AW: Ist ein Setting ein Rollenspiel?
Skar schrieb:
Gut, es [der reine Settingband zur Spielwelt Glorantha] ist kein Rollenspiel.
Genau.
Skar schrieb:
Ein Regelband ohne Setting aber auch nicht.
Falsch. Ein Regelband ohne Setting ist vollkommen ausreichend. Vor allem, wenn bei Rollenspielen wie Sorcerer&Sword das Erschaffen des Settings während des Spielens explizit Teil des Regelkonzeptes ist. Aber auch Minimalsysteme wie Risus kann man sofort losspielen und das Setting "on the fly" erschaffen. - Meine Güte, früher hatten wir (Basic-)D&D, AD&D etc. OHNE JEGLICHES Setting gespielt (ja die World of Greyhawk gab es, aber die hatte keiner von uns damals gekauft, weil es viel zu interessant war, selbst eine Fantasywelt zu basteln). Meist fing es mit einer kleine Ecke der Welt an, wo der erste Spielleiter (wir haben immer reihum gewechselt) seinen kleinen Landstrich für die ersten Szenarien grob skizziert hatte. Dann hatten die Spieler ihre Vorstellungen von den Hintergründen und Herkunftsländern ihre Charaktere und die wurden da mit drangezeichnet und dazugeschrieben. Und dann kam der nächste Spielleiter, und der brauchte für seine Abenteuer-Idee eine bestimmte Gegend (z.B. Wüste, 1001 Nacht-Arabien als kultureller Hintergrund). Die wurde dann irgendwie passend (oder auch nicht passend) an das meist europäisch-mittelalterliche bisherige Machwerk an Welt angepappt. - Und so konnten wir jahrelang mit Spaß spielen.
Setting braucht kein Mensch. Regeln hingegen (und seien sie noch so minimal) braucht man sogar bei den spielleiterlosen Gruppengeschichtenerzähl-Sitzungen (persönlicher Geschmack: für mich gehört zum typischen Rollenspiel auch die Rolle des Spielleiters dazu. Die MUSS im Regelkontext definiert sein, auch wenn sie temporär oder regelmäßig von Spieler zu Spieler wechselt. Ist keinerlei Spielleitung (als Funktion nicht unbeding als Person) vorhanden, dann hat man was anderes als Rollenspiel, dann ist man - insbesondere bei den Online-Erzählkränzchen oder den Chat-Palavern - ohne eine Instanz, die den Rest der Welt darstellt. Und das ist dann für mich gemeinsames Erzählen, Gruppen-Geschichtenschreiben, aber kein Rollenspiel mehr.).
Selbst bei DRASTIC-Spielsitzungen muß es Mechanismen geben, nach denen der Zugriff auf die Elemente der Erzählung geregelt wird (und wenn es per Konsens aller Spieler, per Zuruf passiert), da sonst keine Struktur sich entwickeln kann - somit auch kein Rollenspiel.
Es gibt jedenfalls einen Riesenhaufen an Regelwerken, die ohne jegliches Setting komplette Rollenspiele sind. GURPS, Hero, Risus, Fate, Fuzion, Fudge, Savage Worlds, BRP, Active Exploits, Universalis, Sorcerer, Tristat, ...
Skar schrieb:
Sagen wir also ein Regelband ohne Setting ist gleichwetig zu einem Setting ohne Regelband.
Sagen wir lieber: Ein Regelband ohne Setting ist ein Rollenspiel. Ein Setting ohne Regelband ist nur Zubehör, jedoch KEIN Rollenspiel.
Vielleicht noch einmal etwas zu dem, was ein Rollenspiel nach meinem Gefühl ausmacht:
Regeln + Setting + Spieler + Spielleiter
Man kann manches miteinander vermischen: Setting und Regeln sind meist in einem eigenständigen Rollenspiel miteinander vermischt, außer die Regeln sind als "nacktes" Regelsystem zu bekommen. Dann - wie bei D20 oft der Fall - hat das Setting nur die Spezialregeln, aber nicht alle Regeln zum Spielen.
Spieler und Spielleiter sind bei manchen Spielen von der Funktion her nicht so leicht einer Person zuzuordnen. Da wird eher um das Erzählrecht oder um die Gestaltung des Plots oder des Settings ein Regelmechanismus in Kraft gesetzt, der - wie bei InSpectres oder The Pool - entscheidet, wer denn nun weitererzählen darf, bzw. es wird - wie im Engel-Arkana-System - das Erzählrecht für eine begrenzte Situation an einen Spieler (den Kartenziehenden und -interpretierenden) abgegeben.
Ohne Setting macht sich der Spielleiter allein (und meist vorab) oder Spieler und Spielleiter gemeinsam daran das Setting im Spielverlauf mitzudefinieren (siehe Sorcerer oder auch InSpectres).
Ohne Regeln wird es schwierig: hier kommt die Vertragsbedeutung, die ein - wie dünn auch immer formuliertes - Regelwerk hat, um das Miteinanderspielen zu steuern und Konflikte zwischen den SPIELENDEN (nicht etwa zwischen den Charakteren) zu vermeiden, zum tragen.
Ohne Regeln gibt es böses Blut, setzt sich der Lauteste, der Gröbste, der Schnellste durch. Ohne Regeln wird das Gebilde einer Spielwelt mit FUNKTIONIERENDEN GESETZMÄßIGKEITEN für die SPIELER erschüttert! (Da gibt es einen schönen KoDT-Comic dazu, als die Knights bei einem Hackmaster-Tournament als Spielleiter den 8-jährigen Sohn von Gary Jackson, Mr. Hackmaster persönlich, abbekamen. Dieser kannte die Regeln nicht oder ignorierte sie einfach und erschütterte das gesamte Weltgefüge für die Spielergruppe.)
Wir hatten schon im Forum diverse Male die Begriffe "Spielleiterwillkür", "Spieler-Willkür" (z.B. im RoaS-Thread). Regeln dienen dazu die Entfaltung beider Rollen im Spiel gleichermaßen zu reglementieren und zu beschneiden, wie die Freiräume aufzuzeigen. Das vornehmlich dazu, daß Willkür, Unsicherheiten, Unfairness, und generell Streit am Tisch möglichst vermieden werde (immer funktioniert das natürlich auch nicht, da Menschen Konflikte brauchen, auch miteinander - nicht nur zwischen den Charakteren).
Wenn man ohne Regeln klar käme, warum gibt es dann überhaupt Regelsysteme ohne Settings bzw. mit "nachgereichten" Settings bzw. mit dem Bedienen der Standard-Genres als Add-Ons (GURPS Space, GURPS Magic, GURPS Steampunk - sind ja alles keine eigenen Settings, sondern Bastelkästen mit Bausteinen für Settings)?
Ein Sachbuch allein ist kein Rollenspiel.
Ein Sachbuch + Spielleiter ist kein Rollenspiel.
Ein Sachbuch + Spielleiter + Spieler ist kein Rollenspiel.
Ein Sachbuch + Spielleiter + Spieler + REGELN ist ein Rollenspiel (besser KANN ein Rollenspiel sein, wenn man Arbeit in die Aufbereitung des Sachbuches als Rollenspielsetting steckt).
Dieser Thread kam aus der Aufzählung von Rollenspielen. Wenn man wirklich verschiedene Rollenspiele aufzählen wollte, dann sollte man besser die Settingbände und ALLES SONSTIGE ZUBEHÖR weglassen. - Sobald man reine Settingbände mitzählt, dann muß man eigentlich auch Zubehörbände wie Monsterhandbücher, Zauberlistenbände, Waffenkompendien, Zusatzregeln, und und und hinzuzählen (die auch alle KEINE Rollenspiele, sondern nur Beiwerk sind).