Raumhafen Adamant Raumhafen Adamant – Ratschlag 22-31

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Ratschlag ist eine Fortsetzungsgeschichte von André Wiesler aus dem Raumhafen-Adamant-Universum und spielt vor dem Hintergrund des RAD-Rollenspiels. Sie stellt ein Sequel des RAD-Romans Die vergessene Schlacht dar und wird wöchentlich in diesem Blog fortgesetzt. Die vorhergehenden Episoden können hier eingesehen werden.

22



Der Schuss durchdrang Gosens Oberarm und verschmorte den Kies und Sand unter ihm zu heißem Glas. Gosen schrie vor Schmerz auf und ließ das Lasergewehr fallen. Aber das war nicht die erste Verletzung dieser Art, die er erhalten hatte, auch wenn er seine heilenden Naniten sehr vermisste.

Reiß dich zusammen, mahnte er sich, rollte aus dem Weg eines weiteren Schusses und sprang auf. Der dritte Laserschuss stanzte ein Loch in die Druckkanone, deren Ladekammer mit lautem Keuchen ihr Leben aushauchte.

Gosen grollte wütend, schätzte die Entfernung ab und drehte sich zweimal schnell im Kreis, um dann die schwere Waffe zu schleudern. Sie traf den Angreifer am Kopf und riss ihn von den Beinen.

Gosen rannte los, riss mit Links die Thermomachete vom Gürtel und sprang ab. Der Hieb traf auf das zur Abwehr erhobene Gewehr, schnitt glühend hindurch und blieb im Helm stecken. Für einen kurzen Augenblick erstarrte der Mann im Anzug. Dann merkte er, dass er noch lebte und fuhr mit leisem Sirren die langen Vibroklingen in den Unterarmen seines Anzugs aus.

„Oh Mist“, fluchte Gosen und versuchte die Machete wieder herauszuziehen, aber sie steckte fest.

_________

Narbatur wurde von dem Druck der Beschleunigung in den Sitz gedrückt. Die Nase des Gleiters zeigte direkt nach oben, hinter dem davonrasenden Transporter her, und unter ihm stiegen auch die Jäger, um ihm den Weg abzuschneiden.

Sein Kopf pochte schon nicht mehr, sondern wogte in einem Meer der Schmerzen und immer wieder musste er Tränen wegblinzeln.

Tera löste den Sicherheitsgurt und ließ sich über die Rückbank in den hinteren Bereich des Gleiters rollen.

„Was machst du da?“, rief Narbatur ihr entgeistert zu. Bei der Geschwindigkeit konnten die Gravitationsemitter sie nicht mehr halten, würde jede Kursänderung sie durch den Innenraum schleudern.

„Uns Zeit verschaffen“, sie riss die Verkleidung von den Elektroteilen und dem Generator, der das Lasergeschütz mit Energie versorgte, und fing an, scheinbar wahllos Kabel herauszureißen und neu zu verbinden.

„Narbatur, deinen Kommunikator“, verlangte sie.

„Was?“

„Nicht fragen, machen!“, blaffte sie ihn an.

Die Jäger wagten noch nicht, auf sie zu schießen, um den zivilen Luftverkehr nicht zu gefährden, aber sobald sie den Orbit verließen, wären sie Freiwild.

Er ließ seinen Kommunikator nach hinten fallen, Tera fing ihn, zerschmetterte ihn an einer Metallkante und las Bauteile aus dem Schrott.

„Bei drei schaltest du den Antrieb aus, drehst dich in der Luft und feuerst das Geschütz ab.“

„Was?“

Tera zog sich wieder auf den Sitz und sagte: „Eins!“

„Bist du wahnsinnig?“

Sie schnallte sich an: „Zwei!“

„Du wirst uns umbringen!“

„Drei!“

Narbatur fluchte, schaltete den Antrieb aus und nutzte die Steuerdüsen des Schiffes dazu, es um 180 Grad zu drehen. Die ballistische Energie trug das Schiff noch ein Stück weiter, dann wurde es langsamer und begann zu stürzen.

„Auf wen?“, fragte Narbatur.

„Egal!“, rief Tera und Narbatur feuerte einfach ins Leere. Ein Funkenregen explodierte im hinteren Bereich des Gleiters und die Schiffsysteme und alle Anzeigen gingen aus. Das Geschütz glühte auf und wurde von einer Verlagerungswelle zerrissen, die sich aus dem Lauf schob. Sie breitete sich aus, traf die Jäger der Planetensicherheit und auch ihre Systeme schalteten sich ab. Die Antriebe stotterten und dann fielen auch sie in Richtung Planetenoberfläche.

„Toll gemacht, jetzt stürzen wir alle zusammen ab“, keuchte Narjanka.

_________

Gosen warf sich nach hinten und entging so ganz knapp einem Hieb mit den vibrierenden Klingen am Unterarm des Angreifers. Er rollte sich rückwärts ab, drehte sich um und floh. Das überraschte den Gegner offenbar, denn er zögerte kurz, machte sich dann aber an die Verfolgung. Dummer Fehler, dachte Gosen grimmig, sprang ab und rollte sich über den steinigen Boden ab, um das fallengelassene Lasergewehr aufzuheben. Doch er landete auf seiner verletzten Schulter und als der stechende Schmerz und die Welle der Übelkeit vergangen waren, lag er auf dem Rücken am Boden und sah den Gegner auf dem Kopf stehend auf sich zulaufen.

_________

„Gnagnagna“, äffte Tera den Hakhasu nach, schnallte sich erneut ab und drehte sich um, um die Kabel wieder anders zu verbinden. Mit einem gequälten Fauchen sprang der Antrieb wieder an und Narbatur riss das Schiff herum, hielt auf den Transporter zu, der jetzt langsamer wurde. Sie sahen deutlich das pulsieren und wabern der ersten von drei Grenzzeitwellen.

„Sie wollen sich aus dem Staub machen“, sagte Tera.

„Ach was?“, sagte Narjanka spöttisch.

Wir dürfen sie nicht entkommen lassen, dachte er und schüttelte leicht den Kopf, was die Schmerzen in ein neues Spektrum der Qual explodieren ließ.

„Narjanka, du lenkst. Bring uns so nah heran, wie irgendmöglich!“

Der Hakhasu sah ihn verwundert an, umfasste dann aber das Steuer mit einer riesigen Hand. Narbatur schloss die Augen und in der Dunkelheit schwappten leuchtende Wolken, die bei jedem neuerlichen Schmerzimpuls aufgleißten.

Kann man sich mit PSI umbringen?, fragte er sich und verzog das Gesicht zu einem schmalen Lächeln. Gibt nur einen Weg, das herauszufinden.

_________

Der Angreifer sprang vor und wollte Gosen die summenden Klingen in den Kopf rammen, aber der Fleutar rollte sich im letzten Moment über die gute Schulter zur Seite. Damit aber leider auch von dem Lasergewehr weg. Die Klingen gruben sich in den sandigen Untergrund und der Gegner riss sie sofort wieder heraus, um mit der anderen Hand nach Gosen zu schlagen.

_________

Narbatur öffnete die Augen wieder und heftete seinen Blick auf den Transporter, von dem nun die zweite Welle ausging. Hätten sie doch nur einen Sprungunterbrecher. Nicht ablenken lassen!

Sein Blick verengte sich auf das weiße Raumschiff, bis er nichts anderes mehr wahrnahm. Er sammelte Kraft, spürte, wie sein Kopf sich von innen mit eisigen Nadeln füllte, aber er biss die Zähne zusammen. Dann streckte er seine Sinne aus, ertastete das elektromagnetische Feld der Schiffssysteme, badete in den Impulsen, in den Nullen und Einsen der Datenströme. Dann fand er den Navigationscomputer, griff darauf zu, glitt in die Zieldaten.

Das Schiff sandte die dritte Welle aus und verschwand in der Grenzzeit.

_________

Gosen glitt zur Seite, knapp an den Klingen vorbei, die seine Uniform schredderten, umfasste den Unterarm und drückte, doch er war nicht stark genug, um gegen die hydraulische Kraft des Kampfanzuges anzukämpfen. Der Mann drückte den Kommandanten von sich und schlug erneut zu. Gosen ließ sich auf die Knie fallen und beugte sich nach hinten. Die Klingen sausten Millimeter über seinem Gesicht vorbei und eine der vibrierenden Schneiden zog dabei eine Schneise in seine Wange.

_________

„Verdammt!“, donnerte Narjanka, hieb auf das Armaturenbrett und hinterließ eine tiefe Delle darin.

Narbaturs Kopf schien nun von bösartigen, brennenden Insekten bevölkert zu sein. Seine Gliedmaßen zitterten unkontrolliert und er konnte unmöglich sprechen. Mit letzter Kraft griff er auf Narjankas Kommunikator zu und übermittelte das Letzte Bild, das er wahrgenommen hatte.

Das Gerät piepste und Narjanka sagte: „Narbatur, du Teufelskerl!“

Dann verschwand der Schmerz und wurde durch gnädige Dunkelheit ersetzt.

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Gosen riss den verletzten Arm mit einem Schmerzensschrei hoch, ergriff das Lasergewehr damit und rammte den Lauf in die Spalte zwischen Brust- und Unterleibplatte des Anzugs.

Der Mann schlug erneut zu, aber in dem Moment fasste Gosen mit der gesunden Hand um und zog den Abzug. Lichtstrahlen pulsierten in den Körper des Angreifers, ließen die Innenseite des verspiegelten Visiers aufleuchten, die klingenbewehrten Unterarme sackten hinab und der ganze Körper folgte.

Gosen wollte sich wegrollen, wurde aber unter dem schweren Anzug begraben, der ihn platt auf den Boden drückte. Die schulterplatte lag genau auf der Wunde an Gosens eigener Schulter und er schrie vor Wut und Schmerz, bis er sich darunter hervorgearbeitet hatte.

In diesem Moment erhielt er einen Anruf. Es war Sicherheitsmann Narjanka.

„Kommandant Gosen“, rief der Mann aufgeregt. „Sonderermittler Kkim hat Ratsmitglieder entführt. Er ist in die Grenzzeit eingetreten, aber der Kleine … Sicherheitsmann Segler meine ich, hat die Zieldaten auslesen können.“ Es folgte eine Datenübermittlung mit Grenzzeitkoordinaten. „Sollen wir …“

In diesem Moment brach die Verbindung ab. Gosen blickte verwundert auf seinen Kommunikator – kein Netz. Die Terroristen mussten auch das Kommunikationsnetz infiltriert und ausgeschaltet haben. Das würde eine nette Panik geben.

Gosen seufzte, lief zu seinem Schiff, stieß den ohnmächtigen Menschen aus dem Weg und stieg ein. Er würde die anderen auflesen und dann hinterherspringen. Ohne Kommunikation konnte er keine Verstärkung holen, ganz zu schweigen davon, dass die Erklärungen viel zu lange dauern würden. Ich muss mal wieder selbst ran, dachte er und ein vorfreudiges Lächeln umspielte seine Lippen, als er das nun wieder funktionsfähige Schiff startete und die Kebil-Transporter fliehen sah.



Autor: André Wiesler
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Ratschlag ist eine Fortsetzungsgeschichte von André Wiesler aus dem Raumhafen-Adamant-Universum und spielt vor dem Hintergrund des RAD-Rollenspiels. Sie stellt ein Sequel des RAD-Romans Die vergessene Schlacht dar und wird wöchentlich in diesem Blog fortgesetzt. Die vorhergehenden Episoden können hier eingesehen werden.

23

Narbatur erwachte, weil ihn eine zarte Hand an der Schulter schüttelte. Er schlug die Augen auf und bereute es sogleich. Die hellen Schlieren der Grenzzeit glitten wie Speere in seine Augen und ließen sie tränen. Aber wenigstens waren die Kopfschmerzen auf ein erträgliches Maß zurückgegangen.

„Wie lange war ich weg?“, fragte er.

„Vier Stunden“, erklärte Narjanka. „Wir sind gleich am Ziel.“

Narbatur rieb sich die Augen. „Dieses Ding hat auch noch einen Grenzzeitantrieb?“

„Ja, beeindruckend, was? Vielleicht kaufe ich mir als nächstes auch so einen.“

Narbatur sah zweifelnd zu dem Hakhasu hinüber, der ein Stück Armaturenbrett herausgebrochen hatte, um in der für ihn engen Fahrgastzelle die Beine ein wenig ausstrecken zu können.

„Naja, in Erwachsenengröße“, schränkte er nun ein.

„Wir sind da“, sagte Tera und steckte ihre Diffusorpistolen, die sie gerade überprüft hatte, wieder in den Tarnhalfter und reichte Narjanka seine Laserpistole, die er mit einem Nicken entgegennahm.

Die Grenzzeitschlieren wurden breiter, flackerten, als der Geterium-Antrieb das Zhagur in Grenzzeitenergie umwandelte und einen Weg in den Normalraum bahnte. Schlagartig hatte Narbatur den Eindruck, nur noch dahinzukriechen. Vor ihnen erstreckte sich ein gewaltiger, riesiger Gasplanet, dessen rötliche Schwaden wie Rauch unter einer Lampe durcheinanderwirbelten.

In diesem Moment wurde Narbatur sich der rot blinkenden Anzeigen gewahr. Der Gasplanet zog sie an! Er übte einen gewaltigen Sog auf ihr Schiff aus und ließ es, obwohl der Antrieb deaktiviert war, beständig schneller werden.

„Halt da mal gegen“, sagte Narjanka und Narbatur nickte, schaltete den Raumantrieb wieder ein und zuckte zusammen, als die Batterie mit einem lauten Knall und einem gleißenden Funkenregen ihren Geist aufgab.

„Das ist nicht gut“, sagte Tera und senkte die Hände, mit denen sie ihren Kopf vor den Funken geschützt hatte. Sie warf einen Blick über die Schulter, auf die schmorende Batterie. „Das ist gar nicht gut.“

_________

Gosen ließ das Raumschiff einige Zentimeter über dem Boden schweben, während Miklam, Sareil und die Klone hineinkletterten.

„Wir machen einen kleinen Ausflug“, erklärte der Fleutar, im Pilotensitz herumgedreht, während die Klone sich bereits wieder anschnallten und Milkam das Lasergewehr in die Waffenhalterung zurücksteckte.

„Einige Ratsmitglieder sind von einem der Hirnfessersaht entführt worden.“

Milkam schüttelte den Kopf: „Ich finde, wir sollten sie nicht so nennen“, sagte er und dann erst sickerte zu ihm durch, was Gosen gerade gesagt hatte. „Du willst sie verfolgen?“

Gosen nickte grinsend. „Ist mein Job!“ Damit drehte er sich wieder um und wollte das Schiff starten. Doch er erstarrte, als eine blecherne Stimme, untermalt vom Summen einer sich aufladenden Druckkanone, verlangte: „Keine Bewegung.“

_________

„Ja!“, rief Narbatur erleichtert auf, als der Scanner wieder zum Leben erwachte, doch dann ging er wieder aus. Mittlerweile hatte der Sog des Gasplaneten sie völlig im Griff und riss sie mit wachsender Geschwindigkeit auf sich zu.

Tera, die im hinteren Bereich des Gleiters hockte, fluchte und rief: „Nichts zu machen!“

„Wie, nichts zu machen?“, fragte Narjanka.

„Die ist hin. Ich kann dir Steuerdüsen geben, aber mehr nicht“, sagte Tera. Der Gasplanet nahm nun schon das gesamte Cockpit ein.

„Die Steuerdüsen reichen aber nicht, um dem Sog zu entkommen“, sagte Narbatur, der sich sehr zusammenreißen musste, um ruhig zu bleiben.

„Was ist das da drüben?“, rief Narjanka.

_________

Milkam drehte sich um und sah verwundert auf Sareil, dessen kleiner Roboterkörper die doppelläufige Druckkanone kaum halten konnte. Seine Klammerhände waren gerade eben klein genug, um den Abzug zu erreichen. Wenn Sareil die Waffe abfeuerte, würde der Ruckstoß seinen Körper an der Schiffswand zerschmettern. Aber der Schuss würde auch alle Passagiere in Stücke reißen!

„Sofort landen“, befahl Sareil.

Gosen wandte sich zu ihm um: „Hör auf mit dem Unfug, Sareil.“

„Landen! Oder ich schieße!“

Gosen warf Milkam einen Blick zu, der spürte, dass sein Bruder es ernst meinte. Darum nickte er unmerklich. Der Fleutar schnaubte wütend und landete das Raumschiff, schaltete den Antrieb aber nicht ab.

„Alle raus!“, forderte Sareil.

Milkam trat einen Schritt näher, was seinen Geburtsmitling veranlasste, die Waffe zu ihm herumzuschwenken.

„Was soll das, Sareil?“

Die blecherne Stimme knarzte einen Laut, den Milkam erst etwas später als Lachen erkannte. „Ich habe etwas erkannt, Milkam. Ich habe erkannt, was für einer unwürdigen Sklaverei wir uns unterwerfen, indem wir mechanische Prothesen anlegen.“

„Sareil. Was sagst du denn da? Girbal …“

„Girbal war ein alter Narr. Er glaubte an Frieden und Einigkeit. Aber so funktioniert das Universum nicht.“

Sareil schwenkte wieder auf Gosen um, der sich langsam aus dem Sitz geschlichen hatte und nun wieder erstarrte.

„Es gilt das Recht des Stärkeren. Und ich will einer von den Starken sein. Sieh mich doch an … ich muss in so einem Schrotthaufen hocken, obwohl ich mir jeden gesunden Körper nehmen könnte.“

„Das meinst du doch nicht Ernst“, sagte Milkam ungläubig.

„Raus jetzt!“, bellte Sareil und begann die Klammer langsam zu schließen und damit den Abzug zu ziehen.

„Du musst mich schon erschießen“, sagte Gosen und kam langsam auf Sareil zu, „bevor ich dir mein Schiff gebe.“

„Kannst du haben, Fleutar!“, sagte Sareil und drückte ab.

_________

Narbatur kniff die Augen zusammen und sah einen kleinen, schwarzen Punkt vor dem Rot des Planeten.

„Sieht aus wie eine alte Förderstation“, sagte Tera.

„Unsere beste Chance“, beschloss Narbatur und aktivierte die Steuerdüsen, um in die Richtung zu halten. Der Sog des Planeten war mittlerweile so stark, dass sie wie an einem Faden seitlich auf ihn zuflogen, obwohl er allen verfügbaren Schub einsetzte.

_________

Milkam hob die Hand und konzentrierte sich. Kurz bevor die Klammer sich soweit geschlossen hatte, dass die Waffe auslöste, griff er mit unsichtbaren Fingern nach dem großen Hauptschalter an der Seite des kantigen Roboterkörpers und schaltete seinen Bruder regelrecht aus.

Die Lichter in den runden Augen erstarben und die aus Vierecken bestehende Form sank in sich zusammen.

Gosen sprang sofort vor, entriss dem kleinen Roboter die Waffe, trat ihn um und legte die beiden großen Läufe auf das flache Gesicht.

„Nein!“, rief Milkam und fiel Gosen in den Arm.

„Stimmt“, sagte der und steckte die Waffe in die Halterung im Schiff. „Damit würde ich mir nur den Boden ruinieren. Stattdessen zog er seine Thermomachete und hackte den Kopf des kleinen Roboters ab, um ihn dann aufzuheben.

„Kleiner Mistkerl!“, zischte der Fleutar und schüttelte den Kopf dann kräftig.

„Das reicht“, mahnte Milkam, der selbst nicht übel Lust hatte, seinem verräterischen Bruder, der im Inneren des Kopfes in Nährflüssigkeit schwamm, ein paar Hiebe zu verpassen. Wie hatte er dem Mistkerl jemals vertrauen können?

Gosen nickte und warf Milkam den Kopf zu. „Du bist für ihn verantwortlich!“

Er nickte betrübt und bog einen Sensor des Kopfes so um, dass er ihn an eine Öffnung seines eigenen Körpers klicken konnte. Dann blickte er zu den Klonen hinüber. Sie sahen, alle drei nebeneinander angeschnallt, mit großen Augen zu ihm hinüber. Er hob verlegen die Hand und Gamma winkte begeistert zurück.

„So, jetzt schnappen wir uns die Hirnfressersaht!“, verkündete Gosen und ließ das Schiff starten.

_________

„Weiter nach rechts“, rief Narjanka und wedelte mit den riesigen Pranken seitlich, als könne der Luftzug das Schiff bewegen. „Nach rechts!“

Narbatur verkniff sich einen Kommentar. Er holte alles aus den Düsen heraus, was sie hergaben, aber es würde nicht reichen! Die Station war riesig, auch wenn der Planet sie klein erscheinen ließ, aber das nützte ihnen nichts, denn sie würden wenige Kilometer an dem äußersten Ausleger vorbeisegeln, um dann im Kern des Gasplaneten gekocht oder zerquetscht zu werden. Vermutlich beides.

Die Station wirkte wie eine Wanze, die am vorderen Ende eines diskusförmigen Körpers dem Planeten acht dünne Beine entgegenstreckte. Aus diesen Beinen sickerte ein steter Flammenstrom, mit dem sich die Station offensichtlich über dem Planeten an Ort und Stelle hielt. Die dunklen, vernachlässigten Strukturen machten aber nicht den Eindruck, als wäre die Station noch in Betrieb.

„Rechts!“, rief Narjanka erneut und lehnte sich zur Seite.

„Ich versuch’s ja!“, stöhnte Narbatur, dessen Nerven auch langsam versagten.

„Wir bräuchten einen läppischen Kilometer“, sagte Tera, die stumm mit den Fingern abgemessen und gerechnet hatte. „Einen Kilometer!“

„Das ist einer zuviel“, beschwerte sich Narjanka und grub seine Finger wortwörtlich in den Sitz.

Der Ausleger der Station war nun fast neben ihnen, wirkte aus der Nähe wie ein schwarzgrauer Ast. In wenigen Sekunden würden sie ihn passiert haben – und dann war es aus mit ihnen.

„Re-hechts!“, flehte Narjanka.

_________

Alpha tätschelte Milkams metallischem Körper die Schulter. Der Saht saß vornübergebeugt, den Kopf mit seinem Bruder darin im Schoß, und grübelte vor sich hin. Alpha ging nach vorne zu Gosen, um neben ihm auf den Copilotensitz zu klettern. Der Kommandant warf ihm einen ernsten Blick zu, sagte aber nichts.

„Was machen wir, wenn wir da sind, wo immer auch da ist?“, fragte Alpha und sah nach draußen auf die nebligen Schlieren der Grenzzeit.

„Wir befreien die Geiseln, fliegen zurück und enttarnen all die Hirnfresser.“

„Klingt nach einem guten Plan.“

Gosen sah ihn erneut an: „Habt ihr den Hirnfresserscanner noch?“

„HFS …* gefällt mir“, sagte Alpha und nickte. „Beta hat ihn.“

„Gut. Wir dürfen keinem vertrauen, vielleicht haben sie die Ratsmitglieder doch schon infiziert.“

Alpha fiel etwas ein und er rutschte vom Sitz und nickte Beta zu, der nervös über Gammas Haar strich. Ihr Bruder war über die ganze Aufregung eingeschlafen und hatte den Kopf auf Betas Schulter gelegt. Im Schlaf murmelte er leise und dann schmatze er, als esse er etwas.

Alpha ließ sich neben Milkam auf dem Boden nieder und fragte: „Kann man die Hirnfresser eigentlich entfernen?“

Milkam nickte. „Ist eine komplexe Operation, aber solange man den Saht betäubt und verhindert, dass er sich dagegen wehrt, kann man es schaffen. Mit etwas Glück sogar ohne Folgeschäden.“

Alpha nickte. Immerhin etwas.

_________

Narbatur nahm dem Hakhasu seine Waffe ab, zog alle Energie von den Düsen ab und leitete sie in das Biosiegel um. Ihm blieb keine Zeit, zu überprüfen, ob der spezialisierte Schutzschild noch funktionierte. Der Ausleger der Station war jetzt fast unmittelbar neben ihnen, keine hundert Meter entfernt. Er hob die Waffe und schoss.



Autor: André Wiesler
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24



Narbatur feuerte die Laserpistole ab, deren Strahl die Verglasung auf der Pilotenseite durchdrang. Schlagartig wurde alle Luft aus dem Inneren des Gleiters ausgeblasen. Narbatur hieb auf den Notfallknopf für das Biosiegel, das flackernd zum Leben erwachte und verhinderte, dass das Vakuum sie tötete. Der Gleiter wurde von dem Luftstoß zur Seite geworfen und schlug trudelnd in den Ableger der Förderstation ein. Trümmer umschwirrten sie, die Scheiben barsten und das Biosiegel versagte. Narbatur wurde klar, dass sie nun sterben würden.

_________

Gosen überprüfte den Scanner und nickte dann auf einen kleinen Punkt darauf: „Eine alte Gasförderstation. Gut als geheimer Stützpunkt geeignet. Ich würde vorschlagen, wir sehen da mal nach?“

Gamma tippte auf den Punkt, machte ein ernstes Gesicht und sagte: „Machen Sie es so!“

Gosen schmunzelte, strich dem Klon über den Kopf und steuerte das offen stehende Hauptschott des Landehangars an. Der Scanner zeigte ein intaktes Biosiegel und atembare Atmosphäre an. Er verriet Gosen aber auch, dass die Station in den Jahren seit ihrer Aufgabe ihren Orbit verändert hatte und nur noch gerade eben von ihren Autodüsen am Absturz gehindert wurde. In wenigen Monaten würde sie weiter absinken und dann im Gasplaneten zerquetscht werden.

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Narbatur holte verwundert Luft und stieß ein triumphierendes Lachen aus. Sie hatten den Aufprall überlebt!

Narjanka trat die Seitentür des Gleiters auf und ließ sich mit einem Freudengebrüll aus dem Fahrzeug auf die Trümmer fallen.

Auch Tera schmunzelte erleichtert, als sie aus dem Rückfenster kletterte, doch sie sah sich sofort um.

„Wir haben keine Zeit zum Feiern“, mahnte sie. „Unser Auftritt wird sicher Aufmerksamkeit erregt haben.“

Narbatur gönnte sich noch ein paar tiefe Züge der abgestandenen Luft in der Station, schob einige Metallteile beiseite und kletterte über die Trümmer vor der eingedrückten Gleiternase.

„Du hast Recht“, stimmte er ihr zu und sah sich um. „Da entlang!“ Er wies den Ausleger entlang zum eigentlichen Rumpf der Station. Auf dem Weg dorthin bewahrheitete sich Narbaturs Vermutung. Die Station war nicht mehr in Betrieb und ein Großteil der Leitungen, Verkleidungen und Einrichtungen waren bereits entfernt. Vermutlich hielt man die Station nur noch auf Position, um gegebenenfalls das Altmetall zu verkaufen. So war das Konsortium – nie einen Gewinn verschenken.

Sie erreichten einen großen Hangar, auf den alle acht Zubringer zuliefen und sahen dort den Kebil-Transporter und einige kleinere Frachtgleiter und Antigrav-Motorräder stehen. Es war niemand mehr im Transporter.

Ein großes Tor stellte den Durchgang zum eigentlich Rumpf dar und Tera nickte langsam in seine Richtung. „Sie werden wohl irgendwo da drin sein.“

Narjanka schnalzte und wies auf die heruntergekommenen Motorräder, die noch in Ladestationen steckten. „Ich würde vorschlagen, wir fahren? Könnte zu Fuß eine Weile dauern.“

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Gosen ließ das Schiff sanft aufsetzen und nahm sich ein Lasergewehr aus der Halterung, reichte Milkam ebenfalls eines und ignorierte Gamma, der an seinem Hosenbein zupfte und sagte: „Manno, wenigstens ein Kleines!“

Nach kurzem Überlegen hielt er den beiden anderen Klonen eine Laserpistole hin. Nur Alpha nahm sie an.

„Nix darf ich“, beschwerte sich Gamma und trat Gosen gegen die gepanzerte Stiefelspitze. Der ging in die Hocke und nahm den Klon bei den Schultern. „Gamma. Hier sind böse Männer. Ich möchte, dass du immer bei Alpha bleibst und ganz brav bist, okay?“

Gamma sah ihn einen Augenblick trotzig an, dann nickte er stumm und nahm Alphas Hand.

„Los geht’s, Mädels“, befahl Gosen, trieb seine Kameraden aus dem Schiff und sah sich um. Einige leere Antigrav-Ladestationen hatten früher wohl mal Motorräder beheimatet. Die zwei verbliebenen waren ganz offensichtlich Schrott, aber ein Frachtgleiter schien noch intakt und sprang tatsächlich an.

„Auf zur Jagd“, sagte Gosen. Die Klone passten neben ihm in die Fahrgastzelle, Milkam musste sich mit der Ladefläche des Gleiters begnügen. Kaum waren alle an Bord, gab Gosen Gas. Eins, zwei, drei, ich komme.

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Narbatur hatte einige Mühe, mit Tera und Narjanka mitzuhalten, die beide sehr sportlich fuhren. Tera hatte den Scanner ihres AG-Rads zum Laufen bekommen und folgte einer diffusen Energiespur, die sie auf die Entführer zurückführte.

Narjanka sah sich immer wieder nach Narbatur um, dem es dank seiner drückenden Kopfschmerzen wenig Spaß machte, durch die schlecht beleuchteten, ausgeweideten Innereien der ehemaligen Gasförderstation zu rasen.

„Versuch dran zu bleiben, Kleiner“, rief er ihm über das Sirren der Fahrzeuge zu und Narbatur antwortete mit einem erhobenen Daumen.

In dem Moment schrie Tera auf und fiel aus der Luft. Narjanka riss den Kopf herum, aber nur um seinem eigenen Sturz entgegensehen zu können, als auch sein Antigrav-Rad schlagartig den Geist aufgab. Narbatur stieg in die Bremsen, während er tatenlos zusehen musste, wie aus den Fahrzeugen seiner Gefährten Geschosse wurden. Sie prallten auf den abgewetzten Boden des Ganges. Tera schaffte es, im Flug von ihrer Maschine wegzukommen und sich abzurollen, nur um dann doch gegen eine der Wände zu krachen.

Narjanka hatte weniger Glück. Seine Maschine kippte mit ihm darauf zur Seite und er prallte zweimal auf, bevor die Maschine von ihm weggeschleudert wurde. Sein großer Körper schlitterte über den Gang und der Hakhasu schrie vor Schmerzen.

Dann sackte auch Narbaturs Maschine plötzlich unter ihm weg, als sie eine dünne Kreidelinie auf dem Boden passierte. Vermutlich eine Markierung für ein Störfeld. Man hatte Verfolger erwartet.

Narbatur war bereits deutlich langsamer als seine Gefährten, darum konnte er abspringen und auslaufen. Sofort hastete er zu Narjanka, dessen rechtes Bein in einem seltsamen Winkel abstand und auch seine rechte Schulter war in Mitleidenschaft gezogen worden. Der Hakhasu keuchte und hob die Hand, aber Narbatur verstand zu spät. Da legte sich bereits ein Lauf an seinen Hinterkopf und eine fast tonlose Stimme säuselte: „Hände hoch, Menschling!“

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Gosen fuhr die Gänge entlang, bis er an eine Kreuzung kam. „Wo lang?“, fragte er Alpha, der kurz nachdachte und dann Beta anstupste. Der andere Klon reichte ihm den HFS und Alpha lehnte sich mit dem Gerät aus dem Fenster. Das Gerät piepste einige Male, während der Klon es hin- und herschwenkte, dann stieß er ein zufriedenes Lachen aus und wies auf den linken Gang. „Da ist die Pheromonkonzentration am Größten.“

Gosen nickte, schlug Gamma auf die Finger, der gerade versucht hatte, Alphas Pistole zu mopsen, und fuhr wieder los. Er bog ab und gab Gas. Mal sehen, was diese alte Kiste drauf hat.

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Narbatur hob die Hände und drehte sich um. Vor ihm stand ein filigranes Wesen, zu dem der bösartige Froster mit seinen Spitzen, Spulen und Zacken so gar nicht passen wollte. Seine Haut war von kleinen, silbernen Schuppen bedeckt. Narbatur war versucht, von Kopf bis Fuß bedeckt zu denken, aber beides war bei den Jiar nicht so eindeutig vorhanden. Die Grundform der Wesen, von denen sich nun weitere aus Spalten in Bauteilen oder unter herumstehenden alten Geräten hervorschoben, war eine rollende Kugel ohne jedes erkennbare Sinnesorgan. Da sie jedoch keine Knochen besaßen, konnten sie ihren Körper nach Gutdünken verformen.

Die Narbatur umgebenden Jiar hielten ebenfalls Froster in rudimentären Händen gleichenden Pseudopodien, die sie für diesen Zweck ausgeformt hatten.

An der Oberseite des Jiar, der unmittelbar vor ihm stand, klappten einige Schuppen auf und etwas grünlicher Dampf wurde dort ausgestoßen, um flüsternde Worte zu formen: „Mitkommen!“

_________

Der flackernde Scheinwerfer des Frachtgleiters schälte plötzlich die Überreste dreier Antigrav-Motorräder aus dem Dunkel. Einer Intuition folgend trat Gosen auf die Bremse, was ihnen vermutlich das Leben rettete, denn in diesem Augenblick gingen alle Systeme des Gefährts aus und es krachte auf die flache Unterseite. Bei voller Geschwindigkeit hätten sie sich vermutlich überschlagen, so rutschten sie nur funkensprühend über den Boden.

Gosen wartete nicht, bis der Gleiter zum Stillstand kam. Er erkannte einen Hinterhalt, wenn er hineinfuhr, also schnappte er sich das Lasergewehr, schwang sich durch das Fenster aufs Dach des Fahrzeugs und aktivierte das Nachtsichtdisplay an der Waffe, während er sie an die Schulter hob.

Sofort wurden ihm zwei runde Formen angezeigt, die schnell auf ihn zugerollt kamen. Er schoss und der gleißende Laserstrahl fuhr in ein rundes Wesen einer Spezies, die Gosen noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Der Körper des Wesens zerplatzte, wie eine angestochene Wasserbombe, und das silbrige, zähflüssige Innere spie eine Frostwaffe aus.

Der andere Ball beulte sich ein, sprang ab und landete hinter einer halb abgerissenen Wandplatte in Deckung.

Hinter Gosen flammte ein weiterer Laserstrahl auf und Milkam rief von der Ladefläche: „Zwei weitere hier. Sie fließen um den Schuss herum.“

Gosen schnaubte, wirbelte herum und befahl: „Zugleich, auf den rechten. Los!“

Er feuerte und Milkams Schuss folgte fast gleichzeitig. Dem runden Wesen gelang es, seinen Körper um Gosens Lichtstrahl herumzubiegen, aber dafür traf Milkams Schuss genau ins Schwarze … oder in diesem Fall ins Silberne.

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Alpha blickte Beta erschrocken an, als die Schießerei losging. Das kugelförmige, silberne Wesen, das in Deckung gegangen war, kam wieder hervorgerollt und legte eine Waffe mit zahlreichen Fortsätzen an.

Alpha nahm die Laserwaffe und entsicherte sie.

„Du willst schießen?“, fragte Beta entgeistert.

„Nein“, sagte sein Bruder. „Aber ich muss.“ Er legte an und der Laserstrahl verwandelte die Scheibe in einen Regen kleiner Splitter, und knallte in die Wand. Alpha ließ die Waffe erschrocken fallen und hob den Blick. Das runde Wesen hatte auf Gosen gezielt, aber jetzt ließ es eine kleine Wolke grünen Gases ab und die Waffe wanderte zu den Klonen herunter.



Autor: André Wiesler
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25

Narbatur versuchte den Kopf ein wenig von der Waffe wegzubewegen, aber sofort erklang ein tadelndes Zischen in Form von grünem, nach vergorenem Obst riechenden Gas aus der Vorderseite des Jiar.

Also lies er sich, von drei unangenehm warmen Pseudopodien gehalten, voranführen.

Tera erging es nicht anders, und der laut in seiner Muttersprache fluchende Narjanka wurde von zwei weiteren Jiar am Genick hinterhergeschleift, weil sein mehrfach gebrochenes Bein ihn nicht mehr trug.

Sie erreichten eine große Werkhalle, in der noch einige große, ausgeschlachtete Maschinen wie riesige Tierkadaver emporragten. Davor lagen nebeneinander aufgereiht ein Dutzend Ratsmitglieder und noch einmal zwanzig Diplomaten und Assistenten. Einen schrecklichen Augenblick lang glaubte Narbatur, sie seien tot, aber dann sah er die blinkenden Transgressoren auf jeder Stirn. Man hatte sie ruhig gestellt. Dieses Schicksal würde ihnen auch drohen. Er warf Tera einen Blick zu, aber sie schüttelte kaum merklich den Kopf, legte dann den Kopf schief, als würde sie lauschen.

Narbatur tat wie ihm geheißen und hörte in einiger Entfernung das Zischen von Laserwaffen. Das musste Gosen sein.

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Die letzte lebende Kugel feuerte ihren Froster ab und ließ einen blauen, eisigen Strahl über den Gleiter wandern. Gosen sprang seitlich vom Dach in Deckung, aber Milkam wurde an Brust und Arm erwischt. Der Saht feuerte, doch seine Laserwaffe war im wahrsten Sinne des Wortes festgefroren und der Schuss verschwand im dunklen Tunnel.

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Beta unterdrückte ein Wimmern. Dieser übergroße Flummi vor ihnen würde sie jetzt in Eisstatuen verwandeln. Da sprang Gamma vor, hatte mit einem Mal die Laserpistole in der Hand und feuerte in schneller Folge drei Schüsse in den Leib des Gegners. Noch während der Ball auseinanderplatzte, ließ er die Pistole um den Finger wirbeln und steckte sie in seinen Gürtel.

Alpha starrte ihren Bruder von der anderen Seite ebenfalls fassungslos an. Gamma grinste breit und sagte: „Piratenmassaker!“

„Das Holospiel?“, fragte Beta entgeistert.

„Highscore“, rief Gamma stolz und riss die Arme hoch.

Als Gosen um das Heck des Gleiters hastete, stand der Ball plötzlich direkt vor ihm. Er konnte das Gewehr nicht in Anschlag bringen, also tat er das Nächstbeste. Er trat mir voller Wucht gegen das Wesen. Wie gehofft machte das Gas in seinem Innern es recht leicht, so dass der Tritt es weit vom Boden hob und nach hinten warf. Ein Frosterstrahl glitt durch die Luft auf Gosen zu, aber der zielte in aller Ruhe und schoss den Angreifer aus der Luft.

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Narbatur wurde zur Seite gerissen und er roch, wie sich die Jiar miteinander unterhielten. Faulige wechselten sich mit süßen und herben Duftnoten ab, während die Verbrecher besprachen, was sie tun sollten. Offensichtlich hatten auch sie die Schüsse nun gehört. Er sah, dass Tera sich wand, um einen besseren Stand zu bekommen, aber da hob ihr Wächter sie schlichtweg hoch und legte ihr die Waffe an den Hinterkopf. Auch ihm selbst wurde der Lauf wieder fest an die Schläfe gedrückt. Toll gemacht, dachte Narbatur. Wir haben ihnen noch mehr Geiseln geliefert.

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Milkam sah ungeduldig zu, wie Gosen seinen Körper mit dem Lasergewehr auf Reinigungseinstellung wieder auftaute. Kaum konnte er sich wieder richtig bewegen, sprang er vom Wagen und stürmte los.

„Das werden sie gehört haben!“, rief er Gosen zu, der nickte und ebenfalls loslief. „Ihr wartet hier!“, bellte er die Klone an.

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Beta sah den beiden Männern nach und atmete erleichtert auf. Er war einfach nicht für Konfliktsituationen gemacht!

Gamma rief: „Papa!“, sprang aus dem Fenster und rannte hinter Gosen her, wobei er die Waffe aus dem Gürtel zog und wild schwenkte.

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Milkam kam schlitternd zum Stehen, als sich ihm die Situation in der Halle offenbarte. Ein Hakhasu-Sicherheitsmann lag stöhnend auf dem Boden, umstellt von zwei dieser Kugelwesen, die ihre Waffen im Anschlag hatten. Eine Menschenfrau und ein Menschenmann dienten je einem weiteren Wesen als lebende Deckung.

„Waffe weg“, zischte eines der Wesen. Milkam sah Gosen aus dem Augenwinkel ebenfalls zum Stehen kommen.

„Waffe weg!“, wiederholte das Wesen und drückte dem Mann die Waffe noch fester an die Schläfe. Aus dieser Entfernung wäre die Vereisung des Hirns sofort tödlich. Also ließ Milkam die Waffe fallen.

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Gosen presste die Lippen zusammen und kämpfte mit sich. Die beiden Wesen bei dem Hakhasu könnte er vermutlich ausschalten, bevor sie feuerten. Aber Narbatur und die fremde Menschenfrau wären dann hinüber. Also ließ er die Laserwaffe neben sich zu Boden gleiten, schob aber den Fuß unter den Trageriemen.

In diesem Moment kam Gamma in den Raum gestürmt, rief: „Tod den bösen Männern!“ und schoss ansatzlos auf die Frau. Der Schuss glitt zwischen ihrer Hüfte und ihrem Arm vorbei und brachte das Wesen zum Platzen.

Gosen riss das Bein hoch, schleuderte sich die Laserwaffe in die Hand und feuerte in schneller Folge auf die Wesen neben Narjanka.

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Milkam sah den Laserschuss des Klons losrasen und dachte nicht mehr nach. Er richtete seinen ganzen Willen auf die Waffe am Kopf des Menschen und riss den Arm hoch. Der Froster wurde nach oben weggeschleudert und der Schuss ging knapp am Kopf des Sicherheitsmannes vorbei. Einige Haarsträhnen wurden schockgefrostet und zersplitterten im Luftzug.

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Narbatur spürte erst das Aufwallen von PSI, dann eine eisige Kälte an seinem Kopf und war überzeugt, dass sein letztes Stündlein geschlagen hatte. Darum dauerte es einen Augenblick, bis er realisierte, dass er noch lebte – auch wenn das Kugelwesen ihn immer noch umklammert hielt. Er riss eine Hand frei, zog sein Dienstabzeichen vom Anzug und nutzte die kleine Nadel, die es hielt, dazu, mehrere Male in den Körper des Jiar zu stechen. Stinkendes Gas zischte hervor und das Wesen ließ ihn los, um die Pseudopodien auf die Löcher zu drücken und so zu verstopfen.

Narbatur warf sich zur Seite und rollte sich ab, so dass das Wesen nun schutzlos dastand. Es formte ein weiteres Scheinärmchen aus und versuchte, damit nach dem zu Boden gefallenen Froster zu greifen, aber da donnerte Gosen mit angelegter Waffe: „Schlechte Idee, Hüpfball!“

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Gosen blickte sich erneut um und vergewisserte sich, dass die Lage gesichert war. Narjanka wurde von Milkam versorgt, Gamma war entwaffnet, die Klone erstellten eine Liste der Geiseln und Narbatur sicherte die Halle, während die Frau den Gefangenen in Schach hielt. Eine Agentin des Sternenrats also …

Gosen sah sich um und hatte nach einigen Momenten gefunden, was er suchte: Eine alte Werkzeugkiste. Es war nicht mehr fiel drin, aber eine Rolle Klebeband reichte ihm.

Er ging zügig zu ihrem Gefangenen hinüber, dessen Haut zunehmend faltiger wurde. „Und?“

Sie schüttelte den Kopf.

Gosen lächelte. „Sehr gut!“

Er ging neben dem Wesen in die Knie, das ein wenig von ihm wegglitt, bis Tera missbilligend schnalzte.

„Also“, sagte Gosen und zog seine Thermomachete. „Wir wüssten gerne, wo Sonderermittler Kkim ist, der Jasa Apokato, der mit den Geiseln hier angekommen ist. Du hast die freie Wahl.“

Er hielt das Klebeband in der einen Hand hoch und ließ dann die Machete in der anderen Hand glühend auffauchen. Sehr schnell hoben sich Schuppen, um in gehauchtem Translingus zu berichten: „Er hat die Bruchlandung von den dreien da mitbekommen. Er sagte, er müsse Vorsichtsmaßnahmen treffen. Vermute, dass er zum Energiekern der Station unterwegs ist.“

Gosen hob drohend die Machete.

„Wirklich, das ist alles!“

Er nickte und warf dem Wesen das Klebeband zu, das dieses sofort eilig über die Löcher in seiner Haut klebte.

Gosen erhob sich. Die Menschenfrau fragte: „Ist das die neue Standardbefragungsmethode bei der Kebil-Sicherheit?“

Gosen lächelte sie breit an. „Ich bin privat hier.“

Die Agentin lachte leise.

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Milkam nickte zufrieden. Im Rahmen der Möglichkeiten war das zertrümmerte Bein des Hakhasu erst einmal gut versorgt. Der große Sicherheitsmann nickte ihm dankbar zu.

Der Mensch kam herüber, rief Gosen: „Gesichert“ zu und ging dann neben seinem Kollegen in die Hocke. „Zu dumm zum Antigrav-Rad fahren, hm?“

Der Hakhasu schnaubte nur.

„Halt die Ohren steif, wir sind hier gleich raus.“

Ein Ruck ging durch die Station. Milkam lauschte. Das laute Dröhnen der Autodüsen war verstummt.

„Was geht da vor sich?“, fragte der Mensch ihn.

„Die Station stürzt ab“, sagte Milkam.



Autor: André Wiesler
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Ratschlag ist eine Fortsetzungsgeschichte von André Wiesler aus dem Raumhafen-Adamant-Universum und spielt vor dem Hintergrund des RAD-Rollenspiels. Sie stellt ein Sequel des RAD-Romans Die vergessene Schlacht dar und wird wöchentlich in diesem Blog fortgesetzt. Die vorhergehenden Episoden können hier eingesehen werden.

26

Narbatur sah sich um und fand einen alten Stahlträger, den Narjanka als Krücke benutzen konnte. Mithilfe des Saht Milkam schaffte er es, den schwer atmenden Hakhasu auf die Beine zu stellen.

„Sieh du zu, dass die Ratsmitglieder so schnell wie möglich hier wegkommen!“, wies er seinen Kollegen an.

„Geben Sie jetzt hier die Befehle, Sicherheitsmann Segler?“, fragte Gosens raue Stimme hinter Narbatur. Er drehte sich um und sah dem Kommandanten in die Augen.

Keine Schwäche zeigen, dachte er und nickte. „Irgendjemand muss es ja tun.“

Gosen sah ihn einen Augenblick schweigend an, dann lachte er auf und blaffte Narjanka an: „Worauf warten Sie, Sicherheitsmann? Befolgen Sie die Befehle.“

Dann war der Kommandant wieder verschwunden, sammelte Waffen ein und trieb seine Begleiter zu einem Frachtgleiter am Eingang zu einem vergleichsweise kleinen Gang. Der Saht neben ihnen machte sich ebenfalls auf den Weg zum Kommandanten.

„Ich habe diese Würmer noch nie gemocht“, sagte Narjanka und sah aus, als wolle er ausspucken. „Gehen wir.“

Narbatur schüttelte den Kopf. „Das hier ist noch nicht vorbei. Wir müssen diesen Mistkerl erwischen.“

„Aber die Station stürzt ab. In ein paar Minuten wird sie in den Gasplaneten hinabrasen und zerquetscht werden.“

„Ein Grund mehr, die Beine in die Hand zu nehmen.“

Narjanka musterte ihn eindringlich und legte ihm dann die Hand auf die Schulter. „Pass auf dich auf Kleiner. Du nervst zwar, aber ich habe mich an dich gewöhnt.“

„Ja, ich mag dich auch“, gab Narbatur zurück, umarmte den verdutzten Hakhasu kurz und lief dann zu Gosen, der den Gleiter bereits startete.

„Los, ihr Sesselfurzer. Kommt in die Hufe, oder ich mache euch Beine!“, drähnte Narjankas Bass durch die Halle.

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Beta warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Beamten, die benommen zu anderen Gleitern geführt wurden, sich gegenseitig stützten und in wenigen Augenblicken den Transporter besteigen und diese Todesfalle verlassen würden. Wie gerne würde er mit ihnen gehen, ein Mal, ein einziges Mal nicht mitten ins Verderben rennen, sondern davor weg. Aber ein Blick auf Alpha, der beinahe vorfreudig in das Halbdunkel starrte, in dem sich irgendwo der Energiekern der Station verbergen musste, machte ihm klar, dass er seine Brüder nicht davon würde überzeugen können. Und allein lassen würde er sie ganz sicher nicht.

„Alle an Bord?“, fragte Gosen und schwang sich hinter das Steuer des kantigen, großen Gleiters. Beta sah sich um. Milkam, die Menschenfrau namens Tera und der Sicherheitsmann namens Narbatur hockten auf der Ladefläche des Gleiters, jeder ein Gewehr in den Händen.

In der Fahrgastzelle saßen die drei Klone und Gosen. Nicht eben eine Armee, dachte er und die Angst wurde wieder größer. Wer wusste, wie viele dieser Kugelwesen der falsche Sonderermittler noch bei sich hatte.

„Wird schon“, sagte Gosen und tätschelte einmal die Köpfe der Klonreihe ab. „Haltet euch nur im Hintergrund.“

Dann fuhr er los. Der Antrieb des Gleiters war offensichtlich nicht mehr sonderlich gut in Schuss, denn das Fahrzeug schwankte wie ein Schiff auf offener See und die Scheinwerfer flackerten immer wieder bedenklich.

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Milkam schrie auf und hätte die Menschenfrau ihm nicht im letzten Augenblick die Hand hingestreckt, wäre er rücklings vom Gleiter gefallen.

„Danke. Das Ding bockt ja wie ein schwangerer K’britâr“, kommentierte er, was die Frau lachen und den Mann schmunzeln ließ.

„Und wie sind Sie zu unserem kleinen Abenteuertrupp gestoßen?“, fragte er sie, um nicht über Sareil und seinen erneuten Verrat nachdenken zu müssen.

„Oh, ich war der Sache auf der Spur. Tera Gonzales, Sternenrat-Geheimdienst.“ Sie streckte ihm erneut die Hand hin und er schüttelte sie.

„Spannend“, sagte er und sah zu dem Sicherheitsmann hinüber, der die Frau wie ein verliebter Schuljunge ansah.

„Was hat er vor?“, fragte Milkam und diesmal antwortete Narbatur: „Da er keine Geiseln mitgenommen hat, wird er wohl ein Selbstmordkommando durchführen. Wir haben das bei einem anderen dieser Terroristen bereits erlebt. Er hat die Autodüsen ausgeschaltet, vielleicht hofft er, dass die Sternenratsmitglieder noch auf der Station sind, wenn sie vernichtet wird.“

„Warum erschießt er sie dann nicht einfach?“, fragte Tera.

Narbatur nickte und dann erstarrten seine Gesichtszüge. „Weil er alle, die davon wissen, mit in den Tod reißen will.“

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Gosen hörte das laute Pochen auf dem Dach der Fahrgastzelle und sah kurz über die Schulter. Narbatur stand und trommelte auf das Blech. „Es ist eine Falle“, rief er und wies nach vorne. „Eine Falle!“

Gosen lachte und sah wieder auf den Gang, der im flackernden Licht der Scheinwerfer hin- und herzuspringen schien.

„Natürlich ist es das“, rief er zurück und holte das letzte aus dem altersschwachen Antrieb heraus. Sie würden eben schlauer sein müssen, als der Sonderermittler.

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Narbatur seufzte und ließ sich wieder in die Hocke sinken. „War klar“, kommentierte er Gosens Verhalten. Was hatte er auch erwartet? Dass der Kommandant umdrehte und floh? Dafür war der potenzielle Gefangene zu wichtig, lockten zu viele Informationen.

Er überprüfte den klobigen Froster, den er einem toten Jiar abgenommen hatte. Die Waffe war funktionstüchtig und auch die Lasergewehre in den Händen seiner Begleiter waren geladen und bereit.

„Machen wir das Beste draus“, sagte er und schloss die Augen, versuchte sich ein wenig zu entspannen, Kraft zu sammeln, denn sein Bauchgefühl sagte ihm, dass sie sein PSI-Talent bitterlich brauchen würden.

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Gosen brachte den Gleiter schwankend vor einem Gittertor zum Stehen und stieg aus. Weniger Meter hinter dem Tor, das den gesamten Gang versperrte, befand sich eine verschlossene Tür, auf der zahlreiche Warnzeichen prangten, unter anderem der gelbe Blitz für Starkstrom.

„Ich kann das Tor knacken“, sagte Tera und sprang von der Ladefläche. „Dauert keine zwei Minuten.“

„Das sind zwei zuviel“, bescheid Gosen, zog eine Druckkanone aus der Fahrgastzelle, lud sie und feuerte. Das Tor wurde mit einem lauten Kreischen nach hinten weggerissen und der Druck reichte noch aus, um der Tür einen heftigen Schlag zu versetzen. Gosen warf einen enttäuschten Blick auf den Ladestatus der Waffe, zuckte mit den Schultern und warf sie beiseite. Dann zog er eine Thermomachete und trat durch die Überreste des Gitters an die Tür.

„Abrakadabra“, sagte er und tippte die Tür an, die daraufhin nach innen fiel. Sofort roch Narbatur Ozon, und das leise Knistern und laute Knallen von überschüssiger Energie hallte durch den Gang. Vorsichtig näherten sie sich dem Kommandanten, der in der Tür stand. Der Raum dahinter war erfüllt von einem gigantischen Geteriumgenerator, in dessen Tank jedoch nur noch eine Pfütze ungesund braunen Zhagurs schwappte, die zusehends kleiner wurde. Das war kein Wunder, denn der Generator produzierte Unmengen von Energie, die als Blitze und Funken über die Umwandler und Energiespeicher wanderten, von einer Spitze zur anderen überschlugen und immer wieder auch als Netz aus kleinen Blitzen bis zum Boden krochen.

„Er will den Generator überladen, die Station sprengen, damit wir die Gefangenen nicht rechtzeitig wegbringen können“, erkannte Tera.

In der Mitte dieses ohrenbetäubenden Lichterspiels stand der Sonderermittler, eine hochgewachsene, schlanke Gestalt. Er hatte Posten vor dem Steuerpult bezogen, dem einzigen Ort, an dem das Unglück noch zu verhindern wäre. Die Blitze züngelten immer wieder auch über ihn, wurden aber kurz vor seinem Körper von einem unsichtbaren Schild abgefangen und in den Boden geleitet.

„Freiwillige vor“, sagte Gosen und machte eine einladende Handbewegung zur Tür hindurch.

„Ich erledige das“, sagte Tera, trat vor, hob das Lasergewehr und schoss. Alpha rief entsetzt: „Nein!“, doch es war schon zu spät. Die Waffe summte auf, doch statt einen Laserstrahl abzufeuern, zog die Energie der Waffe einen unterarmdicken, gleißenden Blitzstrahl aus einem Energiespeicher hervor, der mit einem lauten Knall auf Tera überschlug.



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27

Narbatur trat Tera das Lasergewehr im letzten Moment aus der Hand. Die Waffe überschlug sich, wurde von dem Blitz getroffen und zerbarst in Tausend winzige, glühende Funken, die wiederum gleißende Energiefinger anzogen. Narbatur spürte die Hitze der Explosion wie einen Schwall heißen Wassers im Gesicht und riss schützend einen Arm hoch. Das wird ein Sonnenbrand, dachte er und stützte die erschrockene Tera.

„Plan B also“, sagte Gosen, nachdem er sich vergewissert hatte, dass alle mit einem Schrecken davongekommen war. „Waffen weg!“

Milkam gehorchte sofort, aber Narbatur zögerte, bis Alpha an seiner Hose zupfte. Er blickte hinab und der Klon ahmte mit den kleinen Händen eine Explosionswolke nach. „Bumm!“

Narbatur seufzte und warf seine Waffe ebenfalls beiseite.

„Und jetzt?“, fragte Milkam.

„Schnappen wir ihn uns auf die altmodische Tour!“, gab Gosen vehement zurück und ließ die Faust in die Handfläche klatschen.

Der Kommandant machte einen Schritt über die Schwelle, in den Raum hinein, und sofort glitt ein Teppich blitzender Energie über den Boden auf sie zu. Gosen zog den Fuß zurück und die kleinen, schimmernden Blitze kletterten den Türrahmen hinauf, verwoben sich zu einem unsteten Gitter aus fingerdicken, zuckenden, tödlichen Lichtfäden.

„Das ist seltsam“, sagte Alpha und legte den Kopf schief.

Da fiel es Narbatur wie Schuppen von den Augen. „Das sind keine zufälligen Entladungen. Er steuert die Energie!“

Mal sehen, wie dir deine eigene Suppe schmeckt, dachte Narbatur und baute sich breitbeinig vor dem Durchgang auf, schloss die Augen und hob eine Hand, um seine psionischen Energien zu konzentrieren. Morgen, wenn es ein morgen gab, würde er sich dafür verfluchen, aber es half nichts. Er tauchte tief in sich ein und begann die Energie zu spüren, unglaubliche Mengen Energie. Er kam sich vor, als wolle er den Lauf eines Flusses mit einem Eimer umlenken.

„Macht euch bereit!“, sagte er und ballte die Faust, nutzte diese Geste, um seine Konzentration auszusenden, und in die Energie einzutauchen.

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Gosen warf Narbatur einen verwunderten Blick zu, aber dann sah er, wie der Fauststoß des Sicherheitsmannes eine unsichtbare Druckwelle durch die blitzende Barriere schob, die sich durch den Raum weiter fortsetzte. Wie ein Antigrav-Feld schob das psionische Talent des Mannes die Energie aus dem Weg, leitete sie um, bis sich ein Tunnel aus gleißendem Licht bildete. Immer wieder schlugen Blitze zwischen den Wänden über oder leckten aus der Decke und tanzten sekundenlang über den Boden, aber mehr durften sie wohl nicht erwarten. Und ein Seitenblick auf das angestrengte Gesicht des jungen Mannes machte klar, dass er ihnen nicht viel Zeit würde erkaufen können. „Los!“, rief er und stürmte in den Raum. Gamma war sofort an seiner Seite, flitzte mit einem quiekenden Kampfschrei neben ihm her.

Alpha schob Beta vor sich in den Raum, neben Milkam, über dessen metallenen Körper immer wieder etwas Kriechstrom floss. Dass sein Bruder aber auch immer so ängstlich war. Er sah sich gerade zu der Menschenfrau um, als ein lautes Klicken seinen Blick nach oben riss. Ein schweres Sicherheitsschott setzte sich in Bewegung.

„Tür!“, schrie Alpha und die Frau reagierte sofort. Sie wirbelte herum, schob Narbatur durch die Tür und sprang hinterher. Das riesige Schott sauste hinab und traf den Fuß der Frau, zerquetschte ihn zu einem Platten Stück Leder.

Beta schrie – die Frau nicht. Alpha sah sie beeindruckt an, aber da erhob sie sich und schlüpfte aus dem Stiefel, den das Schott erwischt hatte.

„Glück gehabt“, sagte sie leichthin und lief los.

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Gosen sah sich nicht um, als ein schweres Schott donnernd den einzigen Ausgang aus dem Raum versperrte. Alles zu seiner Zeit. Jetzt musste er erst einmal einem psionisch begabten Wurm den Schleim aus der Birne klopfen.

Er hatte den Jasa Apokato erreicht, der ihn um gut zwei Köpfe überragte, dabei aber deutlich dünner war. Er trug die Uniform eines Adamant-Sicherheitsmannes, und das machte Gosen noch wütender. Er sprang, stieß sich an einem Generatorsockel ab und flog auf den Mann zu. Der machte keine Anstalten, sich zu wehren, weswegen ihn schon der erste Schwinger zu Boden riss. Gosen landete kniend auf seiner Brust und schlug erneut zu. Der Kopf des Ermittlers wurde herumgerissen.

Gamma zog das Hosenbein des Mannes hoch und biss ihm in die Wade, was keuchende Laute des Schmerzes bei dem Gegner hervorrief.

Nein, dachte Gosen mit wachsendem Unbehagen. Das ist ein Lachen!

Etwas neben seinem Ohr fing an, schrille, kurze Piepstöne auszustoßen. Er drehte den Kopf und sah auf eine automatische Energiekopplung, deren Timer gerade auf Null umschaltete. Die Relais wurden umgelegt und das laute Summen der Energiespeicher wurde zu einem ohrenbetäubenden Brüllen. Der Energiekern verschluckte den letzten Rest Zhagur wie ein Mensch einen Drink auf SchanSol und das Innere der Speicher glühte auf.

„Verdammt!“, stöhnte Gosen und schloss die Augen.

_____________

Milkam lief hinter Gosen her, warf dabei aber immer wieder skeptische Blicke auf das Dach aus lichtgewordener Energie. Wenn ihn einer von diesen Blitzen traf, würde sein Körper sich augenblicklich ausschalten. In diesem Moment brüllten die Speicher auf und eine Welle gleißender Energie sprang auf ihn über, so heiß und tödlich, dass seine Hand verdampfte, als der Strom seinen Körper traf.

_____________

Narbatur war sich nur entfernt der jungen Frau bewusst, die ihn stützte. Er konzentrierte sich ganz darauf, die wütende Energie von seinen Gefährten fernzuhalten. Sein Kopf drohte mit jedem weiteren Blitz, der sich seiner Kontrolle entziehen wollte, zu platzen. Er fing eine Sturmflut in einem Plastikbeutel auf, aber noch gelang es ihm. Da spürte er, noch bevor seine anderen Sinne es wahrnahmen, das Aufpeitschen der Energie, das Anschwellen des Stroms zu einer Sintflut. Und dann schlugen die Blitze ein.

„Nein!“, schrie er, tauchte so tief in sein Inneres, wie nie zuvor, so tief, dass er nicht sicher war, ob er jemals wieder würde zurückkehren können, und warf sein ureigenstes Selbst gegen die Kräfte an.

Und doch reichte es nicht. Strom erfüllte den Raum, umhüllte seine Freunde und dann auch ihn. Schmerz peitschte durch seinen Körper und seine Muskeln verkrampften sich. Ich habe versagt, dachte er noch, dann … nichts mehr.



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28

Milkam kam wieder zu sich. Er schwamm in einer unangenehm warmen Flüssigkeit, die einen bitteren Geschmack auf seiner resorbierenden Haut hinterließ. Es war dunkel und still, von einem gelegentlichen Knacken abgesehen, das ihn an einen überhitzten Motor denken ließ.

Dann erinnerte er sich. Die Energie … seine Gefährten! Er wand sich in der überhitzten Nährflüssigkeit, die in wenigen Stunden toxisch werden würde, aber sein Roboterkörper reagierte nicht auf seine Impulse.

Dann erwachte langsam, viel zu langsam der Audioscanner. Er hörte es knacken, prasseln, aber keine Schmerzenslaute. Das war gut … oder schrecklich, denn Tote machten keine Geräusche.

Als nächstes kam das Bild der Videosensoren wieder. Er lag offenbar auf dem Rücken. Über ihm war die Luft voller dunkler Rauchschwaden und am Rande seiner Wahrnehmung erahnte er die explodierten Überreste eines Energiespeichers.

Dann endlich sprangen seine Servos wieder an. So schnell er konnte, erhob er sich, nur um gleich wieder umzufallen. Ein Blick an sich herab zeigte, dass der Strom seinen Unterarm als Eintrittsstelle und sein linkes Bein als Austrittsstelle zu einem Klumpen Altmetall zerschmolzen hatte.

Doch das war jetzt ohne Belang. Er rollte sich auf den Bauch und sah sich um. Neben ihm lag Gosen, reglos, das eine Auge offen, das andere geschlossen. Milkam zog sich zu ihm, doch noch bevor er ihn berühren konnte, flatterten beide Augenlider und der Kommandant setzte sich mit einem schmerzerfüllten Stöhnen auf.

Also sah sich Milkam weiter um. Gamma lag ein gutes Stück entfernt und seine Lippenfasern standen senkrecht in die Luft – aber sie zitterten noch dann und wann. Ein gutes Zeichen.

In diesem Augenblick sah er Tera herannahen, den bewusstlosen Narbatur auf den Rücken geladen, so dass seine Füße über den Boden schleiften. Ihre Haare standen in alle Richtungen ab und ein Teil ihrer Uniform war weggebrannt worden und zeigte einen flachen, geröteten Bauch.

„Er lebt“, erklärte sie und legte den Menschen neben Gamma auf den Boden.

Milkam drehte sich weiter und sah Alpha und Beta hinter einem glühenden Gitter liegen, das sie im letzten Moment geistesgegenwärtig vor sich geworfen haben mussten. Auch sie regten sich jetzt langsam.

Da fiel ihm der Hirnfresser ein. Jetzt nenne ich sie auch schon so, schalt er sich und sah sich um. Der Jasa Apokato lag einige Meter entfernt und der Flaum an seinem Kopf und seinem Bauch war zu einer schwarzen Masse verschmort. Doch das Schlimmste war das große Loch, das in seinem Hinterkopf klaffte.

Er ist herausgekrochen, dachte Milkam und sah sich um, musterte seine Gefährten misstrauisch. Er konnte in jedem von ihnen stecken!

_________

Gosen riss einen Ärmel von seiner Uniform, wickelte ihn sich um die Hand und hob eine am Ende noch glühende Eisenstange auf. Als er sich wieder aufrichtete, schwankte kurz alles um ihn und er musste sich an einem gesprungenen Sockel abstützen.

Bring es zu Ende, ermahnte er sich, wankte zum Jasa Apokato, der am Boden lag, nur um zu erkennen, dass hier keine Arbeit mehr zu tun war.

Dann fiel sein Blick auf den gesprengten Hinterkopf des Wesens. Er zählte eins und eins zusammen und wirbelte herum, die glühende Stange erhoben. Ein stechender Schmerz zog von seinem Nacken in seinen Kopf.

Merkt man es, wenn sie einen steuern?, fragte er sich unbehaglich und musterte die anderen Anwesenden misstrauisch.

Alpha stöhnte, fasste sich an den Kopf und stöhnte noch einmal. Neben ihm setzte sich Beta auf und stieß dabei einen nicht enden wollenden Strom der immergleichen Silbe aus: „Au, au, au, au, au, au …“

Widerwillig richtete sich auch Alpha auf. Er stützte sich ab und seine Hand fasste in scharfkantige Splitter. Es waren die Überreste des HFS, aber nicht die Entladung hatte dem Gerät den Garaus gemacht, sondern einige gezielte Tritte. Warum sollte jemand den Saht-Scanner vernichten? Es gab nur eine Antwort darauf und ein Blick zu dem Jasa Apokato hinüber bestätigte seine Befürchtung. Der Hirnfresser hatte den Wirt gewechselt.

Gosen stand mit einer zur Waffe umfunktionierten Stange in der Hand da und sagte: „Einer von uns steckt in echten Schwierigkeiten.“

_________

Narbatur blickte zu Tera auf, die bereits wieder stand und nicht so wirkte, als habe sie der Elektroschock wirklich aus der Fassung gebracht. Allerdings war sein Blick auch sehr verschwommen und pulsierte im Takt mit den Schmerzen, die seinen gesamten Körper ausfüllten. Sein Kopf hingegen schmerzte nicht. Dieses Wort reichte dafür nicht aus. Sein Hirn hatte sich in eine gewaltige, gleißende Supernova verwandelt, die ganz Adamant mit Energie versorgen könnte.

Gosen stand wenige Meter neben ihnen. Narbatur wollte eben nachfragen, ob er alles richtig verstanden hatte, ob der Saht wirklich bei einem von ihnen in den Körper gekrochen war – wie oder wo wollte er gar nicht wissen – da stürzte sich Tera auf Gosen.

Der Fleutar wirbelte herum und schlug zu. Tera fing die Stange gerade noch mit dem Unterarm ab und das glühende Ende schmorte sich durch ihren Ärmel bis auf die Haut.

Sie riss den Arm mit einem wütenden Schmerzensschrei zurück und trat Gosen in der gleichen Bewegung vor dir Brust. Auch der Kommandant war offensichtlich von dem Energieschock noch mitgenommen, denn er wurde nach hinten geworfen.

Doch er rollte sich ab, kam wieder auf die Beine und sprang auf Tera zu. Die hob beide Hände und rief: „Halt!“.

Auf Gosen machte das keinen Eindruck. Er schlug trotzdem zu, doch Tera duckte sich zur Seite weg.

„Hören Sie auf, Gosen!“, sagte sie eindringlich. „Das war ich nicht. Jemand hat mich geschubst.“

Narbatur sah sich verwundert um, aber außer ihm war niemand in der Nähe, und er hatte Tera sicher nicht geschubst. Oder doch? Vielleicht kommen die Kopfschmerzen von dem Saht in meinem Hirn?

_________

Beta musste gegen Tränen ankämpfen, weil sein ganzer Körper so wehtat. Erst als er es irgendwie geschafft hatte, aufzustehen, bemerkte er, dass er in einem fort jammerte und klappte den Mund zu, nur um ihn gleich wieder aufzumachen, als Gosen und Tera miteinander kämpften.

Gamma sprang auf, als sei nichts geschehen und stürmte jauchzend an ihm vorbei auf einen Schaltkasten zu, dessen Oberseite weggesprengt war und der offensichtlich immer noch unter Strom stand – die Funken und überschlagenden Blitze sprachen eine deutliche Sprache.

Instinktiv hielt Beta seinen Bruder am Kragen fest. „Das ist gefährlich“, sagte er und drückte Gamma auf den Boden. „Bleib hier sitzen.“

„Manno!“, protestierte Gamma, sank aber auf den Boden und fing an, mit den Trümmern des Hirnfresserscanners zu spielen.

Er trat zu Alpha. „Er ist in einem von uns?“, fragte er leise und der andere Klon nickte. „In wem?“

Alpha zuckte mit den Schultern. Er war ungewöhnlich wortkarg. Beta trat einen Schritt zur Seite und musterte seinen Bruder misstrauisch, was der einzige Grund war, dass er den Schlag kommen sah.

Alphas Faust zuckte vor und hätte Beta genau an der Schläfe getroffen, wenn dieser sich nicht im letzten Moment vor Schreck einfach hätte fallen lassen.

„Beta, ich …“, setzte Alpha an, aber Beta hatte genug gesehen. Er wich sitzend zurück und rief: „Alpha! Er steckt in Alpha!“

_________

Milkam wirbelte zu den beiden Klonen herum. Hätte ich nur eine Waffe, dachte er und in diesem Moment sauste etwas aus einer entfernten Ecke auf ihn zu. Er riss die Hände hoch und fing einen Froster auf, der dort gelegen haben musste. War ich das?, fragte er sich noch, da ruckte die Waffe herum und feuerte auf Narbatur.

_________

Narbatur sah zu Alpha hinüber, der mit erschrockenem Gesichtsausdruck auf seinen Bruder starrte. Entweder wusste der Klon nicht, dass der Hirnfresser ihn steuerte, oder er war ein verdammt guter Schauspieler. Gosen drehte sich ebenfalls herum, hielt Tera aber im Augenwinkel. Er schien die gleichen Gedanken zu haben. Oder er brachte es nicht über sich, den kleinen Mann anzugreifen.

In dem Moment fauchte ein Froster auf, den Milkam plötzlich in den Händen hielt, und ein graublauer Strahl raste auf ihn zu. Narbatur wollte ausweichen, aber sein Körper war zu erschöpft, die Schmerzen waren zu groß.

Das ist das Ende, dachte er, und ironischerweise: Wenigstens steckt er nicht in meinem Hirn.





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Ratschlag ist eine Fortsetzungsgeschichte von André Wiesler aus dem Raumhafen-Adamant-Universum und spielt vor dem Hintergrund des RAD-Rollenspiels. Sie stellt ein Sequel des RAD-Romans Die vergessene Schlacht dar und wird wöchentlich in diesem Blog fortgesetzt. Die vorhergehenden Episoden können hier eingesehen werden.

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Narbatur spürte die Kälte schon in seine Glieder schießen, da sprang ihn Tera an. Sie riss ihn von den Füßen, doch sie war einen Sekundenbruchteil zu langsam. Der Strahl traf sie genau in den Rücken und eisige Kälte schlug Narbatur entgegen, als ihr Körper sich versteifte, Rücken und Beine von einer Eisschicht bedeckt wurden und das Wasser in ihrem Gewebe sich knisternd in Kristalle verwandelte.

Dann landeten sie auf dem Boden. Narbatur wollte entsetzt aufschreien, aber das Gewicht des vereisten Körpers presste ihm die Luft aus den Lungen.

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Gosen sprang auf Milkam zu, doch als er zum Schlag ausholte, hob der Roboterkörper die Arme und ließ die Waffe fallen. „Gosen!“, mahnte er. „Denk nach.“

Er hielt inne, das Rohr zum Schlag erhoben. Natürlich – Milkam war der einzige, der nicht das Opfer des Saht sein konnte. Er war selbst ein Saht.

„PSI“, erkannte Gosen und fluchte leise. Dieser Mistkerl steckte in einem von ihnen und benutzte seine PSI-Kräfte, um sie gegeneinander auszuspielen. Tera und Milkam waren aus dem Schneider. Narbatur wohl auch, oder der Saht war verwegener, als Gosen gedacht hätte. Würde er auf sich selbst schießen? Es wäre die perfekte Tarnung.

Oder es war einer der Klone …

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Milkam vergewisserte sich, dass Gosen nicht mehr auf ihn einschlagen wollte, dann eilte er zu der Menschenfrau hinüber. Sie war weitgehend vereist, aber ihre Brust und ihr Kopf waren noch warm.

„Wenn wir sie rasch in eine Stasiskammer bekommen, hat sie eine Chance“, beruhigte er den Sicherheitsmann, der mit entsetztem Gesichtausdruck unter der Frau lag. Seine Augen glitten immer wieder in einen leeren Blick hinüber und Milkam erwartete, dass er jeden Moment vor Überanstrengung wieder ohnmächtig werden würde, aber dann riss der Mensch sich zusammen und nickte.

„Vorsichtig, dass die Beine nicht abbrechen“, mahnte Milkam, als sie die Frau vorsichtig von ihm herunterhoben.

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Alpha warf Beta einen misstrauischen Blick zu. Sein Bruder war zu schnell bereit gewesen, ihn anzuklagen. Um von sich selbst abzulenken?

Gosen kam langsam, drohend näher. Sein Blick wanderte zwischen Alpha und Beta hin und her, versuchte zu ergründen, wem er die Stange über den Kopf ziehen sollte.

Beta keuchte furchtsam auf, blickte Alpha kurz an, schwieg aber. Dann trat er hinter seinen Bruder und legte ihm den Arm um den Hals, drückte ihm eine scharfe Plastikscherbe aus dem Gehäuse des HFS an den Hals.

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Gosen blieb stehen, als Beta seinen Bruder als Geisel nahm. Denk nach, ermahnte er sich. Er hatte heute schon zu oft spontan gehandelt.

Er musterte Alphas verdutztes, ängstliches Gesicht. Die Scherbe stach ein wenig in seinen Hals, dünnes, bläuliches Blut sickerte daraus hervor. Und die Spitze zitterte.

Betas Gesicht war angespannt, seine großen Augen wirkten eher ängstlich als wütend. Schweiß trat auf seine Stirn und sein Unterkiefer bewegte sich leicht, als wolle er etwas sagen, bekäme es aber nicht heraus.

Also musste es Alpha sein. Er sprang vor und schlug dem Klon so sanft, wie er konnte, die Stange auf den Kopf. Der verdrehte die Augen, schaffte es noch protestierend zu schnaufen, und sank dann aus dem erschlaffenden Griff seines Bruders.

„So, das hätten wir“, erklärte Gosen zufrieden. Da fiel sein Blick auf Gamma, der ihn breit angrinste, die Hand hob und die Frosterwaffe auffing, die ihm wie von Geisterhand zuflog.

Der falsche Klon, erkannte Gosen und stürmte vor, doch da glühte die Waffe bereits auf und feuerte.

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Narbatur sah, wie Gosen sich zur Seite warf, abrollte, weiterlief, während Gamma die riesige Waffe herumschwenkte und unablässig feuerte. Trümmer und Energierelais wurden in Eis gehüllt, doch der Kommandant blieb der Waffe immer einen halben Meter voraus. Bis er in einer Pfütze verkochter Zhagurüberreste ausrutschte. Er stürzte aus vollem Lauf, versuchte sich noch über die Schulter abzurollen, knallte dabei jedoch mit der Stirn auf einen Betonbrocken und blieb benommen liegen. Der Strahl zuckte gnadenlos weiter, hatte die Pfütze bereits erreicht und ließ sie zu grüngelbem Eis erstarren.

Narbatur schrie wütend auf, konzentrierte sich auf die Waffe, beschwor seine psionische Kraft herauf, um ihre Schaltkreise kurzzuschließen, den Kommandanten zu retten. Doch der Schmerz in seinem Kopf explodierte, vor seinen Augen tanzten weiße Punkte und er spürte, wie seine Knie unter ihm nachließen. Er hörte das Zischen des Frosters und wusste, dass es zu spät war, dass Gosen vom tödlichen Eis eingeschlossen wurde.

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Milkam spürte eine kalte, unbezähmbare Wut in sich aufsteigen, wie er sie noch nie verspürt hatte. Dieser Saht hatte seinen Freund übernommen, einen kleinen, unschuldigen Klon. Er war im Begriff, einen weiteren Freund zu töten. Er und seine Hirnfresserkollegen waren Schuld daran, dass Girbal ermordet worden war.

Milkam kanalisierte diese unglaubliche Wut, nutzte ihr brennendes Feuer und packte zu. Geistige Finger schlossen sich um den Lauf der eisspuckenden Waffe und hielten sie an Ort und Stelle.

Gamma *- nein, der Saht in ihm! - blickte verdutzt auf das Mordwerkzeug, runzelte die Stirn und ruckte am Lauf, aber Milkams psionischer Griff hielt sie an Ort und Stelle.

Gamma sah sich um und Milkam spürte etwas unsichtbares, irgendwie Klebriges über sich streichen. Dann riss Gamma eine Hand in seine Richtung hoch und Milkam wurde blind und taub. Er spürte, wie sein psionischer Griff verpuffte, weil er sein Ziel nicht mehr sah. Er versuchte seinen Roboterkörper zu aktivieren, aber der gehorchte nicht. Der Mistkerl hat ihn ausgeschaltet, dachte Milkam verzweifelt und warf sich in der Nährflüssigkeit hin und her. Der Behälter im Kopf seines Roboterkörpers war jetzt nicht mehr, als ein Gefängnis.

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Gosen erhob sich benommen und schüttelte den Kopf. Er wusste nicht, warum er noch nicht vereist war, aber es konnte nur noch eine Frage von Sekunden sein. Er zwang seinen Körper wieder unter seine Kontrolle, und es gelang, wenn auch nur notdürftig. In Momenten wie diesen wünschte er sich seine Naniten zurück.

Er blinzelte und sah den Strahl der Waffe wie festgeheftet auf einen gesprungenen Energiespeicher keine zwanzig Zentimeter neben sich gerichtet. Das Bauteil war mittlerweile von einer dicken Eisschicht umgeben, die stetig anwuchs.

Nicht starren, bewegen!, ermahnte er sich in Gedanken, aber da riss Gamma eine Hand hoch und plötzlich zuckte die Waffe zu ihm herum.

Chance verpasst, waren seine letzten Gedanken.

Beta starrte auf Gamma, der einige Meter von ihm entfernt stand, ein bösartiges Grinsen im Gesicht, und auf Gosen schoss. Auf den Mann, den er seinen Papa nannte! Der für sie alle ein Freund, mehr noch, Familie war.

Sein Bruder riss die Hand in Richtung Milkam hoch und plötzlich konnte er die Waffe wieder bewegen. Der Strahl ruckte herum und … verschwand. Die Waffe gab ein klägliches, letztes Summen von sich, dann erloschen alle Lichter an ihr. Die Batterie war leer!

Gamma fluchte, schüttelte die Waffe wütend, betätigte erneut den Abzug, aber nichts geschah. Also warf er sie weg und streckte die Hand nach einem großen Energiespeicher aus, der neben Gosen stand. Das riesige Bauteil geriet ins Wanken, als der Saht seine psionischen Kräfte durch Gamma leitete, um Gosen mit dem zylinderförmigen Monstrum zu erschlagen.

Zeit, ein Held zu sein, ermunterte sich Beta und schaffte es tatsächlich, seine Angst zu überwinden. Mit einem Schrei, der ihm Mut machen sollte, stürmte er los, auf Gamma zu, und riss seinen Bruder um. Sie waren gleichgroß, gleichschwer, aber Beta hatte einen gewaltigen Vorteil. Er hatte gelernt, sich seinen Gefühlen hinzugeben. Und jetzt war er wütend.

Er schlug Gammas Kopf einmal kräftig auf den Boden, dann kniete er sich auf die Arme seines Bruders. Er holte zu einem weiteren Schlag aus … da hob Gamma den Kopf, sah ihn aus großen, traurigen Augen an und sagte: „Aua!“

Beta hielt inne, brachte es nicht über sich, seinen verletzlichen, hilflosen Bruder erneut zu schlagen – und wurde durch die Luft davongeschleudert, als Gamma auflachte und eine ruckende Kopfbewegung in seine Richtung machte. Beta landete auf etwas Weichem. Erschrocken bemerkte er, dass es Alpha war, doch dieser Schreck wurde nebensächlich, als er sah, wie Gamma auf die Beine sprang, die Arme in die Luft reckte und plötzlich von überallher Blitze und elektrische Kriechströme auf ihn zuwanderten. Es dauerte nur Sekunden, dann hielt er einen kopfgroßen Ball gleißender Energie in den Händen. Er holte aus, um den Kugelblitz zu werfen, und sagte: „Hm, Klonbraten.“



Autor: AWiesler
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Ratschlag ist eine Fortsetzungsgeschichte von André Wiesler aus dem Raumhafen-Adamant-Universum und spielt vor dem Hintergrund des RAD-Rollenspiels. Sie stellt ein Sequel des RAD-Romans Die vergessene Schlacht dar und wird wöchentlich in diesem Blog fortgesetzt. Die vorhergehenden Episoden können hier eingesehen werden.

30



Gosen sprang auf die Beine und rannte auf Gamma zu, aber er war zu weit weg. In diesem Moment holte Gamma bereits aus, wollte die gesammelte Energie auf die Klone werfen.

Narbatur trat schwankend von hinten auf ihn zu. Er hielt eine gebogene Eisplatte in der Hand, die er von einem der vereisten Bauteile gebrochen haben musste, und in der Vertiefung der Platte schwappte etwas Flüssigkeit.

Das Gesicht des Sicherheitsmannes zeigte Mitleid, aber er kippte das Tauwasser trotzdem über den Klon, der in diesem Moment seinen Kugelblitz werfen wollte. Das Wasser zischte, als es auf die gleißende Energie traf, und als die Tropfen den Körper des Klons erreichten, gab es einen lauten Knall. Der Kurzschluss riss den kleinen Gamma von den Beinen, schleuderte ihn meterweit durch den Raum, bis er hinter einem geborstenen Generatorrelais landete.

Narbatur brach auf die Knie und blieb schwer atmend hocken. Gosen änderte die Laufrichtung und las im vorbeilaufen die Scherbe auf, mit der die Klone sich bedroht hatten.

Es würde ihm das Herz brechen, wenn er den kleinen Mann töten müsste, aber wenn er nur dadurch die anderen Anwesenden retten konnte, würde er es tun.

Er flankte über das Relais und landete neben Gammas rauchenden Körper. Die Augen waren geschlossen und bis auf gelegentliches Zittern war er reglos. Gosen kniete sich neben den Kleinen, legte ihm die Scherbe an den Hals.

Nein, sagte er sich. Das wäre ein zu hoher Preis!

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Beta atmete erleichtert auf, als Gosen mit dem ohnmächtigen Gamma auf den Armen um das Relais herumkam. Vielleicht konnte alles ja doch noch ein gutes Ende nehmen. Er wollte eben etwas sagen, da klang ein lautes, schiefes Kreischen durch den Raum und die hintere Wand beugte sich bedenklich nach innen.

Gleichzeitig spürte er, dass die künstliche Schwerkraft der Station nachließ. Er fühlte sich leichter, dabei stieg aber der Luftdruck, weil die Luft weniger Platz hatte, um sich auszudehnen.

„Was geschieht?“, fragte er Gosen, der fluchte und sich umsah.

Beta lief zu ihm und wiederholte seine Frage.

„Die Station ist so weit abgesunken, dass der Druck des Planeten sie zerquetscht.“

Beta lief es kalt den Rücken herunter. Das fehlte ihnen gerade noch.

„Also nichts wie weg“, sagte er, aber dann fiel sein Blick auf das schwere Sicherheitsschott, das den einzigen Ausweg versperrte. Er sah sich nach der Steuerung für das Tor um, fand aber nur noch glimmende Kabel und Trümmer, wo die Steuerkonsole gestanden hatte. Und ohne Strom würde sich das Schott ohnehin nicht bewegen.

„Und jetzt?“, fragte er Gosen, der das Gesicht verzog und sagte: „Irgendwelche letzten Worte?“

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Milkams Sicht kehrte zurück und er sah Beta, Gamma und Gosen dort stehen. Dann kam auch das Gehör wieder und er vernahm Gosens Stimme: „Irgendwelche letzten Worte?“

Milkam trat zu Narbatur und half ihm auf die Beine. Der Mensch fragte benommen: „Worauf warten wir?“

„Tor ist zu“, sagte Gosen und klang fast gelangweilt. Vermutlich seine Masche um die Angst zu überspielen.

Milkam sah zu dem Tor hinüber. Es war riesig und schwer. Aber er hatte sich selbst in den letzten Tag mehr als einmal überrascht.

Alpha regte sich und stand auf. Er rieb sich eine dicke Beule auf dem Scheitel und warf Gosen einen wütenden Blick zu.

„Macht euch bereit, hinauszulaufen!“, sagte Milkam und baute sich einige Schritte vor dem Tor auf.

Es sprach für seine Gefährten, dass keiner ihm Fragen stellte. Vielleicht machte ihnen aber auch das laute Knirschen Beine, mit dem sich die hintere Wand immer weiter in den Raum bog.

Schnell war eine Trage für Tera improvisiert, die Alpha und Beta laut schnaufend trugen. Die Menschenfrau war leicht, aber die Klone waren eben eher Denker als Sportler. Gosen hatte sich Narbaturs Arm umgelegt und trug Gamma über der anderen Schulter.

„Los!“, befahl der Kommandant und Milkam konzentrierte sich. Girbal, ich mache dich stolz, dachte er und ließ seine psionischen Kräfte aufwallen. Er spürte förmlich die kalte, metallische Berührung des Schotts unter seinen unsichtbaren Fingern. Ein letzter Blick auf seine Gefährten, die seine Hilfe brauchten, dann packte er zu. Es war ein Gefühl, als spritze ihm jemand Curare direkt ins Gehirn. Seine Sinne stumpften ab, seine Wahrnehmung schrumpfte auf einen kleinen, schmerzhaften Punkt in seinem Kopf. Er ignorierte die wachsende Qual und riss in Gedanken an dem Schott, stemmte sich gegen das unglaubliche Gewicht der Tür.

Die Schwerkraft der Station ließ noch ein wenig nach und da setzte sie sich in Bewegung. Mit einem lauten, protestierenden Knirschen schob sie sich Millimeter für Millimeter weiter hoch.

Kaum war der Spalt breit genug, duckte sich Alpha hindurch und zog Tera hinter sich her. Gosen kugelte Gamma auf den Gang dahinter, schob Narbatur und Beta hindurch und rollte selbst hinterher.

„Komm!“, forderte er.

Milkam zögerte. Er war sich nicht sicher, ob er den Druck aufrechterhalten konnte, wenn er sich bewegte. Also nahm er all seine geistigen Kräfte zusammen, stieß das Tor hoch und sprang. Doch er war zu langsam. Das Schott krachte herunter, bevor er hindurch war und zermalmte seine Brust, trennte seinen Körper knapp unter Schulterhöhe ab.

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Beta starrte entsetzt auf den zerquetschten Milkam, aber Gosen lachte auf und sagte: „Na bitte, geht doch.“

Dann hob er seine Thermomachete auf, die er vor der Tür mit den anderen Waffen zusammen weggeworfen hatte, und hackte dem Saht den Kopf ab. Da erst erinnerte sich Beta, dass Milkam ja nur einen künstlichen Körper besaß. Der kleine Saht ruhte in einem Bottich im Innern des Kopfes.

„Nicht verlieren“, sagte Gosen und drückte Alpha den Kopf in die Hand.

Ein lauter Knall ließ sie herumwirbeln und im nächsten Moment begann die Luft durch den schmalen Schlitz zu zischen, wo Milkams Körper die Tür offenhielt. Der Zug wurde zu einem Wind und dann zu einem Sturm.

„Zum Gleiter“, rief Gosen und stürmte vor. Beta lehnte sich gegen den zunehmenden Wind und zerrte die Frau hinter sich her, die immer schwerer wurde.

Sie hatten den Gleiter fast erreicht, als von der Seite eines dieser runden Wesen in ihren Weg rollte. Es hatte offenbar noch größere Schwierigkeiten, sich gegen den Wind zu behaupten, aber das hinderte es nicht daran, einen Froster auf sie zu richten.

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Gosen verfluchte sich, dass er bis auf seine Machete keine Waffe mitgenommen hatte, aber mit dem Menschen auf dem einen und dem Klon auf dem anderen Arm hätte er ohnehin nichts ausrichten können. Da kam ihm eine Idee. Er seufzte, trat einen Schritt vor, damit das Wesen die Waffe auf ihn richtete, und sagte: „Vorschlag: Ich sichere dir Amnesie zu und nehme dich mit von der Station.“

Das Wesen schnaubte eine grüne Wolke, die von der zum Leck eilenden Luft mitgerissen wurde.

„Lass es mich anders formulieren. Dein Boss ist tot“, log er. „Du wirst also nicht mehr bezahlt. Außerdem wird die Station in ungefähr einer Minute zerquetscht, was dir aber egal sein wird, denn sobald du uns erschossen hast, wird dich der Luftstrom durch den Schlitz unter der Tür saugen. Wenn du also keinen genialen Fluchtplan hast …“

Das Wesen dachte einige Sekunden nach, dann senkte es die Waffe.

„Prima! Alles einsteigen“, rief Gosen und eilte zum Gleiter. Wenig später rast er durch die Tunnel, die nicht mehr so aussahen, wie er sie in Erinnerung hatte, weil die Station mittlerweile schon ordentlich zerbeult war. Der Söldner ruhte neben ihm auf dem Copilotensitz und wies ihm mit kleinen Pseudopodien, die er je nach Bedarf ausbildete, den Weg. Das übelriechende Gas, das unter seinen Schuppen hervorströmte, füllte langsam die Fahrgastzelle.

Endlich erreichten sie den Hangar.

Bitte, sei da!, flehte Gosen in Gedanken und atmete erleichtert auf, als er sein Schiff noch immer im Hangar stehen sah. Für einen kurzen Moment hatte er befürchtet, dass doch jemand überlebt und es gestohlen hatte.

Sie luden die Verletzten in das Schiff und kurz überlegte Gosen, ob der die Kugel doch zurücklassen sollte. Aber er hatte sein Wort gegeben, darum nahm er ihr nur die Waffe ab.

„Na, das war mal wieder spannend“, kommentierte er, als er sich in den Pilotensitz fallen ließ.

In diesem Moment gab es ein markerschütterndes Kreischen und die Außenhülle der Station wurde zusammengedrückt. Die Öffnung des Hangars verschwand, wurde durch zusammengeballtes Metall ersetzt und der große Raum wurde schnell kleiner.

„Ich und meine große Klappe“, sagte er leise.



Autor: André Wiesler
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Beta lief zu Gosen nach vorne und sprang auf den Copilotensitz. Kaum hatte er sich angeschnallt und den Blick durch das Cockpitfenster gerichtet, wünschte er sich, er hätte es nicht getan. Da war keine Hangaröffnung mehr, genauso genommen war da auch nicht mehr viel Hangar. Die Station hielt dem Druck nicht mehr stand und würde sie in ihrer Mitte einschließen.

„Warum ist bei mir nie etwas einfach?“, fragte Gosen ihn grimmig und startete das Raumschiff.

„Schon mal eine Schiffkanone abgefeuert?“

Beta schüttelte entsetzt den Kopf, da schnellte neben ihm ein kleiner Steuerknüppel aus der Lehne. Ein roter Knopf darauf fing an zu leuchten und ein ebenfalls rotes Zielkreuz erschien auf dem Cockpit.

„Dann lernst du besser schnell!“

Beta quiekte leise, räusperte sich und fragte: „Auf was soll ich schießen?“

„Immer auf die gleiche Stelle“, sagte Gosen. „Wir stanzen uns einen Weg raus. Los!“

Beta umfasste den Knüppel und drückte den roten Knopf. Die Verlagerungswelle eines Olmanorgeschützes prallte auf die Außenwand, die immer dicker wurde, weil der Druck Schicht um Schicht Metall nachschob. Die Welle ließ das Metall aufglühen und riss einen Krater hinaus, an dessen Ende man durch ein winziges Loch den Gasplaneten erahnen konnte.

Gosen startete und flog darauf zu.

„Warte noch“, keuchte Beta, während Gosen Trümmerstücken auswich.

„Keine Zeit, Kleiner“, gab Gosen zurück und beschleunigte. Der riesige Hangar war nun nicht mehr viel größer als eine Sporthalle.

Das Geschützt piepste Bereitschaft und Beta schoss erneut, aber diesmal traf er die Wand ein Stück zu weit links. Nun befanden sich zwei Krater darin, beide viel zu eng, um das Schiff hindurchzufliegen.

„Der nächste zählt“, sagte Gosen und beschleunigte noch weiter.

Der Hangar schrumpfte immer schneller und in wenigen Sekunden würde alles hier drin wie eine Fliege zerquetscht. Beta wischte sich die schweißige Hand am Overall trocken.

Das Geschützt piepste, sie waren keine vierzig Meter mehr entfernt. Beta schloss die Augen, atmete tief durch. Einfach treffen, dachte er, öffnete die Augen und feuerte.

Die Welle traf genau in die Mitte der beiden Krater. Flirrend riss sie einen Krater in die Außenwand, der dem Fleutar-Jäger gerade genug Platz bot – leider flogen sie quer zum Riss. Gosen fluchte, ließ den Jäger rollen, doch nicht schnell genug.

Die glühende, scharfe Kante der Station schnitt oben in das Triebwerk und an der Unterseite in den Rumpf, riss ein klaffendes Loch hinein. Beta wirbelte herum und sah, dass die Kante den Körper des Jiar aufschlitzte. Er explodierte in einer Welle grünlichen Schleims, der über die anderen Passagiere spritzte.

Luft entwich zischend, aber dann erwachte flackernd ein Biosiegel zum Leben und hielt die Atmosphäre konstant.

Trudelnd glitten sie durch den Nebel des Gasplaneten und sofort leuchteten zahlreiche rote Warnlampen auf. Auch ihr Schiff würde, obwohl es deutlich stabiler war, dem Druck nicht lange standhalten.

„Musst es immer spannend machen, hm?“, fragte Gosen ihn und Beta grinste zufrieden. Bis Gosen den Steuerknüppel drehte und das Triebwerk ausging.

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Gosen hieb mit der Faust auf die Anzeigenleiste. „Das gibt es doch nicht!“

Als wäre das ein Zauber gewesen, erwachte das Triebwerk stotternd wieder zum Leben. Gosen orientierte sich und machte sich daran, der Schwerkraft des Planeten zu entkommen. Weitere Warnlampen leuchteten auf, aber Gosen ignorierte sie. Der Jäger kämpfte sich langsam, mühselig aus den Nebeln des Planeten und das Stottern des Antriebs wurde immer lauter.

Nur noch ein Stückchen, flehte Gosen. Sie brauchten nur noch einige hundert Kilometer, dann könnten sie einfach auf die Schiffe warten, die schon bald von Adamant aus hierher unterwegs sein würden.

Der Antrieb ging aus. „War ja klar“, dachte er, als das Schiff langsamer wurde. Kurz verharrte, und dann gemächlich wieder auf den Planeten zufiel.

„Das ist jetzt ein schlechter Scherz“, sagte Alpha, der eben ins Cockpit getreten war, einen Blick auf die Anzeigen warf und sein Talent für Deduktion bewies.

Er blickte von Gosen zu Beta und zurück. Dann seufzte er und ließ sich auf den Boden sinken. „Ich mag nicht mehr.“

In diesem Moment ging ein Ruck durch den Jäger. Ein blausilbernes Licht umhüllte sie und dann kam ein großes Sternenratschiff in Sicht. Es zog sie mit seinem Suspensionsstrahl in seine Landebucht.

Gosen starrte einige Augenblicke ungläubig auf das Schiff und sagte: „Also eins muss ich euch lassen. Mit euch wird es nie langweilig!“

Ihr befreites Lachen hallte durch den demolierten Innenraum des Jägers.





Epilog

Narbatur senkte den Kopf, damit der Ratsvorsitzende ihm den Orden überstreifen konnte. Unter lautem Applaus der versammelten Rats- und Kebilbeamten, der Presse und nicht zuletzt einem Großteil seiner Kollegen richtete er sich wieder auf, schüttelte dem Vorsitzenden die Hand und ging zu den anderen hinüber.

Narjanka grinste ihm breit zu. Die Antigravschiene am Bein des Hakhasu zischte leise, als er einen Schritt zur Seite machte, um ihm Platz zu machen. Hinter ihm kam der glänzende, silberne Körper Milkams zum Vorschein, der wirkte, als habe man Quecksilber in eine Form gegossen. Das ausdrucksstarke Gesicht zeigte ein stolzes Lächeln.

Als Narbatur sich einreihte, nickte ihm Gosen von der anderen Seite zu und Tera, die hinter Narbatur stand und deren Bewegungen immer noch etwas steif waren und dies auch noch einige Wochen bleiben würden, drückte kurz seine Hand.

„Bilde dir bloß nicht zuviel darauf ein“, zischte ihm Narjanka zu. „Du bist und bleibst der Kleine.“

Narbatur lachte leise auf. Auf der großen Tribune im Park vor dem Purpur-Versammlungszentrum waren nun als letzte in der Reihe der zu Ehrenden die Klone an der Reihe, ihren Orden zu erhalten. Der Vorsitzende musste sie zweimal aufrufen, dann wurden Alpha und Beta auf die Bühne getrieben.

Sie ließen sich die Orden überstreifen und eilten dann zu ihnen herüber. Während der Ratsvorsitzende unauffällig einen dritten Orden in der Tasche verschwinden ließ und in einer langen Rede noch einmal die Leistung der geehrten betonte, flüsterte Alpha Gosen zu: „Gamma ist verschwunden!“

Gosen schnaubte nur.

Da hörten sie ein lautes Hupen und ein nagelneuer, windschnittiger Gleiter schoss vom Parkplatz auf die Wiese.

„Ist das nicht deiner?“, fragte Narbatur seinen Kollegen, aber das entgeisterte Gesicht des Hakhasu machte eine Antwort überflüssig.

Das Verdeck war heruntergefahren und offenbarte Gamma, dessen dicker Kopfverband wie ein Turban wirkte. Der Klon, dem von seiner Zeit als Hirnfresserwirt nichts mehr anzumerken war, winkte freudig und rief: „Guck Papa, ich kann Gleiter fahren!“

Dabei ließ er das Steuer los und der Gleiter ruckte zur Seite.

Narjanka stieß einen langgezogenen Schrei aus, als der Gleiter gegen einen der Bäume krachte und der Sicherheitsschaum den Innenraum ausfüllte: „Nicht schon wieder!“

Ende



Autor: André Wiesler
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