Majestic (Mystery, SF)

Tauri

Neuling
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23. Februar 2006
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Die Geschichte ist aus meiner Feder, Thomas Crawford ist ein Pseudonym von mir.
Kritik und Kommentare sind willkommen.

Majestic
von Thomas Crawford

Es regnete in Strömen. Die abgemähten Kornfelder hatten sich bereits vollgezogen wie ein nasser Schwamm. Regenperlvorhänge hingen über dem Land. Klopften beständig and ungeduldig an das Dach der alten Farm. Die rostigen Regentonnen liefen schon lange über und Chopper hatte sich in den hintersten Winkel seiner Hütte zusammengerollt. Bei diesem Wetter jagte man keinen Hund vor die Tür.

Chester Wiggin war kein Hund und er war vor der Tür. Ihm gehörte die Farm. Er stand draußen, während seine Unterhose sich mit Regenwasser vollzog, seine Stiefel bis zu den Knöcheln im Matsch versanken und starrte in den Himmel. Chester, 48, übergewichtig und ehemaliger Alkoholiker gehörte nicht zu den Leuten, die das Prasseln des Regens auf der Haut als Ekstase empfanden. Erfüllung und Zufriedenheit, dafür genügte Chester regelmäßiger Stuhlgang und ein gelegentliches Tittenmagazin. Dennoch stand er hier, 100 Meter von seiner Veranda, 105 Meter von seinem Kamin, entfernt und ließ sich in der nächtlichen Dunkelheit die Regentropfen auf die Gänsehaut prasseln.

Der Grund dafür lag, oder besser, schwebte über ihm. Drei Kugeln aus Regenbogenlicht tanzten vor den schwarzen Wolken ein stilles Ballet. Chesters Gedanken weigerten sich jedoch es Ballett zu nennen, Ballett war für Schwule und nicht für 50 Meter durchmessende Kugeln aus Licht.

Sie waren aufgetaucht während er sein zweite Portion Rührei mit Speck aß und in das flackernde Kaminfeuer starrte. Bei dem plötzlichen Licht dachte er zuerst an ein Gewitter, doch er wartete vergeblich auf den Donner. Als es nicht aufhörte stand er widerwillig auf und zog den Vorhang beiseite. Keine halbe Minute später stand er da, wo er jetzt stand und sah dem Schauspiel zu.

Die leuchtenden Regenbogenbälle schnellten völlig lautlos über den Himmel. Wie gigantische Hummeln im psychedelic Look summten sie von da nach dort und dort nach da, standen mal völlig still in der Luft, um dann wieder aus dem Stand loszuspurten.

In seiner Faszination und im eifrigen Regenprasseln bemerkte Chester nicht das Auto, das auf sein Land fuhr. Fuhr ist nicht der passende Ausdruck. Es lag nicht am Regen, dass Chester nichts bemerkte, der Motor des schwarzen Lincoln schnurrte leiser als eine tote Katze.

Einem aufmerksamen Beobachter wäre auch aufgefallen, dass die Reifen keine Spuren in dem durchweichten Boden hinterließen. Chester war kein aufmerksamer Beobachter.

Ihm entging völlig wie der Mann im schwarzen Anzug, den Regen ignorierend langsam aus dem Wagen stieg. Seelenruhig nahm er die Sonnenbrille aus der Brusttasche des schwarzen Jacketts, klappte das Gestell auseinander und setzte sie auf. Er überprüfte er den Sitz seiner Krawatte, als er fand, dass sie passend auf dem weißen Hemdkragen saß, erst dann schloss er mit Schwung die Tür.

Der Knall ließ Chester herumfahren.

Verwirrt glotzte er. Er bekam selten Besuch hier draußen. Sehr selten.

Der Neuankömmling brach das Schweigen, bevor es so peinlich wurde wie Eiweißflecke auf dem Kopfkissen. "Sehr seltsames Schauspiel." überflüssigerweise deutete er dabei zum Himmel. "Verdammte Scheiße, ja!", kommentierte Chester.

Eine Weile sahen beide still nach Oben.

"Ich sah die Raumschiffe vom Highway aus und suchte mir einen Weg um näher heranzukommen." Chester nickte nur. Das Wort Raumschiff unterlief sein akustisches Radar.

"Die Deltaner sind vom genehmigten Zielgebiet abgewichen. Anscheinend sind sie auf Anomalien gestoßen. Sie sind neugierige kleine Kerlchen."

Es pingte in Chesters Radar. Eine Meldung ging ans Oberkommando. Er drehte sich zu dem Fremden um und sah ihn fragend an. Der Mann im Anzug stand da und sah in den Himmel, als wäre es der übliche Sieben Uhr Bus an der Haltestelle. Nach einer Weile wandte er sich gelangweilt ab und sah Chester an.

"Sie sind Chester Wiggin, geboren am 08.07.1960. Highschool abgebrochen, 1976 heirateten sie Eileen Wiggin, geborene Wagner, verstorben 2001 durch einen Autounfall. Vor drei Jahren und 2 Monaten wurden sie auf der Intensivstation des Gram Court Memorial, wegen eines Leberschadens behandelt." Ruhiger, monotoner Tonfall, eine Stimme die offensichtliches für die etwas langsameren Zuschauer zusammenfasst.

Chester Augen wurden mit jeder Information die der Fremde herunterleierte größer. Als der Monolog beendet war reagierte er jedoch mit der für ihn typischen Reaktion: Zorn. Ein Fuß rutschte im Schlamm nach Hinten, sicheren Halt suchend. Die Hände zu Fäusten geballt. "Woher wissen sie das alles. Wer zur Hölle sind sie und was suchen sie verdammt noch mal auf meinem Land?!" Auf seiner Stirn legte der Zorn kleine Falten aus, die der eifrige Regen als Abfluss nutzte. Chester war über eins achtzig und trotz Fettansatz kräftig gebaut. Viele Leute wurden von seinem Zorn eingeschüchtert. Mr. Anzug hob eine Braue und rümpfte leicht die Nase, als hätte sein Gegenüber einen Fahren lassen.

"Mein Name ist Smith. Nur Smith. Die Tatsache, dass unsere deltanischen Freunde vom Plan abgewichen sind hat mein Kommen veranlasst. Sie haben etwas gesehen, dass sie nicht sehen sollten. Darum werde ich sie nun betäuben und ihnen anschließend eine Injektion geben, die einen Zusammenbruch ihrer Vitalfunktionen bewirkt. Für den untersuchenden Arzt wird es so aussehen, als hätten sie in erheblichem Maße Alkohol konsumiert, was ,in anbetracht ihrer Vorgeschichte, zu einem Versagen ihrer Leberfunktionen geführt hat. Die leeren Spirituosenflaschen, die man in ihrer Küche finden wird, werden diese These erhärten."

Chester schlug zu. Der Fremde wich ohne jegliche Mühe aus. Und hob angesichts solch primitiver Gewalt zur Abwechslung die andere Braue. Verdutz holte Chester zu einem weiteren Schlag mit seiner schwieligen Faust aus. Gleichzeitig huschte die Hand des Anzugsträgers in seine Hosentasche und zog ein kleines Handygroßes Gerät hervor. In aller Gemütsruhe wich er erneut Chesters Schlag aus. Dann hielt er ihm das Gerät vor die Nase. Die Bewegung seiner Hand wirkte dabei wie ein Schnittfehler im Film.

Chester hatte nicht mal mehr Zeit zum Blinzeln bevor ihn ein rotes Licht einhüllte und er sich keinen Millimeter mehr rühren konnte.

Smith drückte eine kleine Taste und Chester schwebte wenige Zentimeter über dem aufgeweichten Boden, wie ein fetter, regennasser Ballon in blauer Latzhose.

Smith steckte das Gerät wieder in die Tasche. "Ich verabreiche ihnen nun die Injektion. Sie werden keine Schmerzen spüren. Sie werden lediglich sterben." Der Injektor, eine eins zu eins Kopie aus Star Trek, zischte leise als er seinen Inhalt in Chesters Blutbahn abgab.

"Es wird nicht lange dauern. Vier bis fünf Minuten bei ihrer Konstitution. Ich werde in dieser Zeit die nötigen Requisiten deponieren." Er wandte sich von Chester ab, der das Brennen des Mittels in seiner Blutbahn spürte, aber nicht einmal dagegen Blinzeln konnte. Durch das Regenwasser in seinen Augen sah er Smith einen schwarzen Schirm aufspannen, eine braune Papiertüte aus dem Kofferraum nehmen und mit ihr unter dem Arm in sein Haus gehen. In der Tüte klapperten Glasflaschen.

Sein Blick wurde trübe und Schweiß stand auf seiner Stirn, sein Herz hämmerte. Smith kam wieder auf die Veranda hinaus. Den Schirm hatte er zusammengefaltet. Eine nasse Papiertüte, wo Chester doch laut inliegender Quittung alles schon vor zwei Tagen in Stans Drogeriemarkt gekauft hatte, solche Schnitzer passierten nicht. Smith nahm das Kätschen hervor, rückte Chester ein wenig nach hier, dann ein wenig nach dort, wie ein Künstler der nach der perfekten Pose für sein Modell sucht. Als er zufrieden war drückte er wieder die Taste an der Seite.

Chester spürte wie die Starre von ihm wich. Einen Augenblick war er erleichtert, doch dann begannen die Zuckungen. Von Krämpfen und spastischen Anfällen geschüttelt versuchte er verzweifelt wieder auf die Beine zu kommen. Es dauerte nicht lange und auch das hörte auf. Chester lag tot im Schlamm.

Smith besah sich das Setting. Alles war zu seiner Zufriedenheit. Der Regen würde seine Fußabdrücke verwischen. Aber nicht den Schlamm auf der Veranda. Er nahm schweigend wieder hinter dem Steuer des Lincoln Platz. Auf dem Beifahrersitz lag ein eine schuhkartongroße Metallbox. Smith berührte sie kurz.

Während langsam 8 Spinnenbeine aus der fugenlosen Metallhülle glitten, gab er ruhig Befehle in die Luft vor sich: "Spurenbeseitigung des Individuums Smith. Erzeuge Szenario übermäßigen Alkoholkonsums in Wohneinheit Küche. Kehre danach auf Ausgangsposition zurück."

Smith kurbelte das Fenster herunter und die quaderförmige Spinne machte sich eilig auf den Weg.

Smith wartete Geduldig. Keine zehn Minuten später hörte er die langen dürren Beine die Beifahrertür hochkrabbeln. Sie nahm wieder auf dem Beifahrersitz Platz, fuhr die Beine in den metallenen Leib ein und lag wieder so unbeweglich wie ein Ziegelstein.

Smith startete den Wagen und wendete vorsichtig um Chester herum. Das Auto, noch immer justiert keine Spuren zu hinterlassen, folgte den Lenkradbewegungen lautlos als er die Farm verließ und langsam wieder Richtung Highway fuhr. Das Navigationssystem zeigte ihm die Straße taghell, obwohl er in finsterer Nacht ohne Scheinwerfer fuhr.

Ruhig sprach Smith wieder: "Objekt wurde eliminiert. Ersatzerklärung für Ableben wurde bereitgestellt. Unvorhergesehene Ereignisse: keine. Bitte erneut um eine Rüge der deltanischen Besatzungen. Smith Ende."

Der Regen prasselte unbeeindruckt weiter auf Chesters Leiche nieder. Es regnete mit der selben stoischen Regelmäßigkeit wie seit über zwei Stunden. Als hätte das Wetter Angst, Smith könnte zurückkommen und auch es zum Schweigen bringen.


Du glaubst Men in Black war nur ein Film?
Falsch.

Sie sind da draußen und sie sind nicht deine Freunde.

Ende
 
AW: Majestic (Mystery, SF)

deprimierend pessimistisch, aber cool geschrieben, ;)
 
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