Rollenspieltheorie Todesspirale in RPG und Digital Games

Wirrkopf

Titan
Registriert
26. Mai 2006
Beiträge
4.802
Die Todesspirale in RPGs ist ein immer wieder auftauchendes Gamedesign Element:

Wenn der Charakter verwundet ist, dann erhält er Abzüge auf seine Fähigkeiten, was es ihm noch schwerer macht, den Kampf zu seinen Gunsten zu wenden, was zu weiteren Verwundungen führt und damit zu noch schnellerem Ableben:

Hier zum Beispiel in Vampire:
upload_2019-12-17_23-39-17.png
Oder in Savage Worlds:
upload_2019-12-17_23-40-1.png

Vor dem Hintergrund des Realismus ist die Todesspirale ein stimmiges Mittel. Jemand der Verletzt ist kann nicht so gut Kämpfen, wie jemand der unverletzt ist. Schmerzen und vielleicht auch durchtrennte Muskeln und Sehnen erschweren schnelle und präzise Bewegungen.

Vor dem Hintergrund der Einfachheit der Regeln macht es weniger Sinn. Es ist ein zusätzlicher Regelteil der Berücksichtigt werden muss, und es erzeugt keine Taktischen Entscheidungen. Es führt zu nichts.

Vor dem Hintergrund des Spielflusses ist es noch viel dramatischer. Es ist ein Dynamischer Modifikator, der für ALLE Würfe im Kampf berücksichtigt werden muss. Es ist einfach unpraktisch.

Aber nun das überraschende:

Viele Videospiele tun das genaue GEGENTEIL:
Bioshock: Wenn der Avatar in Bioshock seinen letzten Punkt Schaden nehmen würde, dann wird der Charakter für 1-2 Sekunden (die genaue Zeit ist abhängig vom eingestellten Schwierigkeitsgrad) unverwundbar.
Und in den Schwierigkeits-Stufen Einfach und Mittel ist der Lebensbalken so angezeigt, dass der Charakter einen Treffer mehr aushält, als er eigentlich anzeigen würde.
Assassins Creed: Die letzten Stufen der "Lebens Anzeige" sind etwa 3* so viel wert wie die oberen Stufen.
Doom: Selbes Prinzip. Die letzten 10% des Lebensbalkens entsprechen tatsächlich eher 20%.

Diese Mechaniken sind dafür da, damit der Spieler mehr Momente hat, in denen er "Gerade so überlebt". Ein Knapper Sieg führt zu einem Endorphin und Adrenalinschub. Und dies erhöht die Spannung und den Spielspaß.
Der Trick dabei ist, dass die Spieler nichts davon erfahren dürfen. Die Studios hinter den oben genannten Spielen sind so weit gegangen Tweeds zu löschen, bei denen ihre Designer auf diese Methoden hingewiesen haben.
Es hat zu viel Fan-Aufschrei gegeben. Jeder will häufig gewinnen. Aber alle wollen das Gefühl haben, ständig ganz knapp zu verlieren.

Dies führt mich zu drei Fragen:
1) Warum ist die Todesspirale ein Designelement in so vielen RPGs?
2) Sollte man die Todesspirale als Hausregel entfernen wo es möglich ist?
3) Ist es möglich eine Negative Todesspirale einzubauen - und wenn ja, kann dies ohne wissen der Spieler geschehen?
 
1) Warum ist die Todesspirale ein Designelement in so vielen RPGs?
2) Sollte man die Todesspirale als Hausregel entfernen wo es möglich ist?
3) Ist es möglich eine Negative Todesspirale einzubauen - und wenn ja, kann dies ohne wissen der Spieler geschehen?

1) Ich schätze einfach das viele RPGs dieses Element haben um glaubwürdig/realistisch zu wirken. Die Gründe dafür hast du ja genannt.
Aber wenn ich mir mal konkret Gedanken mache sind diese Systeme auch nie "real" oder gar "glaubwürdig".
Neulich erst habe ich mir bei einem dummen Unfall den Arm gebrochen, das war nicht nur einschränkend sondern auch erschreckend schmerzhaft. Mir kann also keiner sagen, das wenn er noch so hart im nehmen ist, das er dann noch ein Schwert schwingen oder auf was ganz anderes kompliziertes konzentrieren könnte. :D ;)

2) Allein der spielbarkeit würde ich "Wundsysteme" eigentlich nicht bespielen. Manche RPGs allerdings setzen drauf. Manche Spieler wollen aber auch den zusätzlichen "Thrill".
Ich würde das aber mit der Gruppe abstimmen.
Dürfte ich mir das aussuchen würde ich eh zu 80% Systeme spielen wo es solche Regeln gar nicht erst gibt.

3) Ist mit "negativer Todesspirale" so etwas wie in Bioshock oder Doom gemeint? Wenn also die Spieler nicht mitbekommen sollen das sich Ihre Wunden negativ auf sie auswirken, kann man den Gegnern doch verdeckte Bonis gegen verletzte geben. :)
 
Zuletzt bearbeitet:
3) Ist mit "negativer Todesspirale" so etwas wie in Bioshock oder Doom gemeint? Wenn also die Spieler nicht mitbekommen sollen das sich Ihre Wunden negativ auf sie auswirken, kann man den Gegnern doch verdeckte Bonis gegen verletzte geben. :)

Ja, mit negativer Todesspirale meinte ich so etwas wie in Doom oder Bioshock.

Allerdings müsste man den Monstern dann verdeckte MALI gegen Verletzte geben.

Alternativ wäre die Möglichkeit, mit offenen Karten zu spielen.

Verletzte bekommen einen Schadensbonus durch den "Adrenalinschub"

Ich glaube Diverse Beat em Up games haben so etwas.

Und wenn ich mich nicht Irre hat Kobushi das Beat em Up RPG eine Rage Reccource, die sich auffüllt, wenn der Charakter verletzt wird. Rage kann dann für besonders mächtige Manöver eingesetzt werden.
 
Mich persönlich stört die Todesspirale nicht. Ich empfinde es als stimmig, dass man mit schweren Verletzungen nur noch eingeschränkt einsatzfähig ist. Passt für mich.
Außerdem rückt das in den Fokus, dass man sich mit einer verletzten Truppe eben anders verhält, andere Optionen zur Konfliktlösung vorzieht, als den Kampf.

Würde man dann einen Boost bekommen, würde sich das für mich eher arcadig anfühlen, und den Kampf weiter im Fokus halten. Möchte ich im RPG an sich nicht bei den meisten Spielen.
Außer es ist eben in der Spielwelt stimmig und erklärt, warum man dann durch den Adrenalinboost, Naniten oder sonstwas noch mal richtig rockt.

Insgesamt sind mir Mechaniken wie Gummipunkte lieber, um die Tödlichkeit leicht abmildern.

Videospiele haben eben einen anderen Ansatz. Häufig sehr zugängliche, leichte Kost ohne Einstiegshürden, wo man je nachdem durch Storymode ganz ohne forderndes Gameplay die Story durchzockt.
Oder oft auch leichtherzige, unterhaltsame Action, wo es sich gut anfühlt, dann richtig zu rocken wenn man fast platt ist. Das ist super und macht in Videospielen ja auch Spaß.

Aber im Pen&Paper ist das einfach nicht meins.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Vor dem Hintergrund der Einfachheit der Regeln macht es weniger Sinn. Es ist ein zusätzlicher Regelteil der Berücksichtigt werden muss, und es erzeugt keine Taktischen Entscheidungen. Es führt zu nichts.
Magst du etwas ausführen, was du in diesem Zusammenhang unter "taktischen Entscheidungen" verstehst? Ich würde da nämlich widersprechen, möchte aber erst sicher gehen, daß wir das gleiche Verständnis haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei meinen Eigenbauten (die PbtA-inspiriert sind) gebe ich den Spielern tatsächlich die Möglich selbst zu wählen was ihnen passiert (und in welcher Reihenfolge). Der Ergebnis empfinde ich als taktisch und man kann / muß abwägen was dem Charakter zustoßen soll. Die genauen Details varieren je nachdem wie "Heldig" die Kampagne / Setting gerade sein soll. Aber die Grundform ist meist diese:

Wähle eine Konsequenz (die dritte MUSS der Tod sein):
Verwundet - Du hast Abzüge (Todesspirale !). Diese Verletzung wird je nach Heilungswurf mehr oder weniger schnell heilen.
Tödlich Verwundet ! - Du kannst normal weiter agieren aber nach dem Kampf wird ein Heilungswurf fällig der darüber entscheidet ob der Charakter an den Folgen der Wunde stirbt.
Außer Gefecht - Der Charakter ist bewußtlos. Diese Konsequenz verschwindet nach kurzer Pause (sprich nach dem Kampf) wieder.
Heroischer Tod - Dem Charakter gelingt noch ein heldenhafte Aktion dann stirbt er.

Hierbei wird eher selten bis zum Tod gespielt. Gerade in nicht so gefährlichen Kämpfen kommt es auch vor das die Spieler bei einem Glückstreffer des Gegner sofort "Außer Gefecht" wählen in der Annahme das der Rest der Gruppe das schon reißen wird und sie dann ohne Nachteile den Rest des Abenteuers spielen können. In sehr harten Kämpfen wird hingegen auch bisweilen "Tödlich Verwundet" als erste Konsequenz gewählt weil diese keine (kurzfristigen) Nachteile hat und somit bessere Chancen bietet den Kampf zu gewinnen.
 
Allerdings müsste man den Monstern dann verdeckte MALI gegen Verletzte geben.

Du hast natürlich Recht, mein Fehler.
Könnte man aber so oder so machen. Den Boost mit den Mali und die "Einschränkung" mit den Boni für die Feinde.

Aber ansonsten gebe ich @Scathach recht, Videospiele haben einen anderen Ansatz als Pen and Paper Rollenspiel.

Im Großen und Ganzen würde ich die Spielbarkeit aber den Zusatzmali/-boni-Systemen vorziehen. :)
 
Es führt zu nichts.
Das ist nicht immer richtig.
1. Eine Todesspirale verkürzt Kämpfe - jeder der mal bei DSA 2 einen Zweikampf mit erlebt hat bei dem beide Kontrahenten Parade 18 haben weiß was ich meine. Das dauert EWIG. Wäre weniger schlimm wenn die PA bei Treffern sinkt.
2. In meiner Erfahrung kämpfen Spieler bei Todesspiralsystemen ihre SC viel seltener zu Tode sondern ergreifen eher andere Optionen wie Kapitulation oder Flucht. Einfach weil sie ein besseres Feeling dafür haben wie es mit den eigenen Chancen abwärts geht.
2a. Geht es pro Treffer nur einen Schritt weiter auf der Spirale ist die Gefahr gebannt, dass ein SC krepiert weil der SL 3 Runden hintereinander gut würfelt oder weil der Spieler den Gegner unterschätzt hat.
Ob die Punkte Vorteile sind ist wohl Geschmackssache, aber es kann auf jeden Fall zu was führen.


Insgesamt finde ich den Vergleich zwischen P&P und PC-Spielen problematisch wenn es ums Spielfeeling geht. PC-Spiele spielt man viel mehr gegeneinander oder gegen "den PC", P&P spielt man ja doch mehr miteinander, selbst zwischen Spieler und SL.
Außerdem spielt man PC-Spiele mehr alleine. Wenn man schon "verliert" noch eine Heldentat ist da eine klasse Sache. Beim P&P läuft man damit Gefahr, dass der Pazifisten-SC der im Kampf nix kann kaputt geknüppelt und gerade deswegen dem Navy Seal die Show stiehlt. Wäre auch irgendwie doof.

Aber gutes Thema (y)
 
Volle Zustimmung zu deinem Post (y)

2. In meiner Erfahrung kämpfen Spieler bei Todesspiralsystemen ihre SC viel seltener zu Tode sondern ergreifen eher andere Optionen wie Kapitulation oder Flucht. Einfach weil sie ein besseres Feeling dafür haben wie es mit den eigenen Chancen abwärts geht.

Das deckt sich sehr mit meinen Erfahrungen.
Bei uns sterben sehr selten SCs. Trotz relativ tödlicher Systeme und ohne SL Würfeldrehen.
Aber das liegt dann auch daran, dass wir als Gruppe merken, wann Rückzug angesagt ist.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Man muss dazu sagen das die "Todesspirale" sich von RPG zu RPG anders verhält (finde ich).
In Shadowrun oder WoD hat mal Malis wenn man zu viel auf die Nase bekommt, In DnD hat man von Encounter zu Encounter weniger Zaubersprüche/Ressourcen zB. Beides schränkt im Spielkontext erheblich ein. Ob nun der Würfelpool halbiert ist, oder man keine Heilung oder Feuerbälle mehr hat ist da am Ende des Tages für mich das selbe. Man muss sich Gedanken darüber machen ob ein weiterer Kampf lohnenswert ist.

Gibt es da ein System was Ihr bevorzugt, oder ist euch das im Großen und Ganzen egal?
 
Ich persönlich mag es nicht so sehr, wenn dann einfach Handlungsmöglichkeiten durch aufgebrauchte Zauber usw reduziert werden.

Mir ist es lieber, wenn Aktionen schwieriger werden, weil man eben nicht mehr so fit ist.
Ich mag das bei Mutant zum Beispiel recht gerne. Da reduziert Trauma das betroffene Attribut, was natürlich manches massiv erschwert, aber einen eben zum Umdenken bringt, wie man an Sachen herangeht. Wenn man befürchten muss, dass ein SC gebrochen wird wenn er noch was abbekommt, dann versucht man natürlich, das zu vermeiden.
Außerdem sind Kämpfe auch schnell abgehandelt und dauern nicht so ewig. Gefällt mir recht gut so.
 
Ich würde fast behaupten das beide Systeme die Handlungsmöglichkeiten einschränken. Ob ich nun einen maximal niedrigen Pool habe (so das sich der Nutzen nicht mehr lohnt) oder keinen Feuerball mehr werfen kann (nach welchem System auch immer das funktioniert) macht da nicht so den großen Unterschied.

Unnötig lange Kämpfe hatte ich bisweilen eher in Systemen wo ",ehr" gerechnet werden muss, ergo bei "Wundabzügen", "Schmerz" oder was auch immer.
 
Bei Mutant sind die Kämpfe super flott, da hat man in der Hinsicht keine Probleme und auch wenig Rechnerei.

Und nein, für mich ist es ein riesiger Unterschied ob ich ganz vieles gar nicht mehr machen kann, oder dass ich es zwar machen kann, es aber schwieriger ist.
 
Ob nun der Würfelpool halbiert ist, oder man keine Heilung oder Feuerbälle mehr hat ist da am Ende des Tages für mich das selbe.
Für mich ist das, wenn die Würfelpoohalbierung an der Todesspirale hängt, nicht das gleiche. Beim Zaubern oder Spezialfähigkeiten die man x-mal am Tag einsetzen kann, aber auch bei Zauberei mit Manapunkten usw entscheide ich als Spieler wie ich meine Ressourcen aufteile. Klar versucht man sparsam damit umzugehen aber es liegt an meiner guten oder schlechten Spielerplanung noch was in Peto zu haben wenn der Endgegner auftaucht. Bei Wundleveln ist das nicht so - die fügt mir der Gegner auf Grundlage des Verhältnisses zwischen seinem Können und dem meines SC zu. Da spielt meine Planung eine Rolle aber eine untergeordnete. Naja und nicht zuletzt fällt mein SC nicht tot um wenn er keine Zauber mehr hat.

Wichtiger ist für mich im Sinne dieses Threads aber, dass das Feeling komplett anders ist. Wenn ich die Wundabzüge in unserer Savage Worlds Runde mit den nur x-mal einsetzbaren Kampftalente meines Pathfinder-Schurken vergleiche liegen gefühlsmäßig Welten dazwischen. Und da meine Gefühlswelt die objektive Wahrheit™ darstellt gibts da auch nicht zu diskutieren ;)


Zum Theme PC vs P&P gehe ich mal noch einen Schritt weiter und sage ob kurz-vorm-Tod-noch-mal-berserken Sinn macht hängt auch von der geplanten Drama-kurve ab. PC-Spiele beschränken ihre Dramakurve häufig (naja in meiner beschränkten Erfahrung) auf Action, also muss dem Spieler im Kampf Action, Spannung, Erfolg geboten werden. Bei P&P ist das weniger so. Bsp: meine DSA-Held A kommt mit den Helden B und C in ein Dorf, erfährt von fragwürdigen Vorkommnissen, enthüllt ein düsteres Komplott, kommt in den Endkampf und Held A opfert sich im Kampf, wodurch B und C den Bösewicht besiegen und das Dorf retten. Im Computerspieler ist das für mich als Spieler des A blöd, denn ich bin ja tot und bekomme vom geretteten Dorf nichts mehr mit bzw starte vom letzten Safepoint oder was auch immer. Im P&P sitze ich als Spieler des A ja immer noch am Tisch, kann mit meinen Freunden mitfiebern und mich für B,C und die kennen gelernten NSC freuen über die Befreiung - zu der ich als Spieler einen entscheidenden Teil beigetragen habe und als Spieler weiß ich auch, dass A in die Mythen und Märchen des Dorfes einfließen wird.
 
Zuletzt bearbeitet:
3) Ist es möglich eine Negative Todesspirale einzubauen - und wenn ja, kann dies ohne wissen der Spieler geschehen?
Es gibt nicht vorhandene, kaum vorhandene und negative Todesspiralen.

) D&D 5E
Man wird von Wunden nicht belastet, bis man k.O. respektive tot ist.
Hierbei setzt keine Todesspirale ein, sondern mehr ein Würfeln ob man abnibbelt.

) PbtA
Man hat hier ebenfalls idR. keine Todesspirale sondern ein Problem wenn der letzte Kasten voll ist.
Hierbei darf man sehr häufig mit dem Spielleiter feilschen.

) VtM 5. Edition
Man bekommt keine Abzüge bis man seine Leiste einmal mit "oberflächlichen Schaden" voll hat, dann sind es -2.
Wobei man ggf. schon vorher dran denken sollte ich zu verdrücken.

) Tenra Bansho Zero
Man bekommt mehr Würfel und wird komptenter je näher man am "sterben" ist.
In Anführungszeichen weil man nur auf Wunsch sterben kann.
Damit bildet es "Hyper Asian Fantasy" bzw. Anime-Logik ala Dragonball ab


Ich sehe keinen Anlass es vor den Spielern zu verbergen ^^;
 
Zurück
Oben Unten