Cypher Monte Cooks Numenera

Noch mal zu den EP-für-was-Schlechtes: Man darf den Mechanismus imho nicht nur im Vergleich mit Fate-Compels und ähnlichen Indie-Ansätzen sehen, sondern auch im Vergleich mit dem Mainstream-Standard, in dem der SL einfach so was "Schlechtes" in den Raum wirft, um das Drama oder die Herausforderung zu stärken.
Also im "Mainstream-Standard" (was auch immer das sein mag, ich nehme mal einfach Pathfinder, D&D, usw. als Mainstream-Standard an), da wirft der SL eben gerade NICHT "einfach so" etwas "Schlechtes" in den Raum!

Das "Schlechte" in Numenera ist gerade in den vielen diskutierten Beispielen nämlich, daß der SL einfach einen NACHTEILIGEN FAKT über den Spielercharakter schildert.

Das "Schlechte" im "Mainstream-Standard" ist, daß der SL eine NEUE HERAUSFORDERUNG einführt.

Siehst Du den Unterschied?

Der SL im "Mainstream-Standard" läßt z.B. ein paar zusätzliche Gegner als Komplikation der laufenden Szene auftauchen. Aber ob und wie die SCs mit diesen Gegnern umgehen, ob sie weglaufen, sie die Gegner einschüchtern, ihnen den Weg verbauen, usw. - das alles ist OFFEN.

Der SL in Numenera sagt einfach "Dein Krieger läßt bei seinem Angriff seine Axt fallen und diese fliegt einige Schritt weit weg. - Hier nimm dafür 2 XP und gib einen jemand anderem." - Hier ist KEIN Ergebnis offen, sondern der Spielleiter definiert einen FAKT über den SPIELERCHARAKTER, also über etwas, in das er sich NIE in einem üblich aufgestellten Rollenspiel derartig einmischen kann!

Und schlimmer noch: Der Spielercharakter steht gerade bei dem obigen Numenera-Beispiel für dieses Einmischen als TROTTEL dar! Er ist solch ein Nichtskönner, daß ihm die Axt einfach so aus der Hand fliegt!

Das ist doch einfach Scheiße!

Wenn ein Würfelwurf mit einem Patzer solch ein Resultat hat, dann ist das leichter zu akzeptieren, da es "der Würfel war", also eine unpersönliche Instanz. Und zudem ist in vielen Regelsystemen da noch die Kompetenz des Charakters im Spiel, welche bei höherer Kompetenz solche Patzer weniger wahrscheinlich macht.

In Numenera ist jedoch der Spielercharakter tatsächlich eine Slapstick-Trotteligkeit ausführende Marionette des Spielleiters, so dieser sich entschließt sich in den Charakter einzumischen.


Zusammengefaßt der Unterschied:

In üblicheren Rollenspielen mischt sich der Spielleiter IN DIE SZENE ein.
In Numenera mischt sich der Spielleiter IN DEN CHARAKTER ein.

In üblichen Rollenspielen ist die Einmischung des Spielleiters eine neue Herausforderung mit OFFENEM ERGEBNIS.
In Numenera ist die Einmischung des Spielleiters einfach das FESTSETZEN EINES ERGEBNISSES und das OHNE Herausforderung!
 
Das einmischen 'in den Charakter' kann sich doch über die Szene gestalten.
In dem der SL sagt:
Der Oger-Krieger schlägt mit seinem wuchtigen Kriegshammer gekonnt gegen deine Waffe.
Wenn dir die Waffe aus der Hand gleitet und sie einige Meter weit wegfliegt dann kriegst du 2EP.
Wenn du die Waffe in deinem eisernen, gekonnten Griff behälst mach bitte deinen Angriff.
 
Das einmischen 'in den Charakter' kann sich doch über die Szene gestalten.
In dem der SL sagt:
Der Oger-Krieger schlägt mit seinem wuchtigen Kriegshammer gekonnt gegen deine Waffe.
Wenn dir die Waffe aus der Hand gleitet und sie einige Meter weit wegfliegt dann kriegst du 2EP.
Wenn du die Waffe in deinem eisernen, gekonnten Griff behälst mach bitte deinen Angriff.
Du erkennst nicht, daß der Spielleiter hier einen FAKT beschreibt, wenn er eine "intrusion" vornimmt.

Es gibt kein "wenn" bei einer Intrusion!

Wäre es eine Szenen-Komplikation normaler Art, dann würde der Spielleiter sagen:
Der Oger-Krieger VERSUCHT mit seinem wuchtigen Kriegshammer gegen Deine Waffe zu schlagen. *Würfel* Er trifft. Würfel mal auf Stärke, um zu sehen, ob Du die Waffe in Deinem eisernen Griff behalten kannst, oder ob sie Dir aus der Hand geprellt wird.

DAS läßt nämlich das Ergebnis OFFEN!

Eine Intrusion/Einmischung in Numenera ist aber, wenn man den Beispielen in Numenera selbst glauben möchte, so etwas:
Der Oger-Krieger schlägt Dir Deine Waffe aus der Hand und sie fliegt einige Meter weit weg. Hier nimm 2 XP, gib 1 XP davon weiter - oder ZAHLE 1 XP, damit das nicht passiert.

Es ist KEIN offenes Ergebnis, sondern der SL legt den FAKT, der in der Spielwelt eintritt, einfach so fest. Der Spieler kann nur mittels META-GAME-Ressource versuchen die Einmischung an sich zu verhindern und diese Faktenschaffung grundsätzlich unwirksam zu machen. Zahlt er den XP, dann passiert es überhaupt nicht, daß der Oger-Krieger die Waffe aus der Hand schlägt. Zahlt er den XP nicht, dann tritt genau der allein vom SL festgelegte Effekt als FAKT in der Spielwelt ein. - Es gibt KEIN "wenn" in dieser Form der Einmischung!

Nochmal: Die Entscheidung, ob der SC die Waffe festhalten kann, ist NICHT abhängig von den Charaktereigenschaften des SCs, ist somit NICHT innerhalb der Szene, innerhalb der Spielwelt erfolgt, sondern ist REINES META-GAME, abhängig davon, ob der SPIELER noch genug Ressourcen hat, um diesen Eingriff des SLs abzuwehren.

Eine SL-Einmischung in "normalen" Rollenspielen findet IN DER SPIELWELT statt (die Welt ist schließlich sein Charakter), läßt aber das Ergebnis in der Spielwelt offen und durch die Handlungen oder Eigenschaften des Charakters bestimmt. Wie auch immer der Charakter handeln mag, der Spieler kann diese Einmischung durch den SL nur durch Handlungen seines SCs beeinflussen, aber nie wirklich unwirksam machen.

Eine Intrusion ist hingegen reines Meta-Game. Der Spieler kann durch Zahlen eines XP die KOMPLETTE EINMISCHUNG, also die Meta-Game-Aktion des SLs verhindern. Nicht der Charakter, sondern der Spieler!

Ist der Unterschied nun klarer geworden?
 
@Zornhau: Ich sehe den Unterschied. Ist für mich jetzt zwar überhaupt nicht problematisch oder sowas (die Sachen, die du aufzählst, klingen eher unterhaltsam), aber ich verstehe, warum einige Leute ein Problem damit haben könnten. Du solltest dir allerdings auch mal die SL-Hinweise und Beispiele zu dem Mechanismus anschauen (ab S.325) - letztendlich benutzt man die Intrusion nicht anders, als es sei 40 Jahren üblich ist, nur eben mit EP. Die fallen gelassene Axt in der Kurzzusammenfassung war eher ein schlecht gewähltes Beispiel als ein repräsentatives. Daran sollte man sich also nicht aufhängen, wenn man das System diskutiert. Besser fand ich bspw. die Szene, in der ein Spieler über einer Falltür steht - oder eben nicht. Die Intrusion ist einfach ein ganz klassisches narratives Werkzeug.
 
Ich sehe in der Beschreibung den Unterschied zu Situationen bei FATE noch nicht so recht wo der SL negative Umstände einbringt? Wobei der Spieler bei Numenera etwas mehr bekommt als er ggf. einsetzen muss.
 
Ich sehe in der Beschreibung den Unterschied zu Situationen bei FATE noch nicht so recht wo der SL negative Umstände einbringt? Wobei der Spieler bei Numenera etwas mehr bekommt als er ggf. einsetzen muss.
Der Spieler "bekommt" in Numenera EINEN XP. Den anderen muß er ja jemand anderem weitergeben. Und zur Abwehr einer Einmischung muß er EINEN eigenen XP abgeben. - In dieser Hinsicht ist der einzige, der "etwas mehr" bekommt, der ANDERE Spieler, dem der zweite XP zugeschoben wird. Ansonsten ist das wie bei Fate-Compels - man bekommt 1 Punkt oder man zahlt 1 Punkt. Hat man keine mehr zum Zahlen, MUSS man das machen, was der SL mit einem anstellen will.

Anders als bei Fate ist jedoch folgendes:
Durch die WAHL der Aspekte in Fate, kann sich der Spieler AUSSUCHEN in welchen Bereichen er für seinen Charakter "Ärger" vom Spielleiter bereitet haben will.
In Numenera kann es JEDEN ÜBERALL und IMMER erwischen. Was der Charakter kann, was den Charakter ausmacht, was es für ein Charakter ist, ist dabei völlig EGAL.

Daher ist es bei Numenera so, daß ein Spieler nicht einmal den Hauch eines Einflusses darauf hat, welcher Art die Einmischungen des SLs sein könnten. Bei Fate hat er das schon bei der Charaktererschaffung in der Hand.
 
Die Umgebungsaspekte sowie die Aspekte der NSCs bei FATE können doch auch unabhängig von dem Charakter für diesen negativ compellt werden?
Naja und mit der Weitergabe kann man so taktieren das man darauf hinbaut das der andere einem auch EP zuschustert. ^^;
 
Womit mal wieder bewiesen wäre das es auf einen möglichst neutralen SL ankommt.
Bzw. auf klare Ansagen:
Entweder Ihr gebt 50% der XP die Ihr kriegt wieder für "Heroische Taten" aus oder ihr werdet als unheroische Glückspilze das Ziel von Neidern und Herausforderern.
Oder wie sieht man das Bennie sparen z.B. in SW?
Die Linie wird da überschritten wo man anstatt einer Herausforderung für die Gruppe an eine Stelle tritt wo es nur noch um kleinhalten der SCs geht.

Also ich testete vor Kurzem ein Homebrew, bei dem nur die Spieler würfeln (nicht, dass das in irgendeiner Weise eine neue Idee wäre), allerdings aus mathematischen Gründen, keine Ahnung was hier dahinter steckt. Das machte immer dann Probleme, wenn die NSCs etwas taten, worauf die SCs war keinen Einfluss hatten (daher auch nicht würfelten), es aber trotzdem entscheidend für sie war OB DER NSC ES SCHAFFTE. Aber das ging dann eben nur über Willkür.

Umm. Warum nicht die Spieler einen "Save" gegen das am besten passende Attribut würfeln lassen. "Die XYZ haben eine Fallgrube ausgehoben, aber mit deinen scharfen Kampfinstinkten merkst Du das der Boden seltsam staubfrei aussieht."
Wenn Du als SL für das Tarnen einen kritischen Erfolg würfelst und die SCs Ihre Perception verpassen....
Mir fällt wenig ein, ausser "uh, oh, die haben die GROSSE ARMEE" alarmiert, einer ist auf die Idee gekommen, Mist, was NICHT durch die Spieler beeinflusst wird.
Ansonsten ist das irgendwie wie mit sich selbst als SL spielen.

Also wieder ein RPG, das nicht aus sich heraus funktioniert?
Ach, da waren wir doch schon so oft.


Na, es ist ja auch derselbe mis... Mechanismus.


Wie kommst Du darauf das ein RSP aus sich heraus funktioniert? Es ist ein Werkzeug aus dem die Spieler und der SL ein Rollenspiel machen. Es gibt geeignete und weniger geeignete Werkzeuge, kommt auch darauf an WAS man spielen will.

Numenera wird sicherlich nicht für Simulismus designt sein. Es geht noch einen Schritt weiter in der Würfelminimierung wie es SW tut. Ob jetzt alle Designentscheidungen gut sind bleibt abzuwarten
 
Also ich testete vor Kurzem ein Homebrew, bei dem nur die Spieler würfeln (nicht, dass das in irgendeiner Weise eine neue Idee wäre), allerdings aus mathematischen Gründen, keine Ahnung was hier dahinter steckt. Das machte immer dann Probleme, wenn die NSCs etwas taten, worauf die SCs war keinen Einfluss hatten (daher auch nicht würfelten), es aber trotzdem entscheidend für sie war OB DER NSC ES SCHAFFTE. Aber das ging dann eben nur über Willkür.

Runenstahl schrieb:
Das hängt stark vom SL ab würde ich mal sagen. Wenn er seinen Job als "ich will es so spannend und dramatisch wie möglich machen, damit alle ihren Spaß haben" versteht funktioniert das bestimmt gut. Ist es eher ein "ich gegen die Spieler" SL dann sind solche Mechaniken natürlich blöd.
Also wieder ein RPG, das nicht aus sich heraus funktioniert?
Ach, da waren wir doch schon so oft. :(

Teylen schrieb:
Ich sehe in der Beschreibung den Unterschied zu Situationen bei FATE noch nicht so recht wo der SL negative Umstände einbringt? Wobei der Spieler bei Numenera etwas mehr bekommt als er ggf. einsetzen muss.
Na, es ist ja auch derselbe Mis... Mechanismus.
 
Mmh, ich weiß immer noch nicht ob ich mir nun Numenera zulegen soll oder nicht.

Ich meine ich stehe darauf wenn ein Mysterium nur angedeutet, aber niemals gelüftet wird. Ich kann nur die Miniserie "Das verschwundene Zimmer" empfehlen.
Ein Interwiew mit dem Entwickler vom System hilft mir vermutlich nicht weiter. Der Entwickler ist doch der erste Fan vom ensprechenden System. *seufz*
 
Ich habe jetzt bei zwei unterschiedlichen Spielleitern gleich mehrere Numenera-Spielrunden via Hangout gespielt - jeweils etwa 4 bis 6 Stunden Spielzeit.

Numenera HAT ein paar Probleme. (Wie die XP-Thematik, die GM-Intrusions und die Cypher-Zufälligkeiten.)

Aber.

Numenera ist ein VERDAMMT INTERESSANTES Setting und die Charaktere sind MARKANT ANDERS als in 08/15-Fantasy/Endzeit/Science-Fantasy-Rollenspielen.

Für mich hat Numenera tatsächlich einen HOHEN Wiederspielwert. (Heute (Mittwoch) Abend habe ich gleich meine nächste Numenera-Runde. So motiviert hier weiterzuspielen bin ich gerade.)
 
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