SeelenBlut
Devil was an angel too
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Out of CharacterWieder ein Stück eines angefangenen Romans
"Ob ich schon wanderte im finsteren Tal fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich." wahrscheinlich würde der Pfarrer nie wieder aufhören zu reden, so kam es Kim wenigstens vor. Passend zu diesem Tag regnete es wie aus Kübeln, der Himmel weinte die Tränen die sie nicht los werden konnte. Noch immer hüllte sie die Trauer in ihrem eigenen Trancezustand. Neben der Trauer war da noch diese unsägliche Wut, wie gern hätte sie sich auf den eichenden Sargdeckel geworfen und geschrieen. "Du darfst mich nicht allein lassen. Du darfst einfach nicht." Es war vergebens, Granny würde sie nicht mehr hören. Ein tiefer Schluchzer schleuderte sie zurück ins Hier und Jetzt. Der Rasen unter ihren Füßen war aufgeweicht und Kims Boots schlammverkrustet, der Regen perlte von ihrer Nasenspitze wie ihre Tränen die nicht flossen .Neben ihr stand ihre Mutter, hinter ihr, ihr Vater der hinter seiner kleinen Familie aufragte wie der Fels in der Brandung, seinen Arm hatte er tröstend um die Taille seiner Frau geschlungen, die theatralisch über den Tod ihrer Schwiegermutter weinte. "Stell dich gerade hin, Kim und um Gottes Willen, hör endlich auf Kaugummi zu kauen hier wimmelt es von den Fotografen und der Presse." raunte er ihr ins Ohr während er auch seine Tochter tröstend an sich zog. Kim versteifte sich augenblicklich. Ihr Vater hatte sie noch nie in den Arm genommen, doch war Presse anwesend, wusste er sein Spielchen zu spielen. Es würde viele Wählerstimmen bringen, wenn sie sahen was er für ein treusorgender Familienvater er doch ist. Kim schloss die Augen, tief atmete sie ein und aus und spielte ernsthaft mit dem Gedanken sich einfach vor den Füßen ihres Vaters einfach zu übergeben, doch im Moment wurde der Zorn von der Trauer einfach in weiter Ferne gerückt.
Die Beerdigung nahm ihren Lauf, es wurde Mitleidbekundungen ausgesprochen und die Presse stürzte sich wie die Aasgeier auf die Milles. Eins müsste sie ihrem Vater ja lassen, er verstand sein Handwerk, vielleicht hätte er lieber Schauspieler anstatt Politiker werden sollen. Geschlossen verließ der Trauerzug den Friedhof, allerdings wäre Kim nicht Kim, wenn sie ihrer Großmutter nicht auf ihrer Weise "Auf Wiedersehen" sagen würde. Ermattet vom Chaos ihres Seelenlebens blieb sie stumm am Grab stehen, ja sollte der Regen sie doch aufweichen, ja vielleicht bekäme sie eine Lungenentzündung und starb auch. Beinahe gegen ihren Willen sah sie sich einige Tage zuvor. Selbst als sie allein am Krankenbett ihrer Granny gesessen hatte, blieben die Tränen aus. Es war das letzte Mal das sie miteinander reden sollten und Kim brachte es nicht über sich auch nur irgendetwas zu sagen. Doch Granny wusste es besser, sie wusste es immer besser. Tröstend hatte sie Kims Hand in ihre vor Gicht entstellten Hände genommen und leise geflüstert. "Du wirst deinen Weg schon gehen. Ich liebe dich, vergiss das nie." nein, sie hatte den Satz nicht erwidern können, dich ihre Oma lächelte nur verständnisvoll, bevor der nächste Krampf sie in die Bewusstlosigkeit gezwungen hatte. Sie war nicht mehr aufgewacht. Nun stand sie hier, am Grab ihrer Granny und schluchzte trocken wie ein verletztes Tier. "Ich liebe dich auch" flüsterte sie mit ihrer ungewöhnlichen tiefen Stimme. "Kim" fuhr ihr Vater sie vom Ende des regenunterspültem Weg an. "Kommst du nun endlich?" sie drehte sich um, ohne geweint zu haben.
"Sie war eine so tolle Frau" später an diesem Tag fand Kim sich in dem Haus ihrer Eltern wieder. Nein, es war nicht ihr Zuhause, den ihr Herz war niemals hier. Wie oft hatte sie diesen Satz heute schon gehört? Dreitausend Male? Doch es nützte nichts. Granny war tot, nichts würde sie zurück bringen und keiner dieser Schnösel hatte sie wirklich gekannt, am wenigsten ihr Sohn der Kims Erzeuger war. Ach, was hatte er gestern und heute schon alles an Tränen vergossen. Ja, sehr medienwirksam. "Kim, du solltest auch etwas essen." sprach ihre Mutter und drückte ihr einen Teller in die Hand. Natürlich passte das schwarze Chanelkostüm unvorstellbar gut zu ihrer Mutter. Selbst auf einer Beerdigung stellte sie mit ihrem Aussehen alle in den Schatten. Ja, so war es ungeheuer Medienwirksam. "Erstick dran" zischte Kim und schleuderte den Teller im hohen Bogen zu Boden. Sofort zog sie alle Blicke auf sich und im Salon war es still, Kim drehte sich um und stürmte die Treppe hinauf. "Sie hat sehr an ihrer Großmutter gehangen" versuchte Justine die Situation zu retten, ein Teil der Gäste starrten verständnisvoll Kim hinterher, während der Rest ihre Unterhaltung wieder aufnahm.
Kim donnerte ihre Zimmertür so fest zu wie sie nur konnte, hatte zu Folge das ein Stück Holz aus der Türzarge brach. Die Trauer war vergessen, es zählte nur noch die Wut und ihr unbändiger Zorn. Warum war sie mit solchen Idioten bestraft? Ihre tiefblauen Augen flammten auf vor Zorn, als sie nun ihr Ankleidehöckerchen mit aller Wucht gegen die Wand schleuderte. Verrecken sollten sie, alle, erbärmlich. Ihre Wut war so stark, das sie beinahe zu glauben schien, sie könnte spüren wie der Zorn ihr Blut in Gift verwandelte und durch jede Vene raste und es wurde nicht weniger selbst als sie ihr Zimmer in Einzelteile zerpflückte. Irgendwann war die Erschöpfung größer als der Hass gegen sich selbst. Konnte der Tag noch schlimmer werden? Ja, er konnte als sich der altbekannte Kopfschmerz meldete und so stark wurde das vor ihren Augen bunte Lichter flackerten. Der metallene Geschmack in ihrem Mund wurde innerhalb von Sekunden so stark, dass sie ins Badezimmer stürmte um Galle zu spucken. Schnell, schnell...schnell, trieb sie sich im Geiste an, selbst als sie wieder würgen musste. Im Toilettenkasten fand sie das wonach sie gierte, nein sie hatte keine Zeit mehr zu verlieren, wenn sie sich gleich nicht zitternd und bewusstlos auf dem Boden wiederfinden wollte. Ihre Hände zitterten bereits so stark, dass sie das Plastiktütchen mit den Zähnen aufriss. So häufte sie etwas von dem weißen Pulver und schniefte es tief in die Nase, als sei es Schnupftabak. Das Spiel wiederholte sie...einmal....zweimal....dreimal. Minuten später schleppte sie sich in ihr verwüstete Zimmer zurück und ließ sich auf ihr Bett fallen. Nun war da nicht nur Zorn und Trauer, nein der Selbstekel ließ nicht lang auf sich warten und wieder kamen keine Tränen.