Silvermane schrieb:
Hier kollidieren 2 Welten:
Auf der einen Seite D&D mit seinen inflationären Trefferpunkten, Stufen und anderen Designwehwehchen, und auf der anderen das, was man im allgemeinen Geschichte nennt.
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Es gibt Dinge, für die eignet sich D&D nicht. Eines davon ist konventioneller mittelalterlicher Krieg.
Da gibt es noch VIEL mehr, was nicht mehr stimmt, nicht mehr stimmen KANN, wenn man mal davon ausgeht, daß es in einer Fantasy-Welt Magier, Priester etc. mit den Fähigkeiten gibt, die bereits ein D&D-Charakter mäßiger Stufen draufhat (z.B. Feuerball, Fliegen, Unsichtbarkeit, ...).
Z.B. macht eine Burganlage nach mittelalterlichem Muster - d.h. ohne Gegner, die aus der Luft kommen können - keinen Sinn mehr, wenn in einer Welt Drachenreiter oder Fliegende Zauberer vorkommen können. Dann wären jegliche Innereien einer Burg schnellstens erobert und man hätte sich solche Konstruktionen wie Tortürme, Pechnasen etc. sparen können. Burgmauern halten so manchen Zaubern nicht Stand. Und wenn man mal Monster beschwören kann, dann laufen auch die willigsten Man-at-Arms davon und man hatte mal eine Armee.
Das Problem ist, daß solche auf hohem Powerlevel angesiedelten Charaktere, wie in D&D, auch eine Welt brauchen, die damit klarkommt. Damit will ich sagen, daß Magie WIRKLICH ÜBERALL vorkommen MUSS, wenn diese Welt funktionieren soll. Somit sind die Mauern einer Festung magisch verstärkt und weisen selbst Erdelementarwesen ab. Der offen erscheinende Innenhof ist mit Kraftfeldern oder Luftelementaren gesichert, die jeden Luftlandeversuch vereiteln. Es muß dann aber für Feldschlachten auch Zauber geben, die nicht nur einem Magier oder einem anderen Charakter die Rüstungsklasse erhöhen, sondern etwas in der Art: "Erhöhe Rüstungsklasse und alle Widerstände gegen Magie um +2 für eine ganze Kompanie". Solche Zauber sind sogar wirklich sinnvoller als nur einen megamächtigen Masssenvernichtzauber zu entwickeln oder zu lernen, da man so seine Armeen zäher macht und gleichzeitig ihren Kampfgeist gegen Übernatürliches stärkt. - Ach, und wenn die Kompanie trotzdem ins Gras beißt, so können - Alignment-Verträglichkeit vorausgesetzt - die Leichen als Skelette oder Zombies weiterkämpfen (Army of Darkness läßt grüßen: Ash! Ash! Ash!).
Es gibt Fantasy-Welten, in denen ein geringeres Machtniveau vorherrscht, so daß ein fantasy-mittelalterliches Äquivalent immer noch stimmig ist - z.B. Midgard.
Es gibt Fantasy-Welten, in denen dem sehr hohen Machtniveau Rechnung getragen wird, indem es in die "normale" Kultur der Welt eingebettet ist, so daß tatsächlich Magie eine ganz normale Sache ist - z.B. Glorantha.
Alle mir bekannten D&D, AD&D und D&D 3.x Welten bringen jedoch leider NICHT diese Stimmigkeit mit. Da muß man sich als Spieler oder Spielleiter immer sagen "Augen zu und durch! - Da darf ich garnicht drüber nachdenken." Solche Welten FUNKTIONIEREN NICHT. Das ist m.E. das tragische Element, daß alle Settings mitsichbringen, wenn sie ausschließlich den Spielercharakter im Fokus haben und dabei vergessen, daß die Charaktere eigentlich die herausragenden, seltenen Fälle sein sollen (außer eben in Glorantha, wo JEDER das Zeug zum Helden haben kann).
Daher mein Tip: sucht euch ein Spielsystem, daß neben dem SC-Fokus auch durchaus Truppen, Armeen, ganze Kriege spielbar gestalten kann und dessen Settings nicht von jetzt auf gleich in sich zusammenfallen müssen wie Kartenhäuser. Ich habe für High-Power-Fantasy schon vor gut 20 Jahren Glorantha entdeckt und seitdem keine andere auch nur vergleichbar konsequente Weltenentwicklung im Fantasy-Genre gesehen, die solch einem hohen Fantasy-Power-Level stimmig Rechnung trägt. Für low-powered Fantasy ist m.E. Midgard ausgezeichnet geeignet (auch wenn es das Lieblingsspiel aller GEW-Mitglieder zu sein scheint und man aufpassen muß, daß man sich beim Lesen keine Staublunge holt oder an traumatische Erlebnisse aus dem Mittelstufe-Erdkunde-Unterricht erinnert werden will).
Für mehr "D&D-like"-Fantasy habe ich auch etwas gefunden - Savage Worlds. Hier geht der Fokus vom einzelnen Charakter ohne wesentlichen Bruch bis zu ganzen Armeen. Wenn man Kriegsszenarien durchspielen will, in denen sowohl individuelle Charakterinteraktion als auch Massenschlachten Handlungselemente sein sollen, dann ist das meine inzwischen reichlich praxiserprobte Empfehlung. Und das beste: man kann das ganze D&D-Material nehmen, die d20-Stat-Blöcke wegschmeißen und trotzdem in den Settings spielen und seinen Spaß haben. Für mich hält Savage Worlds das, was d20 versprochen hatte.