Rezension Starcraft Frontline 4 [B!-Rezi]

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Starcraft Frontline Band 4


Auch der Abschlussband der Starcraft Frontline-Serie folgt der in den anderen Bänden etablierten Struktur und enthält vier Kurzgeschichten, die im Starcraft-Universum angesiedelt sind:

Heimkehr
von Chris Metzen und Hector Sevilla
Jim Raynor, ein ehemaliger schwerer Junge und State Marshal, kehrt auf seinen Wahlheimatplaneten Mar Sara zurück, wo er wichtige Stationen seines Lebens noch einmal Revue passieren lässt…

Tödliche Rächer
von David Gerrold und Ruben de Vela
Nero, der Anführer einer Spezialeinheit, der sog. Rächer, wird immer gewalttätiger und schießt schließlich sogar auf Kern, einen seiner eigenen Männer. Daraufhin sorgen Kern und die anderen „Rächer“ durch Falschaussagen dafür, dass Nero ins Gefängnis wandert. Als Nero nach einigen Jahren die Flucht gelingt, sucht er seine ehemaligen Kameraden auf, um sich an ihnen zu rächen. Die Abrechnung mit Kern, der sich mit Frau und Kind auf den abgelegenen Planeten Roxara zurückgezogen hat, hebt sich Nero für den Schluss auf. Währenddessen schließt Kerns Tochter Tiffy auf Roxara Freundschaft mit Lassatar, einem dunklen Templer der Protoss, den sie für einen Schutzengel hält…

Stimme in der Dunkelheit
von Josh Elder und Ramanda Kamarga
Bei einer archäologischen Ausgrabung befreien terranische Wissenschaftler das personifizierte Böse, das die Körper der Terraner übernimmt und ein Blutbad anrichtet. Wenig später landen zwei Dunkle Templer, Xy’Tal und Azimar, auf dem Planeten und sehen sich mit einer Macht konfrontiert, die nicht nur die Terraner zu willenlosen Zombies gemacht hat sondern vielleicht sogar stark genug ist, um auch die Protoss zu übernehmen…

Einschulung
von Paul Benjamin, Dave Shramek und Mel joy San Juan
Nachdem der telepathisch begabte Colin Phash von seinen Verfolgern gefangen genommen wurde (in der Geschichte Spuren des Krieges in Band 3), bringen ihn diese zur Geister-Akademie der terranischen Liga, in der er eine schwere und gefährliche Aufnahmeprüfung bestehen muss, um in diese Schule für übersinnlich begabte Attentäter aufgenommen zu werden. Währenddessen steht Colins Vater Corbin, der auf einem von der Liga unabhängigen Planeten untergetaucht ist, vor einem Kampf auf Leben und Tod gegen eben einen jener Geister…

Der Abschlussband der Serie bestätigt den gemischten Eindruck, den die übrigen Bände hinterlassen haben.

Das Beste an Heimkehr ist das Aufgreifen der Figur des Jim Raynor, einem der interessantesten und sympathischsten Charaktere des Starcraft-PC-Spiels. Leider hat die Geschichte außer diesem Wiedererkennungswert nichts zu bieten. Eine echte Handlung gibt es gar nicht, lediglich Rückblenden auf frühere Ereignisse aus Raynors Leben. Das wäre ja als Aufhänger für eine Kurzgeschichte durchaus ausreichend, wenn Raynors Geschichte nur etwas weniger unoriginell und klischeebeladen wäre. Die Wandlung des Bad Boy zum Gesetzeshüter und das harte Leben in der Ödnis finden sich in vielen Western sehr viel interessanter. Und dass Eltern in der terranischen Liga ihre PSI-begabten Kinder einfach weggenommen werden, das wurde in Spuren des Krieges in Band 3 sehr viel mitreißender erzählt. Hauptzweck dieser Geschichte ist es wohl, in die Handlung von Starcraft II einzuleiten, auf dessen genauen Veröffentlichungstermin PC-Spieler aber nach wie vor warten müssen. Diese Story ist leider so wenig überzeugend, dass auch die (wie immer) tollen Zeichnungen von Hector Sevilla sie nicht herausreißen können. Schade drum.
Auch Tödliche Rächer spielt mit klassischen Western-Motiven. Der Ex-Soldat, der sich mit seiner Familie in die Weite der Prärie zurückgezogen hat und sich dort nun der Rache seines skrupellosen Ex-Kameraden ausgesetzt sieht und dem dann der mysteriöse „Fremde“ zur Hilfe kommt. Sogar der Planet Roxara und die Kern-Farm dort sehen aus wie eine typische Western-Kulisse. Nur ist hier der Fremde nicht Mein großer Freund Shane oder Clint Eastwood in einer namenlosen Rolle sondern ein Protoss, der dunkle Templer Tassadar (noch ein bekanntes Gesicht aus dem PC-Spiel). Die an sich ziemlich banale Geschichte um den sich rächenden „Rächer“ (*stöhn*) nimmt sich etwas Zeit, um in Fahrt zu kommen, was hier aber zu einem schönen Spannungsaufbau führt. Suspense – auch im Comic – ist also doch noch nicht ganz tot. Interessant ist diese Geschichte auch deshalb, weil die Art und Weise, wie die Protoss die Menschen sehen, sehr nachvollziehbar dargestellt wird. Auch ist schön, dass die Hauptfiguren alle keine strahlenden Helden sind: Nero ist ein hasserfüllter Killer, Kern hat Neros Gewaltexzesse aber immerhin eine ganze Zeit lang mitgemacht und schließlich seine Kameraden dazu aufgewiegelt, ihren Kommandanten durch Falschaussagen aus dem Verkehr zu ziehen. Und Tassadar hat seinem Volk bewusst den Rücken gekehrt und sich den Dunklen Templern angeschlossen. Interessant ist ebenfalls, dass nicht nur eine Charakterentwicklung der Hauptfigur Kern stattfindet (was in einer Kurzgeschichte schon selten genug ist), sondern diese auch innerhalb der Story thematisiert wird. Natürlich soll die Geschichte auch die Rächer einführen, eine Art Strafbatallion, das im Spiel Starcraft II zu den verfügbaren terranischen Truppen gehören wird. Beim Design der Uniformen hat man sich aber vom großen Starcraft-Vorbild Warhammer 40.000 vielleicht etwas zu sehr inspirieren lassen: Die sind nämlich den Rüstungen der imperialen Assault Space Marines so ähnlich, dass Games Workshop, die WH 40K-Macher, das sicher nicht lustig finden werden. Kurzweilig – die Geschichte, nicht der drohende Rechtsstreit.
Stimme in der Dunkelheit erinnert (nicht nur vom Titel her) an den John Carpenter-Film Fürsten der Dunkelheit: Das körperlose Böse übernimmt zahlreiche Sterbliche, um sich schließlich einen übermächtigen Avatar (oder „Dunkeln Messias“) zu erschaffen. Josh Elder gelingt es hier, Horror- und Science Fiction-Elemente sehr schön miteinander zu kombinieren. Eine angenehm düstere Stimmung liegt über dem gesamten Geschehen (vor allem der Abschnitt, in dem die beiden Dunklen Templer die menschenleere Siedlung durchsuchen, ist schön unheimlich). Und mit dem auferstandenen Bösen, das bis zum Schluss namenlos bleibt, wurde ein sehr interessanter Schurke gefunden, der es durchaus versteht, durch seine ruhige und wortgewandte Art mehr zu ängstigen als die brutalen Zerg-Killermaschinen. Eindeutig das Highlight des Bandes.
Einschulung bringt die Geschichte um Botschafter Phash und seinen PSI-begabten Sohn, die in Kriegswaffe in Band 1 begonnen und in Spuren des Krieges in Band 3 fortgeführt wurde, zu einem (vorläufigen) Ende. Die beiden Erzählstränge um Colins „Aufnahmeprüfung“ in die Geister-Akademie und Corbins verzweifeltem Kampf gegen einen fertig ausgebildeten Geist sind für sich genommen schon spannend, erhalten jedoch dadurch, dass Corbin direkt mit der Art von seelenloser Tötungsmaschine konfrontiert wird, zu der auch sein Sohn ausgebildet werden soll, eine zusätzliche emotionale Dimension. Erfreulich ist, dass die Tricks, mit denen der Botschafter sich gegen den Killer zur Wehr setzt, logisch und in Übereinstimmung mit der bisherigen Geschichte erklärt werden. Erfreulich auch, dass auf ein klassisches Happy End verzichtet wird. Weniger erfreulich ist allerdings, dass das Ende doch sehr offen gehalten ist und in eine neue Comicserie (Starcraft Ghost Academy – die ist allerdings bisher auch in den USA noch nicht erschienen ) überleiten soll. Schade auch, dass die grafische Darstellung der Hauptfiguren im Vergleich zu deren früheren Auftritten doch stark variiert. Botschafter Phash scheint sich einer Verjüngungskur unterzogen zu haben und wirkt jetzt viel eher wie ein jugendlicher Held als wie ein besorgter Vater. Und Colin hat offenbar einen Alterssprung zum Teenager absolviert. Muss denn wirklich in einem Manga die Hauptfigur immer ein jugendlicher Held sein? Trotzdem nett zu lesen.

Ein krönender Abschluss der Starcraft Frontline-Serie ist der letzte Band leider nicht. Wie die anderen Bände auch sind die Geschichten hier grafisch und erzählerisch von sehr unterschiedlicher Qualität. Wer darauf gehofft hatte, dass im letzten Band (wie teilweise schon in Band 3) verschiedene Erzählstränge zusammengeführt würden, wird enttäuscht. Ärgerlich ist, dass die Hälfte der Geschichten bewusst nicht wirklich abgeschlossen wird, um so das Interesse an anderen Medien aus dem Starcraft-Franchise zu wecken (Heimkehr als Überleitung zu Starcraft II und Einschulung als Vorgeschmack auf Starcraft Ghost Academy). Dadurch wird der Leser, der sich nur für die Comics interessiert, etwa „hängen“ gelassen. Andererseits ist ja bei einem Lizenzprodukt wie diesem Comic zu erwarten, dass es zum Kauf von anderen Produkten aus dem Franchise animieren soll. Es wäre aber schön gewesen, wenn man das etwas subtiler hätte einfließen lassen als hier geschehen. Und deshalb gilt für diesen Band wie für so viele andere Lizenzprodukte (nicht nur aus dem Starcraft-Universum): Fans des Hintergrundes werden es sich sowieso kaufen, für alle anderen gibt’s auch Besseres.

Nutzen für Rollenspieler: Gering
Auch derjenige, der plant, eine Kampagne im Starcraft-Universum anzusiedeln (eine durchaus reizvolle Idee), findet in diesem Band nur wenig Verwertbares. Die meisten Geschichten sind zu sehr mit ihren Figuren verbunden um wirklich rollenspielerisch verwertet werden zu können. Einschulung schildert immerhin das Aufnahmeritual in die Geister-Akademia der Liga und liefert einige Details darüber, wie PSI-Kräfte im Starcraft-Universum funktionieren. Lediglich Stimme in der Dunkelheit bietet sich zur Umwandlung in ein Abenteuer an, wobei der Spielleiter aber darauf achten muss, Die SCs entweder sehr mächtig zu machen oder ihnen etwas mitzugeben, mit dem sie sich vor dem namenlosen Bösen schützen und sich dagegen wehren können. Oder man nimmt es als Vorlage für ein Cthulhu-Abenteuer mit Science Fiction-Hintergrund. Dort sind die Spieler vielleicht schon daran gewöhnt, dass sie gegen ihre mächtigeren Gegenspieler sowieso nichts ausrichten können…Den Artikel im Blog lesen
 
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