AW: Projekt EinsFünf
Noch besser wäre, wenn jeweils pro Abenteuer ein neuer Auftrag vergeben wird, die Motivation (was dann eine vorgefertigtes Flag ist ist, oder?) aber bestehen bleibt. Denn dann müsste man nicht für jedes Abenteuer neue Charaktere erschaffen.
Man könnte natürlich den Charakter erschaffen - einmal, für unbestimmt viele Spielsitzungen. Aber zur Beschreibung des Charakters gehört statt "unformaler" Motivationsdarlegung eine oder mehrere ZUFALLSTABELLEN, die der Spieler entweder aus für seinen Charakter "kaufbaren" Elementen zusammenstellen kann, oder die er frei mit den Dingen, die zum jeweiligen Thema seines Charakters passen, füllen kann.
Beispiel:
Jeder Charakter hat Eigenschaften, die sich in Zufallstabellen ausdrücken, welche mit den vom Spielleiter bei seinem Abenteuerauswürfeln als Untertabellen angesprochen werden:
Auslösende Person: <zufällig bestimmter Charakter> wird von <hier auf SC-Tabelle "Person, verbündet/befreundet" würfeln> angesprochen.
Der SC hat neben den Spieleigenschaften, die während seiner Handlungen Verwendung finden, eben auch einen Satz an Tabellen, die zur auch für den Spieler nicht völlig vorhersehbaren, aber dennoch inhaltlich IMMER mit seinem Charakter verbundenen Abenteuererschaffung genutzt werden.
Verbündete/Befreundete Personen:
1-2 - Ein Taxifahrer-Kollege (Hi, Kumpel? Wie läuft's?)
3-4 - Ein wiederkehrender Fahrgast (Ach, mal wieder unterwegs?)
5 - Meine nervige Ex-Frau (Mit wem sie wohl zur Zeit ins Bett geht?)
6 - Ein Kriegs-Kumpel aus der 82. Luftlande (Veteranen müssen zusammenhalten)
7-8 - Mein Mechniker-Kumpel Carlos (Ob ihn seine Mafia-Verbindungen mal wieder in Schwierigkeiten gebracht haben?)
...
Der Abenteuergenerator stellt somit ein GERÜST dar, welches sich z.B. die Big List von S. John Ross als Basis nehmen könnte. Es wird ausgewürfelt, was für ein Handlungsmuster vorliegt, welcher abstrakten Art die Komplikationen sind, mit welchen anderen Handlungsmustern das Einstiegsmuster verwoben wird. - Damit steht das Gerüst. Das Ausfüllen läuft dann, je nach Handlungsmuster, über die in den jeweiligen Charakteren angelegten Tabellen, und zwar je nach dem, was das Muster an Parametern benötigt: Orte, Organisationen, Personen/Feinde, Personen/Freunde, Gegenstände, usw.
Somit entsteht aus dem Abenteuergenerator und den von den SPIELERN SELBST zusammengestellten Zufallstabellen mit ihren persönlichen, aber eben in Tabellenform strikt formal zur Ansprache durch den Generator ausgearbeiteten Hintergrundinformationen und Vorliebensäußerungen.
Beispiel:
Persönliche Komplikationen:
1-2 - Meine alte Beinverletzung schlägt wieder zu. Ich bin für 2W6 Minuten fast bewegungsunfähig.
3 - Meine Ex-Frau ist in Schwierigkeiten. Als irischstämmiger Amerikaner bin ich guter Katholik und fühle mich einfach nicht geschieden - daher werde ich ihr wieder einmal helfen.
4 - Meine Bude ist schon wieder aufgebrochen worden und von Unbekannten durchwühlt worden.
5 - Der Monat ist noch nicht halb rum, und meine Kohle ist schon wieder alle. Ich brauche dringend Geld.
...
usw.
Das Wesentliche: Diese Tabellen könnten völlig frei (wie von mir oben aus dem Ärmel geschüttelt und runtergeschrieben) erschaffen werden, oder man kann - für Con-Runden, oder für One-Shots - aus einer vorgegebenen Liste an typischen Äußerungen, Personen, usw. (je nach zu füllender Tabelle) wählen.
In diesen Tabellen liegt auch sehr viel von der Setting-Umsetzung, der Stimmung, der Charakter-Motivation, der Charakter-Vorgeschichte. - Nur eben so formal in Zufallstabellen gepackt, daß ein Spielleiter sich kaum noch Arbeit machen muß, um ein auf den Charakter bezogenes Abenteuer zu erwürfeln.
Wie stellt ihr euch das Balancing vor? Sprich, die Chars entwickeln sich weiter, der SL stellt ein AB zusammen. Gibt es dann für verschiedene Level verschiedene Listen? Macht er das aus dem Bauch heraus?
Balancing steckt in den Tabellen. - Die Charaktere machen sich wertvolle Freunde oder gefährliche Feinde, sie treten Organisationen bei oder aus ihnen aus, usw.
Es gibt drei Arten der Entwicklung (abseits von Spielwerte-Entwicklung für die Handlungsfähigkeit des Charakters, die ja ganz normal, wie bei jedem Rollenspiel umgesetzt werden kann):
- Tauschen
- Zufügen
- Umgewichten/Entfernen
Beim Tauschen werden Einträge in einer Tabelle durch andere ersetzt. Die Ex-Frau ist bei einem Abenteuer umgekommen. Der Eintrag wird ersetzt durch etwas Passendes - z.B. die trauernde Schwester der Ex-Frau, die eigene Tochter, die bei der Ex-Frau groß geworden ist, und dem SC die Schuld am Tod ihrer Mutter gibt, usw.
Beim Tauschen bleibt die Breite der Möglichkeiten dessen, was einem Charakter passieren kann, gleich.
Eine W10-Tabelle mit maximal 10 Einträgen, bleibt gleich groß. Also maximal 10 Einträge bei "Organisationen, die mich nicht leiden können".
Zufügen erlaubt das Erweitern einer Tabelle auf eine nächsthöhere Würfelgröße. Die alten Einträge bleiben erhalten, aber es kommen neue hinzu. Aus der W10-Tabelle zu feindlichen Organisationen hat man sich entweder einen neuen Feind erspielt, oder man möchte als Spieler einfach noch mehr Breite an möglichen Widersachern haben (z.B. hat man lange genug gegen Mafia, Gewerkschaftler, Autoschieber usw. agiert, daß der Spieler meint, daß sich nun das FBI "um den Charakter kümmern" könnte). - Die alten Einträge sollen bleiben, aber ein neuer Eintrag kommt hinzu, die Tabelle wird auf W12 ausgelegt (ja, dabei verschieben sich die Wahrscheinlichkeiten - und das ist Absicht).
Umgewichten kann aufgrund eines Entfernens notwendig sein, muß aber nicht. Umgewichten bedeutet einfach nur, daß auf der jeweiligen Würfeltabelle bestimmte Einträge mehr Gewicht, d.h. mehrere Zufallsereignisse des Würfels bekommen, sie also wahrscheinlicher eintreten, bzw. weniger Gewicht erhalten, sie also seltener auftreten werden.
Aus Beispiel:
Persönliche Komplikationen:
1-2 - Meine alte Beinverletzung schlägt wieder zu. Ich bin für 2W6 Minuten fast bewegungsunfähig.
3 - Meine Ex-Frau ist in Schwierigkeiten. Als irischstämmiger Amerikaner bin ich guter Katholik und fühle mich einfach nicht geschieden - daher werde ich ihr wieder einmal helfen.
4 - Meine Bude ist schon wieder aufgebrochen worden und von Unbekannten durchwühlt worden.
5 - Der Monat ist noch nicht halb rum, und meine Kohle ist schon wieder alle. Ich brauche dringend Geld.
...
usw.
Wird:
Persönliche Komplikationen:
1 - Meine alte Beinverletzung schlägt wieder zu. Ich bin für 2W6 Minuten fast bewegungsunfähig.
2 - Meine Ex-Frau ist in Schwierigkeiten. Als irischstämmiger Amerikaner bin ich guter Katholik und fühle mich einfach nicht geschieden - daher werde ich ihr wieder einmal helfen.
3-7 - Meine Bude ist schon wieder aufgebrochen worden und von Unbekannten durchwühlt worden.
8 - Der Monat ist noch nicht halb rum, und meine Kohle ist schon wieder alle. Ich brauche dringend Geld.
...
Im obigen Beispiel möchte der Spieler, daß nun noch öfter seine Wohnung oder sein Wagen mysteriöserweise durchwühlt, durchsucht wurde (vielleicht vom FBI?). - Er legt als Spieler somit die WAHRSCHEINLICHKEIT für solche Ereignisse anders fest als vorher.
Je länger ein Charakter gespielt wird, desto mehr erkennt man die Dynamik in diesen Zufallstabellen. - Darin steckt das vom SPIELER gelieferte Material für charakterbezogene Abenteuer.
Da man aber nicht nur 1:1-Spielrunden spielen soll, sind in den Spielleiter-Tabellen die Querbeziehungen, die gegenseitigen Komplikationen zwischen den einzelnen Charakter-Tabellen verknüpft.
Beispiel:
Das Abenteuer, welches erwürfelt wird, hat in seiner Struktur aufgeführt, daß der zufällig ermittelte Charakter Abe (ein Detektiv) einem dicken Erpresserring auf die Spur kommen könnte. Die nächste Tabelle ergibt, daß ein Opfer ein Verbündeter/Freund des ebenfalls zufällig ermittelten Charakters Chad (Taxifahrer) ist. Zufallstabelle von Chad ergibt: Seine Ex-Frau. Und die Spielleitertabelle ergibt, daß der Täter in den Kreisen feindlicher Organisationen von Charakter Bernice (Reporterin) zu finden sein wird. Bernices Zufallstabelle ergibt eine ihr in früheren Abenteuern schon bekannt gewordene, und von der Spielerin als in der Kampagne immer wichtiger werdend umgewichtete, Organisation aus kriminellen Ex-Veteranen der US-Luftlandetruppen.
Würde auch nur die Reihenfolge der bei der Abenteuer-Generierung erwürfelten, beteiligten SCs anders aussehen, bekäme man mit ansonsten gleichen Würfelergebnissen eine andere Ausgangslage:
Chad bekommt mit, wie sich zwei Fahrgäste leise über von ihnen geleistete Erpressungszahlungen unterhalten. Das Opfer dieser Erpressungen stellt sich laut Tabelle von Abe als ein Zirkel reicher Flugbegeisterter dar (die er aus seiner Zeit in der Airforce z.T. noch kennt). Der Täter ist einer von Bernices persönlichen Bekannten. Ihre Zufallstabelle ergibt den schneidigen Sportreporter Chase Donnelly, der ein Auge auf sie geworfen hat, und dem sie prinzipiell nicht abgeneigt wäre.
Andere Konstellation, bei denselben Charakteren - nur auf Basis der von den SPIELERN angelegten Zufallstabellen für ihre Charaktere, und der vom Spielleiter verwendeten Tabellen für den RAHMEN des Abenteuers.
Die Zufallstabellen sind einfach nur eine formale und mit den Spielleitertabellen verzahnt nutzbare Speicherform für Charakterhintergrundinformationen (Herkunft, Freunde, Feinde, Beziehungen, Besitz, Organisationen, Orte, Ängste, usw. - je nach Genre halt unterschiedlich gestaltet und je nach Spielervorliebe unterschiedlich befüllt).
Das Ganze hat das Potential wirklich GENREÜBERGREIFEND einsetzbar zu sein. - Die abstrakte Grundstruktur stellt hierbei den Kern der Abenteuergenerierung dar. Die individuell nach Genre angepaßten Spielleitertabellen dienen der Genre-Adaption, die individuell nach Charakteren angepaßten Spielertabellen dienen der Spieler-"Willens-/Interessens-/Inhalts-Bekundung". Und die FREIE AUSLEGUNG der erwürfelten Tabellenergebnisse liegt - wie üblich - in der Spielleiter-Ausgestaltungsfreiheit.
So kann man "normale Charaktere", deren Handlungsfähigkeit formal in Spielwerten abgebildet ist, mit ebenso formalem Aufbereiten der "weichen" Faktoren zum Charakter - UND zu den Vorlieben des Spielers! - ausstatten, die sich im Kampagnenspiel mitentwickeln und dem Charakter gleiche Tiefe und gleiche Breite geben, wie weniger formale Prosa-Texte oder Zahlenkolonnen an Spielwerten.