Hmmm... komisch... mach ich genauso - daran kanns nicht liegen.
Kannst du mal den Handlungsrahmen einer Spielsitzung von dir an nem kurzen Beispiel erklären, was davon wie detailliert ausgespielt wurde und was du dafür vorbereitet hast?
Puh, knifflig. Ich kann mal versuchen, die Vorbereitung als ganzes zu umreissen...:
Vorweg: Unsere Kampagne spielt im Chicago der Gegenwart. Das macht manches einfacher - die meisten dürften eine ungefähre Vorstellung von einer amerikanischen Großstadt haben, und man kann beispielsweise auch ohne vorheriges Konsultieren von Preislisten den Spielern sagen, was dieser und jener Ausrüstungsgegenstand kostet -, aus dem gleichen Grund muß man oft auch aufpassen, weil die Spieler problemlos besser Bescheid wissen können als man selbst ("nein, du kannst nicht so ohne weiteres eine schußsichere Weste kaufen." - "WAS? Die bekomme ich doch im Internet problemlos für kaum 350 Dollar!").
Das erste, was ich mache, ist erst einmal die Handlung grob zu umreissen und in einzelne Abschnitte zu unterteilen, also die Einleitung, die die Charaktere in die Handlung bringen soll, verschiedene Begegnungen mit NSCs oder sonstige notwendige Ereignisse, und letztlich natürlich der geplante Höhepunkt der Geschichte; dabei umreisse ich auch die Hintergründe der Geschichte, die die Spieler nicht oder noch nicht erfahren sollen.
Dann mache ich mich daran, die Details auszuarbeiten. Das beinhaltet natürlich zu allererst Recherchen, Recherchen, Recherchen. Manche Einzelheiten kann man sicher improvisieren, aber gewisse Details müssen einfach zwingend stimmen. Ich kann einen NSC nicht von der "Gründung der Camarilla, damals, in diesem kalten Winter 1647" schwafeln lassen, wenn dieses Ereignis an einem anderen Datum stattgefunden hat, und wenn die Gesetzgebung von Illinois eben besagt, daß das Tragen von Waffen flächendeckend verboten ist, dann kann ich nicht jeden Hinz und Kunz mit mit 'ner Knarre rumlaufen lassen. Von solchen Details, die das Ganze stimmiger, glaubwürdiger machen sollen (ich nenne das jetzt mal "Füllmaterial"), gibt es dann aber auch noch für die Erzählung grundlegende Infos: Die Charaktere müssen im Auftrag des Prinzen nach Philadelphia? Okay, dann mal her mit einem Stadtplan, der Stadtgeschichte, und wenn das Netz der Netze noch ein, zwei Fernseh-Dokus über Phillie auf Lager hat, soll mir das nur Recht sein. Einer meiner (wichtigeren) NSCs ist ein bekannter Herzchirurg? Dann schadet es sicher nicht, sich mal die Funktion des Herzens anzuschauen und ein paar beeindruckende medizinische Fachbegriffe zu recherchieren; die Namen von anderen Koryphäen auf diesem Gebiet schaden im Zweifelsfall auch nicht. Die Handlung soll im Winter 2010 stattfinden? Dann ist es sicher von Vorteil zu wissen, daß Chicago in besagtem Winter unter einer Schneedecke begraben war, mit der die Räumdienste kaum noch klargekommen sind.
You get the point - grundlegende Recherchen eben.
Da ich unsere gerne mit einer TV-Serie vergleiche, verwende ich für die weiteren Schritte mal die Begriffe "casting", "location scouting" und "art direction":
"Casting" bedeutet natürlich die Erschaffung der notwendigen NSCs. Bei Sterblichen ist das - abgesehen von möglicherweise notwendigen Recherchen (siehe oben unter Herzchirurg) - relativ einfach; bei Kainskindern kann es da schon kniffliger werden, weil man sich u.U. auch noch mit den notwendigen Disziplinen vertraut machen muß (nur so für den Fall, daß...). Dazu kommt dann die Bildauswahl. Ich hab mir im Laufe der letzten anderhalb Jahrzehnte eine regelrechte Bilddatenbank aufgebaut mit Bildern von Schauspielern/innen, Ausrüstungsgegenständen und Fahrzeugen, Fotos von Gebäuden etc. pp. (derzeit 6,5 GB/ca. 45.000 Dateien). Hier suche ich dann die passenden Bilder für die NSCs heraus, was durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen kann, denn natürlich ist die Frage beim casting immer: "Nehm ich's ihm ab?". Nehm ich dem Darsteller, den ich als Brujah-Rabauken auserkoren habe, auch ab, daß er sich nächtens auf seinem Motorrad in der Stadt herumtreibt? Nehme ich der netten Blonden wirklich ab, daß sie sich über Jahrhunderte in der Clanhierarchie der Ventrue nach oben gearbeitet hat und jetzt den Posten des Prinzen von Washington, D.C ., hat? Bei mir geht kein NSC ohne passendes Bild "vom Band"; hinzu kommen an dieser Stelle vielleicht auch noch Überlegungen über das Umfeld. Dinge wie das Auto, das ein NSC fährt, sagen schon viel über den betreffenden Charakter aus. Es ist halt ein Unterschied, ob jemand einen VW-Käfer fährt oder einen Lamborghini. "Show, don't tell" heißt es bei Filmdrehbüchern oft. Ein Bild kann viele Worte ersparen, und es ist eine Sache, wenn ich den Spielern vom beeindruckenden italienischen Sportwagen erzähle, und eine andere, wenn ich ihnen ein Bild von einem protzigen gelben Lamborghini hinlege.
"Location scouting" betrifft die geplanten Handlungsorte. In der Regel spielt unsere Kampagne ausschließlich in Chicago, so daß die Spieler mit dem Umfeld mittlerweile sehr gut vertraut sind. Manchmal stoßen sie aber entweder auf neue Facetten der Stadt (Chicago ist groß...) oder verlassen aus dem einen oder anderen Grund ihre angestammte Heimat. Dann helfen ein paar Bilder schon weiter, um den Spielern ein Gefühl für die neue Umgebung zu geben. Und ab und an ist es natürlich auch notwendig, Gebäudepläne vorzulegen. Wenn die Festplatte da nichts hergibt, muß eben auf die gute alte Art und Weise gezeichnet werden.
"Art direction" betrifft dann alles, was mit sonstigen Handouts zu tun hat. Das können relativ einfach zu erstellende Dokumente sein (wobei ich da schon Wert drauf lege, daß die Papiere einigermaßen anständig/authentisch aussehen) oder wie an anderer Stelle erwähnt aufwendiger zu bastelnde Sachen, in jedem Fall geht hier ziemlich viel Zeit drauf für Dinge, die später möglicherweise nur kurz "im Bild sind". Auch über die Musikauswahl mache ich mir - manchmal - Gedanken, manche Szenen schreien einfach danach, mit einer bestimmten Musik unterlegt zu werden (in seltenen Fällen erstelle dann gleich eine Soundtrack-CD).
Das ist jetzt mal das Drumherum der Erzählung. Die Geschichte selbst schreibe ich, ausgehend vom oben erwähnten groben Überblick, dann so detailliert wie möglich auf, um auf so viele Eventualitäten wie möglich vorbereitet zu sein (drollig, nicht wahr? Auch nach 25 Jahren glaube ich immer noch, man könnte auf das vorbereitet sein, was einem die Spieler so in den Weg werfen...
Aber das ist ein anderes Thema). Das bedeutet oftmals, daß ich seitenweise Sachen vorbereite à la "wenn Charakter X den NSC mit Auspex untersucht, dann...", "wenn Charakter Y Beherrschung anwendet, dann..." oder "für den Fall, daß Charakter Z es wagen sollte, dies und jenes zu fragen, dann...". Ja, das führt natürlich dazu, daß ich mir über vieles Gedanken mache, das nachher im Spiel überhaupt nicht gebraucht wird. Aber es erleichtert später das Improvisieren deutlich, wenn man sich im Vorfeld schon mal mit den Eventualitäten vertraut gemacht hat. Improvisieren an sich finde ich nicht schwierig, ich habe auch schon ganze Spielabende völlig ohne Vorbereitung aus dem Ärmel geschüttelt. Schwierig wird es dann, wenn man beim Improvisieren darauf achten muß, bestimmte Fakten o.ä. nicht durcheinander zu werfen, die für den weiteren Handlungsverlauf von großer Wichtigkeit sind. Damit ich an dieser Stelle nicht die eigene Erzählung torpediere, bereite ich mich lieber vorher etwas mehr vor. Nennen wir es mal, in Ermangelung eines anderen Begriffs, "geplante Improvisation".
Doch, wenn ich mir das so anschaue, dann das Verhältnis 2,5:1 ziemlich realistisch.