Rezension Spielleiten [B!-Rezi]

Odin

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Spielleiten


Dominic Wäsch


Spielleiten, verfasst von Dominic Wäsch, ist beim Label Pro-Indie der Verlage RedBrick Germany und Prometheus Games erschienen. Es ist betitelt als Leitfaden für Spielleiter zur Vorbereitung und Durchführung von Erzähl- und Rollenspielen und soll sowohl unerfahrenen als auch fortgeschrittenen Spielleitern Techniken, Tipps und Tricks vermitteln. Ein weiteres Ziel ist es, Berührungsängste abzubauen und generell das Leiten und die Position des Spieleiters attraktiver zu gestalten.

Aufgeteilt ist das Buch wie ein klassisches Sach- oder Lehrbuch. Jeder Abschnitt eines Kapitels wird an seinem Ende in einem Textkasten kurz zusammengefasst und viele Abschnitte sind mit gesonderten, teils sehr ausführlichen Beispielen versehen. Zu etlichen Abschnitten gibt es Übungen, die der Leser durchführen kann und deren Musterlösungen im Anhang des Buches zu finden sind. Bestimmte Themen werden in ebenfalls gesonderten Textkästen („Auf den Zahn gefühlt“) weiter vertieft, die dann aber auch mal ein wenig weiter vom Thema abschweifen.

Das Buch ist klar und übersichtlich strukturiert, die Schrift ist gut zu lesen und die Grafiken sind leicht verständlich. Einzig der Softcovereinband bietet bei einer stärkeren Nutzung auf Dauer wohl nicht genügend Stabilität und dürfte sich rasch abnutzen.

Zum Inhalt:
In Ein paar Worte im Voraus erläutert der Autor noch einmal kurz seine Absichten, die er mit dem Buch verfolgt.
Kapitel 1 – Die Aufgaben eines Spielleiters beschreibt detailliert, was ein Spielleiter zu tun hat und was nicht, seine Rechte und Pflichten sowie Absprachen und Konsens einer Gruppe.
Kapitel 2 – Die Spielgruppe erklärt zunächst die Einteilung von Spielern in verschiedene Typen mittels der Theorien von Robin Laws und erörtert, wie wichtig sogenannte Knusperstückchen (Crunchy Bits) für die jeweiligen Typen sind. Anschließend wird auf den Umgang mit Problemspielern eingegangen und die Wichtigkeit von kreativer Agenda und gemeinsamen Vorstellungsraum für den Spielspaß der Gruppe erklärt. Als letzter Teile des Kapitels werden die Technik des Flaggen Erfassens (Flag Framing) und die Verwendung von Anstößen (Kicker) erläutert, die es Spielleitern erleichtern, gezielt Interessen ihrer Spieler herauszufinden und verstärkt darauf einzugehen.
Kapitel 3 – Leitung einer Spielsitzung widmet sich dem eigentlichen Kern der Thematik. Hier wird dem Leser zunächst erklärt, dass der beste und einfachste Weg des Leitens darin besteht passiv zu sein und möglichst wenig voraus zu planen. Stattdessen sei es vorzuziehen die Spieler zu beteiligen und Handlung und Stimmung aus ihren Ideen und Anregungen heraus zu entwickeln. Im weiteren Verlauf wird dann die Verwendung von Szenenspiel - wichtige Szenen werden ausgespielt, unwichtige ignoriert - und sehr ausführlich das Improvisieren mittels Plattformen und Routinen erklärt, bevor das Kapitel mit dem Tipp für den Spielleiter abschließt, immer möglichst ausgeruht und somit aufnahmefähig zur Spielsitzung zu erscheinen.
Kapitel 4 – Vorbereitung ist das umfangreichste des Buches und wiederspricht in seiner Intention zunächst einmal dem vorangegangenen.
Zunächst werden vier verschiedene Abenteuertypen samt Mischformen vorgestellt, bevor sich das Kapitel stärker den Inhalten von Abenteuern widmet. Hier wird vor allem auf die inhaltliche Struktur und zentrale Konflikte eingegangen und in diesem Zusammenhang auf die 36 dramatischen Situationen von Georges Polti hingewiesen, die sich im Anhang finden. Anschließend werden die Techniken Gedankenkarten (Mind Map), Beziehungskarten (Relationship Map) und Konfliktnetze (Conflict Web) samt deren Anwendung in der Vorbereitung einer Sitzung erklärt. Der nächste Abschnitt geht näher auf die Entwicklung von Spielleiter-Charakteren ein und erläutert, wie diese mittels der in Kapitel 2 genannten Flaggen weiter ausgearbeitet werden können. Die letzten Teile dieses Kapitels beschäftigen sich mit der Verwendung von Eskalation und Dilemmas im Spiel sowie der Funktion und den Möglichkeiten von Abenteuerschauplätzen.
Kapitel 5 – Weitere Spieltechniken bietet dann ein Sammelsurium an Techniken, Tricks und Anregungen, die nicht in die anderen Kapitel passen, aber auf jeden Fall erwähnenswert sind. So findet der Leser hier Erläuterungen zur Darstellung von Spielleitercharakteren, dem dramatischen Gebrauch des Erzähltempos und dem Spurenlegen, um damit seine Handlungen besser steuern zu können. Ein weiterer Abschnitt geht auf mögliche Probleme des Spielleitens ein und gibt Lösungsstrategien an. Abschließend schildert der Autor noch seine persönlichen Ansichten zum Rollenspiel im allgemeinen und dem Spielleiten im besonderen.
Der Anhang beinhaltet zunächst einmal die schon erwähnten 36 dramatischen Situationen von Georges Polti, Musterlösungen der über das Buch verteilten Übungsaufgaben sowie eine Auflistung von Literatur und Links zum Thema, bevor das Buch mit einem Index schließt

Bewertung:
Mit Spielleiten ist Dominic Wäsch ein kurzweiliges und informatives, dabei jedoch nie belehrend den Finger hebendes Sach- und Lehrbuch zum Leiten von Rollenspielen gelungen.
Die sehr übersichtliche Aufteilung und der Index erleichtern es sehr, bestimmte Themen oder Abschnitte schnell wiederzufinden. Die enthaltenen Übungen sind interessant bis sehr unterhaltsam und können teilweise auch gut in der Gruppe durchgeführt werden.
Aus dem Band werden selbst alte Hasen mit mehrjähriger Spiel- und Spielleitererfahrung mit Sicherheit noch das ein oder andere für ihre Runden mitnehmen können. Blutige Anfänger hingegen werden vermutlich mit den Inhalten zum großen Teil überfordert sein, da nicht wirklich ausführlich auf die Grundlagen des Spielens im allgemeinen und des Spielleitens im besonderen eingegangen wird.
Obwohl der Autor kein spezielles System und keinen besonderen Spielstil propagiert scheint das Buch doch eher für Spielleiter geschrieben, die Szenarios und Kampagnen selber entwerfen. Da sich die meisten Tipps und Techniken auf diese Art zu spielen beziehen, hat das Buch für Spielleiter freier Kampagnen eventuell mehr Nährwert als für solche, die vorgefertigte Abenteuer vorziehen, ist für diese aber trotzdem nicht unbedingt unnütz.
Sehr angenehm ist die konsequente Verwendung von deutschen oder übersetzten Fachbegriffen, so dass das Buch auch für Leser verständlich ist, die sich sonst nicht weiter mit Rollenspieltheorie beschäftigen. Einzig die Verwendung des Begriffes Spielleiter-Charaktere (SLC) statt des geläufigen Nicht-Spieler-Charaktere (NSC) ist stark gewöhnungsbedürftig.
Alles in allem ist dieses Buch jedoch für jeden engagierten Spielleiter nützlich, der seine Fähigkeiten optimieren und für sich und seine Gruppe immer noch ein bisschen mehr aus dem gemeinsamen Spiel herausholen möchte.
Bleibt zu hoffen, dass Pro-Indie in Zukunft weitere Büchern dieser Qualität zum Thema Rollenspiel und Spielleiten herausbringt.Den Artikel im Blog lesen
 
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