AW: Savage Worlds - settingabhängige Werte
Toa schrieb:
Womit wir ja wieder beim Thema wären (das hatten wir nämlich zumindest gestern noch)...
Also mein Nachfragen nach den settingspezifischen INTERPRETATIONEN, wenn schon keine neuen Werte, Vorteile/Nachteile/Fertigkeiten eingeführt wurden, war schon als zum Thema beitragend gedacht.
Hier mal mein - inzwischen schon bewährtes - Vorgehen bei einer Settinganpassung für Savage Worlds.
Zuerst eine Risus-Analyse: ich stelle eine List der Archetypen, der Klischees auf, die in diesem Setting die Definierenden sind.
Wenn ich das Savage Worlds Regelwerk heranziehe um ein bestimmtes Setting damit zu spielen, dann überlege ich mir, wie die settingabhängigen Interpretationen der breiten Fertigkeiten, Vorteile und Nachteile (ggf. der Übernatürlichen Fähigkeiten) aussehen sollen (daher meine Fragen nach signifikanten Hindrances/Edges).
Ich mache als nächstes eine Ausschlußliste an nicht zu verwendenden, und eine Liste an mehr oder minder gegenüber dem GRW abgeänderten (Standard-)Werten.
Erst dann muß ich mir überlegen, ob ich vielleicht neue Fertigkeiten brauche (meist nicht, da ein neuer Skill nur dann verwendet werden sollte, wenn er mindestens zweimal am Abend eingesetzt wird - also z.B. in einem bestimmten Horror-Setting "Wissen(Mythos)" als neuer Skill (wobei das ja sogar unter den eh schon breiten Topf des Knowledge-Skills fiele) - ansonsten kann ich durch die mir ja inzwischen bekannten Klischees abschätzen, was für ein bestimmtes Klischee unter Common Knowledge fällt; damit erübrigen sich neue Skills oftmals).
Savage Worlds differenziert die Charaktere ja nicht über die Fertigkeiten, sondern über die Vorteile (und auch zu einem gewissen Grad über Nachteile). Daher ist es wichtiger sich Gedanken über neue, das Setting unterstützende Vorteile zu machen, statt sich mit einer ausufernden Skill-Liste herumzuplagen.
Bei neuen Edges und Hindrances schaue ich auch wieder auf die Klischees der Risus-Analyse. Hier ergänze ich das Klischee um dem zukünftigen Vorteil oder Nachteil entsprechende Bezeichner (z.B. Babylon 5 Klischee: Telepath (Teep); da es Telepathen in unterschiedlichen Fremdrassen gibt, und nur für Menschen eine Sonderregelung mit der Zwangsmitgliedschaft im Psi-Corps existiert, gibt es hier das (zwangsweise!) Professional Edge "The Corps is Mother, the Corps is Father", welches eine Mischung aus Nachteilen vom Typ Vow und aus Vorteilen vom Typ Connection ist; damit hätten wir ein neues, erweitertes Klischee: Psi-Corps Telepath; im B5-Setting gibt es aber noch für diese Klischees die Variante, daß es sich um einen "entlaufenen" Psi-Corps Telepathen (Blip) handelt - hier hat man nun die Wahl, ob man einen Nachteil "Blip" (entspricht eigentlich nur einer Interpretation des Wanted Nachteils) einführt, oder ob man "Blip" anstatt "The Corps is Mother, the Corps is Father" als weiteres Professional Edge einführt. - Solche Überlegungen sind es, die bei einer Settinganpassung am "volatilsten" sind, man schraubt ständig daran herum, bis man - hoffentlich - die kleinste mögliche Menge an neuen Edges und Hindrances hat. Wie üblich: Aufblähen geht immer leichter als Eindampfen/Konzentrieren.). Wenn ich also meine um die Bezeichner ergänzten Klischees habe, die Bezeichner entweder auf bestehende GRW-Edges/Hindrances zurückgeführt habe, oder eigene gebastelt habe, dann ist die Arbeit fast fertig.
Aber ich habe natürlich was unterschlagen: Bevor ich mir was WIRKLICH Eigenes an Edges etc. ausarbeiten muß, prüfe ich erst einmal, ob genau das Edge, welches ich mir als Umsetzung des Bezeichners vorstelle, in einem der mir verfügbaren Settingbände schon vorhanden ist, oder in einem der Genre-Toolkits, oder in einer Conversion aufgeführt wurde. Wenn ich dort etwas zum Klauen finde, dann mache ich das natürlich (je weniger Arbeit, desto besser).
Dann gehört natürlich noch eine Auswahl an Gerätschaften (Gear) dazu, welches für das Setting typisch ist und auch öfter als einmal alle drei Szenarien gebraucht werden wird (bei B5 natürlich die PPG - wobei man da auch leicht einfach die Werte eines Standard-Revolvers oder einer Pistole nehmen kann, und einfach nur "PPG" davorschreiben (so etwas habe ich bei Tour of Darkness als Vorlage für meine GROPOS vs. Minbari Anpassungen, spielend im Erde-Minbari-Krieg, gemacht - das war schlichtweg der einfachste Weg); auch eine Sci-Fi-High-Tech-Waffe stellt nur ein "Trapping" für die Grundidee "Faustfeuerwaffe aktueller Technik" dar).
So ging und so gehe ich für Conversions regelmäßig vor. Das hat sich bewährt und ist nicht so sehr arbeitsintensiv (ich habe eh zuwenig Zeit, weshalb ich auch keine einzige meiner Conversions in einen publikationsfähigen Zustand gebracht habe noch bringen werde).
Was ich hier noch erwähnen wollte: das Einführen gänzlich neuer Werte (wie Status, Reason, Sanity in publizierten Settings) ist eine schwerwiegendere Entscheidung als neue Edges/Hindrances/Skills einzuführen. Daher lasse ich das meist bleiben. (In B5 habe ich für ein Telepathen-reiches Szenario eine Art Telepathie-Resistenz eingeführt, die nur Teeps auf einem anderen Wert als 0 haben. Das sollte die Verteidigungslosigkeit eines normalen Menschen gegen einen Teep vermitteln - und so war es dann auch. Man mußte als Normalo schon Angst haben, wer einem da jetzt wieder im Hirn herumfuhrwerkt, da man tatsächlich hilflos war, wenn man selbst kein Telepath ist. Das war genau das Ziel dieses Szenarios.)
Aus diesem Grund war ich zum napoleonisch-historischen Setting neugierig zu erfahren, ob und wie die von mir für jede Anpassung als notwendig erachteten Schritte in irgendeiner Form auch dort angewandt wurden.
Ich kann z.B. die Häufigkeitsangaben bei den Skills überhaupt nicht nachvollziehen (insbesondere bei Repair habe ich einen ganz anderen Eindruck quer über viele Settings hinweg: das ist ein Skill der wirklich JEDEN Spielabend mehrfach zum Einsatz kommt - in manchen Settings sogar öfter als Fighting oder Healing).
Ich hätte die militärischen Ränge bzw. die Adelige Herkunft als wichtige ergänzende Begriffe zu den Klischees gesehen und dafür gesorgt, daß diese auch regeltechnisch untermauert werden. (Klar kann ich alles mögliche "nur so im Hintergrund" mitziehen, doch sobald es Unsicherheiten gibt, oder sobald jemand für ein Anspielen dieser Hintergrundseigenschaften auch gerne Bennies haben will, da will ich ein Regelelement (hier Edge oder Hindrance) dafür haben).
Ach ja, Florentine ist für dieses Setting übrigens - nebst noch einer ganzen Reihe selbstgebastelter, wiederverwendeter Fecht-Edges geradezu eine Selbstverständlichkeit. Und Steady Hands auch, da man ja auch ab und an an Bord eines Schiffes (Seesoldaten, Überfahrt nach Sizilien oder Korsika) oder auf einem fahrenden Wagen bzw. einer schwankenden Brücke über einen Fluß oder über einen vereisten Fluß in Rußland laufend kämpfen/schießen können muß.
Aber das alles sind natürlich MEINE Vorlieben beim Umsetzen eines Settings. Da ich die von mir adaptierten Settings in der Regel auch als Spielleiter selbst leite, fließt in meine Conversion natürlich einiges von meinen durch meinen Spielleitungsstil bedingten Vorlieben hinein. Das halte ich für völlig normal. - Man findet ja bisweilen mehrere Savage Worlds Conversions zum gleichen Setting. Wenn man die mal vergleicht, dann lernt man daraus, wie unterschiedlich die Wahrnehmung von Aspekten des zu ver-savage-nden Settings durch die einzelnen Conversion-Autoren doch ist. Warum sollte das bei mir anders sein.
Somit: wir waren eigentlich (fast) die ganze Zeit on-topic.