Skyrock
t. Sgeyerog :DDDDD
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- 10. September 2003
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Mazeprowl war/ist mein Versuch gewesen, ein Shadowrun "but done right" zu schreiben, das einerseits die guten Ideen aus dem ursprünglichen Spiel zu seinem Zentralpunkt macht und diese zum glänzen bringt, andererseits aber sowohl die Verhunzungen des originalen Spiels als auch die Streichungen der guten Ideen durch SR4 vermeidet.
Was diese "guten Ideen" sind kann man hier nachlesen, ansonsten ist der historische Entwicklungsstand über unzählige Threads in diesem Unterforum als auch über diesen Blog verstreut.
Was diese "guten Ideen" sind kann man hier nachlesen, ansonsten ist der historische Entwicklungsstand über unzählige Threads in diesem Unterforum als auch über diesen Blog verstreut.
Der Punkt war einfach, dass das Spiel nicht insgesamt rund lief, und ich nicht wusste wo ich ansetzen sollte.
In diesen zwei Jahren gab es mehrere für mich interessante Diskussionen und Entdeckungen, die mir bei meiner Weiterentwicklung als SL, Spieler und Entwickler geholfen haben – eine Weiterentwicklung, die mich dazu befähigt, den Finger auf die Probleme in der Konzipierung und Ausarbeitung von Mazeprowl zu legen und somit erkennen zu können, wo der Wurm drinsteckt.
Die Entdeckungen und Diskussionen waren maßgeblich vor allem:
- 4e / Encount4rdiz4tion / Perlenschnur-Abenteuerstruktur
- OSR (faire Encounter in Oldschoolcampagnen, Sandboxdiskussionen, Gygaxian Building Blocks)
- Traveller-Neuauflage (Werkzeugkästen, Modelle, Metasetting, auch Sandboxing)
- Diskussionen zu Willkür, GDW-Schule und sittlicher Grundhaltung
(Achtung: Ich rede hier _nicht_ über die aktuellen Diskussionen im Tanelorn, diese sind von minderer Sachkenntnis, und die wenigen interessanten Punkte werden vom Störrauschen der Eulenspiegels dieser Welt übertönt.
Ich rede viel mehr von den verstreuten Diskussionen im O.R.K. zu dem Thema. Ich entsinne mich nicht mehr an alle, aber wer diese drei Blogeinträge und die zugeordneten Diskussionen liest, hat wahrscheinlich ein ganz gutes Bild:
- The Prussian Gamer: Die GDW-Schule
- The Prussian Gamer: Anders gesagt
- The Prussian Gamer: The Swine oder: Vorrede zu einem Diskurs über Taktik)
1.) Punktwerte und Freiheitsgrade stehen sich diametral gegenüber; nur die sittliche Grundhaltung des SLs kann gleichzeitig hohe Freiheitsgrade und hohe Fairness garantieren
4e hat etwas bisher unschaffbares geschafft, nämlich wirklich alle Elemente von Charakteren (Game Tokens im Gleichman'schen Sinne) und Abenteuern akkurat zu bewerten, zu bepunkten und so in mathematisch exakte und berechenbare Modelle umzusetzen.
Diese Geschlossenheit und Stringenz kommt aber zum Preis der Geschlossenheit und Stringenz. Herausforderungen und Abenteuerstruktur sind mathematisch in sich geschlossen und entfernen so Freiheitsgrade. Case in point: Die Perlenschnur als Abenteuerstruktur, und die Entfernung von allem außer regeltechnisch geschlossener HP-Entfernung als Problemlösung und Siegbedingung.
Das hat nichts mit dem SR zu tun, dass ich zu rekreieren versuche. Ich will dass die Spieler um die Ecke denken und sich Lösungsmöglichkeiten jenseits des offensichtlichen suchen. Und wenn sie es schaffen, mit einer seit Kampagnenbeginn unbeachteten Wissensfertigkeit, einer Einsicht in das Leben eines Konsklaven mit den richtigen Schlüsseln und einem darauf aufgebauten genialen Bluff das ganze Abenteuer in Nullzeit ohne echtes Risiko für sich selbst zu lösen.
Gleichzeitig sollte aber alles fair ablaufen jenseits von Labberanweisungen, wie sie in den storyverseuchten 90ern populär waren und von denen auch SR als Kind der 90er seinen Anteil abbekommen hat.
Was mir damals vor 2 Jahren noch nicht klar war, war, dass es auch andere Wege zur Fairness gibt, als die Bepunktungsroute die mit 3.x begonnen wurde, die mit geschlossenen taktischen Forgespielen wie Capes weitergetrieben wurde, und die in 4e ihre stringente und für mich unbefriedigende Vollendung gefunden hat.
Diese Lösung liegt in der sittlichen Grundhaltung des SLs: Dem Ziel, dem Willen und den Fähigkeiten, sich und sein Ego zurückzuhalten, einfach die Welt und ihre Reaktionen zu spielen.
Diese Welt muss natürlich so angelegt sein, dass sie den Spielern Ziele bietet und gleichzeitig Opposition liefert, gegen die diese Ziele erreicht werden müssen (s. Costikyan). Aber in erster Linie muss diese Welt existieren und in sich geschlossen funktionieren und darf nicht in erster Linie um das Ziel herum gebaut sein, die Spielercharaktere umzubringen.
Wenn die Spielercharaktere an Punkt A stehen und Ziel B erreichen wollen, dann ist der auf dieser Linie stehende Joe Gardist natürlich Opposition, und seine Handlungsparamerter bestehen darin, misstrauisch zu sein, ID-Karten zu überprüfen, seltsamen Geräuschen nachzugehen und Eindringlingen eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Aber diese Linie von A nach B ist nicht die Welt, sondern führt nur durch die Spielwelt. Im größeren Kontext dieser Spielwelt ist Joe Gardist eine lebende, atmende Entität mit eigenen Zielen, Motiven und Beziehungen – und das nicht mit der Motivation, eine Schwachstelle zu bieten die die SCs ausnützen können, sondern weil die Welt eben nun mal so ist. Natürlich können die SCs diese außerhalb des eigentlichen Abenteuers stehenden Eigenschaften erkennen und ausnutzen, aber das geschieht aus der Simulation der Welt heraus.
2.) Ein sittlich gefestigter SL profitiert nicht von Backbüchern, aber umso mehr von Werkzeugkästen, Modellen und Entscheidungshilfen
Das führt mich gleich zu meinem nächsten Punkt. Wenn der SL in erster Linie dazu da ist, um die Welt unparteiisch und sittlich gefestigt zu führen, dann braucht er keine Backbücher, die ihm erzählen wie und mit welchen Werten er seine Abenteuer, seine Dungeons, seine Encounter und seine Schätze zu bauen hat; diese sind sogar schädlich.
Was er braucht, sind Werkzeugkästen, Modelle, Leitlinien und Entscheidungshilfen, aus denen sich alles andere ableiten lässt.
Wenn ein Büro nur die Buchhaltung einer Getränkemarktkette erledigt, sind seine Daten von minderem Interesse für jeden und von minderem Wert auf dem Markt. Man verbaut das, was man ohnehin schon kostenlos hat (Türschloss, Passwortschutz an den Computern, Telefone über die sich auch die Polizei rufen lässt), vermeidet aber Kosten und belässt es dabei. Es ist leicht, in so ein Büro einzubrechen; man braucht eigentlich nur einen Ork mit einer Schrotflinte, der die Tür eintritt, jemandem die Schrotflinte ins Nasenloch bohrt um die Daten zu übertragen und der dann verschwindet, ehe die Bullerei da ist. Es existiert also ein großer Anbietermarkt.
Zugleich existiert kaum ein Nachfragermarkt nach solchen Daten. Entsprechend wird dieses Büro sehr selten Schattenläufen ausgesetzt sein, und wenn es dazu kommt, dann ist die Bezahlung sehr gering aufgrund des Anbieterwettbewerbs und der geringen Wertschöpfung aus dem Besitz dieser Daten.
Was ich brauche, sind Modelle, die solche Daten logisch verknüpft ausspucken und somit die Führung der Welt erleichtern. Ich rede da nicht davon, sich anhand von BSPs von Stadtblöcken wilde Zahlen aus dem Hintern zu ziehen, aber von Leitwerten, an denen man sich orientieren kann. Meine Erfahrung mit Streitigkeiten über Spielweltinterpretationen bestärkt mich darin, da SR einerseits Weltsimulation nahegelegt, aber nie die Modelle geliefert hat, um diese auch sauber durchführen zu können.
Ein Beispiel dafür sind Gangs. Zahlreiche Flamewars wurden darum geführt, ob das kleinkriminelle Typen mit Lederjacken und Holdouts wie in schlechten 80er-Actionfilmen sind, oder Leute mit Chrom, Sportwägen und MPs wie in der Al-Pacino-Version von Scarface, einfach weil die Datenbasis fehlt, um da Dinge abzuleiten, bzw. diese inkonsistent ist und sich widerspricht (Gangkampagne im Kompendium vs Unterweltquellenbuch vs Ganger-Archetyp vs offizielle Abenteuer vs offizielle Connections).
Ansätze dazu existierten ja schon im alten Mazeprowl-Design (wie die Lohntabelle in der Sektion für soziale Interaktion oder die Fraktionsregeln); was ich brauche, ist eine stringente Verknüpfung mit Spielweltdaten und eine schnelle Erfassbarkeit über eigene Profile und _simple_ Subsysteme für solche Dinge. (Universal Corp Facility Profile, Universal Gang Turf Profile…)
Im Idealfall hätte ich damit über mein eigentliches Ziel hinaus Modelle und Subsysteme, die herangezogen werden wenn die SCs selbst Unternehmungen durchführen die jenseits der Mission der Woche liegen, wie etwa der Einstieg in den Drogenhandel.
Wichtig obendrein: Zufallstabellen. Man muss nicht Joe Gardist vorher ausgearbeitet haben, aber eine gute Zufallstabelle (wie die für persönliche Eigenheiten in Trav) hilft dabei eine funktionierende Welt auch dann aufrecht zu erhalten, wenn die Ausarbeitung fehlt oder Lücken aufweist.
3.) Nicht das Setting zählt, sondern das Metasetting
Ein weiterer Fehler war, ums Verrecken ein eigenes Setting entwerfen zu wollen, wo es doch eigentlich nur um das Metasetting geht.
Ein Metasetting ist ein solches wie Traveller, wo man weiß dass es das dritte Imperium gibt, wie die Bürokratie und der Staat auf imperialer Ebene organisiert ist, wie die Mitgliedswelten miteinander umgehen und welche anderen Imperien existieren. Man hat damit einfach den Rahmen, den man mit seinem eigenen Settingfleisch ausfüllen kann, oder wo man auf gekaufte Lösungen setzen kann.
D&D mit seinen impliziten Settingannahmen (Schatztabellen, Gygaxian Building Blocks…) ist dafür auch ein gutes Beispiel.
SR war und ist im Grunde genommen immer ein solches Metasetting gewesen, und genauso haben wir es auch in der Anfangszeit genutzt. Es gibt die 5 Rassen. Es gibt die und die Magieformen, und die Astralebene und die physische Ebene interagieren so und so. Es gibt Megakonzerne, es gibt Überbleibsel des Staates, es gibt AAA-Zonen, es gibt Z-Zonen, es gibt den Mob, es gibt die Straße, und es gibt natürlich die Schatten.
Das sind alle Kerninformationen und das vollständige Metasetting. Alles weitere ist Politur, die aufgetragen wurde um Romane und Metaplotbücher zu verkaufen.
Auf diese Kernformel sollte ich mich konzentrieren, und diese Kernformel ist auch alles, was andere interessieren wird.
Von der Kernformel abweichen kann jeder leicht selber (s. IMTU, Cinder), und Abweichungen können auch als Metasettingvarianten aufgenommen werden (s. Mongoose-Traveller und seine Antriebsvarianten).
Und nu?
So weit fürs erste.
Wirklich am Spiel weiterarbeiten kann ich erst, wenn ich den Travellerweltenbauwettbewerb am Laufen habe, aber solange kann ich schon mal alles sacken lassen und überlegen, welche Entwicklungsstände trotz Neusausrichtung bewahrt werden können. (Etwa Attributsaufteilung, Auslagerung von überlebenswichtigen Fähigkeiten auf Attribute, Grundmechanismus und fest eingearbeitete Rassenpsychologie.)
Discuss.