem Starter, der Doble E-20, der es damals selbst mit dem Duisenburg aufnehmen konnte
 
Humoristische Karte aus dem 1. Weltkrieg

EU14_2-2.jpg
 
Und auch die Jahrhundertwende hatte eine Vorgeschichte, die hilft das Ganze einzuordnen.

  • 1776 wurde die Unabhängigkeitserklärung der USA proklamiert, unter anderem ging es ja darum, dass die Regierung die Rechte der Bevölkerung wahren und stützen sollte
  • 1789 fand unter gleichem Gedankengut die französiche Revolution statt
  • 1789 begrüßte Napoleon die Revolution und schwor der Neuen Ordnung die Treue. Kurz darauf konnte er sich mit großen militärischen Siegen brüsten.
  • 1804 wurde Napoleon zum französichen Kaiser und ganz in der Tradition Karls des Großen (1000 Jahre zuvor), der damals das Römische Reich geschlagen hatte, stelle auch er große europäische Herrschaftsansprüche.
  • 1806 erlosch des Heilige Römische Reich deutscher Nation. Der deutsche Nationalismus lag am Boden.
  • 1807 besschloss König Kudwig I bereits für 50 große Deutsche einen Ehrentempel zu errichten, was er bis 1842 mit der Walhalla auch vollendete.
  • 1813 war die Völkerschlacht bei Leipzig, in der die deutschen endlich Napoleon schlagen konnte. Endlich hatten Sie sich von dem Joch befreit und begannen sich auf die Such nach neuen nationalistischen Wurzeln zu machen. Sie fanden diese bei den Germanen und drückten dies auch im Denkmalbau aus.
  • 1813 wurde das Hermannsdenkmal konzipiert und schließlich von 1838 bis 1875 gebaut. Es zeigt den Germanenfürst Arminius, der die Römer geschlagen hatte. Das Schwert des Arminius ist drohend Richtung Frankreich erhoben.
  • Um 1818 wurde die Göttin Germania als Zeichen für die deutsche Demokratie proklamiert und findet sich in vielen Darstellungen. Auch die schwarz/rot/goldene Flagge für die Demokratiebewegung entstand dort.
  • Ab 1820 erstarkte auch das Bürgertum, das eine größere Teilhabe erorderte und einen Nationalstaat forderte.
  • 1824 wurden alle studentischen Burschenschaften geheimen politischen Verbindungen gleichgestellt und die "Demagogenverfolgung" begann.
  • 1848/49 endete dies in den Märzrevolutionen unter schwarz/rot/goldener Flagge.
  • 1870 fand die weltweite Ausdehnung der europäischen Staaten mit dem Kolonialismus im Hochimperialismus seine Krönung. Die Welt war nun aufgeteilt und das Augenmerk fiel auf die europäischen Staaten zurück, wobei die Deutschen sich unterrepräsentiert in der Welt sahen und nicht unbedingt zufrieden damit waren.
  • 1871 wird das Deutsche Reich ausgerufen.
  • Ab 1880 entsteht die Völkische Bewegung, die einen Nationalen Sozialismus (Rassenideologie + wesensgemäße Religion + Ablösung der Monarchie) proklamierte.
  • Ab 1904 taucht in der deutschen Literatur das Wort Weltkrieg schon vermehrt auf.
  • 1914 lief das alles dann ja ein wenig unglücklich. Österreich suchte für ihren ermordeten Thronfolger Rückendeckung bei Deutschland und so prallten die jeweils Verbündeten aufeinander.
  • 1918 kam es dann zur Novemberrevolution und dem Sturz des Kaiserreichs hin zur Demokratie.
  • 1919 war damit dann auch der Nährboden für den Nationalsozialismus gelegt.
  • 1920 wurde dann die NSDAP gegründet.
  • 1933 kam Hitler dann mit dier Partei an die Macht. Er griff wieder auf römische "Werte" zurück. Römische Architektur, römischer Gruß, oder auch einfach nur das "Dritte Reich" als Nachfolger des Römischen Reiches und des Heilgen Römischen Reiches Deutscher Nation.
 
Um 1818 wurde die Göttin Germania als Zeichen für die deutsche Demokratie proklamiert und findet sich in vielen Darstellungen. Auch die schwarz/rot/goldene Flagge für die Demokratiebewegung entstand dort.
Der Gründungsmythos geht aber weiter auf die Freiheitskriege zurück. Lützows Freikorps hatte schwarze Uniformen mit goldenen Knopfen und rotem Besatz. Da dieses Freikorps als Sinnbild im Kampf für Freiheit und die deutsche Nation verehrt wurde, wurde das der Grundstein für die Nationalfarben.
 
"Die nackte Wahrheit – Wiener Skandale um 1900"
Doku D 2005 von Angelika Lizius.
Aufnahme: 3sat 27.10.2018.

Die Kunst steht in Wien um 1900 im Spannungsfeld zwischen Tradition und Aufbruch in die Moderne. Maler wie Gustav Klimt, Egon Schiele und Oskar Kokoschka greifen Tabuthemen auf. Die Dokumentation erzählt an Originalschauplätzen von den damaligen Kunstskandalen. Die Gegenüberstellung von Traditionellem und Neuem macht die kompromisslose Modernität der Künstler und die bis heute gültige gesellschaftliche Sprengkraft ihrer Werke spürbar. Es geht um Sexualität und Macht, um Homoerotik und Geschlechterkampf. Die Empörung des Publikums bleibt nicht aus. Klimt gerät mit den für die Aula der Universität entworfenen Fakultätsbildern in Streit mit der Obrigkeit, Egon Schiele wird für seine radikal offenen Darstellungen von Eros, Leid und Tod vehement angegriffen und kommt für drei Wochen ins Gefängnis. Oskar Kokoschka inszeniert sich mit skandalträchtigen Bühnenstücken und kahl geschorenem Kopf bewusst als Berserker. Auch in der Architektur gibt es radikale Veränderungen: Adolf Loos beschert Wien einen der größten Architekturskandale der Geschichte. Die zeitgenössische Presse beschimpft sein berühmtes Haus am Michaelerplatz als "obszön nackt". Ein Ziel verfolgen die Künstler bei aller Unterschiedlichkeit gemeinsam: Es gilt, sich alter Zwänge zu entledigen, Grenzen auszuloten und neue Freiräume zu schaffen. Hart und ungeschminkt wollen sie ihre Wahrheit in der Kunst zum Ausdruck bringen. Sie ziehen der Nacktheit den Schleier des Allegorischen weg, den die Gesellschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert noch von ihren gefeierten Künstlern verlangte. Die Darstellung des unbekleideten menschlichen Körpers und die Erkundung der Sexualität in der Kunst fallen in eine Zeit, in der Sigmund Freud das Unbewusste des Menschen erforscht und an der Entwicklung der Psychoanalyse arbeitet.

 
Sie war die Frau an der Seite von Kaiser Wilhelm II. 30 Jahre Landesmutter der Deutschen. Die Stütze des Kaiserthrons. Öffentlich stand die Kaiserin im Schatten ihres Gatten Wilhelm II., doch hinter den Kulissen nahm sie Einfluss auf seine Entscheidungen, prägte und gestaltete das Kaiserreich mit - weit mehr als bekannt. Inwieweit trug August Victoria Mitschuld am Untergang des Kaiserreichs?

An der Seite des sprunghaften und gelegentlich depressiven deutschen Kaisers Wilhelm II. gewann Auguste Victoria an Macht. Sie schirmte ihren Mann ab von liberalem Ideengut und verhinderte Reformen hin zu einer parlamentarischen Monarchie. Je mehr dem Kaiser die Fäden entglitten, desto mehr kämpfte die erzkonservative, bibelfeste Frau an seiner Seite für den Erhalt der in ihren Augen gottgewollten und -begnadeten Königsherrschaft.

Daneben engagierte sie sich als Landesmutter in besonderem Maße für kirchliche Einrichtungen, karitative Vereine und Institutionen. Auguste Victoria gründete die Evangelische Frauenhilfe und startete ein gigantisches Kirchenbau-Programm. Allein in den Arbeitervierteln Berlins entstanden 66 neue Kirchen, mit Gemeindehäusern und Kindergärten. "Kirchenjuste" nannte sie deshalb spöttisch der Volksmund.

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, winkte Auguste Victoria vom Balkon des Berliner Stadtschlosses dem Volk zu. Sie hielt Krieg wie viele für ein legitimes Mittel der Politik. Sie glaubte noch an den Sieg, als der Erste Weltkrieg längst verloren war. Als es darum ging, den Weg frei zu machen für Verhandlungen um einen Waffenstillstand, sprach sie sich gegen die Abdankung aus. Sie folgte ihrem Mann ins Exil, wo sie 1921 starb.

Dieses Video ist eine Produktion des ZDF.

Autorin: Annette von der Heyde
Schnitt: Christoph Schuhmacher

 
Die zwanziger Jahre in Deutschland verbinden wir oft mit wilden Partys im Berliner Nachtleben, mit Temporausch und sprühendem Erfindergeist. Die Wirtschaft brummt und das Auto wird zum liebsten Kind der Deutschen. Aber war wirklich alles golden in den Zwanzigern? In Versailles beschließen die Siegermächte 1919, dass die Deutschen sofort 20 Milliarden an Reparationen bezahlen sollen. Der bankrotte Staat sieht keinen anderen Weg, als die Notenpresse anzuwerfen. Sagenhafte 400 Trillionen Reichsmark kommen in Umlauf. Die Folge ist eine der massivsten Geldentwertungen in der Geschichte. Zigtausend Prozent beträgt damals die Inflationsrate – und zwar im Monat! Im November 1923 kommt die Rettung: Die Regierung unter Gustav Stresemann führt die Rentenmark ein – sie wird im Verhältnis eins zu einer Billion getauscht. Ein radikaler Schnitt, der aber allmählich zur Stabilisierung der Wirtschaft führt. Endlich gibt es wieder Arbeit, und die Löhne steigen. Aufbruchsstimmung und Kauflust bestimmen das neue Lebensgefühl. Die Zwanziger Jahre werden zu goldenen Jahren. Auch politisch kommen bessere Zeiten. 1919 finden die ersten freien Wahlen zur Nationalversammlung der jungen Republik statt. Erstmals dürfen auch Frauen wählen – und gewählt werden. Die Verfassung der Weimarer Republik gilt als eine der fortschrittlichsten der Welt. Selbstbewusst setzen sich die Frauen der Zwanziger in Szene. Sexuelle Selbstbestimmung ist kein Tabu mehr, wenn auch gleichgeschlechtliche Liebe zwischen Männern offiziell gesetzlich verboten ist. Mit der Einführung des Acht-Stunden-Tages bekommt Freizeit eine Bedeutung: Kinos, Theater und Varietés werben um feiersüchtige Kundschaft. Aber hinter der goldenen Fassade der Glitzerwelt herrscht nach wie vor Elend. Hunderttausende Soldaten sind nach dem Ersten Weltkrieg als Invalide zurückgekehrt, die meisten traumatisiert und mittellos. In den düsteren Mietskasernen der Großstädte hausen Großfamilien in winzigen Wohnungen ohne Hygieneeinrichtungen. Mit dem Schwarzen Freitag, dem Aktiencrash an der New Yorker Börse im Oktober 1929, überrollt eine Finanzkatastrophe die ganze Welt. Von der Wirtschaftskrise ist die Weimarer Republik besonders stark betroffen. In der Folge bekommen Kräfte von rechts die Oberhand, das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte beginnt.

00:00
Intro
00:19 Düsterer Anfang
02:57 Strahlende Aufbruchstimmung
09:22 Goldene Freiheiten
14:13 Schillernde Fassaden
17:03 Das dunkle Ende der goldenen Jahre

Autorin: Sabine Klauser Schnitt: Claudia Spoden
 
Nach einem aus 235 schlesischen Fabrikarbeiterhaushalten gewonnenen Durchschnitt gestalten sich die Ausgaben bei einem Einkommen von 805 Mark folgendermaßen:

Im DurchschnittIn Prozenten
Nahrung490 Mk.61,03
Kleidung109 Mk.15,57
Wohnung61 Mk.7,59
Feuerung57 Mk.7,10
Geräte16 Mk.1,99
Kirche und Schule7 Mk.0,87
Steuern und Versicherung15 Mk.1,87
Kranken- und Sparkassen15 Mk.1,87
Sonstige Bedürfnisse33 Mk.4,11
803 Mk.100,00

 
Zurück
Oben Unten