Rezension Starcraft Frontline 3 [B!-Rezi]

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Starcraft Frontline Band 3


Der Aufbau des dritten Bandes der Serie Starcraft Frontline entspricht dem der ersten beiden Bände. Auch Band 3 enthält also wieder vier Kurzgeschichten aus dem Starcraft-Universum:

Spuren des Krieges
von Paul Benjamin, Dave Shramek und Hector Sevilla
Senator Corbin Phash und sein Sohn Colin wurden vor dem Zerg-Angriff auf der Minenkolonie Maltair IV (vgl. hierzu die Geschichte Kriegswaffe in Band 1) gerettet. Allerdings wurden hierbei die latenten psionischen Fähigkeiten Colins entdeckt. Um seinen Sohn davor zu bewahren, in der Liga-Akademie zu einem Geist (einer menschlichen Waffe) ausgebildet zu werden, hat Phash diesen mit einem ehemaligen Angestellten, Andrew Ballenger, in einem Flüchtlingslager auf dem Gohbus-Mond untergebracht. Die Liga setzt allerdings alles daran, den Jungen zu finden, und hat hierzu den Kopfgeldjäger Randall eingeschaltet. Und der kennt überhaupt keine Skrupel bei der Wahl seiner Mittel…

Schade niemandem
von Josh Elder und Ramanda Kamarga
Dem terranischen Wissenschaftler Stanley Burgess ist es gelungen, einen Mensch-Protoss-Hybriden namens Gestalt Null zu züchten. Diese emotionslose Tötungsmaschine soll als neue Geheimwaffe der Terraner eingesetzt werden. Um seine Schöpfung noch weiter zu verbessern, lässt Burgess den Protoss-Templer Muadun entführen, von dessen überlegenem genetischen Material er sich Fortschritte verspricht. Als allerdings Gestalt Null bei einem Einsatz gegen eine terranische Forschungseinrichtung beginnt, Skrupel zu entwickeln, und Muadun zusammen mit anderen gefangenen Protoss ein Ausbruch gelingt, überschlagen sich die Ereignisse…

Letzter Aufruf
von Grace Randolph und Seung-Hui Kye
Die Sängerin Starry kämpft als Überlebende eines Zerg-Angriffs damit, ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen. Auf der Meteor-Station gerät sie zwischen verschiedene terranische Gruppierungen, die an einem außerirdischen Artefakt interessiert sind. Starry gelingt es, in den Verhandlungen zu vermitteln, da sie mit den Wortführern beider Seiten ein romantisches Verhältnis hat. Andererseits bringt das natürlich auch Probleme mit sich…

Zwielichtiger Anführer
von Ren Zatopek und Noel Rodriguez
Aiur, der Heimatplanet der Protoss, wird von den Zerg angegriffen und überrannt. Lekila, der Oberlehrerin der Templerschule, gelingt es mit einigen Schülern zu fliehen, da ihnen in letzter Sekunde die dunklen Templer, eine Gruppe abtrünniger Protoss, zur Hilfe kommen. Deren Anführer, Rihod, ist ein alter Jugendfreund Lekilas. Um einen Kristall zu bergen, der die Protoss retten aber auch als Waffe gegen sie oder die Zerg eingesetzt werden könnte, müssen die beiden noch einmal zurück auf das von den Zerg besetzte Aiur…

Nach dem sehr schwachen zweiten Band der Serie finden sich in Band 3 wieder deutlich bessere Beiträge. Besonders schön ist es hierbei, dass zeitweise Figuren und Ereignisse aus den ersten beiden Bänden wieder aufgegriffen und miteinander verbunden werden. Ebenfalls erfreulich ist, dass diesmal (im Gegensatz zu Band 1 und 2) auf eine Leseprobe aus der Warcraft Legends-Reihe verzichtet wird, sodass etwas mehr Platz für die Kurzgeschichten zur Verfügung steht.

Spuren des Krieges sticht durch die außergewöhnlich schönen Zeichnungen Hector Sevillas heraus. Diesem gelingt es durch die Verwendung von Schattierungen und Graustufen, die zu fast schon aquarellartigen Bildern ineinander fließen, die von ihm illustrierten Geschichten (auch bereits Kriegswaffe in Band 1 und Eine Geistergeschichte in Band 2) von den anderen Stories der Sammlung zumindest optisch deutlich abzugrenzen. Und ein kluger Redakteur hat dafür gesorgt, dass die von Sevilla illustrierten Geschichten stets an finsteren Orten spielen, zu denen dieser Stil passt. Nach einer Minenkolonie und einem Geistermond ist es diesmal ein heruntergekommenes Flüchtlingslager. Die Geschichte baut nicht nur auf den Ereignissen in Kriegswaffe auf, auch die Reporterin Kate Lockwell aus Eine Nachricht wert aus Band 2 hat hier einen Auftritt. Im Mittelpunkt steht neben dem Jungen Colin, der lernen muss, mit seinen telepathischen Fähigkeiten umzugehen, der Kopfgeldjäger Randall. Der ist zwar ein ziemlich zweidimensionaler Charakter, aber genau richtig, um die Geschichte zu ihrem (vorläufigen) Ende zu bringen. Das Team Benjamin/Shravek/Sevilla schafft hierbei zwar nicht eine ganz so nervenaufreibende Spannung wie in Kriegswaffe, aber da Spuren des Krieges offensichtlich als Mittelteil einer Trilogie angelegt ist, muss hier eben die Geschichte vorangetrieben werden, woran die Atmosphäre etwas leidet.
Schade niemandem zeigt die Terraner wieder einmal von ihrer übelsten Seite – immer wieder überraschend ist, wie schlecht dieses Volk in den Comics wegkommt. Burgess ist zwar ein klassischer Mad Scientist wie er im Buche steht und somit als Figur eigentlich nicht so interessant. Aber gerade aus der Gegenüberstellung von Burgess und Muadun – der ebenfalls Wissenschaftler ist – in Bezug auf ihre Einstellung, Ethik (soweit vorhanden) und Methoden zieht diese Geschichte eine Menge an Spannungspotenzial und Charakterisierung. Leider bleibt Gestalt Null in dieser Geschichte noch etwas sehr blass – von dem dämlichen Namen einmal abgesehen. Aber vielleicht sieht man ihn in einer späteren Geschichte noch einmal wieder. Elder/Kamarga zeigen hier (wie schon in Warum wir kämpfen in Band 1), dass sie es von den Autorenteams am Besten verstehen, insbesondere durch Gegenüberstellung der verschiedenen Rassen interessante Charakterprofile zu zeichnen. Gut, die Geschichte selbst hat die eine oder andere leichte (*hüstel*) Parallele zu Frankenstein, aber auch genug eigene Ansätze um keine reine Sci-Fi-Kopie des Klassikers zu sein.
Letzter Aufruf fällt aus dem Kreis der guten Geschichten des dritten Bandes leider heraus. Grace Randolph wählt (wie schon in Eine Nachricht wert) eine Frau als Hauptfigur ihrer Geschichte. Leider ist Starry – noch so ein dämlicher Name – aber noch blasser und passiver als Kate Lockwell und vermag deshalb die Story noch weniger zu tragen. Ihre Motivation, von ihrem Liebhaber Richard zu ihrem neuen Beau Ulrik zu wechseln, ist schwer nachzuvollziehen (na gut, Ulrik ist schon schnuckeliger und seine Uniform ist auch schicker). Und die Tatsache, dass Starry eigentlich ständig nur ihrer inneren Stimme folgt, die sie schließlich dazu bringt, die Männer gegeneinander auszuspielen, lässt sie auch nicht sympathischer erscheinen. Zugegeben, die Schlusspointe ist nicht schlecht (und eine echte Überraschung) und erklärt so einiges an Starrys Verhalten. Aber dafür muss man sich durch eine zähe Geschichte lesen, die außer den Parallelen zu Casablanca und der Tatsache, dass hier zum ersten Mal in den Starcraft-Comics auch Sex stattfindet, keine echten Höhepunkte zu bieten hat.
Zwielichtiger Anführer stellt (nach Kriecher in Band 2) noch einmal die Protoss in den Mittelpunkt. Leider wird zu viel Wissen hinsichtlich des Unterschiedes zwischen den Fraktionen der Aiur-Protoss und der Dunklen Templer vorausgesetzt, sodass sich der Konflikt zwischen den beiden Protoss-Fraktionen, die hier so gut zusammenarbeiten, kaum erklärt. Die Geschichte besteht zwar fast nur aus Kämpfen zwischen Protoss und Zerg, kann allerdings dadurch gewinnen, dass sie ein herausragendes Ereignis der Geschichte des Starcraft-Universums (die Eroberung Aiurs durch die Zerg) schildert und einige Einblicke in die Natur der Khala, der psychischen Verbindung unter den Protoss, verschafft. Besonders gelungen ist die Optik. Der klare Zeichenstrich von Rodriguez und die Verwendung heller Flächen und sorgfältig eingesetzter Schatten und Graufolien fangen den Charakter des Volkes der Protoss sehr treffend ein.

Insgesamt eine sehr schöne Kurzgeschichtensammlung mit nur einem einzigen (Teil-) Ausfall, die wieder an das Niveau von Band 1 anknüpft, das sie allerdings nicht ganz erreicht. Besonders gut gefallen hat mir der Crossover-Charakter von Spuren des Krieges. Hier zeigt sich der Vorteil einer Kurzgeschichtensammlung gegenüber dem einheitlichen Erzählstrang eines epischen Romans: Die in den einzelnen Geschichten beschienenen Schlaglichter können später zusammengeführt und zu einem großen Ganzen verbunden werden. Zwar erreichen die Starcraft-Comics hier nicht ganz die Qualität von Klassikern wie den Diebeswelt-Geschichten oder den Stories aus dem Wild Cards-Universum, aber dafür standen dort den Autoren auch viel mehr Bände zur Verfügung, um die jeweilige Welt darzustellen. Bleibt zu hoffen, dass die Starcraft Frontline-Serie nicht den umgekehrten Weg geht wie die Star Trek-Filme, bei denen ja traditionell nur Beiträge mit geraden Nummern gut waren. Denn bei den Starcraft-Comics steht ja nur noch ein Band aus, und zwar Nummer 4…

Nutzen für Rollenspieler: Gering
Dass sich das Starcraft-Universum als Setting für eine Sci-Fi-Kampagne (vor allem eine solche mit militärischem Hintergrund) prima eignet, wurde in den Rezensionen zu Band 1 und Band 2 bereits dargelegt. Die Geschichten aus Band 3 sind allerdings so eng mit ihren Hauptfiguren verbunden, dass es schwer sein dürfte, sie in Abenteuer für eine SC-Gruppe umzuwandeln. Lediglich die Extraktion des Kristalls in Zwielichtiger Anführer wäre eine nette Special-Ops-Mission für eine Protoss-Gruppe, die insbesondere als Ausgangspunkt für eine gemischte Gruppe aus Aiur- und Dunkle Templer-Protoss dienen könnte.Den Artikel im Blog lesen
 
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