Rezension: Truth & Justice

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Superhelden-Rollenspiel

Nicht erst seit der Erfindung der Comics begleiten uns Superhelden in mythologischer, literarischer und bildlicher Form. Bereits in der Antike findet sich zum Beispiel in Herkules ein Held mit übernatürlichen Fähigkeiten. Viele Schöpfer neuer Helden nehmen sich an alten Helden ein Beispiel oder versetzen sie gar in die heutige Zeit, um an ihre Taten zu erinnern oder sie neue Taten begehen zu lassen. Mit Truth&Justice aus der Feder von Chad Underkoffler, der sich mit einigen anderen Rollenspielen und dem PDQ-System, dem Prose Descriptive Qualities System, bereits einen Namen gemacht hat, findet ein neues Superheldenrollenspiel den Weg auf die Festplatte oder ins Regal.

Zur Verfügung stand mir das Rollenspiel im pdf-Dateiformat und sofort nach dem Öffnen der Datei erblickte ich das bunte Cover mit dem tollen Truth&Justice Logo und war gespannt auf den Inhalt. Ein kurzes Durchblättern zeigte, dass dieser eher trist ist, wenige farbige Bilder, dafür einige schwarz-weiß Bilder, und jede Menge Text, aufgeteilt in 11 Kapitel, wie die Inhaltsangabe verspricht.



Bevor irgendwelche Regeln vorgestellt werden finden sich in Truth&Justice im ersten Kapitel, neben Zitaten und kurzen Flufftexten, eine Beschreibung des Genres im Allgemeinen und die Philosophie, die hinter dem Rollenspiel steckt. Die Philosophie ist die Vermischung aus Lügen und Wahrheit und Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in einer Welt mit Superhelden, die in unterschiedlichsten Stilrichtungen zu interessanten Ent- und Verwicklungen führen kann. Die Stilrichtungen sind gleichzeitig die vier verschiedenen Genres (Grim ‘n Gritty, Cinematic, Four Color & Animated) der Superheldencomics, -filme und –bücher der letzten 80 Jahre. Hier geht Chad zwar sehr theoretisch vor indem er sich literaturwissenschaftlich ausdrückt und auch auf die historische Entwicklung eingeht, gleichzeitig bleibt er aber lesbar und vermittelt glaubwürdig, Entwicklungsstufen und Umsetzungsmöglichkeiten für das Rollenspiel. Vier Stile werden vorgestellt, die alle verschiedene Welten und Ansichten in Bezug auf Lügen und Wahrheit und Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit nach sich ziehen beziehungsweise vorgeben. Die Vorstellung der verschiedenen Motive der Comics, die in einem doch sehr theoretischen Kapitel dann nicht fehlen dürfen, rundet das Ganze dann ab und bietet einen beinahe kompletten Überblick, der zur freien Verfügung des Spielleiters und der Gruppe steht und sicher bei der Planung berücksichtigt wird.

Kapitel Zwei bietet, neben Flufftexten und Zitaten, etwas, das mich persönlich freudig überraschte, nämlich eine knappe Vorstellung der wichtigsten Regeln des PDQ-Systems, bevor, ich wiederhole, bevor die Charaktererschaffung im nächsten Kapitel folgt. Das heißt, dass der Spieler schon weiß, was die Punkte die er verteilt bewirken und wo er besser mehr verteilt. Eine genaue Erklärung der Regeln folgt auch im Buch später, deshalb gehe ich darauf nun nicht ein.

Wie versprochen folgt in Kapitel Drei die Charaktererschaffung, die mit den Superkräften in Kapitel Vier abgerundet wird. Zehn Schritte sind laut Regelwerk zu befolgen, bevor der Charakter spielbereit ist und bei jedem Punkt gibt es zwei Beispiele, die alle Fragen klären. Es gilt folgendes aufzuschreiben, Name, Hintergrund, Motivation, Fähigkeiten, – als Qualities, das Q im PDQ-System, natürlich nicht wegzudenken – Herkunft der Kraft, Kräfte, Heldenpunktepool, Superheldenname, Uniform und Beschreibung, eigentlich nichts Ungewöhnliches. Jetzt wird es aber Zeit das PDQ-System etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Prosaisch Beschreibendes Fähigkeiten System, so muss man das wohl übersetzen. Die Fähigkeiten werden hierbei zwar genannt, werden aber je nach Beschreibung bei der Verwendung ausgelegt und sollten deshalb nicht zu eng gefasst sein. Fähigkeiten können sich auf bis zu sechs Felder beziehen, Persönlichkeit des Charakters, physische, mentale, soziale und professionelle Fähigkeiten und sogar Ressourcen. Polizist ist dabei als Beispielfähigkeit zu nennen. Ein Polizist hat mit vielen Dingen zu tun und so kann diese Fähigkeit auf viele Dinge angewandt werden aber nicht auf alle. Die Fähigkeiten werden dabei in fünf Stufen eingeteilt, Schlecht, Durchschnitt, Gut, Experte und Meister. Ob eine Fähigkeit erfolgreich eingesetzt wird, ergibt sich aus der Addition zweier W6 und dem Modifikator, der der Stufe der Fähigkeit entspricht, im Vergleich mit dem Mindestwurf, der sich nach der Schwierigkeit der Aufgabe richtet. Hat man eine Fähigkeit auf Stufe Schlecht, zieht man sich 2 auf den Würfelwurf ab, Durchschnitt verändert nichts, Gut erhöht den Wurf um 2 usw. Der höchste Mindestwurf ist ohne optionale Regeln bei 13, der niedrigste Mindestwurf bei 5. Der prosaische Teil des Systems kommt natürlich auch zum Tragen. Je besser etwas beschrieben ist, desto wahrscheinlicher ist ein Bonus von 2 Punkten. Jetzt wären die Bestandteile des PDQ-Systems schon mal geklärt. Zu den Regeln gibt’s gleich noch ein paar zusätzliche Informationen. Kommen wir aber erst einmal zu den Kräften, auch diese sind nach den fünf Stufen eingeteilt und können aus einer großen Sammlung, im vierten Kapitel, gewählt und auch jederzeit, wenn mal eine Kraft fehlt, was ich mir eigentlich nicht vorstellen kann, neu geschaffen werden. Für den Spieler ist es noch wichtig, dass eine seiner Kräfte gleichzeitig seine Schwäche, seine Achillesferse ist und über die er besser stillschweigen bewahren sollte, wenn er sie denn überhaupt kennt. Zu den Kräften gibt es im Spiel selbst noch Stunts, dass sind spontane oder vorher festgelegte Verwendungsmöglichkeiten der Kräfte, die zum Spielspaß beitragen oder einfach nur intelligent umgesetzt werden. Bis auf die Heldenpunkte erklären sich die anderen Bestandteile der Charaktererschaffung von selbst, also nur kurz noch etwas zu den Heldenpunkten. Heldenpunkte sind dafür da, die Superhelden mit mehr Durchschlagskraft auszustatten oder diese im Heldenleben zu unterstützen. Mehr Glück nötig, mehr Würfel beim Angriff, Kontakte und Heilung, so etwas bieten Heldenpunkte.

Apropos Würfel beim Angriff. Natürlich gibt es in Truth&Justice auch Kämpfe, körperliche und soziale und diese werden sehr innovativ abgehandelt. Lebenspunkte im althergebrachten Sinne gibt es nicht, die Stufen der Fähigkeiten sind die Lebenspunkte und Schaden zieht Stufen ab bis keine Stufen mehr vorhanden sind und der Charakter bewusstlos seinem Widersacher ausgeliefert ist. Ansonsten ist der Kampf wie in vielen Systemen gehalten, Initiative, Angriff und Verteidigung und schließlich Schaden. Wobei eben nicht nur Fähigkeiten sinken, wenn man getroffen wird sondern dadurch auch neue Plots entstehen. Der Spieler entscheidet welche Fähigkeiten durch Treffer gesenkt werden und seine erste Auswahl und seine letzte Wahl vor der Bewusstlosigkeit sorgen für neue Erzählaufhänger, eine Entwicklung abseits des Kampfgeschehens, die den getroffenen Helden betrifft. Heilung erfolgt entweder durch Heldenpunkte oder durch Zeit. Auch hier gibt es ein Beispiel für einen Kampf, der keine Fragen offen lässt.

Im sechsten Kapitel wird der Spielleiter angesprochen. Hintergrund der Spielwelt, nach den vier Stilen und mit den Motiven der Comicwelt. Aufgaben des Spielleiters und Tipps und Tricks für das Leiten von Truth&Justice und einige hilfreiche NSC und interessante Gegenstände runden das Kapitel ab. Nützlich sind die Tipps allemal, auch wenn erfahrene Spielleiter vermutlich nur die NSC wirklich interessant finden.

Die nächsten drei Kapitel, Kapitel Sieben, Acht und Neun, bieten schließlich drei Welten mit Superhelden mit unterschiedlichen Hintergrundstilen und Motiven. In allen drei Kapiteln finden sich NSC, Abenteuervorschläge und ein gut durchdachter Hintergrund.
Bei „Second-String Supers“ finden sich die Helden in einer dramatischen Spielwelt wieder, in der sie die Aufgabe übernehmen eine Stadt vor den Bösewichtern zu beschützen.
In „Supercorps“ haben Großkonzerne die Macht übernommen und Superhelden arbeiten entweder für solche Firmen, für kleinere Firmen oder als Freelancer und kämpfen dabei in einer harten aber fairen ums Überleben und gegen die Bösewichter.
„Fanfare for the Amplified Man“ führt die Superhelden in eine düstere unfaire Welt, bei der sie ständig das Gefühl haben, dass da oben irgendjemand was gegen sie hat. Hierbei erhalten die Helden ihre Kräfte alle aus einer Quelle, die aber nicht näher bestimmt ist und von jedem Spielleiter individuell interpretiert werden kann und soll.

Kapitel Zehn bietet eine große Bibliographie zum Thema Comics. Bücher, Comics, Filme und wissenschaftliche Arbeiten zum Thema, die man wohl so oft nicht finden wird.

In Kapitel Elf finden sich schließlich ein paar Zufallstabellen zur Erschaffung von Superhelden, alle wichtigen Tabellen für das Spiel auf einer Seite und der Charakterbogen, der meiner Meinung nach durchaus hätte übersichtlicher gemacht werden können.

Fazit: Elf Kapitel die es in sich haben. Comictheorie trifft auf innovatives Regelsystem mit viel Potential. Das PDQ-System ist mir hier nicht zum ersten Mal begegnet doch ist hier gerade die Vermischung mit Superhelden und deren Kräften das, was es noch gelungener macht als bei den anderen Systemen. Die Flufftexte, führen ins Spiel ein, die Zitate wecken Erinnerungen und die Kräfte lassen keine Wünsche offen. Mit den drei Settings am Ende bietet das Buch wirklich alles, was man für viele Stunden Spaß braucht. Das entschädigt auch für den optisch eher tristen Inhalt. Eine Investition die sich lohnt.

Art: RPG
Regeln: PDQ (Prose Descriptive Qualities) – System
Sprache: Englisch
Verlag: Atomic Sock Monkey
Publikationsjahr: 2005
Autor: Chad Underkoffler
Illustrationen: Greg Holkan, Scott Kane und Randy Milholland
Umfang: 133 S. (ca. 10 MB)
Bindung: PDF; Softcover
Preis: 13$ (ca. 8,75€) PDF; 25$ (ca. 16,80€) PoD
Rezensent: Martin Wagner

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