Rezension Pax Draconis

Silvermane

Wahnsinniger
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Pax Draconis


Grundregelwerk


Herzlich Willkommen zu einer weiteren Ausgabe von "Exotische Rollenspiele mit Silvermane".

Heute Abend haben wir einen gelungeneren Vertreter der Kategorie "Eher Harte Science Fiction" im Härtetest, das RPG Pax Draconis von Technicraft Design.

Pax Draconis spielt in einer fernen Galaxie zu einem unbestimmten Zeitpunkt; der Planet "Erde" exisitert in diesem Setting nicht, wohl aber eine gewaltbereite, expansionistische Rasse die auf den Namen "Menschen" hört. Und zu eurer Beruhigung: Wir stellen 80% der intelligenten Lebensformen.

Ich bringe das ganze auf einen Punkt, ohne euch unnötig mit Details zu langweilen: Es herrscht Bürgerkrieg, das alte Drakonische Imperium ist in zwei Seiten aufgespalten, und die Spieler machen das Beste aus der Situation.

Es exisiteren 3 große Rassen: die Menschen (sollte jeder kennen), die Treeber (eine sehr anpassungsfähige Alienspezies) und die Draconians (militaristische Pseudodrachen).
Treeber sind eine froschartig anmutende Fremdrasse, die vor langer Zeit von Aliens "ausgesäht" wurden. Die meisten Treeber haben sich an ihre Umgebung angepasst und können daher in ihrem äusseren stark voneinander abweichen. Wo die eine Unterart dickes Fell und Infrarotsicht entwickelt hat, kann eine andere Greifzehen und einen Satz Extraarme haben. Treeber atmen durch die Haut und erzeugen ihre Stimme nicht mit dem Mund, sondern durch Vibration einiger ihrer Gesichtsknochen. Aus diesem Zweck haben die meisten eine Art "Voicebox".

Draconians sind eine zu Militärzwecken gezüchtete Spezies, die es vor Jahren aufgrund eines Unfalls in diese Galaxie verschlagen hat. Dank fortgeschrittener Technologie war es ihnen möglich, innerhalb von 50 Jahren ein gewaltiges Imperium zu errichten. Draconians sind je nach Subspezies zwischen 2 und 2,20 Meter groß und besitzen neben ihren Armen und Beinen auch noch 2 Flügel und einen Schwanz. Sie können mit diesen Flügeln gleiten, auch wenn sie aus eigener Kraft nicht fliegen können.

Die Charaktererschaffung kann wahlweise Zufällig oder per Punkteverteilung erfolgen. Im Normalfall werden die 10 Attribute (Hand Attack, Ranged Attack, Strength, Endurance, Agility, Manual Dexterity, Charisma, Leadership, General Knowledge und Willpower) durch einen Wurf von 2W12+20 bestimmt. Anschliessend wird ein Karrierepfad gewählt und mit einem W10 die Spezialisierung bestimmt (oder unter den Verfügbaren ausgewählt). Diese bestimmt dann auch schon die Startskills und die Ausrüstung. Anschliessend werden 10 Erfahrungspunkte nach persönlichen Vorlieben verbraten.

Kommt das jemandem bekannt vor? Jepp, Warhammer FRPG. Allerdings gibt es bei Pax Draconis keine Rattenfänger oder ähnlich sinnlose Charakterklassen.

Auch die Steigerung verläuft in ähnlichen Bahnen. Charaktere können Skills kaufen, wobei Skills aus ihrem aktuellen Beruf billiger sind als völlig fremde. Ebenso können sie in einen anderen Beruf aus ihrem Karrierepfad wechseln, oder gar einen völlig anderen Karrierepfad einschlagen.

Beispiel: Ich bin Soldat(Gruppenführer); ich könnte für nun für relativ wenige Erfahrungspunkte zu Soldat(Artillerist) umsatteln. Ich könnte aber auch den Soldat Soldat sein lassen und auf Krimineller(Schläger) umsatteln.

Warum dann der Aufwand mit dem Karrierepfad? Simpel. Attributssteigerungen können erst ab einer bestimmten Anzahl von Spezialisierungen innerhalb eines Karrierepfades gekauft werden. So kann ein Pilot seinen Stärkewert erst dann um +10 erhöhen, wenn er wenigstens 3 Berufe innerhalb des Pilotenkarrierepfades durchlaufen hat.

Generell steigern Karrierepfade die Attribute, die innerhalb des Karrierezweigs am nützlichsten sind. So bekommen Piloten relativ früh hohe Boni auf Manual Dexterity und Agility, während die übernatürlich begabten Savants früh die für sie lebenswichtige Willenskraft steigern.

Und warum will man diese Attribute steigern? Das bringt uns zum nächsten Punkt, dem Skillsystem.

Skills sind in Pax Draconis eine recht binäre Angelegenheit: Entweder man HAT ein Skill, oder man HAT ES NICHT. Gewürfelt wird auf das passendste Attribut, ein Skill ermöglicht entweder eine Aktion erst, oder es gibt einen +10 Modifikator. Die Chance entspricht dem passenden Attribut, das mit einem W100 unterwürfelt werden muss.

Ja, aber dann ist der Char doch am Anfang so furchtbar schlecht!

Jein. Zunächst mal gibt es für jeden Assistenten, der einem bei der Aufgabe hilft +10, bei einem Maximum von +20. Und dann besteht noch die Möglichkeit, sorgfältig zu arbeiten; pro verdoppelung der benötigten Zeitspanne gibt es nochmal +10, bis zu einem Maximum von +50, bei 32facher Dauer. Solange ein Char Zeit hat, sind seine Chancen gut. Problematisch wird das ganze erst in Stressituationen.

Und wo wir bei Stressituationen sind: Das Kampfsystem funktioniert ähnlich wie das Skillsystem, benutzt aber eine Extratabelle.

Zunächst mal wird mit einem W100 festgestellt, ob der Schuss trifft. Im Falle eines Erfolges wird der Wurf umgedreht (aus 25 wird 52) um die Trefferzone zu ermitteln. Es sind auch gezielte Angriffe möglich, welche einem Modifikator unterliegen. Dann folgt der Schadenswurf:

Waffenschaden+1W6-Rüstungswert=Penetration

Nun wird die Treffertabelle zu Rate gezogen, die je nach Penetration Ergebnisse von "harmlose Fleischwunde" bis "Kopf fehlt" aufweist. Die Verletzungen sind in die Schadensstufen Kratzer, nicht benutzbar, gebrochen, zerstört und tot engeteilt. Zusätzlich gibt es noch "blutet", was ein baldiges Ableben durch Blutverlust ankündigt. Zusätzlich gibt es noch einen abstrakten "Schadenswert", der aber nur die Moral beeinflußt.

In der Praxis geht das ganze relativ schnell vonstatten.

Beispiel:
Ich feuere mit meiner Laserpistole auf einen Gegner.
*ZAP*, 25, also ein Treffer...Zone 52 ist der rechte Arm. Mein Schadenswurf ist:
4(für den Laser)+5(vom W6)-2(Rüstung des Gegners)=7

Laut Tabelle ist der rechte Unterarm gebrochen.


Bei Salvenfeuer werden 3W6 geworfen und das jeweils höchste Ergebnis verwendet. Auch bestimmte Munitionssorten verändern die Zahl der geworfenen würfel, generell wird aber immer nur der Höchste gezählt.

Genug von der mechanischen Seite. Das System ist erfreulich konsistent, die grundlegenden Mechaniken werden für alle anfallenden Aufgaben verwendet. Hacken z.B. verwendet eine Variante des Kampfsystems, bei der die Stärke des Angreifenden Programms mir der Stärke der Systemsicherheit verglichen wird, ganz so wie Waffen und Rüstungen miteinander interagieren. Es gibt eine Hacktabelle, deren Ergebnisse dann auf das Zielsystem angewendet werden. Auch der Fahrzeugkampf verwendet die gleichen Grundmechaniken, nur eine andere Treffertabelle (und stärkere Waffen/Rüstungen). Von daher gibt es keine Probleme, wenn Personen und Fahrzeuge miteinander kämpfen.

für Fahrzeuge gibt es ein einfaches Konstruktionssystem; im Prinzip wählt man einen Standardrumpf aus und modifiziert ihn nach seinen Wünschen. Dank der großen Auswahl an relativ generischen Standardrümpfen ist das ganze erstaunlich flexibel.

Zur Raumfahrt ist zu sagen, das es keine künstliche Schwerkraft oder Trägheitskompensation gibt. Wer mit mehr als 1G beschleunigt, muß dafür leiden, weswegen die allermeisten Kampfpiloten Cyborgs sind, um mit der Beschleunigung besser fertig zu werden. Die meisten Reisenden verbringen viel Zeit in Beschleunigungsliegen.
Hyperraumsprünge sind riskant, weswegen die Berechnung eines solchen mit großer Sorgfalt betrieben wird. Hastig durchgeführte Sprünge können schon mal das spontane Ableben des Hyperantriebs zur Folge haben.

Schiffe sind mit Geschütztürmen verschiedener Größe bestückt und setzen meist Laserwaffen und Lenkraketen ein. Jäger sind ein gängiger Bestandteil der Kriegsführung und Benutzen meist Laser und Torpedos, große Lenkraketen mit relativ geringer Reichweite. Sogenannte Alphas, Mechs mit weltraumtauglichen Antrieben, sind fester Bestandteil der Imperialen Navy (da sie generell auf dem Schiff landen und ausserhalb des Feuerbereichs der Türme agieren können).

Am Boden werden Mechanical Units, MUs genannt eingesetzt, die im Prinzip Alphas ohne Hyperantrieb sind. MUsuits, kleinere Ausgaben von etwa 3 Metern Höhe dominieren im urbanen Bereich und schwerem Gelände. Infanterie ist generell mit Power Armor ausgestattet, deren Fähigkeiten nur knapp unter der eine MUsuit liegen.

Das Waffenarsenal deckt alles von gewöhnlichen Schusswaffen über Railguns, Laser bis hin zu Disruptoren ab; selbst ausgesprochene Gunbunnies sollten ausreichend Spielsachen finden. Regeln für Flammenwerfer, Giftgas, indirektes Artilleriefeuer, Panzerabwehrwaffen und Granaten aller Geschmacksrichtungen runden das ganze ab.

Fahrzeuge gehören meist zur "Hover"-Variante und schweben maximal 3 Meter über dem Boden. Richtige Schweber existieren auch und erfüllen die Rolle von Flugzeugen.

Eine Erwähnung verdient auch das "soziale Kampfsystem"; für verbal untalentierte Spieler besteht die Möglichkeit, soziale Interaktionen wie Bestechung, Erpressung oder das bequatschen eines Türstehers "auszuwürfeln". Eine Liste mit relevanten Modifikatoren sowie den benötigten Skills liegt vor.

Als letztes Feature seien noch die Savants erwähnt, eine Symbiose aus einem Menschen oder Treeber und einem Hyperraum-Wesen. Savants sind ungefähr so beliebt wie Hexen zur Zeit der Inquisition und besitzen Fähigkeiten, die denen eines Jedi nicht unähnlich sind. In letzter Konsequenz wird ein Savant am Ende seines Berufszweigs zu einem sogenannten Avatar werden und im Hyperraum auf Nimmerwiedersehen verschwinden; auch sind Savants in der Berufswahl eingeschränkter als normale Charaktere.

Das Buch schliesst mit der Beschreibung der bekanntesten Planten, von denen jeder einen Absatz und einen kurzen Datenblock mit den wichtigsten Informationen bekommt.

FAZIT:
Pax Draconis liefert auf seinen 300 Seiten ein erstaunlich komplettes, wenn auch stark simulationslastiges Regelwerk ab. Die Regeln selbst sind erfreulich kohärent und mit relativ wenig Aufwand zu verinnerlichen, allerdings ist es unabdingbar, schnellen Zugriff auf die benötigten Tabellen zu haben um ein flüssiges Spiel zu gewährleisten. Daher empfehle ich die Anschaffung des Spielleiterschirmes, da dieser alle wichtigen Tabellen enthält.

Das Buch selbst wirkt auf den ersten Blick etwas enttäuschend: Es ist ein Softcover, das Papier ist von mässiger Qualität, die Illustrationen schwanken zwischen "recht gut" und "amateurhaft" (eine Ausnahme ist das gelungene Titelbild).
Die Regelmechanismen, das präsentierte Material und das Setting allerdings sind hervorragend und originell.

Kurzregeln, Charakterblätter und generelle Informationen finden sich unter http://www.paxdraconis.com; dort kann das Spiel auch geordert werden, da es aktuell noch keinen deutschen Distributor dafür gibt.

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