AW: Warum liebt ihr es SL zu sein?
OT: ??? komm da nicht mit ... was ist eine Typhoid Marie? Und wie macht man den DSA-Meister?
"Typhoid Mary" allgemein:
"Typhoid Mary" bzw. Mary Mallon war die erste Person, die bekanntermassen Typhus in sich und auch ueber- trug ohne selbst infiziert zu sein. Im Netz duerfte Einiges ueber sie zu finden sein. Umgangssprachlich bezeichnet man daher solche Personen als "Typhoid Mary", welche die Ursache von etwas Schlechtem sind ohne es zu wollen oder gar zu ahnen.
"Typhoid Mary" im Rollenspiel:
Bezogen aufs Rollenspiel ist "Typhoid Mary" ein Forgesprech-Begriff fuer eine bestimmte Sorte Spielleiter, naemlich fuer hauptsaechlich solche, die in narrativistischem Spiel ihre Mitspieler als reines Publikum missbrauchen und deren Mitwirken an der Entwicklung der Story blockeren. Waehrend sie selbst am Spielziel, der Story, arbeiten, sind sie gleichzeitig die Ursache dafuer, dass die Mitspieler nicht am Spielziel arbeiten. Zunaechst koennen die Mitspieler nicht mitwirken, irgendwann versuchen sie es gar nicht mehr, gehen in Verweigerungshaltung und bremsen den Spielspass. Damit wird eine Situation provoziert, in der die Spielleitung gegen die Widerstaende der Spieler krampfhaft versucht, den Spielspass aufrecht zu erhalten. Eine erzaehlerisch kompetente Spielleitung kann den Spielspass dann evtl sogar laengerfristig halbwegs allein schultern, ist aber letztendlich dennoch die Ursache fuer den fehlenden Spielspass. Bei den Mitspielern kann das sogar dazu fuehren, dass sie dieses Spielverhalten in andere Runden mitnehmen und dort den Spielspass zerstoeren bis sie ihr Spielverhalten aendern.
DSA-Meisterei und "Typhoid Maries":
Im deutschsprachigen Teil der Szene sind die Hauptursachen fuer Typhoid Maries die DSA-Editionen ab DSA2. Die Kombination aus erzaehlerischem Imperativ, dazu unpassenden und verkorksten Regeln und aus nochmal voellig anderen und durchgeplotteten Abenteuern produziert naemlich genau jenes Spielleiterverhalten, das eine Typhoid Mary ausmacht. Beispiel: Spielt man unter Verwendung von DSA4-Regeln die bekannte G7-Kampagne by the book (also ohne Weglassen von Passagen und ohne Aenderung am Text) mit erzaehlerischer Absicht (also ohne Einschub fuer die Handlung irrelevanter Szenen), kommt man als Spielleiter nicht drumherum, saemtliche Spieleraktionen auszuhebeln. In diesem Fall entsteht der Spielspass durch die fortlaufende Handlung und die vom SL aufgebaute Stimmung, faellt aber mit den allermeisten Spieleraktionen. Wenn die Spieler beispielsweise in diesem daemlichen Dschungeltempel eine der Daemonenarchen umnieten, machen einige Teile der Geschichte keinen Sinn mehr, die Illusion ist im Eimer und der Spielspass gemindert. Also MUSS die SL diese Aktion abblocken bzw. wirkungslos verpuffen lassen.
Verhindert werden kann der "Typhoid Mary"-Effekt bei DSA2+ durch das Einfuegen von Randszenen, die fuer die eigentliche Handlung irrelevant sind, aber den Spielern Gelegenheit gibt, das Spiel mitzugestalten. ABER dies widerspricht dem erzaehlerischen Anspruch, der in den DSA-Heften staendig propagiert wird, und macht das Spielen einer Mammutkampagne wie der G7 zeittechnisch quasi unmoeglich, ganz abgesehen davon, dass Tavernenunterhaltungen in der immer gleichen Charakterrolle nach ein paar Jahren woechentlichen Spiels einfach arschlangweilig sind.
DSA-"Typhoid Maries" in anderen Systemen:
Einige Rollenspieler ziehen irgendwann die Konsequenz, von DSA auf irgendein anderes System umzusteigen, da ein neues Setting auch neue Spielerlebnisse verspricht. Nicht wenige behalten dabei dann allerdings auch ihr bisheriges Spielverhalten bei. Es dauert dann meist mehrere Jahre bis sie sich ein neues Spielverhalten angewoehnen. In manchen Faellen aendert sich das Spielverhalten nie. Ein Umdenken ist dabei dann besonders fuer die SL-Rolle schwierig, da Typhoid Maries nunmal kein Feedback waehrend des laufenden Spiels zulassen, sie selbst ihren Mitspielern aber bestaendig weiter ihr "typhoides" Feedback geben.
Nochmal deutlich, wenn auch am Rande:
DSA hat Typhoid Maries nicht erfunden. Sie entstehen auch in anderen Systemen. DSA ist hierzulande lediglich die Hauptursache. Weiterhin erzeugt DSA-Meisterei nicht automatisch Typhoid Maries. Die Quote im Vergleich mit anderen Systemen ist nur extrem hoch. Es ist moeglich, so zu "meistern", dass das Spielverhalten der Mitspieler nicht versaut wird. Das ist bloss so schwer, dass die meisten Rollenspieler daran scheitern.
DSA-Meisterei:
Was ein DSA-Meister so tut, ist in DSA-Regelheften nachzulesen, z.B. in dem allseits unbeliebten "Auf ein Wort..."-Kapitel, das afaik in MSZ II zu finden ist. Schummeln, Spieler ausbremsen und aehnliche Tugenden gehoeren dabei auf jeden Fall zum Handwerkszeug, sind aber nur ein Teil der Palette mit der DSA-Meister ihre Spielerschaft begluecken.
Meine Konsequenz:
DSA-Spieler nehme ich eher ungern in meine Runden auf, insbesondere, wenn sie bislang keine anderen Systeme gespielt haben. Auf das Wort "Meister" reagiere ich fast schon allergisch und vergebe dicke Sympathie-Minuspunkte fuer Rollenspieler, die es benutzen. Um DSA-Meister mache ich nen grossen Bogen und reagiere aeusserst ablehnend, wenn jemand aus nem guten System nen DSA-Abklatsch macht. Von Typhoid Maries habe ich dermassen die Schnauze voll, dass ich sie noch abstossender finde wie andere inkompetente SLs. Und da DSA-Meisterei frueher oder spaeter immer zu einem "Typhoid Mary"-Verhalten fuehrt, und sei es auch nur fuer einzelne Abenteuer oder gar Szenen, mach ich auch darum einen grossen Bogen. Eine einzige so geartete Situation weckt in mir genug negative Assoziationen, um mir den Spielspass fuer Monate zu verderben. Also verlass ich eine Runde lieber schon, wenn DSA-Meisterei ausgepackt wird, um mir den Aerger zu ersparen, den mir diese Situation bereiten wuerde.
Abgesehen davon:
Wenn ich Vampire spiele, will ich Vampire spielen und nicht DSA mit Vampiren. Und wenn ich Shadowrun spiele, will ich Shadowrun spielen und nicht DSA mit Runnern. Es kotzt mich an, wenn ich mich auf ne gepflegte Runde Rollenspiel freue und mir dann jemand DSA auftischt. Es hat seinen verdammten Grund, dass ich kein DSA spiele. Das Regelsystem kotzt mich an, die gaengigen Abenteuerstrukturen kotzen mich an und die Rollenverteilung kotzt mich an.
Verdammt nochmal, diese Leute koennten doch mal von allein drauf kommen, dass ich "Vampire" oder "Shadowrun" meine, wenn ich "Vampire" oder "Shadowrun" sage. Es gibt zig Arten, diese Spiele so zu spielen wie es im dazugehoerigen Buch steht. Wie kann man nur auf die bescheuerte Idee kommen, sie so zu spielen, wie es in einem ANDEREN Buch steht, noch dazu in einem so schlechten Artikel wie "Auf ein Wort..."? Die Antwort weiss ich selbst: Sie haben es nicht anders gelernt. Und ich weiss, dafuer koennen sie nichts, aber es NERVT. Ich spiel nie wieder mit Leuten, die es nicht anders gelernt haben. Dafuer ist mir meine Zeit wirklich zu schade.
Dann doch lieber selbst leiten, so dass auch ich wenigstens ein bisschen Spass am Spiel habe. Der Rest der Truppe hat dann auch mehr Spass als mit ner Typhoid Mary als SL. Unzufriedenheit am Spieltisch gibt dann nur bei mir und auch nur, weil ich viel lieber auch mal spielen wuerde. Selbst zu leiten ist halt ne Kompromissloesung.