AW: unsere feder, unser schwert!
ich habe auch eine kleinigkeit geschrieben. ein bisschen näher am buch, aber ich finde ein sprachrohr, um den menschen ihren untergang zu verkünden, braucht jede ordentliche KI, die was auf sich hält...
"der junge stand an der brüstung. der wind zerrte an seinem körper. hinter ihm erhob sich der palast wie ein über jahrtausende gewachsenes, organisches juwel. unter ihm: die wellen, die sich an den felsen brachen, und das meer, wild und ungezähmt, das das gestein aus dem fruchtbaren land, das sich einst hier erstreckt haben mußte, fraß. über ihm drängten sich an den tiefhängenden wolken vielstimmig surrend, summend, wie an den waben eines honiggefüllten bienenstocks kriechend, schwarz-glänzende insekten, so weit das auge reichte; ein schwarzer, lebendiger himmel. zum ersten mal sah der junge traumsaat, und sie war noch viel großartiger, als er sie sich in seinen kühnsten träumen vorgestellt hatte!
in einer ihm unbeschreiblichen erhabenheit lag die welt vor seinen augen und sie schien ihm zum ersten mal in seinem leben bis ins kleinste detail perfekt zu sein. ja, sogar mehr als das! er blickte in einen spiegel, aus dem heraus ihn seine eigene seele anblickte. die schönheit überwältigte ihn.
schritte rissen ihn aus seinen gedanken. darüber spürte der junge wut und enttäuschung in sich aufsteigen. sie hatten ihn gefunden.
isabella von cordova und ihre leibwächter, ein halbes dutzend schwer bewaffneter soldaten, traten aus der schweren metalltür heraus auf die plattform. ihr anführer nestor blickte nervös zum himmel. "wir sollten nicht lange bleiben, isabella", sagte er.
isabella schritt auf ihren sohn zu, ohne auch nur einen blick zum himmel zu werfen. finster blickte sie in ihrem polymeranzug auf naphal hinunter. der sturm wehte ihre langen schwarzen haare ihr ins gesicht.
"was zum teufel glaubst du, was du hier tust? habe ich dir nicht gesagt, du sollst in den höhlen bleiben?!"
"aber mutter, ich wollte nur..."
mit einer geste schnitt sie ihm das wort ab.
"kein wort! ich werde dich lehren, mir widerworte zu geben! all die liebe und zuneigung, die ich dir habe angedeihen lassen, all die jahre an gutem willen und..."
"isabella!" nestor war neben sie getreten, nickte richtung himmel, dann wieder zu ihr. sein blick war so besorgt, dass sie den zorn, mit dem sie ihn blickes strafte, fast augenblicklich vergessen hatte. wortlos deutete sie auf den jungen, dann drehte sie sich zur tür.
nestor griff naphals arm. "komm, junge", sagte er. naphal aber wehrte sich. "nein!" rief er. nestor hob den jungen einfach hoch wie eine puppe. "nein!" schrie er ein weiteres mal. wirkungslos begann er mit den fäusten gegen die rüstung des soldaten zu schlagen. obwohl die plattform, auf der sie sich zurück zum palast wandten, in den fels getrieben war, zitterte der boden unter ihren füßen, so stark war der sturm. doch bemerkte isabella etwas anderes, dass ihre haare nun unbeweglich vor ihrem gesicht hingen. als der boden ein weiteres mal bebte, blickte sie unwillkürlich über ihre schulter.
"¡cuidado!"
erst jetzt bemerkte nestor die gefahr, in der er schwebte. ein großer, dunkler schatten schob sich stück für stück über die brüstung, so schwer, dass sich die eisenstangen unter seinen viel zu dünn scheinenden hinter- und mittelbeinen verbogen. ganz seinen instinkten vertrauend, rannte nestor los, ohne sich auch nur ein einziges mal umzublicken - doch zu spät. die kreatur fuhr herab und mit kräftigen mandibeln schnitt sie durch seine rüstung, bohrte sich in seine schulter, hob ihn selbst wie ein spielzeug hoch. naphal stürzte und wäre hart auf der plattform aufgeschlagen, hätte nicht einer der soldaten, der in seiner panzerung selbst wie eine traumsaatkreatur aussah, ihn aufgefangen.
"die beine! auf die beine schießen!"
schüsse fielen. funken schlugen aus dem metall der brüstung. die kreatur schien ungerührt. hoch hatte sie sich erhoben, nestor zappelte in einer art maul, zog seine handfeuerwaffe und gab einen schuss nach dem anderen auf die augen und den kopf der kreatur ab. das magazin seiner waffe fiel heraus, schlug gegen sein bein, drehte sich langsam in der luft, schlug auf die brüstung und stürzte dann ins meer; da schoss nestor schon wieder!
der panzer der kreatur schob sich auseinander, dunkle flügel entfalteten sich.
"schießt weiter! auf die flügel!" schrie jemand.
urplötzlich gab die kreatur nach. ein schrei ertönte. sie kippte hintenüber, fiel - eine bewegung, die bei ihrer schieren größe langsam wirkte – dann war sie in die tiefe verschwunden.
im letzten moment war nestor frei gekommen und auf die plattform gestürzt. eine soldatin kniete sofort neben ihm, versuchte ihm aufzuhelfen. sie mußten die plattform so schnell wie möglich verlassen! nestor griff ihre hand, schaute sie an. er wirkte ungläubig. dann drückte er ihre hand fester und fester. sie begann zu schreien. ihr blick fiel auf seinen körper. unterhalb der hüfte versuchte die zuckende bewegung seines rückgrats den befehl zum aufstehen in die tat umzusetzen. doch keine beine mehr. da waren keine beine mehr!
erst dann brach sein blick und kurz darauf erstarb der druck seiner hand wie ein letztes aufbäumen seines geistes.
naphal schlug dem soldaten, der ihn auf dem arm trug, gegen den helm. der blickte starr vor schreck auf seinen anführer, dass er den jungen erschrocken fallen ließ. instinktiv lief naphal auf die brüstung zu, hinter der ihn das meer erwartete. er blickte in die tiefe, als der soldat ihn wieder packte.
"genug jetzt!" rief isabella.
naphal aber klammerte sich er mit aller kraft an die brüstung, fing an zu schreien, so laut, dass man das brummen der traumsaat über cardova nicht mehr hören konnte. der lange, gellende schrei eines kindes.
ein schwerer handschuh löste naphals hand von der eisenstange, als ein käfer über die rüstung lief. dann ein zweiter. der soldat verscheuchte sie mit einer handbewegung. dann krochen wie kleine, exakte kopien des monsters von eben, hunderte, ja tausende kreaturen über den rand der plattform. eine wogende masse, die sie überspülte. und überall krabbelte es, biss es. schrie es.
jemand schoss.
"nicht schießen! idioten, ihr trefft noch meinen sohn!"
isabella erstarrte. sie konnte nicht glauben, was sie dort sah. da war er. ihr sohn tauchte aus den wogenden, summenden leibern auf, als würde er von ihnen getragen. und er schien keine angst zu haben. ganz im gegenteil. er lächelte und schaute sie an. die käfer fielen von ihm ab wie regentropfen; und wie wasser fielen sie nach und nach zurück ins meer, rollten davon wie schwarze perlen eines gewaltigen schatzes.
als isabella sich umschaute, war sie allein. nur nestors leib lag noch da. es schien, als sei die ruhe an diesen ort zurückgekehrt.
"komm jetzt, naphal!"
die herrin von cordova versuchte stärke zu zeigen, doch sie spürte wie ihre stimme zitterte. ihr sohn schaute erst sie an, dann den leichnam zu seinen füßen.
"lass uns gehen. genug gespielt für heute", versuchte isabella es erneut.
"immer kommandierst du mich nur herum."
"was?"
naphals stimme war so leise gewesen, dass isabella sie kaum verstehen konnte. das rauschen des meeres und das summen der traumsaat am himmel übertönten sie.
"aber, das ist doch normal! du bist doch noch ein kind!"
"nein, mutter, von nun an bin ich kein kind mehr."
isabella nahm eine veränderung wahr. der gleichmäßig brummende ton, der in der luft lag, hatte ganz subtil die frequenz verändert. der himmel, schwarz von unzähligen kreaturen, chitinglänzenden leibern, bewegte sich, eine wogende masse, die einer unbekannten choreographie zu gehorchen schien. wellen entstanden, berge, formen, die etwas wie ein gesicht bildeten, fremdartig und doch vertraut. es blickte zur seite, dann wieder zu ihr – und da fiel es ihr auf: durch ihren blick gereizt, hatte naphal sich umsehen wollen, hatte dann innegehalten, als wüßte er plötzlich, auch ohne sich umzusehen, was in seinem rücken geschah. als er zu seiner mutter zurückblickte, bewegte sich auch das gesicht am himmel aus sich windender traumsaat, das nun zu lächeln schien. naphal blickte isabella an – und lächelte.
"du wolltest mich benutzen, mutter. die mutter des erlösers, die mutter des morgensterns wolltest du sein. lenken wolltest du mich, mutter. meine macht wolltest du nutzen. doch ich allein bin es, der für IHN sprechen wird."
das gesicht am himmel bewegte sich in seiner absurden skurrilität synchron zu dem gesicht ihres sohnes.
"mach deine hausaufgaben, naphal. lauf nicht zu weit weg, naphal. iss deinen teller leer. tu dies nicht, tu das nicht, naphal. damit ist es nun vorbei, mutter!"
das letzte wort schrie er ihr regelrecht entgegen, er und sein düsteres äquivalent am himmel. sie rissen den mund auf und irgendetwas bewegte sich auf sie zu. das geräusch, das über cordova lag, wurde lauter, steigerte sich zu einem ohrenbetäubenden crescendo. isabella taumelte zurück. ein ganzer schwarm kreaturen näherte sich ihr, wie ein pfeil, an dessen spitze unzählige facettenaugen in ihre richtung blickten.
sie lief, so schnell sie konnte, auf die tür zur unterstadt zu, schlug sie hinter sich zu. beine, fühler zwängten sich zappelnd und schlagend durch die ritzen ringsherum. eine immer stärker werdende kraft drückte heran. ein kratzen und schaben war zu hören. die frau wurde fortgedrückt, sie stürzte zurück, wandte sich zur flucht, da waren sie bereits über ihr, krochen unter ihre kleidung, landeten auf ihrem rücken, schnitten in ihr fleisch.
isabella blickte noch einmal auf. massen an traumsaat strömten an ihr vorbei. sie hörte schreie, dann schüsse. cordova, die uneinnehmbare stadt, würde fallen, noch bevor der tag zu ende war. die traumsaat floss in die bunkeranlagen als würde sie jeden gang und jeden winkel davon kennen. und isabella hörte noch den letzten mann und die letzte frau und das letzte kind fallen.
denn genau so lange ließ ES sie am leben."