[Weltenbau] Klischees und radikale Eigenkonzeptionen

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Vielleicht habe ich einfach nicht genug Erfahrungen gesammelt, aber ich kann die eine These, dass "Exotik" der Rassenauswahl und asoziales Spielverhalten im späteren Verlauf irgendwie zusammenhängen.
Meine schlimmste "Schneeflocke" war ein Elf, meim schlimmster Munchkin (auf Kosten der anderen Spieler) ein Githzerai (eine für das Setting recht typische Rasse).

Den Vergleich mit der fremdartigen Küche finde ich sehr, sehr gut - vielleicht schmeckt es den betroffenen ja, aber dazu muss man sie erst einmal dazu kriegen, den ersten Bissen herunterzuwürgen.
Prinzipiell muss man vielleicht unterscheiden, was eine exotische Rasse oder ein exotisches Volk eigentlich ausmacht. Ist das schon alles, was nicht strikterdings EDO ist? Ich erinnere mich, vor Jahren in einem DSA-Elfenband gelesen zu haben, dass mit dem Lesen dieses Bandes klar sein sollte, dass ein Elf nun eigentlich nicht mehr als Spielerrasse betrachtet werden könne, weil zu fremdartig, märchenhaft, etc. - schlechterhand nicht für die schmutzigen Spielerhände geeignet.

Ich denke persönlich, dass es oft daran scheitert, dass die jeweilige fremdartige Kultur zu opak und verschachtelt dargeboten wird, und der Spieler, der sich ja auch gleichzeitig mit Regelsystem und Welt insgesamt auseinandersetzen will, einen sicheren Anker braucht, ein griffiges Konzept, das ihm hilft, wenigstens seinen Charakter zu verstehen, um durch ihn die Welt vermittelt zu bekommen.
Wenn er das Gefühl hat, seinen eigenen Charakter nicht durchblicken zu können, weil er mit einer Kultur verwoben ist, deren Elemente ihm ein Buch mit sieben Siegeln sind, dann wird es für ihn schwer, mit dem nötigen Selbstvertrauen seine Figur auch wirklich "spielen" zu können.

Die vierte Edition von D&D hat ja auch Kritik dafür einstecken müssen, dass viele recht exotische Rassen in den Grundregelwerken auftauchten. Gleichzeitig bietet D&D ja auch ganz klassisches EDO an, eben so wie die berühmte chinesische Salatbar von Mr. Egg Shen. Ich finde diese "Kompromisslösung" eigentlich auch recht gut, weil da jeder sich eigentlich das rauspicken kann, was er will. Wenn er Pflanzenelfen haben will, zückt er einen Wilden, wenn es ein klassischer Zwerg sein soll - kein Problem. Die Rassenbeschreibungen sind immer extrem kurz und klischeehaft, was darüber an Tiefe und Komplexität hinausgehen soll, gemeinsam von Spieler und Spielleiter zu handlen (macht das Fate nicht so ähnlich?).
 
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Fate tendiert interessanterweise dazu, recht indivduelle Charaktere zu erzeugen, selbst wenn zwei Leute fast das gleiche Konzept haben. Aber die Behandlung von "Rassen" an sich sieht so aus, das der Charakter einfach nur einen oder mehrere rassentypische Aspekte hat.
Das kann im einfachsten Fall ein simpler Aspekt sein ("Zwerg!"), kann als Teil des definierendes Charakteraspektes auftauchen ("zwergischer Casanova"), oder sogar eine komplette Latte an vordefinierten Aspekten beinhalten ("kleinwüchsig", "bärtig", "trinkfest", "gut mit Äxten"). Die exakte Variante hängt von der Menge der Aspekte pro Charakter ab und von der Fate-Version die man spielt.

Wobei die meisten "Rassen" in frühen RPGs eher eine Sammlung von Attributsboni sind anstatt einer echten "Kultur". Klassisches FRPGs definieren den Elfen noch am ehesten mit "-1 STR, +2 DEX, Widerstand gegen Lähmung und Nachtsicht 30' ". Was der Elf frühstückt, ob er Steuern zahlt und wie seine fette elfische Hochzeit aussieht bleibt meist ungeklärt - ist aber auch eher uninteressant wenn es denn darum geht, den Ork im 10´x 10´-Raum von der Truhe zu klatschen. Wenn du viel Glück hattest, gabs eventuell noch 2,5 Sätze in Richtung von "Lebt im Wald, mag Zwerge nicht und ist besser als du".

Auf der anderen Seite ist der grosse DSA-Sonderband "Thorwal und Du: Ein Kulturführer für den verwöhnten Kenner! Durchgehend farbig illustriert und mit 267 spielbereiten NSC!!!" auch nicht das gelbe vom Ei - einige Dinge machen sich als Roman/Kurzgeschichte wesentlich besser als als Rollenspielsupplement. Nur: Wenn ich eine Kultur/Rasse/Fatsplat in ein Spiel integriere und die eben nicht aus dem Geschichtsbuch geklaut ist, dann wirds schwierig - der Spieler braucht Informationen die er von woanders nicht herkriegen kann. Vernünftiges Material zu z.B. Wikingern und Römern gibts zuhauf im Netz. Infos zu den Cymrillern aus Talislanta dagegen...

-Silver
 
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Ah, ich meinte das so, dass die 4e teilweise insofern "fatige" Züge hat, als dass viel vom Hintergrund gemeinsam vom Spieler und Spielleiter während des Spiels erschaffen werden. Zumindest gibt es im Spielleiterhandbuch viele Tipps dazu, wie man Spieler anspornt, aktiv an der Weltenerschaffung mitzuwirken.
Die Rassen an sich, wie sie in den Spielerhandbüchern dargeboten werden, sind ja recht "luftig" und beschränken sich oft auf ein paar Begriffe, Anspielungen auf Klischees, Beispiele für kurze Hintergrundgeschichten. Die Kultur kann dann während des Spielens immer ein bisschen weiter ausgebaut werden, je nachdem, ob die Gruppe an sowas Spaß hat. Die ganzen komischen Riten der Klingonen und die ganzen Handelsregeln der Ferengi sind ja auch nicht am Anfang ausgedacht worden, sondern entstanden halt ganz organisch bei dem Versuch, die verschiedenen Folgen auszufüllen.
Ich persönlich hatte nicht oft das Gefühl, dass mir sehr umfangreiche, detaillierte Hintergrundinformationen beim eigentlichen Spiel wirklich geholfen hatten, eher empfindet man sie doch oft gewissermaßen als Ballast, durch deren dauerndes Wälzen das Rollenspielen auch nicht an sich "besser" wird. Eine erwähnenswerte Ausnahme stellen da für mich die "Way of"-Bücher von L5R dar. In diesen Büchern hab ich immer gerne gelesen, und auch in späteren Büchern über die Klans in Rokugan hatte ich oft das Gefühl, etwas Wissenswertes für mich aufgeschlüsselt zu haben.

In einem Radio-Interview sagte ein bekannter Historienromanschreiber mal, dass es beim Schreiben dieser Erzählungen nicht darum gehe, die tatsächliche Sprache der Zeit aufleben zu lassen, da diese für den Leser - so seltsam das klingt - nicht authentisch wirken würde. Es gehe nur darum, die "Illusion" der Zeit zu beschwören, durch bestimmte Formeln, und den Rest der Zeit "normale" Sprache zu verwenden.
So ähnlich ist es, denke ich, auch beim Rollenspiel exotischer Rassen und Kulturen. Man muss gar nicht ständig sein "alien mindset" zur Schau tragen, sondern es genügt, an ein paar Stellen, wo es passt und nicht störend auf die Gruppe wirkt, zu zeigen, wie fremdartig oder merkwürdig man reagieren kann, da man einfach anders tickt als der Rest der Gruppe.

Wie ist denn eigentlich die World of Darkness im Rahmen dieser Diskussion zu beurteilen? Wenn man zum Beispiel einen Changeling spielt - oder einen Vampir - ist man doch automatisch mit einem sehr fremdartig funktionierenden Verstand ausgestattet, in den man sich erstmal gründlich reindenken muss. Dennoch sind diese Rollenspiele doch sehr beliebt und verbreitet, und wenn es zum Beispiel um Magier und Werwölfe geht, helfen einem oft die gängigen Klischees nicht wirklich so dolle weiter. Gespielt werden sie aber doch offensichtlich trotzdem gerne und viel.
 
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Wie ist denn eigentlich die World of Darkness im Rahmen dieser Diskussion zu beurteilen? Wenn man zum Beispiel einen Changeling spielt - oder einen Vampir - ist man doch automatisch mit einem sehr fremdartig funktionierenden Verstand ausgestattet, in den man sich erstmal gründlich reindenken muss. Dennoch sind diese Rollenspiele doch sehr beliebt und verbreitet, und wenn es zum Beispiel um Magier und Werwölfe geht, helfen einem oft die gängigen Klischees nicht wirklich so dolle weiter. Gespielt werden sie aber doch offensichtlich trotzdem gerne und viel.
Ja, aber WAS wird denn dort so gängigerweise an Charakteren dargeboten?

Werwolf: Supermunchkins feuchte Träume von Killercharakteren.

Vampire: Goth-freakig gestylte Superpowercharaktere ohne Strampelanzüge und nur selten mit Capes.

Fremdartige Kultur? Fehlanzeige.
Andersartige Denkweise? Fehlanzeige.
"Persönlicher Horror"? ROFLMAO von Fehlanzeige!

Zumindest trifft das auf die Vampire- und Werewolf-OWoD-Gruppen zu, die ich persönlich erlebt habe bzw. von deren Spielern oder Spielleitern ich aufgrund ihrer Begeisterung vollgelabert wurde, wie cool das alles, was sie so spielten, sei. Und was ich da mitbekommen habe, dagegen sehen wirklich rollenspiel-desinteressierte D&D-Ausrüstungs-Poweransammlungs-MEGA-Munchkins wirklich "wohlbalanciert und understated" aus!

Wie ist die WoD im Rahmen dieser Diskussion zu beurteilen?

Ganz einfach: NIEMAND kann einen Vampir oder Werwolf glaubwürdig spielen und die meisten wollen das auch nicht einmal, so daß schon der Versuch unterbleibt. Man spielt daher was anderes. Und wenn das Regelsystem einem auch noch den Powertrip nahelegt, dann ist klar, was man spielt: Die Munchkin-Wunschträume hinter dem Feigenblatt des "anspruchsvollen Storytellings".
 
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In der WOD spielt man Menschen. Vampire , Werwölfe, Mages ....alles Menschen....
Was die zusätzlich können hat nichts mit dem was man wirklich spielt zu tun...
Man spielt vielleicht einen klassischen Fassadenkletterer oder Straßengangster oder Steifenpolizist oder Bühnenmagier...

Es gibt keine schwierigen "rassen" alles ist normale menschliche Kultur...nur technisch gibt es unterscheide.
 
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Werwolf: Supermunchkins feuchte Träume von Killercharakteren.

Das ist nicht richtig denn: wer sich mit dem Hintergrund von Werwolf nur etwas vertraut gemacht hat, der weiß das es nicht so sein soll.
Was man selber daraus macht, ist ein anderes Problem.

Vampire: Goth-freakig gestylte Superpowercharaktere

Das so zu verallgemeinern ist wohl auch nicht richtig.
Es fällt mir tatsächlich schwer, mir einen Ventrue oder Gangrel im Goth -freak -styling vorzustellen.



Fremdartige Kultur? Fehlanzeige.
Andersartige Denkweise? Fehlanzeige.
"Persönlicher Horror"? ROFLMAO von Fehlanzeige!

Damit hast du nur Recht, wenn man deine zuvor geschriebenen Zeilen als korrekt erachtet.
Evtl. wäre deine Ansicht eine andere, wenn du in einer anderen Gruppe gespielt hättest, denn so wie es sich für Mich liest, wurde deine Meinung zur wod schon stark durch diese Gruppe beeinflusst.
Zumindest trifft das auf die Vampire- und Werewolf-OWoD-Gruppen zu, die ich persönlich erlebt habe

Na dann sind wir doch einfach glücklich, dass es mehr als die eine Vampire- und Werewolf-OWoD-Gruppe gibt.

Ganz einfach: NIEMAND kann einen Vampir oder Werwolf glaubwürdig spielen

Aha...aber bei einem Firnelfen, Zwerg oder Magier siehst du keine Probleme ja?
 
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@ QnD, das gilt nicht für Changelings und 25% der Werwölfe.
 
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Oh Gott, jetzt wird auch noch artfremd alles in ellenlangen Posts schwarz/weiß zugekleistert.
 
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Das ist nicht richtig denn: wer sich mit dem Hintergrund von Werwolf nur etwas vertraut gemacht hat, der weiß das es nicht so sein soll.
Was man selber daraus macht, ist ein anderes Problem.
Es geht ja genau darum:

Die Spielweltbeschreibung schildert bestimmte Charaktertypen (Rassen, Monster-Mutanten-Menschen, was auch immer) noch so umfangreich als SOLL, und "was man selber daraus macht" ist das, was übrig bleibt, nachdem sich die SPIELER einen Dreck für die ellenlangen Hintergrundtexte, die "stimmungsvollen Kurzromane" im Regelwerk und sonstige "Soll-Schilderungen" interessieren, sondern in der Praxis einfach das Spielen, was IM GROBEN bei ihnen von der ganzen Textwüste hängen bleibt.

Und wenn man dann ein Regelsystem verwendet, daß auch noch zusätzlich "hilft" bestimmte Richtungen einzuschlagen, die mit der im Fluff geschilderten wenig zu tun haben, dann ist auch nicht verwunderlich, wenn zwischen Soll und Ist ein solcher Unterschied besteht.

Und damit sind wir ja auch voll im hiesigen Thema. - Wenn eine Spielwelt Charaktertypen "überspezifiziert" und bestimmte "Erwartungen" der Spielweltentwickler wortreich darlegt, dann ist es meiner Erfahrung nach wahrscheinlicher, daß die meisten Spieler sich derartige Beschreibungstexte eben NICHT aufwendig erarbeiten, sie sogar nicht einmal wirklich "querlesen", sondern sich nur vom Spielleiter oder Mitspielern erzählen lassen, was es denn so zu wissen gibt, damit man einen Charakter basteln kann, und dann LOSSPIELEN.

Damit bekommt man so oder so Knallchargen an Charakteren.

Und ich kenne wirklich viele Spieler, die sogar schamlos damit kokettieren, daß sie nie einen Blick in Regelwerke oder Quellenbände geworfen hätten, und trotzdem jahrelang (ja jahrzehntelang) die "schönsten Geschichten" spielen. - Solch ein Kokettieren mit der UNWILLIGKEIT sich mit der Basis des Spiels zu befassen, ist sicher NICHT wünschenswert. Und was ICH von derartigen Spielern halte, kann man sich ja denken.

In der Praxis ist es aber meiner Erfahrung nach so, daß ein KNAPPER, dichter, informativer und ANREGENDER Text, der klassische Klischees aufgreift und sie nur etwas ausschmückt und variiert, tatsächlich eher gelesen, eher verinnerlicht, eher angenommen und im Spiel auch UMGESETZT wird, als endlose Bleiwüsten an Kulturbeschreibungstexten, Rassenquellenbänden und dergleichen.

Somit läßt sich meine Erfahrung wie folgt zusammenfassen:

Eine Eigenkonzeption kann nur so "radikal" sein, wie man sie in KNAPPER Form auch vermittelt bekommt.

Alles, was sich nicht SCHNELL und EINFACH und KLAR vermitteln läßt, kommt im praktischen Spiel einfach nicht rüber. - Enten-Germanen versteht man besser als Orlanthi-Durulz, Werwolf-Pikten versteht man besser als Telmori, Bisonreiter-Steppenindianer versteht man besser als Praxianer. Auch wenn die Spielwelt viel mehr Details und Besonderheiten zu bieten hat, kann man im Spiel ja oft genug schon froh sein, wenn die GROBEN kulturellen Unterschiede tatsächlich mal bei den Spielern angekommen sind und von diesen AKTIV auch als Grundlage ihrer Spielentscheidungen herangezogen werden.

Ich habe wirklich VIEL Glorantha-Material gelesen. - Aber wenn ich mir anschaue, was ich davon WIRKLICH seit den frühen Achtzigern mit RuneQuest oder später HeroWars/HeroQuest/HeroQuest 2 im Spiel gebrauchen konnte und was bei den diversen Spielern davon AKTIV ins Spiel gebracht wurde, dann ist das schon ein geradezu verschwindend geringer Anteil. Das heißt nicht, daß die Spielrunden irgendwie "weniger intensiv" gewesen wären - eher im Gegenteil! Die Glorantha-Spielrunden haben so ihre eigene Art die Spieler in die Welt zu ziehen. Aber es heißt, daß man sich diese enorme Fülle an Material als SPIEL-Material hätte sparen können. Sowohl für den Spielleiter als auch für die Spieler.

DSA bietet ja mit Aventurien auch viel Material, welches als "Lese-Material" verwendet wird, aber NICHT als SPIEL-Material. Das Lesen ÜBER eine Spielwelt ist bei mir aber immer nur Mittel zum Zweck in dieser Welt besser SPIELEN zu können. Wenn ich Lesen will, dann nicht in einer Art "Lehrbuch für fiktive Erdkunde", sondern dann schon gleich in einem Roman. Und dann gerne auch völlig losgelöst von Rollenspielwelten in einer vom Rollenspiel unabhängig durch den Autor entwickelten Welt.

Rollenspielwelten sind Welten ZUM SPIELEN.

Das ist die Grundanforderung, die eine Weltbeschreibung erfüllen muß.

In den seltensten Fällen bieten einem Rollenspiele "zu wenig" Welt zum Spielen (kommt aber vor - insbesondere bei Spielen, die sich zu sehr auf reine Regelsystemschilderung konzentrieren, ohne als "nacktes" generisches Regelsystem gedacht zu sein - zum Beispiel Midgard 1 oder Midgard 2 waren da echt jämmerlich, was es an Spielweltdarlegung gab). In manchen dieser Fälle ist das Rollenspiel darauf ausgelegt, daß die Welt von der Spielgruppe SELBST erschaffen wird, ob von den Spielern gemeinsam (Diaspora) oder vom Spielleiter (klassische Sandbox wie Stars without Number) ist dabei egal: Das Spiel liefert einen "Baukasten" für eine Spielwelt. - Häufiger wird hingegen eine mehr oder weniger umfangreiche Spielweltbeschreibung abgeliefert.

Und diese Spielweltbeschreibungen sind Texte mit einer klaren Aufgabe: Sie müssen diese fremde, fiktive Welt den Spielenden VERMITTELN. - Und das erreichen sie mit recht unterschiedlichem Erfolg.

Kurzgeschichten sind als Informationsvermittlung UND zur Stimmungsvermittlung problematisch. Sie schinden Seiten (was im Sinne des Verkaufs von mehr und mehr Quellenbänden aus Verlagssicht eine gute Idee sein mag), aber sie vermitteln zu wenig und - wichtiger noch - zu wenig ZUGÄNGLICH die Informationen über das Setting.

Bilderbücher sind ebenfalls problematisch. Sie stellen ja nur Momentaufnahmen dar, die rein die Optik betreffen. Im Spiel wird aber GEREDET und nicht gemalt, so daß es auch bei noch so aufwendiger Illustration von Spielmaterialien letztlich nicht damit getan ist, den Spielern einfach ein Bild vorzuzeigen, sondern alle Spielenden brauchen die WORTE, um das Dargestellte im Spiel auch lebendig werden zu lassen.

Und - wie oben schon erwähnt - DRÖGE Erdkunde-Buch-Texte sind auch das letzte, was inspirierend wirkt und die, zwar oft kompakt dargebotenen Informationen, im Spiel zum LEBEN erwecken läßt.

Hier das rechte Maß und das rechte Wort zu finden, das ist die eigentliche Kunst im Entwickeln von Spielwelten, in denen auch tatsächlich gespielt werden soll.

Und wenn einem Spieleentwickler das gelingt, dann kann er auch "radikale Eigenkonzeptionen" einbauen, denn dann schildert er sie klar, verständlich und Lust aufs Spielen weckend. - Das bekommen nur die wenigsten hin.
 
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nochmal zur frage. ich denke die meisten von uns sind an irgendeiner stelle von den gängigen rollen klischees generft - bei mir in erster linie "zwerge" (nasty little half bitches) und untote und kurz danach "elfen".
ich habe immer mal wieder spannende und komplexe kulturen und völker erschaffen, um dann aber im spiel - wie silvermane - das problem zu haben das die eigentliche keine sau spielen kann (und will?).

vielleicht wärs möglich das sich die spielenden selbst ihr jeweiliges volk/kultur für die welt des SL erschaffen, aber meinem SL omipotenzbedurfniss entspricht das in dem fall natürlich nicht.

neuerdings "leite" ich auf bekannten klischeewelten. also es gibt die ganze fantasy bagage, aber ich interpretiere sie neu. da gibt es dann keine saufenden zwerge oder folterlustige drow. aber es gibt ist das klischeebild von ihnen in der spielwelt. das wie "menschen" sie sehen. d.h. ich spiele mit den klischees ohne sie zu erfüllen. ... das heisst allerdings auch das alle PCs menschen sind, was mir leitungstechnisch inzwichen aber auch wieder am liebsten ist (its true).
 
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Ein schöner Beitrag, Zornhau, ich würde Dir nur an einer Stelle widersprechen - wenn ich Dich da richtig verstanden habe.
Ich persönlich finde nämlich Zeichnungen und Geschichten eigentlich sehr oft sinnvoll. Viele Bilder können eben allein durch ihren Stil und ihre Dynamik ein settingtypisches Flair vermitteln, auf das man sonst auch durch direkte Spielbeschreibungen so nicht so direkt kommen würde. Es gibt natürlich viele Beispiele, wo die Illustrationen lediglich "halt so" da sind, aber in manchen Systemen haben sie für mich wesentlich zur Erschaffung der Atmosphäre beigetragen.
Auch Kurzgeschichten können so etwas vermitteln, wenngleich da besonders oft die Diskrepanz zwischen Narration und System aufklafft: beschreibt die Erzählung zum Beispiel einen dramatischen, cineastischen Kampf, wickelt das Regelwerk den Kampfverlauf in Wirklichkeit extrem letal und völlig zufällig per plötzlicher TP-Wegkloppung ab.
Oder umgekehrt: in einer Horror-Erzählung reißt der Vampir nacheinander mehreren Sterblichen die Köpfe ab, während in der Realität des System er dazu verdammt wäre, über mehrere Runden hinweg langsam deren Wundpunkte abzutragen.
Im Ganzen aber finde ich jene Kurzgeschichten oft nützlich, wenn sie Hintergrund, Flair, gesprochene Sprache etc. "vorstellen". Ich finde eigentlich nicht, dass es nötig ist, jede Information direkt in Spiel umsetzen zu können, es kann schon sozusagen "bereichernd" sein zu wissen, dass eben mehr im Hintergrund vorhanden ist als nur ein paar Klischee-Sätze im Spielerhandbuch. Es kann schon dazu beitragen, die Welt gleichsam "realer" wirken zu lassen.
 
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Zornhau beschreibt das Phänomen nochmal ganz gut, was zuvor angerissen wurde: Diese FÜLLE an Spielweltdetails finden i.d.R. nicht ihren Weg ins aktive Spiel.
Das heisst aber NICHT, daß diese Details dann überflüssig sind. Bei vielen Rollenspielern laufen diese Details dann im Kopfkino, für sich selbst, ab, während die Person mal wieder nur sich selbst spielt; im Spiel merkt man dann nichts von den Details. Und das heisst NICHT, daß sich diese Person nicht vorstellt, daß sie z.B. einen Reiseforscher im 19.Jahrhundert spielt. In der Regel muss man nicht mal viel lesen um mit dem Halbwissen, was man hat, eine für einen selbst zufriedenstellende Vorstellung zu gewinnen.

Ich kann auch viele Charakterkonzepte nicht darstellen, aber ich lese gerne die Details - oder besser, ich Recherchiere die Vorlagen gerne in anderen Quellen - und ohne würde etwas fehlen.

Problematisch wird es erst, wenn sich die Wissenslücken bei den Entscheidungen des Charakters bemerkbar machen. Wenn also mal wieder der liebe Herr Vegetarier den mittelalterlichen Fürsten doch von seinem sündhaften Fleischkonsum abbringen will. Denn um Entscheidungen zu treffen, muss man nicht gut Ausspielen können, das kann jeder.

Deswegen sage ich: Lesen Ja, Darstellen nicht unbedingt. Aber die Menge darf einen für ein Spiel überschaubaren Umfang nicht überschreiten. Alles andere kann man dann für Interessierte als Ferner liefen herausbringen.
Ich muss mir nicht die DSA Spielweltbände durchkloppen, um DSA zu spielen, aber ich KANN.
Ich muss mir nicht Geschichtsbücher über das 19.Jahrhundert durchlesen, um Rippers spielen zu können, aber ich KANN.
Man darf nur nichts von einem Erwarten, was über die spielrelevante Menge hinaus geht. Das ist alles nur freiwillige Leistung und ein netter Bonus.


p.S.:
Es ist nebenbei nicht einfach, gutes Spielmaterial zu schreiben. Midgard z.B. hat in den "Quellenbüchern" eine Menge Details, aber NULL (!!) bis wenige % brauchbares Spielmaterial. Das Spiel ist eine reine Katastrophe.
 
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Lange, ausführliche Beschreibungen sind toll. Gerade, wenn mich irgendein Aspekt einer Rasse, einer Klasse oder eines Volkes (Sprich Kultur, Riten, Hintergründe) interessieren, lese ich gerne einmal nach. Und ich bin oftmals dann latent enttäuscht, wenn ich meine Fragen, die meist eher mit Fluff zu tun haben, nicht zufriedenstellend durch Quelltexte belegt bekomme. Dann ist der Spielleiter meist gefragt, der dann genausowenig Ahnung wie ich hat und sich seine Welt noch weiter ausdenken muss :)
Aber um an diesen Punkt zu kommen, dass ich so sehr recherchieren möchte, da vergeht meist einiges an Rollenspielzeit für den entsprechende Charakter.

Wenn ich in ein System einsteige, dann möchte ich vom Spielleiter kurz und knapp meine Optionen beschrieben bekommen. Nichts ist schlimmer, als wenn sich ein Spielleiter dann in einem System über Stunden in hintergrund- und metaplottechnische Feinheiten verliert. Ganz toll sind so Aussagen wie "Aber das wissen eure Charaktere ja nicht. Aber für das Verständnis der Welt ist das für die Spieler wichtig." Das ist sooooooooo unnötig, wenn man in einem System anfängt.
Und genau da liegt auch das Problem mit extrem exotischen Rassen, Klassen, Kulturen, Berufen, etc.: Nur weil sich etwas vielleicht auf dem Papier toll anhört, wird man es nicht unbedingt umsetzen können. Vor allem nicht, wenn man in einem komplett neuen System spielt. Da möchte man doch Spielen und das System kennen lernen und nicht erst fünf plus Spielabende "Tutorial" spielen, um überhaupt die Chance zu bekommen, zu überleben. Das mögen vielleicht dann eben Rassen, Klassen, Kulturen und Berufe für "advanced Players" sein... falls man sich nochmal entscheidet, neu anzufangen. Ein schneller Einstieg funktioniert nur mit klischeebeladenen Beschreibungen.
Den meisten Spielern, die ich kenne, die diese "ich kann keinen 08/15-Charakter mehr sehen, ich brauch was besonderes"-Phase haben, denen macht ihr besonderer Charakter oft bald keinen Spass mehr. Denn die Gruppe (inklusive Spielleiter), die aus normalen Charakteren besteht, reagiert oft nicht so auf den besonderen, wie der Spieler es gerne hätte. Das heißt, der Spieler spielt meist in der Defensive. Manchmal ist es aus Gehässigkeit (Oh, der muss sich schon wieder profilieren...) - aber meist einfach aus dem Unwillen der anderen, einen anderen Spielercharakter als etwas total besonderes zu behandeln, nur weil der einen Eten spielt. Das ist so, als würde der Spieler eines weiblichen Charakters andauern anmerken, dass deren Erscheinungsbild viel zu hoch ist, damit die männlichen Charaktere darauf anspielen... das führt nach Zeit "n" nur zu Unwillen, Spott oder absoluter Ignoranz.
 
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