AW: unterhaltsames Schreiben
Unbedingt solltest du einen Artikel zu diesem Thema von S. John Ross lesen. Ein echter Augenöffner, wie ich finde:
Creative Choices - und gut geschrieben ist er auch noch
Ich lese gerade den Great-Maze-Kampagnenband "The Flood" für Deadlands:Reloaded. Beim Lesen hatte ich den Eindruck, daß er so gut geschrieben ist, wie die anderen, alten, für Deadlands Classic verfaßten Bände. Die unterhaltsame UND informative Schreibweise in den Deadlands-Büchern war für mich immer ein echtes Glanzlicht unter Rollenspielprodukten.
Parallel dazu lese ich gerade an anderen Savage-Worlds-Produkten und an ganz was anderem. Und hier fiel mir jetzt, nachdem der Artikel "Creative Choices" gewisse Dinge AUF DEN PUNKT gebracht hat, ganz bewußt auf, was mir vorher nur ein "allgemein unguter Gesamteindruck" war.
Der Schreibstil in den anderen Büchern, die ich gerade aufmerksam durcharbeite, ist streckenweise geradezu GRAUENHAFT. - Und nicht nur durch "Seitenschinden", was in Creative Choices als ein Grund für das Zerdehnen von Texten durch Einfügen von Nicht-Information angegeben wurde. Vielmehr durch "ungelenken" Umgang mit der Sprache (einerseits Englisch, andererseits Deutsch - je nach Buch).
Besonders krass ist es, wenn man beim Lesen BEWUSST merkt, daß und wie sehr sich der Autor des Textes hier verkrampft hat. Statt Dinge einfach und klar vorzustellen, gibt es ablenkendes "barockes" Verkünsteln.
Einfach und klar heißt NICHT etwa "stimmungsarm" oder "trocken und nüchtern", sondern eben nur einfach und klar.
Es ist nicht einfach, wenn man für die jeweilige Anschlagzahl bezahlt wird, jedes Wort, jeden Satz wie den letzten Schuß Munition im Fort Alamo zu behandeln. - Aber wenn es sich gerade um NICHT vom Zeitdruck und NICHT vom Word-Count getriebene Autoren handelt, dann ist solch ein Abwägen durchaus machbar und wünschenswert.
Wie oft blähen sich Rollenspielprodukte mit inhaltsleerem UND stimmungsarmem Textgeblubber auf! Gerade manche deutsche Neuerscheinungen der letzten paar Jahre können hier als schlechte Beispiele herhalten, wie essentiell es gewesen wäre, in den betreffenden Texten "das Fett herauszulassen". - Und nicht nur das Fett, sondern auch den Verpackungsmüll.
Ich bin selbst jemand, dem die kurze und knappe Form schwerfällt. Daher habe ich auch einen gehörigen Respekt vor denen, die diese Form gemeistert haben. S. John Ross z.B. hat mit Risus nicht nur ein funktionstüchtiges Rollenspielsystem vorgelegt, sondern er zeigt anhand seiner Schreibweise, seiner Textgestaltung, WIE man auf knappem Raum alles NOTWENDIGE an Information unterbringt, OHNE auf einen lockeren, unterhaltsamen Tonfall und einen glatten Lesefluß zu verzichten.
Rollenspielautoren oder solche, die es werden möchten, sollten sich mal Risus nicht nur vom Inhalt her anschauen, sondern mal in Form und Gestaltung zu Gemüte führen. Man kann hierbei jede Menge "Best Practices" herausziehen.
In Dem Anderen Forum wurde über den gewünschten Umfang von Settinginformationen in zukünftigen (auch gerade in neu erstellten deutschen) Savage-Settings diskutiert. Bei manchen ist da der Wunsch nach mehr Seitenumfang für die Settinginformation aufgekommen. - Was jedoch nicht beachtet wurde: Es ist nicht eine Frage des Seitenumfanges, ob im Leser (Spieler oder Spielleiter) das Setting wirklich ANKOMMT!
Savage-Settings werden oft SEHR KNAPP beschrieben. Wendet man mal die "Brille" aus dem "Creative Choices"-Artikel auf bestehende, knappe Savage Settingbeschreibungen an, so wird man feststellen, daß das "Füllmaterial" dort größtenteils FEHLT. Man bekommt die Information auf unterhaltsame Weise dargeboten, man findet Anekdoten, Avatare, Vignetten usw. vor. Jedoch eben NICHT zum Aufblähen des Textes.
Was oft auch unterschätzt wird, was S. John Ross aber sehr gut dargelegt hat: Es ist meist NICHT hilfreich eine STRIKTE Trennung von Settinginformationen, Regelteil, Abenteuern, Kreaturenlisten vorzunehmen. - Sowohl beim ersten Lesen, wo sich allzu "lehrbuchartig" strukturierte Beschreibungen eben auch genauso unspannend lesen wie ein Erdkunde-Lehrbuch zur Spielwelt. Als auch im Wiederlesen bei der Szenario-Vorbereitung, wo man gerne Anregungen für mehr Farbe und mehr Abenteuer auch im Regelteil, in den Kreaturenlisten und in der Regionenbeschreibung finden möchte, und nicht nur in den Abenteuern selbst. - In Savage Settings wird viel Settinginformation auch in den Abenteuern und den Abenteuer-Generatoren vermittelt. Daher sollte man als Spielleiter auch immer ALLES lesen, wenn man den kompletten Eindruck vom Setting bekommen möchte.
Settembrini und Skyrock haben ja schon früher immer wieder vorgestellt, wie viel Settinginformation und STIMMUNG in Zufallstabellen vermittelt werden kann.
Unterhaltsames Schreiben ist im Rollenspielbereich nämlich nicht nur das Abfassen von erzählerischen Fließtexten, sondern hat neben der Unterhaltung eben auch die INFORMATIONSVERMITTLUNG (bei Regeltexten sogar als Hauptaufgabe), sowie die STIMMUNGSMALEREI (um dem Spielleiter seine "Farbpalette" für das Schildern der Spielwelt zu füllen) als Aufgabe.
Eine Zufallstabelle kann man uninspiert und somit oft auch uninspirierend und langweilig gestalten, oder man kann darin Überraschungen, interessante Querverbindungen, die Schöpferkraft des Anwenders beflügelnde Einträge vorsehen. - Das ist eine Kunst, die anders gelagert ist, als nur einen Textblock mit einer Landschaftsbeschreibung abzufassen. - Und diese Kunst zu beherrschen erfordert ÜBUNG und - sehr wichtig - das Herausbilden einer eigenen URTEILSKRAFT. Und die bekommt man nicht durch "kochen im eigenen (Rollenspielautoren-)Saft", sondern durch BEOBACHTEN, durch Lesen und Vergleichen und Analysieren der Methodik anderer Autoren.
Wie üblich: Man wird ein besserer Autor/Entwickler, wenn man mehr Arbeiten von anderen Leuten kennt und VERSTANDEN hat, wie und warum diese so vorgegangen sind.
Leider ist diese Selbstverständlichkeit ganz offensichtlich bei vielen "Autoren" unbekannt. Die kochen im eigenen Saft, der nur leider NICHT zur ausreichenden Urteilskraft auch nur ihrer eigenen Werke führt. So werden sie nicht besser. - Das ist jammerschade.