AW: Lehrlinge!
Das mit dem Abhängigkeitsverhältnis des Lehrlings vom Meister sehe ich als kein großes Hindernis. - Zum einen könnte man ja den Lehrling UND den Meister (z.B. von einem anderen Spieler gespielt) in derselben SC-Gruppe haben. Ebenso den Ritter und seine
Knappen. Oder den Kapitän und den Schiffsjungen. Oder den Adeligen und seine
Lakaien.
Vorlagen in Film und erst recht Literatur gibt es dafür ZUHAUF.
Rollenspiele, in denen man so etwas spielen kann, auch. - Sogar schon im alten AD&D 1st Ed. war ja der Titel, der zu jeder Stufe gehörte, ganz klares Maß für den Status, den ein solcher Charakter genoß. Nicht jede Klasse fing mit einem Lehrling an, aber die Klasse Thief fing mit "Rogue (Apprentice)" im 1. Level an, wurde zum vollwertigen "Thief" im 9. und war ab dem 10. Level ein "Master Thief". Bei den Druiden sah es auch so ähnlich aus, und auch bei den Clerics wurde man erst ab 3. Level ein "Priest". - Jedoch: Das Anfangsalter eines menschlichen Charakters war laut Regeln z.B. für einen Fighter zwischen 16 und 20 Jahren und für einen Magic-User zwischen 26 und 40 Jahren. Bei diesen Altersvorgaben für 1. Level Charaktere ist nicht viel sinnvoller Raum für "Lehrlinge".
Rollenspiele, die regeltechnische Unterstützung für das Spiel von Kindern/Jugendlichen bieten, gibt es natürlich auch. - Und hier kann man Schüler, Knappen, Lehrlinge, Pulverjungen, Laufburschen etc. erschaffen - wenn man das will und wenn man das INTERESSANT findet.
Oft ist es jedoch so, daß man bei der Wahl zwischen einem KOMPETENTEN, ausgebildeten Erwachsenen als SC und einem weit weniger kompetenten, noch mitten in der Ausbildung begriffenen Jugendlichen die Wahl zugunsten des SCs fallen läßt, der einfach bessere Überlebens-Chancen hat, mehr Erfolgs-Erlebnisse verspricht und einfach MEHR KANN.
Manche Regelsysteme bieten daher einen AUSGLEICH für die geringere Fertigkeits-/Magie-Kompetenz von jungen Lehrlingen an: mehr Heldenpunkte/Bennies/Glückspunkte/Dramapunkte/etc. - Das geht bei Buffy und das geht bei Pirates of the Spanish Main und anderen Rollenspielen ohne Probleme. In diesen Rollenspielen nimmt der junge, unerfahrene Charaktere die Rolle ein, die man solchen Charakteren in Film, Fernsehen und manchen Büchern zugesteht: neugierig, (hyper-)aktiv, frisch, unbefangen, ein AKTIONSTREIBER (im guten Sinne - im schlechten ist das der Archetyp "Nerviges Blag" - siehe Indiana Jones Teil 2 *kotz*).
In anderen Rollenspielen spielt man NUR LEHRLINGE als frisch erschaffene SCs. Z.B. Engel. Die Signums-Engel sind ganz klar "Azubi"-Engel. Sie haben ihre Grundausbildung, ihr Boot-Camp hinter sich, aber wissen noch NICHTS von der wahren Natur der "Jobs" dort draußen in der weiten Welt. - Eindeutig Lehrlings-Charaktere.
Zum Punkt, daß ein Midgard-SC einen abhängigen, alliierten NSC gleich von Anfang an in Diensten haben wollte: Das ist direkt von den Regeln nicht unterstützt. Somit kann man sich hier nur auf Nettigkeit des Spielleiters verlassen. - In anderen Regelsystemen, wo man sich Gefolgsleute, Sidekicks, etc. bei der Charaktererschaffung "kaufen" kann, wäre das kein Problem. In manchen Regelsystemen gehören solche Unterlinge auf den Ausrüstungsbogen des Charakters und sind keine vollwertigen Persönlichkeiten, sondern nur erweiterte Funktionen des eigentlichen Charakters (Pendragon, Ars Magica, HeroQuest).
Meine Erfahrung: Man findet Lehrlinge weit HÄUFIGER als Startcharaktere, als daß man WIRKLICHE MEISTER ihres Faches als Startcharakter spielen darf.
Wenn man sich mal anschaut, wo innerhalb der je nach Regelsystem möglichen Spanne an Kompetenz ein Anfangs-SC so liegt, dann befindet dieser sich weit häufiger am unteren Ende. - Er startet kaum kompetent, gerade mal so eben den Fittichen des Meisters entwachsen, frisch geweiht, mit seiner ersten Handvoll popeliger lame-ass-Zauber unterm Arm, mit mieser, billiger Rüstung und miesen, billigen Waffen ausgestattet (aus der Mottenkiste des Meisters).
Wenn man schon fragt, warum so wenige SCs als Lehrlinge starten, und wenn man dann die Antwort bekommt, daß die SCs doch lieber ein wenig kompetenter gewünscht werden, und man dann aber sieht WIE WENIG KOMPETENT in vielen Rollenspielregelsystemen die erwachsenen, die "ausgelernten" SCs tatsächlich sind, dann darf einen das nicht wundern.
Viele Rollenspiele bieten absolute lame-ass-Anfängercharaktere an. - Hier bewußt noch einen Schritt zurück zu gehen und einen Knappen, Lehrling, Pißpagen eines solchen lame-ass-Anfängercharakters als SC zu bauen, grenzt an Selbstverstümmelung.
Rollenspiele, die ORDENTLICH KOMPETENTE SCs gleich von Anfang an erlauben, sind selten. - Und diese haben dann ihre Unterlinge, Knappen, etc. meist als "laufende Ausrüstung" in völlig untergeordneter Form dabei.
Rollenspiele, die WIRKLICH MEISTERLICH KOMPETENTE SCs gleich von Anfang an erlauben, sind sogar noch seltener.
Altes Beispiel: Bei AD&D müßte ein wirklich meisterlicher Magic-User den Name-Level "Wizard" haben, also 11. Level. Ein Fighter müßte für einen Knappen den Name-Level "Lord", also 9. Level, haben. - Solche SCs sind nicht als Start-SCs vorgesehen, wären aber tatsächlich die meisterlich kompetenten SCs.
Daher mein Eindruck, daß man in Rollenspielen, in welchen ein "Aufstiegs-Szenario" eingebaut ist, weit häufiger mit "Lehrlingen" am Ende des letzten Lehrjahres startet, die wirklich krass weniger auf dem Kasten haben, als deren Meister.
In Punkte-Kauf-Systemen, wo "Kind" ein Nachteil sein kann, der mehr Charakterbastelpunkte gibt, hat ein jugendlicher Charakter normalerweise eine absolut vergleichbare Punktzahl (also auch potentielle Kompetenz), wie ein Charakter in vollem Saft oder wie ein verschrumpelter Alter Sack (tm) (auch ein Nachteil, der Punkte einbringt). - Hier, so meine Erfahrung, begegnet man altersmäßig öfter mal ganz jungen (und hoffentlich nicht nervigen) SCs wie auch ganz alten (und auch hoffentlich nicht nervigen) SCs. - Diese sind aber kompetenzmäßig mit "Normalalten" völlig vergleichbar. Ein paar Einschränkungen durch die Nachteile "Alt" oder "Kind" gibt es, jedoch sind diese in vergleichbarer Wirkungsstärke, wie man sie bei anderen Nachteilen wie Einarmig und dergleichen findet.
Meiner Erfahrung nach tauchen in meinen Runden NICHT zu wenige Lehrlinge auf. Eher zuwenige Meister (aufgrund Regelsystem-Charakter-Kompetenz-Deckelung für Anfänger-SCs).