Niedertracht
Staatsgewalt
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- 23. Februar 2005
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Gleich vorweg:
Dieses Charakterkonzept enthält Gewalt – und Sexdarstellungen und zeigt die Kehrseite einer kapitalistischen Welt. Personen, die damit ein Problem haben, sollten es meiden. Für Folgeschäden, wie Alpträume erkläre ich mich nicht verantwortlich.
Desweiteren distanziere ich mich von Rassismus, Frauen- und Schwulenfeindlichkeit. Solche Dinge wurden lediglich nur im rollenspielerischen Rahmen verwendet.
Und zu guter letzt strotzt der Text nur so von Kraftausdrücken. Jemand, der der Meinung ist, dies gehöre nicht in einen interessanten Text, sollte ebenfalls wertvolle Zeit seines Lebens sparen und seine Zierfische füttern gehen.
Hinweis:
Bei der Erstellung des Konzepts habe ich mich von dem Film "Sleepers" inspierieren lassen.
Macht euch ein Bier auf, legt die Kippen in Reichweite, schmiert euch eine Stulle und auf geht's. Viel Spaß beim Lesen, ist nicht gerade wenig.
[Szene – Das Hier und Jetzt]
Seattle 2054, Sommer
Ein Schuß kracht in der Nacht und weckt mich. Hm naja um geweckt zu werden, müßte man geschlafen haben und ob das schlafen nennen kann, was ich seit geraumer Zeit in der Nacht mache, wenn ich nicht grad meiner Arbeit (als ob ich geregelte Arbeitszeiten hätte) nachgehe, weiß ich nicht. Ich würde nein sagen.
Ich streife mir meine roten Boxershorts über und steige aus meinem Bett oder sollte ich eher sagen, ich stehe von der Matratze auf? Ja ich denke es beschreibt meine Schlafstätte besser. Kurz fällt mein Blick auf die menschliche Schnalle zurück, die nackt in meinem Bett liegt. Keine wirkliche Schönheit, aber sie hat ihren Zweck für Nacht erfüllt und ich denke, sie kann sich auch nicht beschweren. Name? Keine Ahnung, ist mir auch egal, als ob der Name im Bett entscheidend wäre und mehr wollte ich nicht.
Langsam gehe ich in Richtung des einzigen Fensters meiner Wohnung oder eher meines Rattenlochs und stütze mich auf die Fensterbank, also dem geraden Stück Plaststahl. Ein wenig Baumaterial bröckelt und fällt zu Boden. Kann ja mal renovieren lassen, was hier soviel heißt, wie ich beziehe eine neue Bude. Es regnet draußen, natürlich, was auch sonst. Hey ich lebe in Seattle, warum sollte es hier nicht regnen? Verdammte Scheiße.
Ich schaue nach draußen, in weiter Entfernung kann man Leuchtreklamen erkennen. In ständigen Wechsel ändern sich die Bilder, von der Single des aktuell angesagten SimSinn-Stars im Bereich der Musik, bis hin zu einer neuen Biersorte, verfeinert mit irgendeinem komischen Gewürz aus Asien. Und wieder frage ich mich, wer braucht so einen Müll eigentlich? Und wieder lautet meine Antwort: Ich nicht.
Mein Fenster steht offen, nur weil in dieser beschissenen Stadt nahezu jeden Tag regnet (zumindest kommt es mir so vor), heißt das ja nicht, daß es hier kalt wie eine Eskimomuschi ist. Schwül ist es draußen und am Tag weiß man gar nicht, wo man hin soll, um sich vor der Hitze zu schützen. Schon beim Rumstehen läuft die Suppe an mir herunter und ich kann es nicht leiden zu schwitzen, außer ich betätige mich gerade im Bett. Alles andere ist für mich unnatürlich. Von mir aus auch, wenn ich laufe, mich prügel oder was weiß ich.
Hubschrauber kreisen über Redmond, ihre Scheinwerfer zucken wie Laserscheinwerfer in einer Disko durch die Nacht, um auch ja jeden Bewohner im Licht einzufangen. Redmond, hier trauen sich die Cops auch nur hin, wenn sie in gepanzerten Fahrzeugen sitzen und das auch mit Recht. Wieder kracht ein Schuß, gar nicht weit entfernt und wieder liegt eine weitere Leiche in den dreckigen Gassen dieses Bezirks. Es wird nicht die erste diese Nacht gewesen sein und wahrlich auch nicht die letzte. Die Netzhautuhr zeigt, daß es gerade mal 01:54:12 ist. Es ist noch genügend Zeit für die Raubtiere, bis sie wie Vampire vor dem Licht in ihre Verstecke zurückkriechen.
Normalerweise wäre ich jetzt auch da draußen und würde nach irgendetwas jagen. Ich gehöre zu den Jägern, die Beutefraktion habe ich schon früh verlassen, als ich mit 13 meinen ersten Mord begangen habe. Drek ich bin in letzter Zeit immer so depressiv und denke viel an meine Kindheit und diesen ganzen Müll. Vielleicht hätte ich doch nicht aufhören sollen, mir ab und zu eine ordentliche Ladung Kokain zu genehmigen. Das hat mich in den Himmel gepumpt.
[Szenenwechsel – Erster Mord]
Seattle 2042, Herbst
Draußen prasselt der Regen gegen das, was der Vermieter Scheibe in dem Fenster nennt. Es ist nicht laut genug, daß ich das Gestöhne aus dem Nebenzimmer überhöre. Es ist Dienstag und dieser schmierige Wichser von Pedro (wenn er denn so heißt) ist wieder da. Erst vögelt er meine Mutter und wenn sie sich ihre Spritze gesetzt hat, kommt er zu mir, doch heute wird alles anders sein.
Seit mein Vater bei einem Überfall auf einen Lebensmitteltransporter gekillt wurde, als ich sechs war, arbeitet meine Mutter als Hure. Schon bald fing sie an, sich mit Drogen vollzupumpen, um damit klarzukommen, was dazu führte, daß sie nur noch mehr rumvögeln mußte, um das Geld zusammenzukriegen. Schon bald tauchte dieser Pedro auf und vergnügte sich nicht nur mit meiner Mutter, sondern auch mit mir.
Schnell bin ich einfach abgehauen, wenn er gekommen ist, doch irgendwann hat er mich dann bei einem Laden um die Ecke erwischt. Wenn ich nicht so wollte, wie er, dann würde er sich meine Mutter mal richtig vornehmen und noch ein paar Freunde mitbringen. Würde sich doch eh keine Sau um eine tote Nutte in Redmond kümmern. Drek was sollte denn machen? Natürlich brachte er Freunde mit, die sich aber nur für mich interessierten. Wie viele? Ich hab irgendwann bei vier oder fünf aufgehört zu zählen.
Heute wird er sterben. Mit mir im Zimmer steht ein Bekannter von mir, Steve. Er gehört zu den BulletStrikes einer kleinen Schlägergang hier in der Gegend. Früher hat er mal neben uns gewohnt und war auch öfter bei meiner Mutter. Er gehört aber wenigstens zu denen, die meine Mutter noch, wenn man denn so will, gut behandelten und sie auch wirklich bezahlten. Ich habe schon mitgekommen, daß sich der Stärkste alles erlauben kann, zumindest da, wo ich aufgewachsen bin. Später stellte ich fest, es ist überall so.
Steve ist nicht viel älter als ich, 15 oder vielleicht 16. Er ist ein Ork und anscheinend entwickeln die sich schneller. Naja gut, im Kopf ist der Gute immer noch ein Kind, aber es ist mir egal, ich brauche jemanden, der stark ist. Ich erzählte ihm, daß meine Mutter immer wieder einen Freier bekam, der mächtig Geld dabeihatte oder zumindest eine ziemlich wertvoll aussehende Uhr trug. Steve war hellauf begeistert, als ich ihm sagte, wir könnten den Typen ja abziehen.
So stehen wir also in meinem Zimmer. Steve hatte noch witzige Witze gerissen, daß der Kerl ja wie ein Schwein beim Ficken quieken würde. Wenn ich dieses Geräusch nicht direkt neben meinem Ohr gehört hätte und dazu noch andere, die ihn anfeuerten, hätte ich vielleicht gelacht.
Die Tür geht auf (ich hatte Steve irgendeine Lügengeschichte aufgetischt, warum Pedro immer noch bei mir vorbeischaute und er kaufte sie mir ab, wie gesagt im Kopf ein Kind). Pedro hatte sich nicht einmal die Mühe angemacht seine Klamotten wieder anzuziehen. Verschwitzt mit einem halbschlaffen kleinen Penis. Er grinst mich an und entblößt seine widerlichen gelben Zähne. Anscheinend will er gerade etwas sagen, sicherlich, wie er sich freut mich zu sehen, doch da ist Steve schon vorgesprungen und hat ihm seine rechte Pranke in die Rippen gerammt. Luft wird aus den Lungen des Penners gepumpt und seine Wangen haben sich aufgebläht. Weit aufgerissene Augen zeugen von Schmerz und auch Überraschung. Noch bevor sich Pedro auch nur den Hauch einer Chance zur Erholung hat, pflanzt Steve ihm seinen rechten Ellbogen mitten und ungebremst ins Gesicht. Die Nase explodiert förmlich. Schnell packt Steve den schreienden Pedro an den Haaren, zieht ihn daran und schleudert ihn mit voller Wucht auf mein Bett.
Schnell bin ich zur Stelle, hole das versteckte Küchenmesser unter dem Kopfkissen hervor und packe meinen jahrelangen Peiniger an den Haaren. Ich merke noch, daß Steve ihm ein ganzes Büschel herausgerissen haben muß, als er ihn weggeschleudert hat. Blut fließt auf mein Bett, mit einem kurzen Ruck ziehe ich den Kopf hoch, schaue Pedro ins Gesicht, der sich immer noch rumkreischt, wie ein kleines Kind, das hingefallen ist. Mit beiden Händen hält er sich die Nase und hat keinen Blick für mich. Mir ist es egal. Ich setze ich das Messer und ziehe es langsam an der Kehle entlang. Blut spritzt, wie bei einer abgestochenen Sau. Ich kann nicht mehr schnell genug weg und Blut sprüht in mein Gesicht und auf mein Hemd. Ich muß aussehen, wie ein Schlachter.
Mein erster Mord, nicht mein letzter, aber der einzige bei dem ich etwas empfand. Wenn man jahrelang mißbraucht wird, lernt man Gefühle auszublenden.
[Szenenwechsel – Das Hier und Jetzt
Seattle 2054, Sommer
Immer noch stehe ich am Fenster und schaue in die Nacht, immer noch schweben Hubschrauber in der Luft, immer noch stechen die Leuchtreklamen in der Nacht hervor, immer noch liegt die Schnalle in meinem Bett. Einiges ändert sich, manches nie.
Ich latsche in die Nische meiner Bude, die man Küche nennen könnte, trete beiläufig ein paar Packungen selbsterhitzendes Soyfood zur Seite und öffne die Tür meines Kühlschranks. Seitdem ich mal in einem meiner ständigen Wutausbrüche wissen wollte, ob das Licht in einem Kühlschrank auch an ist, wenn die Tür zu ist, kühlt er nicht mehr. Ich war aber zu faul ihn rauszuschmeißen, also stapel ich da immer noch mein Bier drin.
Ich hole mir ein Bier und gehe ich gleich weiter in Richtung des kleinen abgetrennten Raums, wo ich eine Kloschlüssel habe. Im Gehen öffne ich die Dose und fange an zu saufen, als ich mich mit meinem Arsch auf die Schüssel pflanze. Und wieder werde ich in die Vergangenheit katapultiert.
[Szenenwechsel – Gangzeiten]
Seattle 2042-2050, Jahreszeit wechselnd
Mit dem Geld, das wir Pedro abgenommen hatten, habe ich mir dann etwas später eine Knarre gekauft. Nicht, daß ich sie brauchen würde, sondern ich wollte einfach cool sein. Eine Knarre macht schon mal was her. In den Barrens ist es kein Problem an Waffen zu kommen, vielleicht nicht gerade einen Raketenwerfer, aber Pistolen sind hier noch leichter zu bekommen als das tägliche Fressen.
Steve biß zwei Tage später ins Gras, als er die Uhr verhökern wollte, geriet wohl an einen rassistischen Hehler, der einem Hauerschwein kein Geld geben wollte oder was auch immer. Mal gewinnt man und mal verliert man, so ist das Leben. Ich habe ihm keine Träne nachgeweint, ehrlich gesagt, mich interessierte es auch nicht.
Ein paar Tage später kam ein Typ zu uns, ich öffnete die Tür, sah, daß er ein Neuer war, kein bekannter Freier und zeigte ihm, wo die Tür zu meiner Mutter ist, aber er wollte zu mir. Nein nicht so wie Pedro. Er war ein Elf, so wie ich (und wieder verstehe ich nicht, warum ich ein Elf bin, aber sei's drum, mir ist es egal) und dann sah ich auch, daß die Klamotten der BulletStrikes trug. Steve mußte wohl erzählt haben, was ich mit Pedro gemacht habe und Nick (so hieß der Elf, der ein hochrangiges Mitglied der BulletStrikes gewesen ist) zeigte sich beeindruckt. Nicht, daß ich mit 13 gemordet habe, sondern wie kaltblütig. Steve hatte ganz dick aufgetragen, keine Ahnung wieso.
Nick wollte, daß ich bei den BulletStrikes mitmache. Mir war es eigentlich ziemlich egal, aber so hatte ich die Möglichkeit ein wenig Kohle zu verdienen. Dann hätte meine Mutter nicht mehr so häufig die Beine breit machen müssen (naja okay, irgendwo war ich auch noch ein Kind im Kopf). Es war nicht großartig aufregend. Ich müßte Päckchen von A nach B bringen, dort ein Päckchen nehmen und es wieder nach A bringen. Kurierjobs halt, aber es brachte immerhin ein wenig Geld.
Irgendwann hatten sich die BulletStrikes wohl zu weit aus dem Fenster gelehnt oder an die falsche Wand gepinkelt oder was weiß ich. Zumindest gab einen kleinen Krieg mit einer anderen Gang. Auf der Straße kannte man die Jungs und Mädels als Last Ninjas. Wirklich einfallsreich waren Gangs noch nie. Wie dem auch sei, tobte in der Zeit ein Krieg und kein Tag verging, an dem es keine Schießerei gab. Mich interessierte es nicht, ich hatte damit nichts zu tun und wollte es auch nicht, also blieb ich einfach ganz stumpf zu Hause.
Nur ein paar von den BulletStrikes überlebten, der Rest endete mit einer oder mehreren Kugeln im Körper. Auch wenn die Ninjas hießen, mit Schwertern hatten die soviel am Hut, wie meine Mutter mit der Jungfräulichkeit. Einer von denen, die sich früh genug zurückgezogen hatten, war Nick. Irgendwann stand er mit einer Schußwunde vor unserer Tür. Er kroch bei uns unter und leckte seine Wunden.
Seine Wunde schien nicht weiter schlimm zu sein, schon nach einigen Tagen fing er an, irgendwelche wilden Verschwörungstheorien aufzustellen und schmiedete noch wildere Rachepläne. Mir war das alles viel zu abgehoben, aber ich machte einfach gute Mine zum bösen Spiel, weil Nick mir zeigte, wie man mit Waffen umgeht. Ballern war natürlich eher mäßig in der Bude, aber den Rest lernte ich schnell.
Geld verdienten wir auch ganz okay. Er spielte sich als Zuhälter meiner Mutter auf, sorgte dafür, daß die Freier sie nicht verprügelten und vor allem sie bezahlten. Dafür kassierte er ein wenig was von dem Geld. Ich fand es ganz in Ordnung und meine Mutter war schon zu fertig, um zu raffen, was abging. Ich fand es einfach nur noch ekelig, wie Kerle sich immer noch an ihr aufgeilen konnten, aber mir sollte es egal sein.
Kurze Zeit später war Nick dann der Meinung, er könne sich wieder auf die Straße trauen, ein paar Wochen waren vergangen, er erkundigte sich nach dem Stand der Dinge. Es war wohl so, daß noch zwei ehemalige Chummers von ihm sich mittlerweile einer neuen Gang angeschlossen hatten. Nick brauchte Geld, die paar Nuyen, die meine Mutter verdiente, reichten für seinen Lebensstil nicht aus. Er folgte seinen Chummers und nahm mich gleich mit. Im Handumdrehen brachte ich also wieder Päckchen durch die Gegend.
Ich glaub es war irgendwann im Winter '43, als mich zwei Punks auflauerten. Früher oder später mußte sowas ja mal passieren, hatte mich schon gewundert, wieso ich erst jetzt überfallen werden sollte. Sie stellten sich äußerst dumm an und da ich nun auch mit meiner Waffe schießen gelernt hatte, ging zumindest für mich alles glatt.
[Szenenwechsel – Überfall]
Locker lässig mit einer Kippe im Mundwinkel, die Hände in der Jackentasche latsche ich die Straße entlang. Musik aus einer billigen Kneipe dringt nach draußen, der Besitzer hat sich noch nicht einmal die Mühe gemacht irgendwas aufzustellen, um dem Laden einen Namen zu geben. Ich halt kurz an mt der linken Hand nehme ich die Kippe aus dem Mund, asche kurz ab, spucke nochmal auf den Boden.
Schon seit einiger Zeit merke ich, daß mich zwei Gestalten verfolgen. Irgendwann mußte es ja passieren, mir ist es egal. Die kurze Pause vor dem Laden nutze ich, um einen Blick in die Richtung meiner Verfolger zu werfen. Sowas habe ich im Trid sehen, wenn sich die bösen Jungs, immer nach den Cops umsehen, von denen sie verfolgt werden. Ich fand's immer lustig, aber ich habe keine Ahnung, was man sonst machen soll.
Ich stecke mir die Kippe wieder in den Mundwinkel und latsche weiter. Ich habe nicht wirklich eine Ahnung, was ich machen soll, aber irgendwas muß ich machen. Ich dreh förmlich durch, wenn diese Typen noch länger in meinem Rücken rumturnen und ich nicht sehen kann, was sie machen. Bei sowas bin ich schon als Kind ausgerastet und jetzt rage ich grad mindestens 2 Kilo bei mir. Wenn ich die nicht abliefer, sehe ich bald meinen Vater wieder.
Ich spucke Rotz mitsamt der Kippe auf den Boden und verschwinde in die nächsten Seitengasse. Ich hole meine Waffe aus dem Hosenbund, entsichere sie und drücke mich ganz eng kurz hinter der Ecke an die Wand. Ich kann eigentlich nur hoffen, daß die beiden Vögel nicht wirklich alte Hasen in diesem Geschäft sind und vor allem nicht allzu stark bewaffnet.
Schritte nähern sich. Ich versuche so leise wie möglich zu atmen. Mein Herz schlägt wie verrückt, als ob der Drummer der TrogBastards sein Solo aus A Night with a ***** auf ihm spielen würde. Heißer Atem tritt an die kalte Luft und ergibt einen Nebel. Die Schritt sind ganz nah.
Ich mache einen Schritt um die Ecke. Ich kann seinen warmen Atem in meinem Gesicht spüren und er auch meinen. Kurz sind wir wie angestarrt, als ich als erster den Ernst der Lage begreife, meine Waffe kurz anhebe und zweimal den Abzug durchziehe. In kurzer Folge verlassen sich zwei Kugeln den Lauf meiner Pistole und bohren sich in die Brust des Typen. Als er zu Boden geht, sickert schon Blut aus seinem Mund.
Sein Chummer hat wohl nicht damit gerechnet, daß ich eine Schußwaffe bei mir habe. Wie ein Hase vor der Schlange sucht er nach einem Ausweg, sein Blick weitet sich, als er keinen sieht. Adrenalin wird Hochdruck durch meinen Körper gepumpt. Ich lege neu an. Der Überlebende hat sich für einen Rückzug entschieden, doch ich lasse ihn nicht entkommen.
Mit der rechten Hand umklammere ich das rechte Handgelenk und drücke zweimal ab. Die erste Kugel trifft den Flüchtenden in die Schulter und läßt ihn stolpern. Die zweite Kugel verfehlt ihr Ziel und bohrt sich wenig später in einen Mauervorspung. Keuchend versucht sich mein Opfer kriechend in Sicherheit zu bringen.
Langsam, aufreizend und theatralisch folge ich ihm. Hätte ich ein Ersatzmagazin gehabt und hätte es eingesetzt. Keine Ahnung wieso, ich hätte es stylisch gefunden. Nach ein paar Schritten erreiche ich mein Opfer, es ist eine Frau, wie ich jetzt erst sehe. Keuchend zieht sich die Schnalle über den kalten Boden. Schaum steht vor ihrem Mund. Ich hebe meinen rechten Fuß und ramme ihn mit voller Wucht in das Genick der Schlampe. Irgendwas knackt hörbar.
Ich durchsuche beide Leichen, finde aber nur ein Mobiltelekom, das einigermaßen wertvoll ist. Es wandert in meine linke Jackentasche und dann mache ich wieder auf den Weg das Paket abzuliefern.
[Szenenwechsel –Waise]
Seattle 2036, Winter
Ich komme gerade von einer langen Nacht nach Hause. Es ist schon wieder hell und wirklich nüchtern bin ich auch nicht mehr. Ich steige die fünf Stufen der Treppe zum Hauseingang hervor, gebe der Eingangstür einen leichten Kick mit der vorderen Sohle meiner Stiefel. Ich kann mich nicht erinnern, wann hier mal die Tür abgeschlossen gewesen ist, was aber auch daran liegen könnte, daß man sie gar nicht abschließen kann und auch nie konnte.
Altes Laminatimitat knirscht unter den nassen Sohlen meiner Stiefel. Sprunghaft nehme ich die ersten Stufen der Treppe, was ein lautes Knirschen nach sich zieht. Ob das mal anders gewesen ist, kann ich nicht sagen, glaube ich aber eher nicht. Nachdem ich im ersten Stock angekommen bin, nehme ich immer zwei Stufen, bis ich dann endlich im vierten Stock bin und den Flur langlatsche.
War wohl doch ein wenig mehr, als ich gedacht habe, denn ich torkel ein wenig über den Gang und suche meinen beschissenen Wohnungsschlüssel. Wir leben in der Zukunft? Ja genau. Das Schloß zu der Wohnung, wo ich immer noch bei meiner Mutter lebe, ist ein ganz altes, wo man den Schlüssel reinstecken muß und umdrehen, um es aufzuschließen oder abzuschließen.
Ich brauch drei Versuche, bis ich endlich den verkackten Schlüssel im Schloß habe. Als ob sich das Abschließen wirklich lohnen würde, wer hier in eine Wohnung will, der geht da einfach rein. Die Nachbarn interessiert das doch eh nicht, Hauptsache es ist nicht ihre Wohnung. So ist das hier nunmal, jeder lebt für sich und mir ist das auch ganz recht.
Meine Panzerjacke steife ich noch im Flur ab und lasse sie achtlos auf den Boden fallen. In meinem Zimmer ziehe ich den Manhunter aus meinem Hosenbund, werfe ich ihn auf einen Klamottenhaufen links neben meinem Bett und lasse mich hineinfallen. Schnell streife ich noch meine Stiefel ab, ziehe die Hose aus und penne dann ein.
Als ich dann am nächsten Tag erwache, ziehe ich mich wieder an und werfe noch kurz ein Blick in das Zimmer meiner Mutter, wie ich es jeden Tag mache. Heute ist der Tag, den ich irgendwie schon seit längerer Zeit erwartet habe. Meine Mutter liegt in ihrem Bett, halb nackt und die Spritze noch im Arm. Weit aufgerissene Augen starren schräg nach oben.
Ich kann nicht gerade sagen, daß ich vor Trauer eingehen würde, aber völlig kalt läßt mich das auch nicht, schließlich ist es meine Mutter oder zumindest das war sie mal. Nur schnell wird mir klar, was soll ich mit der Leiche machen? Ich kann sie hier schlecht liegen lassen und in irgendeine Gosse werfen, das bring ich noch nicht mal. Irgendwie sträubt sich da was in mir, keine Ahnung was, vielleicht sowas wie Liebe?
Ich habe vor kurzem gehört, daß diese UB-Stiftungen auch die Entsorgung von Leichen übernehmen, wenn diese eines natürlichen Todes gestorben sind. Naja gut, eine Überdosis ist wohl ein natürlicher Tod, sie wurde ja nicht aufgeschlitzt oder sonstwas.
Ein Anruf genügt und ich habe ein Auto zur Verfügung. Habe mir irgendwas einfallen lassen, von wegen hätte ne Schnalle kennengelernt, die es gerne im Auto treibt. Keine Ahnung warum, aber irgendwie glaubt mir jeder, jeden Scheiß. Mir ist es egal, ich lade meine Mutter in den Wagen. Vorher habe ich ihr noch einen alten Mantel angezogen, damit ich sie nicht halbnackt abgeben muß.
Die Typen von UB sind sehr freundlich, mir zu freundlich, weil mir sowas auf den Sack geht. Hier sind die Barrens, wer hier freundlich ist, ist ein Weichei, ein Schwächling, ein Feigling. Ich habe gesagt, es wäre meine Nachbarin, sonst hätten die mich bestimmt noch stundenlange vollgequatscht, wie leid ihnen das doch tut und diesen ganzen Müll.
[Szenenwechsel – Das Hier und Jetzt]
Das Bild eines schleimigen, in einen dunklen Pullover gekleideten Menschen verschwindet und wird von einer vergilbten Decke abgelöst. Ich greife neben meine Matratze, muß ich ein wenig grabschen, bis ich endlich meine Kippen gefunden habe, steck mir eine an und stelle mich ans Fenster.
Von draußen regnet es in meine Wohnung. Auf dem Boden am Fenster hat sich schon eine Pfütze angesammelt und die billige Laminatimitation wirft dort schon Wellen. Ich werde hier eh nicht für ewig wohnen, von daher kann mir das auch völlig egal sein.
Mein Armbandtelekom klingelt, Caine ruft mich an. Caine kenne ich noch von früher, wir haben immer gut verstanden, sind aber nie wirkliche Freunde geworden. Haben wir beide keinen Wert drauf gelegt, aber Kontakt haben wir immer gehalten. Wir gehen ab und zu mal einen saufen, reißen zusammen Schnallen auf und was weiß ich. Soweit ich weiß, arbeitet er mittlerweile freischaffend, aber vielleicht hat sich das auch geändert.
Ich habe aber im Moment keinen Bock mit ihm zu labern, also laß ich es weiterklingeln. Soll er mir eine Nachricht hinterlassen, dann rufe ich ihn heute nachmittag mal an oder so. Irgendwann nach ein paar weiteren Sekunden verstummt mein Kom. Caine hatte noch nie viel Geduld, wie ich auch.
[Szenenwechsel – Karriereleiter]
Seattle 2042-2050, Jahreszeit wechselnd
Ab da ging meine Karriere dann los. In alten Western werden solche Leute, Revolverhelden genannt, keine Ahnung, wie man sowas heute nennen würde, vielleicht Gunman. Ich schoß mich bis '50 in vielleicht vier oder fünf Gangs bis fast nach oben. Kurier war ich schon lange nicht mehr, mehr so eine Art Leibwächter für die Bosse oder ich trieb Schutzgeld ein. Die Nuyen reichten zum Überleben und für ein bißchen Schnickschnack.
Jede Gang, in der ich war, machte es nicht wirklich lange. An mir hat es sicherlich nicht gelegen, ich hab irgendwann aufgehört zu zählen, wieviele Leute ich für Gangsbosse verprügelt oder erschossen habe, es war mir egal. Mit jedem Mord wurde ich berühmter, man nannte meinen Namen, den Nick mir verpaßt hatte mit Respekt. Jeder wußte, wenn er mir dumm kommen würde, würde ich nicht zögern, ihn umzulegen. Respekt auf der Basis von Angst, gibt es was Schöneres?
Aber Gangs haben es nunmal so an sich, daß sie irgendwann an ihre Grenzen kommen und jeder will immer mehr. Man hat seine paar Blocks, in denen macht man alles, womit man Geld verdienen kann, irgendwann wird man zu selbstsicher, geht in den nächsten Block und ZACK hat man einen Gangkrieg an den Hacken. Soweit es ging, habe ich mich da meistens rausgehalten, ich habe nie sowas wie eine Loyalität gegenüber irgendjemanden empfunden. Mir war es egal, wer gewinnt, ich konnte meine Fähigkeiten eh an die nächste Gang verkaufen.
Anfang '50 hat es Nick dann erwischt. War grad bei irgendeiner Schnalle, als irgendwelche Typen das Zimmer, das Mobiliar, die Olle und ihn mit automatischen Waffen durchsiebten. Es sollte nur der Auftakt zu dem nächsten blutigen Gangkrieg sein, den die Gang, die Jokers, bei denen ich damals war, verlor. Wie gesagt, mir war es egal, auch um Nick tat es mir nicht leid. Er hat mir eine Menge beigebracht, aber ich hatte keine emotionale Bindung zu ihm. Sowas hatte ich irgendwie noch nie, auch die Weibern, die ich hatte, waren nur ein Stück Fleisch, das ich benutzte um mein Schwanzstück wegzustecken. Fertig aus.
Ich hörte mich also ein wenig um, welche Gang noch einen "Revolverhelden" (Scheiße ich mag dieses Wort) brauchen würde, als ich von einem Typen hörte, der immer auf der Suche nach guten Talenten ist. In irgendeiner der unzähligen Hinterhofsbars trieb er sich rum und nannte Mr. Magoo. Was hatte ich schon zu verlieren, also suchte ich diesen Typen auf.
Es war nicht schwer ihn zu finden, einen untersetzten, ständig schwitzenden, unglaublichen fetten Asiaten. Neben sich saßen zwei kleine Asiatinnen, von denen die eine, sich gerade mit dem Mund an seinem Schwanz zu schaffen machte. Ohne was zu sagen oder zu fragen, schwang ich mich auf die synthlederbezogene Bank gegenüber von ihm. Er verzog das Gesicht und schob die Asiatin zur Seite, hörte aber nicht auf, ihre kleinen Titten zu massieren.
Er fand mein Verhalten wohl lässig und er kannte auch meinen Namen. Wir kamen schnell ins Geschäft und ab nun arbeitete ich für die Yaks. Daß ich ein Elf bin, hat wohl niemanden gestört, zumindest merkte ich es nicht. Selbst wenn sich jemand aufgeregt hätte, wär's mir egal gewesen, schließlich bin ich Tango, der beste Revolverheld hier in den Barrens. Auch änderte sich sonst nicht viel für mich. Ich hab Schutzgeld eingetrieben, bei größeren Drogendeals aufgepaßt, erst als ich den ersten wirklich Hit-Auftrag bekommen habe, ging es richtig los.
[Szenenwechsel – Das Hier und Jetzt]
Ich drücke die Spülung und verlasse mein Scheißhaus. Die Schnalle gibt irgendwelche undefinierbaren Laute von sich und dreht sich. Die hat echt die Ruhe weg, aber solche muß es auch geben. Ich hoffe morgen früh läuft das auch alles reibungslos, irgendwie habe ich kein Bock auf Streß. Die Dose fliegt scheppernd ins Bad zurück, doch das war ein Fehler.
Kurz danach meldet sich die Tussi zu Wort.
"Kannst du nicht schlafen?"
Geht dich das irgendwas an, schießt mir sofort durch den Kopf, aber aus meinem Mund kommen andere Worte.
"Das scheiß Wetter…"
"Komm doch zu mir und leg deinen Arm um mich."
Wat wat wat?
"Hör mal Kleine. Ich wollte dich ficken, ich hab dich gefickt. Ich weiß nicht mal mehr deinen Namen und ich will ihn auch nicht wissen, also Fresse halten. Schlaf weiter, morgen früh verpißt du dich und gut ist."
"Du blöder Wichser…," kommt schon mit einer leicht weinerlichen Stimme.
Schnell zieht sie sich ihre Klamotten an und sprintet weinend und fluchend aus meiner Bude. Mit verschränkten Armen vor der Brust habe ich mir das ganze Schauspiel angeschaut und zucke mit den Schultern. Die Tür fliegt zu und das Bild verschwimmt und wird zu einer anderen Tür.
Dieses Charakterkonzept enthält Gewalt – und Sexdarstellungen und zeigt die Kehrseite einer kapitalistischen Welt. Personen, die damit ein Problem haben, sollten es meiden. Für Folgeschäden, wie Alpträume erkläre ich mich nicht verantwortlich.
Desweiteren distanziere ich mich von Rassismus, Frauen- und Schwulenfeindlichkeit. Solche Dinge wurden lediglich nur im rollenspielerischen Rahmen verwendet.
Und zu guter letzt strotzt der Text nur so von Kraftausdrücken. Jemand, der der Meinung ist, dies gehöre nicht in einen interessanten Text, sollte ebenfalls wertvolle Zeit seines Lebens sparen und seine Zierfische füttern gehen.
Hinweis:
Bei der Erstellung des Konzepts habe ich mich von dem Film "Sleepers" inspierieren lassen.
Macht euch ein Bier auf, legt die Kippen in Reichweite, schmiert euch eine Stulle und auf geht's. Viel Spaß beim Lesen, ist nicht gerade wenig.
[Szene – Das Hier und Jetzt]
Seattle 2054, Sommer
Ein Schuß kracht in der Nacht und weckt mich. Hm naja um geweckt zu werden, müßte man geschlafen haben und ob das schlafen nennen kann, was ich seit geraumer Zeit in der Nacht mache, wenn ich nicht grad meiner Arbeit (als ob ich geregelte Arbeitszeiten hätte) nachgehe, weiß ich nicht. Ich würde nein sagen.
Ich streife mir meine roten Boxershorts über und steige aus meinem Bett oder sollte ich eher sagen, ich stehe von der Matratze auf? Ja ich denke es beschreibt meine Schlafstätte besser. Kurz fällt mein Blick auf die menschliche Schnalle zurück, die nackt in meinem Bett liegt. Keine wirkliche Schönheit, aber sie hat ihren Zweck für Nacht erfüllt und ich denke, sie kann sich auch nicht beschweren. Name? Keine Ahnung, ist mir auch egal, als ob der Name im Bett entscheidend wäre und mehr wollte ich nicht.
Langsam gehe ich in Richtung des einzigen Fensters meiner Wohnung oder eher meines Rattenlochs und stütze mich auf die Fensterbank, also dem geraden Stück Plaststahl. Ein wenig Baumaterial bröckelt und fällt zu Boden. Kann ja mal renovieren lassen, was hier soviel heißt, wie ich beziehe eine neue Bude. Es regnet draußen, natürlich, was auch sonst. Hey ich lebe in Seattle, warum sollte es hier nicht regnen? Verdammte Scheiße.
Ich schaue nach draußen, in weiter Entfernung kann man Leuchtreklamen erkennen. In ständigen Wechsel ändern sich die Bilder, von der Single des aktuell angesagten SimSinn-Stars im Bereich der Musik, bis hin zu einer neuen Biersorte, verfeinert mit irgendeinem komischen Gewürz aus Asien. Und wieder frage ich mich, wer braucht so einen Müll eigentlich? Und wieder lautet meine Antwort: Ich nicht.
Mein Fenster steht offen, nur weil in dieser beschissenen Stadt nahezu jeden Tag regnet (zumindest kommt es mir so vor), heißt das ja nicht, daß es hier kalt wie eine Eskimomuschi ist. Schwül ist es draußen und am Tag weiß man gar nicht, wo man hin soll, um sich vor der Hitze zu schützen. Schon beim Rumstehen läuft die Suppe an mir herunter und ich kann es nicht leiden zu schwitzen, außer ich betätige mich gerade im Bett. Alles andere ist für mich unnatürlich. Von mir aus auch, wenn ich laufe, mich prügel oder was weiß ich.
Hubschrauber kreisen über Redmond, ihre Scheinwerfer zucken wie Laserscheinwerfer in einer Disko durch die Nacht, um auch ja jeden Bewohner im Licht einzufangen. Redmond, hier trauen sich die Cops auch nur hin, wenn sie in gepanzerten Fahrzeugen sitzen und das auch mit Recht. Wieder kracht ein Schuß, gar nicht weit entfernt und wieder liegt eine weitere Leiche in den dreckigen Gassen dieses Bezirks. Es wird nicht die erste diese Nacht gewesen sein und wahrlich auch nicht die letzte. Die Netzhautuhr zeigt, daß es gerade mal 01:54:12 ist. Es ist noch genügend Zeit für die Raubtiere, bis sie wie Vampire vor dem Licht in ihre Verstecke zurückkriechen.
Normalerweise wäre ich jetzt auch da draußen und würde nach irgendetwas jagen. Ich gehöre zu den Jägern, die Beutefraktion habe ich schon früh verlassen, als ich mit 13 meinen ersten Mord begangen habe. Drek ich bin in letzter Zeit immer so depressiv und denke viel an meine Kindheit und diesen ganzen Müll. Vielleicht hätte ich doch nicht aufhören sollen, mir ab und zu eine ordentliche Ladung Kokain zu genehmigen. Das hat mich in den Himmel gepumpt.
[Szenenwechsel – Erster Mord]
Seattle 2042, Herbst
Draußen prasselt der Regen gegen das, was der Vermieter Scheibe in dem Fenster nennt. Es ist nicht laut genug, daß ich das Gestöhne aus dem Nebenzimmer überhöre. Es ist Dienstag und dieser schmierige Wichser von Pedro (wenn er denn so heißt) ist wieder da. Erst vögelt er meine Mutter und wenn sie sich ihre Spritze gesetzt hat, kommt er zu mir, doch heute wird alles anders sein.
Seit mein Vater bei einem Überfall auf einen Lebensmitteltransporter gekillt wurde, als ich sechs war, arbeitet meine Mutter als Hure. Schon bald fing sie an, sich mit Drogen vollzupumpen, um damit klarzukommen, was dazu führte, daß sie nur noch mehr rumvögeln mußte, um das Geld zusammenzukriegen. Schon bald tauchte dieser Pedro auf und vergnügte sich nicht nur mit meiner Mutter, sondern auch mit mir.
Schnell bin ich einfach abgehauen, wenn er gekommen ist, doch irgendwann hat er mich dann bei einem Laden um die Ecke erwischt. Wenn ich nicht so wollte, wie er, dann würde er sich meine Mutter mal richtig vornehmen und noch ein paar Freunde mitbringen. Würde sich doch eh keine Sau um eine tote Nutte in Redmond kümmern. Drek was sollte denn machen? Natürlich brachte er Freunde mit, die sich aber nur für mich interessierten. Wie viele? Ich hab irgendwann bei vier oder fünf aufgehört zu zählen.
Heute wird er sterben. Mit mir im Zimmer steht ein Bekannter von mir, Steve. Er gehört zu den BulletStrikes einer kleinen Schlägergang hier in der Gegend. Früher hat er mal neben uns gewohnt und war auch öfter bei meiner Mutter. Er gehört aber wenigstens zu denen, die meine Mutter noch, wenn man denn so will, gut behandelten und sie auch wirklich bezahlten. Ich habe schon mitgekommen, daß sich der Stärkste alles erlauben kann, zumindest da, wo ich aufgewachsen bin. Später stellte ich fest, es ist überall so.
Steve ist nicht viel älter als ich, 15 oder vielleicht 16. Er ist ein Ork und anscheinend entwickeln die sich schneller. Naja gut, im Kopf ist der Gute immer noch ein Kind, aber es ist mir egal, ich brauche jemanden, der stark ist. Ich erzählte ihm, daß meine Mutter immer wieder einen Freier bekam, der mächtig Geld dabeihatte oder zumindest eine ziemlich wertvoll aussehende Uhr trug. Steve war hellauf begeistert, als ich ihm sagte, wir könnten den Typen ja abziehen.
So stehen wir also in meinem Zimmer. Steve hatte noch witzige Witze gerissen, daß der Kerl ja wie ein Schwein beim Ficken quieken würde. Wenn ich dieses Geräusch nicht direkt neben meinem Ohr gehört hätte und dazu noch andere, die ihn anfeuerten, hätte ich vielleicht gelacht.
Die Tür geht auf (ich hatte Steve irgendeine Lügengeschichte aufgetischt, warum Pedro immer noch bei mir vorbeischaute und er kaufte sie mir ab, wie gesagt im Kopf ein Kind). Pedro hatte sich nicht einmal die Mühe angemacht seine Klamotten wieder anzuziehen. Verschwitzt mit einem halbschlaffen kleinen Penis. Er grinst mich an und entblößt seine widerlichen gelben Zähne. Anscheinend will er gerade etwas sagen, sicherlich, wie er sich freut mich zu sehen, doch da ist Steve schon vorgesprungen und hat ihm seine rechte Pranke in die Rippen gerammt. Luft wird aus den Lungen des Penners gepumpt und seine Wangen haben sich aufgebläht. Weit aufgerissene Augen zeugen von Schmerz und auch Überraschung. Noch bevor sich Pedro auch nur den Hauch einer Chance zur Erholung hat, pflanzt Steve ihm seinen rechten Ellbogen mitten und ungebremst ins Gesicht. Die Nase explodiert förmlich. Schnell packt Steve den schreienden Pedro an den Haaren, zieht ihn daran und schleudert ihn mit voller Wucht auf mein Bett.
Schnell bin ich zur Stelle, hole das versteckte Küchenmesser unter dem Kopfkissen hervor und packe meinen jahrelangen Peiniger an den Haaren. Ich merke noch, daß Steve ihm ein ganzes Büschel herausgerissen haben muß, als er ihn weggeschleudert hat. Blut fließt auf mein Bett, mit einem kurzen Ruck ziehe ich den Kopf hoch, schaue Pedro ins Gesicht, der sich immer noch rumkreischt, wie ein kleines Kind, das hingefallen ist. Mit beiden Händen hält er sich die Nase und hat keinen Blick für mich. Mir ist es egal. Ich setze ich das Messer und ziehe es langsam an der Kehle entlang. Blut spritzt, wie bei einer abgestochenen Sau. Ich kann nicht mehr schnell genug weg und Blut sprüht in mein Gesicht und auf mein Hemd. Ich muß aussehen, wie ein Schlachter.
Mein erster Mord, nicht mein letzter, aber der einzige bei dem ich etwas empfand. Wenn man jahrelang mißbraucht wird, lernt man Gefühle auszublenden.
[Szenenwechsel – Das Hier und Jetzt
Seattle 2054, Sommer
Immer noch stehe ich am Fenster und schaue in die Nacht, immer noch schweben Hubschrauber in der Luft, immer noch stechen die Leuchtreklamen in der Nacht hervor, immer noch liegt die Schnalle in meinem Bett. Einiges ändert sich, manches nie.
Ich latsche in die Nische meiner Bude, die man Küche nennen könnte, trete beiläufig ein paar Packungen selbsterhitzendes Soyfood zur Seite und öffne die Tür meines Kühlschranks. Seitdem ich mal in einem meiner ständigen Wutausbrüche wissen wollte, ob das Licht in einem Kühlschrank auch an ist, wenn die Tür zu ist, kühlt er nicht mehr. Ich war aber zu faul ihn rauszuschmeißen, also stapel ich da immer noch mein Bier drin.
Ich hole mir ein Bier und gehe ich gleich weiter in Richtung des kleinen abgetrennten Raums, wo ich eine Kloschlüssel habe. Im Gehen öffne ich die Dose und fange an zu saufen, als ich mich mit meinem Arsch auf die Schüssel pflanze. Und wieder werde ich in die Vergangenheit katapultiert.
[Szenenwechsel – Gangzeiten]
Seattle 2042-2050, Jahreszeit wechselnd
Mit dem Geld, das wir Pedro abgenommen hatten, habe ich mir dann etwas später eine Knarre gekauft. Nicht, daß ich sie brauchen würde, sondern ich wollte einfach cool sein. Eine Knarre macht schon mal was her. In den Barrens ist es kein Problem an Waffen zu kommen, vielleicht nicht gerade einen Raketenwerfer, aber Pistolen sind hier noch leichter zu bekommen als das tägliche Fressen.
Steve biß zwei Tage später ins Gras, als er die Uhr verhökern wollte, geriet wohl an einen rassistischen Hehler, der einem Hauerschwein kein Geld geben wollte oder was auch immer. Mal gewinnt man und mal verliert man, so ist das Leben. Ich habe ihm keine Träne nachgeweint, ehrlich gesagt, mich interessierte es auch nicht.
Ein paar Tage später kam ein Typ zu uns, ich öffnete die Tür, sah, daß er ein Neuer war, kein bekannter Freier und zeigte ihm, wo die Tür zu meiner Mutter ist, aber er wollte zu mir. Nein nicht so wie Pedro. Er war ein Elf, so wie ich (und wieder verstehe ich nicht, warum ich ein Elf bin, aber sei's drum, mir ist es egal) und dann sah ich auch, daß die Klamotten der BulletStrikes trug. Steve mußte wohl erzählt haben, was ich mit Pedro gemacht habe und Nick (so hieß der Elf, der ein hochrangiges Mitglied der BulletStrikes gewesen ist) zeigte sich beeindruckt. Nicht, daß ich mit 13 gemordet habe, sondern wie kaltblütig. Steve hatte ganz dick aufgetragen, keine Ahnung wieso.
Nick wollte, daß ich bei den BulletStrikes mitmache. Mir war es eigentlich ziemlich egal, aber so hatte ich die Möglichkeit ein wenig Kohle zu verdienen. Dann hätte meine Mutter nicht mehr so häufig die Beine breit machen müssen (naja okay, irgendwo war ich auch noch ein Kind im Kopf). Es war nicht großartig aufregend. Ich müßte Päckchen von A nach B bringen, dort ein Päckchen nehmen und es wieder nach A bringen. Kurierjobs halt, aber es brachte immerhin ein wenig Geld.
Irgendwann hatten sich die BulletStrikes wohl zu weit aus dem Fenster gelehnt oder an die falsche Wand gepinkelt oder was weiß ich. Zumindest gab einen kleinen Krieg mit einer anderen Gang. Auf der Straße kannte man die Jungs und Mädels als Last Ninjas. Wirklich einfallsreich waren Gangs noch nie. Wie dem auch sei, tobte in der Zeit ein Krieg und kein Tag verging, an dem es keine Schießerei gab. Mich interessierte es nicht, ich hatte damit nichts zu tun und wollte es auch nicht, also blieb ich einfach ganz stumpf zu Hause.
Nur ein paar von den BulletStrikes überlebten, der Rest endete mit einer oder mehreren Kugeln im Körper. Auch wenn die Ninjas hießen, mit Schwertern hatten die soviel am Hut, wie meine Mutter mit der Jungfräulichkeit. Einer von denen, die sich früh genug zurückgezogen hatten, war Nick. Irgendwann stand er mit einer Schußwunde vor unserer Tür. Er kroch bei uns unter und leckte seine Wunden.
Seine Wunde schien nicht weiter schlimm zu sein, schon nach einigen Tagen fing er an, irgendwelche wilden Verschwörungstheorien aufzustellen und schmiedete noch wildere Rachepläne. Mir war das alles viel zu abgehoben, aber ich machte einfach gute Mine zum bösen Spiel, weil Nick mir zeigte, wie man mit Waffen umgeht. Ballern war natürlich eher mäßig in der Bude, aber den Rest lernte ich schnell.
Geld verdienten wir auch ganz okay. Er spielte sich als Zuhälter meiner Mutter auf, sorgte dafür, daß die Freier sie nicht verprügelten und vor allem sie bezahlten. Dafür kassierte er ein wenig was von dem Geld. Ich fand es ganz in Ordnung und meine Mutter war schon zu fertig, um zu raffen, was abging. Ich fand es einfach nur noch ekelig, wie Kerle sich immer noch an ihr aufgeilen konnten, aber mir sollte es egal sein.
Kurze Zeit später war Nick dann der Meinung, er könne sich wieder auf die Straße trauen, ein paar Wochen waren vergangen, er erkundigte sich nach dem Stand der Dinge. Es war wohl so, daß noch zwei ehemalige Chummers von ihm sich mittlerweile einer neuen Gang angeschlossen hatten. Nick brauchte Geld, die paar Nuyen, die meine Mutter verdiente, reichten für seinen Lebensstil nicht aus. Er folgte seinen Chummers und nahm mich gleich mit. Im Handumdrehen brachte ich also wieder Päckchen durch die Gegend.
Ich glaub es war irgendwann im Winter '43, als mich zwei Punks auflauerten. Früher oder später mußte sowas ja mal passieren, hatte mich schon gewundert, wieso ich erst jetzt überfallen werden sollte. Sie stellten sich äußerst dumm an und da ich nun auch mit meiner Waffe schießen gelernt hatte, ging zumindest für mich alles glatt.
[Szenenwechsel – Überfall]
Locker lässig mit einer Kippe im Mundwinkel, die Hände in der Jackentasche latsche ich die Straße entlang. Musik aus einer billigen Kneipe dringt nach draußen, der Besitzer hat sich noch nicht einmal die Mühe gemacht irgendwas aufzustellen, um dem Laden einen Namen zu geben. Ich halt kurz an mt der linken Hand nehme ich die Kippe aus dem Mund, asche kurz ab, spucke nochmal auf den Boden.
Schon seit einiger Zeit merke ich, daß mich zwei Gestalten verfolgen. Irgendwann mußte es ja passieren, mir ist es egal. Die kurze Pause vor dem Laden nutze ich, um einen Blick in die Richtung meiner Verfolger zu werfen. Sowas habe ich im Trid sehen, wenn sich die bösen Jungs, immer nach den Cops umsehen, von denen sie verfolgt werden. Ich fand's immer lustig, aber ich habe keine Ahnung, was man sonst machen soll.
Ich stecke mir die Kippe wieder in den Mundwinkel und latsche weiter. Ich habe nicht wirklich eine Ahnung, was ich machen soll, aber irgendwas muß ich machen. Ich dreh förmlich durch, wenn diese Typen noch länger in meinem Rücken rumturnen und ich nicht sehen kann, was sie machen. Bei sowas bin ich schon als Kind ausgerastet und jetzt rage ich grad mindestens 2 Kilo bei mir. Wenn ich die nicht abliefer, sehe ich bald meinen Vater wieder.
Ich spucke Rotz mitsamt der Kippe auf den Boden und verschwinde in die nächsten Seitengasse. Ich hole meine Waffe aus dem Hosenbund, entsichere sie und drücke mich ganz eng kurz hinter der Ecke an die Wand. Ich kann eigentlich nur hoffen, daß die beiden Vögel nicht wirklich alte Hasen in diesem Geschäft sind und vor allem nicht allzu stark bewaffnet.
Schritte nähern sich. Ich versuche so leise wie möglich zu atmen. Mein Herz schlägt wie verrückt, als ob der Drummer der TrogBastards sein Solo aus A Night with a ***** auf ihm spielen würde. Heißer Atem tritt an die kalte Luft und ergibt einen Nebel. Die Schritt sind ganz nah.
Ich mache einen Schritt um die Ecke. Ich kann seinen warmen Atem in meinem Gesicht spüren und er auch meinen. Kurz sind wir wie angestarrt, als ich als erster den Ernst der Lage begreife, meine Waffe kurz anhebe und zweimal den Abzug durchziehe. In kurzer Folge verlassen sich zwei Kugeln den Lauf meiner Pistole und bohren sich in die Brust des Typen. Als er zu Boden geht, sickert schon Blut aus seinem Mund.
Sein Chummer hat wohl nicht damit gerechnet, daß ich eine Schußwaffe bei mir habe. Wie ein Hase vor der Schlange sucht er nach einem Ausweg, sein Blick weitet sich, als er keinen sieht. Adrenalin wird Hochdruck durch meinen Körper gepumpt. Ich lege neu an. Der Überlebende hat sich für einen Rückzug entschieden, doch ich lasse ihn nicht entkommen.
Mit der rechten Hand umklammere ich das rechte Handgelenk und drücke zweimal ab. Die erste Kugel trifft den Flüchtenden in die Schulter und läßt ihn stolpern. Die zweite Kugel verfehlt ihr Ziel und bohrt sich wenig später in einen Mauervorspung. Keuchend versucht sich mein Opfer kriechend in Sicherheit zu bringen.
Langsam, aufreizend und theatralisch folge ich ihm. Hätte ich ein Ersatzmagazin gehabt und hätte es eingesetzt. Keine Ahnung wieso, ich hätte es stylisch gefunden. Nach ein paar Schritten erreiche ich mein Opfer, es ist eine Frau, wie ich jetzt erst sehe. Keuchend zieht sich die Schnalle über den kalten Boden. Schaum steht vor ihrem Mund. Ich hebe meinen rechten Fuß und ramme ihn mit voller Wucht in das Genick der Schlampe. Irgendwas knackt hörbar.
Ich durchsuche beide Leichen, finde aber nur ein Mobiltelekom, das einigermaßen wertvoll ist. Es wandert in meine linke Jackentasche und dann mache ich wieder auf den Weg das Paket abzuliefern.
[Szenenwechsel –Waise]
Seattle 2036, Winter
Ich komme gerade von einer langen Nacht nach Hause. Es ist schon wieder hell und wirklich nüchtern bin ich auch nicht mehr. Ich steige die fünf Stufen der Treppe zum Hauseingang hervor, gebe der Eingangstür einen leichten Kick mit der vorderen Sohle meiner Stiefel. Ich kann mich nicht erinnern, wann hier mal die Tür abgeschlossen gewesen ist, was aber auch daran liegen könnte, daß man sie gar nicht abschließen kann und auch nie konnte.
Altes Laminatimitat knirscht unter den nassen Sohlen meiner Stiefel. Sprunghaft nehme ich die ersten Stufen der Treppe, was ein lautes Knirschen nach sich zieht. Ob das mal anders gewesen ist, kann ich nicht sagen, glaube ich aber eher nicht. Nachdem ich im ersten Stock angekommen bin, nehme ich immer zwei Stufen, bis ich dann endlich im vierten Stock bin und den Flur langlatsche.
War wohl doch ein wenig mehr, als ich gedacht habe, denn ich torkel ein wenig über den Gang und suche meinen beschissenen Wohnungsschlüssel. Wir leben in der Zukunft? Ja genau. Das Schloß zu der Wohnung, wo ich immer noch bei meiner Mutter lebe, ist ein ganz altes, wo man den Schlüssel reinstecken muß und umdrehen, um es aufzuschließen oder abzuschließen.
Ich brauch drei Versuche, bis ich endlich den verkackten Schlüssel im Schloß habe. Als ob sich das Abschließen wirklich lohnen würde, wer hier in eine Wohnung will, der geht da einfach rein. Die Nachbarn interessiert das doch eh nicht, Hauptsache es ist nicht ihre Wohnung. So ist das hier nunmal, jeder lebt für sich und mir ist das auch ganz recht.
Meine Panzerjacke steife ich noch im Flur ab und lasse sie achtlos auf den Boden fallen. In meinem Zimmer ziehe ich den Manhunter aus meinem Hosenbund, werfe ich ihn auf einen Klamottenhaufen links neben meinem Bett und lasse mich hineinfallen. Schnell streife ich noch meine Stiefel ab, ziehe die Hose aus und penne dann ein.
Als ich dann am nächsten Tag erwache, ziehe ich mich wieder an und werfe noch kurz ein Blick in das Zimmer meiner Mutter, wie ich es jeden Tag mache. Heute ist der Tag, den ich irgendwie schon seit längerer Zeit erwartet habe. Meine Mutter liegt in ihrem Bett, halb nackt und die Spritze noch im Arm. Weit aufgerissene Augen starren schräg nach oben.
Ich kann nicht gerade sagen, daß ich vor Trauer eingehen würde, aber völlig kalt läßt mich das auch nicht, schließlich ist es meine Mutter oder zumindest das war sie mal. Nur schnell wird mir klar, was soll ich mit der Leiche machen? Ich kann sie hier schlecht liegen lassen und in irgendeine Gosse werfen, das bring ich noch nicht mal. Irgendwie sträubt sich da was in mir, keine Ahnung was, vielleicht sowas wie Liebe?
Ich habe vor kurzem gehört, daß diese UB-Stiftungen auch die Entsorgung von Leichen übernehmen, wenn diese eines natürlichen Todes gestorben sind. Naja gut, eine Überdosis ist wohl ein natürlicher Tod, sie wurde ja nicht aufgeschlitzt oder sonstwas.
Ein Anruf genügt und ich habe ein Auto zur Verfügung. Habe mir irgendwas einfallen lassen, von wegen hätte ne Schnalle kennengelernt, die es gerne im Auto treibt. Keine Ahnung warum, aber irgendwie glaubt mir jeder, jeden Scheiß. Mir ist es egal, ich lade meine Mutter in den Wagen. Vorher habe ich ihr noch einen alten Mantel angezogen, damit ich sie nicht halbnackt abgeben muß.
Die Typen von UB sind sehr freundlich, mir zu freundlich, weil mir sowas auf den Sack geht. Hier sind die Barrens, wer hier freundlich ist, ist ein Weichei, ein Schwächling, ein Feigling. Ich habe gesagt, es wäre meine Nachbarin, sonst hätten die mich bestimmt noch stundenlange vollgequatscht, wie leid ihnen das doch tut und diesen ganzen Müll.
[Szenenwechsel – Das Hier und Jetzt]
Das Bild eines schleimigen, in einen dunklen Pullover gekleideten Menschen verschwindet und wird von einer vergilbten Decke abgelöst. Ich greife neben meine Matratze, muß ich ein wenig grabschen, bis ich endlich meine Kippen gefunden habe, steck mir eine an und stelle mich ans Fenster.
Von draußen regnet es in meine Wohnung. Auf dem Boden am Fenster hat sich schon eine Pfütze angesammelt und die billige Laminatimitation wirft dort schon Wellen. Ich werde hier eh nicht für ewig wohnen, von daher kann mir das auch völlig egal sein.
Mein Armbandtelekom klingelt, Caine ruft mich an. Caine kenne ich noch von früher, wir haben immer gut verstanden, sind aber nie wirkliche Freunde geworden. Haben wir beide keinen Wert drauf gelegt, aber Kontakt haben wir immer gehalten. Wir gehen ab und zu mal einen saufen, reißen zusammen Schnallen auf und was weiß ich. Soweit ich weiß, arbeitet er mittlerweile freischaffend, aber vielleicht hat sich das auch geändert.
Ich habe aber im Moment keinen Bock mit ihm zu labern, also laß ich es weiterklingeln. Soll er mir eine Nachricht hinterlassen, dann rufe ich ihn heute nachmittag mal an oder so. Irgendwann nach ein paar weiteren Sekunden verstummt mein Kom. Caine hatte noch nie viel Geduld, wie ich auch.
[Szenenwechsel – Karriereleiter]
Seattle 2042-2050, Jahreszeit wechselnd
Ab da ging meine Karriere dann los. In alten Western werden solche Leute, Revolverhelden genannt, keine Ahnung, wie man sowas heute nennen würde, vielleicht Gunman. Ich schoß mich bis '50 in vielleicht vier oder fünf Gangs bis fast nach oben. Kurier war ich schon lange nicht mehr, mehr so eine Art Leibwächter für die Bosse oder ich trieb Schutzgeld ein. Die Nuyen reichten zum Überleben und für ein bißchen Schnickschnack.
Jede Gang, in der ich war, machte es nicht wirklich lange. An mir hat es sicherlich nicht gelegen, ich hab irgendwann aufgehört zu zählen, wieviele Leute ich für Gangsbosse verprügelt oder erschossen habe, es war mir egal. Mit jedem Mord wurde ich berühmter, man nannte meinen Namen, den Nick mir verpaßt hatte mit Respekt. Jeder wußte, wenn er mir dumm kommen würde, würde ich nicht zögern, ihn umzulegen. Respekt auf der Basis von Angst, gibt es was Schöneres?
Aber Gangs haben es nunmal so an sich, daß sie irgendwann an ihre Grenzen kommen und jeder will immer mehr. Man hat seine paar Blocks, in denen macht man alles, womit man Geld verdienen kann, irgendwann wird man zu selbstsicher, geht in den nächsten Block und ZACK hat man einen Gangkrieg an den Hacken. Soweit es ging, habe ich mich da meistens rausgehalten, ich habe nie sowas wie eine Loyalität gegenüber irgendjemanden empfunden. Mir war es egal, wer gewinnt, ich konnte meine Fähigkeiten eh an die nächste Gang verkaufen.
Anfang '50 hat es Nick dann erwischt. War grad bei irgendeiner Schnalle, als irgendwelche Typen das Zimmer, das Mobiliar, die Olle und ihn mit automatischen Waffen durchsiebten. Es sollte nur der Auftakt zu dem nächsten blutigen Gangkrieg sein, den die Gang, die Jokers, bei denen ich damals war, verlor. Wie gesagt, mir war es egal, auch um Nick tat es mir nicht leid. Er hat mir eine Menge beigebracht, aber ich hatte keine emotionale Bindung zu ihm. Sowas hatte ich irgendwie noch nie, auch die Weibern, die ich hatte, waren nur ein Stück Fleisch, das ich benutzte um mein Schwanzstück wegzustecken. Fertig aus.
Ich hörte mich also ein wenig um, welche Gang noch einen "Revolverhelden" (Scheiße ich mag dieses Wort) brauchen würde, als ich von einem Typen hörte, der immer auf der Suche nach guten Talenten ist. In irgendeiner der unzähligen Hinterhofsbars trieb er sich rum und nannte Mr. Magoo. Was hatte ich schon zu verlieren, also suchte ich diesen Typen auf.
Es war nicht schwer ihn zu finden, einen untersetzten, ständig schwitzenden, unglaublichen fetten Asiaten. Neben sich saßen zwei kleine Asiatinnen, von denen die eine, sich gerade mit dem Mund an seinem Schwanz zu schaffen machte. Ohne was zu sagen oder zu fragen, schwang ich mich auf die synthlederbezogene Bank gegenüber von ihm. Er verzog das Gesicht und schob die Asiatin zur Seite, hörte aber nicht auf, ihre kleinen Titten zu massieren.
Er fand mein Verhalten wohl lässig und er kannte auch meinen Namen. Wir kamen schnell ins Geschäft und ab nun arbeitete ich für die Yaks. Daß ich ein Elf bin, hat wohl niemanden gestört, zumindest merkte ich es nicht. Selbst wenn sich jemand aufgeregt hätte, wär's mir egal gewesen, schließlich bin ich Tango, der beste Revolverheld hier in den Barrens. Auch änderte sich sonst nicht viel für mich. Ich hab Schutzgeld eingetrieben, bei größeren Drogendeals aufgepaßt, erst als ich den ersten wirklich Hit-Auftrag bekommen habe, ging es richtig los.
[Szenenwechsel – Das Hier und Jetzt]
Ich drücke die Spülung und verlasse mein Scheißhaus. Die Schnalle gibt irgendwelche undefinierbaren Laute von sich und dreht sich. Die hat echt die Ruhe weg, aber solche muß es auch geben. Ich hoffe morgen früh läuft das auch alles reibungslos, irgendwie habe ich kein Bock auf Streß. Die Dose fliegt scheppernd ins Bad zurück, doch das war ein Fehler.
Kurz danach meldet sich die Tussi zu Wort.
"Kannst du nicht schlafen?"
Geht dich das irgendwas an, schießt mir sofort durch den Kopf, aber aus meinem Mund kommen andere Worte.
"Das scheiß Wetter…"
"Komm doch zu mir und leg deinen Arm um mich."
Wat wat wat?
"Hör mal Kleine. Ich wollte dich ficken, ich hab dich gefickt. Ich weiß nicht mal mehr deinen Namen und ich will ihn auch nicht wissen, also Fresse halten. Schlaf weiter, morgen früh verpißt du dich und gut ist."
"Du blöder Wichser…," kommt schon mit einer leicht weinerlichen Stimme.
Schnell zieht sie sich ihre Klamotten an und sprintet weinend und fluchend aus meiner Bude. Mit verschränkten Armen vor der Brust habe ich mir das ganze Schauspiel angeschaut und zucke mit den Schultern. Die Tür fliegt zu und das Bild verschwimmt und wird zu einer anderen Tür.