Rezension: Summerland

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Ruf des Waldes

Postapokalyptische Rollenspiele sind nicht nur ein deutsches Phänomen, auch in den USA und in Großbritannien scheinen sich die Spieler und Spielemacher diesem Thema mehr und mehr zuzuwenden. Greg Saunders, der sich mit dem Rollenspiel Ruby und einigen anderen Veröffentlichungen bereits einen Namen im Rollenspielsektor gemacht hat, widmet sich dem Thema Postapokalypse schon des Längeren. Mit Summerland kommt nun seine eigene postapokalyptische Welt heraus, überarbeitet und deutlich erweitert im Vergleich zur alten Ausgabe.



Summerland ist unsere Welt und doch gehört sie uns nicht mehr alleine. Über Nacht brachte Das Ereignis den See des Laubs in unsere Welt und das Laub, besser die Bäume, eroberten nach und nach innerhalb kürzester Zeit alles von Menschenhand Erbaute zurück. Doch bei der Eroberung und Vernichtung der Zivilisation blieb es nicht. Ein Ruf ging aus den tiefen des Waldes hervor und lockte Menschen in den Wald hinein. Entweder sie kamen nie wieder zurück oder verwandelten sich in Wilde, mehr Tier als Mensch. Wenigen gelang es dem Ruf zu widerstehen und so bleiben in den Trümmern der menschlichen Städte nur kleine Gruppen zurück, die nicht nur gegen den Ruf, den Wald und die wilden Tiere, die auch zum Teil verwandelt wurden, kämpfen müssen, sondern auch selbst ums Überleben und gegen andere Gruppen. Und der Ruf lässt nie nach, er lockt jeden Tag aufs Neue und teilweise retten einen nur die Nachbarn und Freunde vor dem Nachgeben. Daneben gibt es die so genannten Drifter, Herumtreiber. Menschen, die durch ein Erlebnis in der Vergangenheit traumatisiert sind und deshalb dem Ruf des Waldes ohne Probleme widerstehen können. Da ihre Begabung gleichzeitig ein persönlicher Fluch ist, sind sie die Außenseiter der übrig gebliebenen Bevölkerung.

Die Spieler schlüpfen in die Rollen der Drifter, sie nutzen ihre Begabung für verschiedenste Aufgaben, Begleitschutz, Jagd, Postdienste, Suchaufträge usw., eben all diese Aufgaben, die man in einer postapokalyptischen Welt zum Überleben erledigen muss beziehungsweise kann, wenn man eine besondere Begabung hat. Drifter haben zwei Ziele, die eng miteinander in Verbindung stehen. Sie wollen in eine Gemeinschaft aufgenommen werden und ihr Trauma vergessen. Da sie Außenseiter wegen ihres Traumas sind, ist das eben eher ein gemeinsames Ziel, denn unterschiedliche Ziele.

Das Buch ist in fünf Kapitel eingeteilt und nach dem Inhaltsangabe folg erst einmal die Einleitung und die Hintergrundgeschichte Summerlands inklusive Rollenspielerklärung. Beides list sich gut und wäre ich Anfänger, ich wäre hellauf begeistert.

Vor jedem der folgenden Kapitel findet sich ein kurzer Flufftext mit spannenden und beschreibenden, sehr kurzen Kurzgeschichten. Kapitel Zwei widmet sich der Charaktererschaffung und stellt Thema und Spielstile vor, die sich für Summerland am besten eignen. Spielstile und Themen gibt es viele und der Autor hat sich wirklich Gedanken darüber gemacht, wie man die einzelnen Themen und Stile umsetzen kann. Horror, Hoffung und Magie treffen auf Action, Nachforschen und Überleben und all dies kann beliebig, je nach Gruppenwunsch, kombiniert werden.

Doch was braucht man, bevor man spielen kann? Charaktere und dazu benötigt man einen Charakterbogen und Regeln zur Erschaffung. Den leeren Bogen gibt’s auf der letzten Seite und er ist, ganz im Gegensatz zum tollen Artwork mit den tollen Bildern im Buch, darauf gehe ich später noch ein, eher trist und nicht wirklich ansprechend. Auf vier Attribute, hier Qualitäten genannt, Kraft, Intelligenz, Empathie und Geschick mit Werten von 2 bis 8 dürfen 20 Punkte verteilt werden. Dazu darf man sich dann bestimmte Merkmale zu den Qualitäten aussuchen, zu Intelligenz passt zum Beispiel Medizin, zu Kraft zum Beispiel etwas beschreibendes wie muskulös. Jeder Spieler erhält fünf Merkmale, vier positive und ein negatives. Dazu braucht der Spieler noch eine Hintergrundgeschichte, die das Trauma enthält, aber es nicht absolut, sondern eher anreißend beschreibt, damit es sich im Spiel noch entwickeln kann. Die Regeln selbst sind dann eher einfach gehalten. Je nach Schwierigkeit wird eine Anzahl von Würfeln geworfen. Einfach bedeutet zwei Würfel, Sehr Schwer vier Würfel. Mit diesen Würfeln muss man unter die addierten Werte zweier Attribute und passender Merkmale, die den halben Wert des dazugehörigen Attributs haben, würfeln, um eine Probe zu bestehen. In vergleichenden Proben zählt die Differenz. Schaden und sonstige Einschränkungen erhöhen schlicht die Schwierigkeit. Da es ein Ziel des Spiels ist, das traumatische Erlebnis zu überwinden, spielt dieses Trauma natürlich auch einen wichtigen Part im Spiel. Geschieht etwas, das dem Trauma nahe kommt oder dem Trauma entspricht, können die Spieler das Trauma aktivieren und ein Würfel wird von der Schwierigkeit abgezogen. Nur durch solche Trauma aktivierende Szenen, können Charaktere geheilt werden, der nachfolgende Wurf kann dazu führen, dass der Charakter seinen Traumawert senken darf. Doch das traumatische Erlebnis kann den Charakter auch überwältigen, Stress nennt das der Experte. Stress führt zu irrationalem beziehungsweise panischem Verhalten und für den Rest der Gruppe, kann diese viel psychologische Arbeit bedeuten. Interessant ist hierbei, dass, sobald der Traumawert auf 0 fällt, der Charakter zum Einen in eine Gemeinschaft aufgenommen wird, er zum Anderen verliert er seine Immunität gegen den Ruf. Das wären die wichtigsten Regeln im Schnelldurchlauf und ich finde, dass sie nicht nur wirklich gut funktionieren, sondern gerade das Unterwürfeln und das Bestimmen der Würfelanzahl durch die Schwierigkeit, dem Spiel eine besondere Note mitgibt.

Kapitel Vier gibt den nötigen Überblick über das Setting, der See des Laubs, der Ruf, die Überlebenden und die Welt wird beschrieben. Ausschnitte habe ich bereits in meiner groben Zusammenfassung zu Beginn der Rezension gegeben.

Das fünfte Kapitel ist eigentlich ein Spielleiterkapitel, Tipps zu Abenteuern, Szenarioideen genannt, Film- und Buchempfehlungen, Regeln für das Erschaffen von NSCs, ein typisches Spielleiterkapitel eben.

Auch das sechste Kapitel ist mehr etwas für den Spielleiter. Gemeinschaften und wichtige Nichtspielercharaktere mit Hintergrundinformationen und weiteren Szenariovorschlägen. Viel Material zum Spielen also. Im Appendix findet der Spielleiter dann noch Tabellen und Tipps zum Aufbau von Gemeinden.

Auf 180 Seiten findet man wirklich viel und alles wirkt wirklich gut durchdacht. Dazu kommt dann noch ein wirklich tolles Artwork. So wir der See des Laubs sich entwickelte und alles in kürzester Zeit mit Blättern, Wurzeln und Pflanzen überwucherte, so wird auch das Buch immer pflanziger. Auf den ersten Seiten sind es ein paar Grasbüschel, am Ende steht man mitten im Wald, wirklich gelungen. Auch die Bilder sind perfekt gewählt, düster und apokalyptisch, bringen sie die Stimmung des Spiels genau so gut rüber wie der Text. Da kann man fast ignorieren, dass Lulu mal wieder ein paar Seiten verschoben und weiße Flächen an den oberen Rändern hinterlassen hat. Bisher kamen alle meine Lulu-Bücher mit solchen Fehlern an, es ist also kein Summerland spezifisches sondern ein Luluproblem. Zum Glück hat Lulu nur bei sieben Seiten Mist gebaut, ansonsten wäre es wirklich ärgerlich.

Fazit: Summerland ist ein tolles postapokalyptisches Rollenspiel in einer grünen Welt mit außergewöhnlichen Charakteren. Ein Trauma führt zu erhöhter Überlebenswahrscheinlichkeit, wo gibt’s denn so was? Dazu ein ausgeklügeltes Würfelsystem und jede Menge Ideen und Tipps für den Spielleiter, tolle Arbeit. Zwei Mankos gibt es aber, einmal Lulus Verschiebungen und einmal der triste Charakterbogen, der irgendwie nicht zum optisch tollen Buch passt. Aber gerade der Inhalt des Buches, Texte und Bilder, machen beides locker wett und Summerland zu einem Must-Have.

Titel: Summerland, Revised and expanded Edition
Art: RPG
Regeln: W6
Sprache: Englisch
Verlag: Fire Ruby Studios
Publikationsjahr: 2008
Autor: Greg Saunder
Illustrationen: Paul Bourne und Jerome Huguenin
Umfang: 180 Seiten
Bindung: pdf; Softcover (print-on-demand)
Preis: 10,30€ pdf; 17,50€ Softcover
Rezensent: Martin Wagner
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