AW: Massenkampfsystem zufriedenstellend?
Zum ersten: Ich hab sehr gute Erfahrungen mit den Massenschlacht-Regeln gemacht, passe die aber je nach Setting und Situation an. Eine schnelle Schlacht spiele ich so wie den Grundregeln entsprechend, wenn es der Höhepunkt einer langen Kampagne ist, dann schmücke ich mehr aus.
Eben. - Man kann z.B. jede zweite Runde des abstrakten Massenkampfsystems als detailliertes taktisches Szenario (oft mit vorgegebener Kampfrundenanzahl, bis zu der ein taktisches Ziel erreicht sein muß) ausspielen und daran dann Token-Verluste festmachen. Jedoch: Das führt dazu, daß SCs, die sich mit ihren Fähigkeiten im Massenkampf einbringen wollen, GANZ ANDERE Randbedingungen und Risken haben, als nach dem Massenkampfsystem.
Und wenn man als Höhepunkt (oder "Zwischenhoch") einer langen Kampagne einfach mal wirklich die (Kampf-)Sau rauslassen möchte, dann:
Wenn du 500 Leute kämpfen lässt und würfelst das aus, dann ja, das geht - aber du machst den Rest des Abends (oder Tages) nix anderes mehr. Manchen Runden macht das nix, das sind dann halt mehr Wargames wie Axis & Allies, aber anderen Runden wird das überhaupt nicht behagen.
Bei uns war das weit weniger "Wargames" oder CoSims, als ROLLENSPIEL - nur eben mit dem Fokus auf "kriegsfilmartige" Szenen, aber immer noch cinematische Action im FFF-Stil.
Z.B. in unserer seit Jahren laufenden Fantasy-Kampagne, die über Monate SEHR VIEL politisches Rollenspiel erlebt hat, war diese hochdetaillierte Schlacht eine WILLKOMMENE Abwechslung. Man konnte so die Früchte seiner Bemühungen ernten. Man konnte sehen, WARUM man sich solche Mühen machte verbündete Truppen zu finden, verfeindete Nachbarn gegen einen gemeinsamen Gegner Seite an Seite kämpfen zu lassen, Truppenaushebung, Ausbildung eigener Truppen auf die selbst ersonnene, lang geplante Form der Kriegführung gegen einen (übernatürlichen, untoten!) Gegner hin, organisierte und mittels Kundschafter-Szenarien (reine Cut-Scene-Szenarien ohne SC-Beteiligung!) militärische Erkundung betrieb. - ALLES kam hier endlich für alle GREIFBAR und AN EINEM PUNKT, dem Schlachtfeld, auf dem die große Wende im Krieg errungen wurde, zusammenkommen. (Wer solche Filme wie "Gettysburgh" gesehen hat, wer solche Filme mag, der mag auch solche Szenarien mit detailliert ausgespielter Schlacht gerne. - Vor allem, wenn das Ausspielen FFF geht!)
Meine Erfahrung mit den 500+ Figuren hatte ich ja schon einmal
HIER geschildert. Die eigentliche Kampfzeit waren 7,5 Stunden, wobei der Hauptteil für das Bewegen der Papier-Faltfiguren auf dem Wohnzimmerteppich draufging (nächstes Mal auf einer GLATTEN Fläche, wo man ganze Einheiten einfach bloß verschieben kann). Das Würfeln selbst ging SEHR SCHNELL von statten.
Anmerkung: Wir haben in dieser Runde das ALTE Nahkampfschadenssystem von Savage Worlds revised edition verwandt, wo der Nahkampfschaden für Extras nur mit EINEM Würfel und festem Zuschlag je nach Waffe bestimmt wird. Bei dem mit SW:EX zum Standard erhobenen Way-of-the-Brave-Schadenssystem, wo jeder Waffenkämpfer mit ZWEI Würfeln (oft unterschiedlichen!) seinen Schaden bestimmt, hätte das sicherlich deutlich länger gedauert die Schadenswurfergebnisse zu bestimmen. - Und es handelt sich hier um eine FANTASY-Kampagne, wo KEIN modernes (regeltechnisch mit mehr Optionen und Sondereffekten ausgestattetes) Kriegsgerät zum Einsatz kam. Das hält die Komplexität der möglichen Aktionen der Einheiten auf dem Schlachtfeld in Grenzen (auch trotz Magie, Untoten, Monstern, usw.).
Man darf eines beim detaillierten Ausspielen von größeren Kampfszenen nicht vergessen:
Die den SCs alliierten Truppen werden allesamt VON DEN SPIELERN geführt!
Bei der 500+-Figuren-Schlacht waren ca. 160 Figuren, die von den Spielern geführt wurden (darunter auch ein paar NSC Wild Card Offiziere, die alleine schon mehr Handlungsoptionen im Vergleich mit Extras haben), während ich mich "nur" um die restlichen ca. 350 kümmern mußte (auch eine erhebliche Zahl an Offizieren, aber NICHT alle Wild Cards!). - Diese Aufgaben-Delegation an die Spieler sorgt für wesentliche Beschleunigung in der Durchführung solcher größerer TAKTISCH-DETAILLIERTER Kampfszenen.
Nebenbei: Die Schlacht der 500+ Figuren ging so aus, daß wesentliche "Geheimwaffen" der Gegner der SCs vernichtet wurden, daß ein per Kundschafter entdeckter Plan der Gegner, der für den Endkampf (rein nach Massenkampfsystem) einen DICKEN Bonus gebracht hätte, vereitelt wurde (und somit dieser Bonus NICHT zum Tragen kam), und daß im Kampf Held gegen gegnerischen Heerführer der Gegner mit dem besten Knowledge(Battle)-Wert auf Gegnerseite ausgeschaltet wurde und durch gezieltes Ausschalten wichtiger Offiziere durch Scharfschützen aus dem Hinterhalt während dieser Schlacht nur noch ein Kommandeur mit d6 Knowledge Battle auf Gegnerseite übrig blieb (auf SC-Seite hatte ein Charakter wenigstens d10 darin).
So hatte die detailliert ausgespielte ENTSCHEIDUNGSSCHLACHT dadurch die entscheidende Wende im Krieg bewirkt, daß hier im Detail und gezielt die Vorteile der Gegner für die noch kommende Massenschlacht eliminiert wurden und die Truppenführung des Gegners einen schweren Schlag hinnehmen mußte.
Die nachfolgende, nach Massenkampfregeln durchgeführte Massenschlacht war zwar in 20 bis 30 Minuten vorbei, aber noch HAARSTRÄUBEND SPANNEND, da die Gegner einen ENORMEN zahlenmäßigen Vorteil an Truppen hatten, deren "Wertigkeit" aufgrund der hohen Anzahl an Untoten darin besonders hoch war. Somit hatten sie 10 zu 5 Tokens am Anfang. Das war ein Vorteil, der sich in schweren Verlusten für die SC-Seite ausgewirkt hat. Außerdem hatte der d6 Knowledge(Battle)-NSC auf Gegnerseite gerade in der letzten Runde, als auch die SC-Seite schon nicht mehr gut aussah, einen hoch explodierten Wurf auf Knowledge(Battle) hinbekommen. Da hatten drei Bennies auf SC-Seite glücklicherweise dafür gesorgt, daß die SCs mit nur noch 1 Token und die Gegner OHNE Token verblieben sind. - Das war so dermaßen knapp und so spannend, daß alle um den Tisch STANDEN, weil es hier - trotz aller vorherigen erfolgreichen Bemühungen - mit EINEM Wurf (und dem Kriegsglück der Gegner) DOCH noch zu einem Sieg der Feinde hätte kommen können!
Spannend, weil VIEL auf dem Spiel stand. Das hat man beim Massenkampfsystem in Savage Worlds aber öfter.
Eine erste Erfahrung war in der Befreiung eines ausgedehnt befestigten Gefangenenlagers. Die damals noch mit Knowledge(Battle) d4 eher unerfahrenen SCs hatten zwar das Lager befreit, aber von ihren vielen, auch gerade recht "wertigen" Truppen zwei Drittel verloren! - Das hat sie schwer mitgenommen und ihren Stand auf politischer Ebene mächtig ins Wanken gebracht.
Ich finde gerade das so toll am Massenkampfsystem: man hat groß dimensionierte Auseinandersetzungen, reduziert auf SCHNELL zu einer Entscheidung führende Regelmechanismen, die sich NICHT ÜBERPROPORTIONAL breit in der Gesamtgeschichte machen. - Man spielt ein paar Stunden, hat eine halbe Stunden eine Massenschlacht und kann danach wieder rollenspielerisch die Folgen, die Konsequenzen dieser Schlacht ausspielen. - Andererseits hat man, wenn man die Detailfülle für gerechtfertigt hält, immer die Möglichkeit statt Massenkampfsystem auch das normale miniaturenbasierte Kampfsystem zu verwenden.
Aus Sicht auf cinematisches Rollenspiel ist das abstraktere Massenkampfsystem eher wie die meisten Raumschlachten bei Babylon 5 zu sehen. Diese nehmen in einer Serienfolge NICHT den Hauptteil der Folgendauer ein, sondern das Spiel rund um die in der Schlacht ausgefochtenen Dinge und die persönlichen Einzelbeiträge der namentlich bekannten Hauptcharaktere. - Exakt das leistet das SW-Massenkampfsystem.
Das normale, miniaturenbasierte Kampfsystem für Kämpfe mit Hunderten Figuren zu verwenden ist hingegen eher wie ein Kriegsfilm, in welchem im DETAIL einzelne, persönliche Heldentaten, persönliches Scheitern und das Hin- und Her-Wogen der manövrierenden und sich in Kämpfe verwickelnden Einheiten im Fokus steht.
In ein und derselben Kampagne kann man problemlos BEIDES einbringen, da die Geschichte unterschiedliche Brennpunkte zu unterschiedlichen Zeiten erfordern kann.
Meine größte Schlacht hatte 80 Kombatanten: 40 Amerikaner gegen 40 Vietcong, mit automaischem Feuer, Raketen, Granaten, Artillerie, Nahkampf....
Das war hochdramatisch und dauerte 80 Minuten. Damals waren wir aber voll in den Weird Wars Regeln drin, mit den ganzen Sonderregeln.
Ja, modernes Kriegsgerät braucht in der Durchführung etwas länger als Fantasy-Schlachten. Mehr Optionen, mehr und andere Edges, schnellere Beweglichkeit mit Panzern, Hubschraubern, Hovercrafts, Jeeps, usw., gekontert von Minenfeldern, Anti-Tank-Waffen, etc. - Das ist schon anders als Reiterei, Bogenschützen, Speerträger, usw. zu führen.
Als wir nach längerer Pause wieder mal das gleiche Setting spielten, hatten wir eine Schlacht mit 12 Amis gegen 30 (oder so) Vietcong und brauchten knapp zwei Stunden. Wenn man anfangen muss, Regeln nachzuschlagen, oder auf manche Effekte von manchen Edges vergisst, dann dauert das einfach.
Savage Worlds hat recht einfach beherrschbare Regeln. Da wir aber STÄNDIG zwischen mehreren Kampagnen bzw. kurzen Szenarienfolgen "umschalten" kommen manche Regeln einfach aus der Übung. Wenn man eine Weile nicht mehr moderne Waffen im Spiel eingesetzt hat, dann macht man leicht mal Fehler bzw. vergißt wichtige Eigenschaften dieser Geräte und/oder Regeln zu selbigen (z.B. Zielfernrohre, Granatwerfer, Artilleriebeschuß usw.). - Dann braucht es ein wenig, um wieder reinzukommen.
Für EINSTEIGER kann ich NICHT empfehlen mehr als vielleicht 100 Figuren auf dem Tisch zu führen (dabei gehe ich davon aus, daß die SPIELER schon erfahren genug sind, daß sie von den 100 Figuren vielleicht 40 SELBST führen können). - Wenn das klappt, wenn das auch den Spielern SPASS gemacht hat, dann kann man mit der Zeit die Truppenstärken erhöhen. (Mein Eindruck: Solange man IMMER NOCH den Eindruck hat, daß man hier eine kriegerische Auseinandersetzung im ROLLENSPIEL spielt und nicht etwa ein Tabletop, solange ist man noch im "grünen Bereich". - Reduziert sich wirklich alles an Spielerinteresse nur noch auf die Kampfszenen, dann sollte man sich mal die kostenlos verfügbaren Savage Worlds Skirmish Tabletop Regeln "Showdown" anschauen. Das handelt NUR von Kampfszenen. Skirmish-Tabletop eben.)
Wer den Krieg bzw. die einzelnen Schlachten darin nur als Unterbau für das eigentliche Charakterspiel verwenden möchte, der ist mit dem abstrakten und SCHNELLEN Massenkampfsystem gut beraten. - Ein Beispiel für den fließenden Übergang für alle diese Aspekte im Rollenspiel gibt es mit der Savage Tale "The Highwater War", in welcher die SCs die herausgehobenen Personen am Hofe eines Fantasy-Königreiches spielen, das sich von einem Zweifrontenkrieg bedroht sieht. Hier ist politisches Spiel, einzelne Auseinandersetzungen, Meuchelversuche, Duelle, und natürlich die jeweiligen großen Schlachten im Kriegsverlauf an beiden Fronten miteinander vermischt. - Unserer Gruppe hat das als "Übungs-Szenario" (mehrere Spielsitzungen sollte man da schon einplanen) gut gefallen und uns (mich letztlich auch) für die Massenkampfszenen in unserer Fantasy-Kampagne vorbereitet. Da wußten dann alle, was auf sie zukommen wird, wenn sie in ähnlichen Positionen in unserer Hauskampagne einen Krieg führen wollen/müssen.
Ich kann die (nur als PDF erhältliche) Savage Tale Ausgabe #7 "The Highwater War" nur jedem empfehlen, der erfahren will, wie das Massenkampfsystem in das sonstige Savage Worlds Regelsystem integriert ist.